"Die eiserne Welt" von Sabine Wassermann
Das phantastische Reich Argad ist in den letzten Jahrzehnten immer mehr den Folgen eines Fluches der Götter anheim gefallen. Die ganze Welt verdorrt in regenloser Hitze. Der Fluch könnte dadurch gelöst werden, dass die zwei Völker den Krieg beilegten, der ihn auslöste. Eine Delegation wird in die endlose Todesebene gesandt, um die ehemaligen Feinde zu finden und die Hand zum Frieden zu reichen. Diese Gesandten werden vom Ersten der Zehn angeführt, einem starken aber ebenso ungeduldigen Krieger, dem vertrauten Leibwächter des Königs. Und einer sehr jungen Frau aus einer anderen Welt, die unvermittelt in diese wechselte, auserwählt durch den einzigen Gott, der voll Mitleid helfen möchte - und es doch nicht selber kann, da die anderen ihn der Welt fernhalten. Seine Gabe an die Fremde ist kostbar und macht sie unverzichtbar, denn er gibt ihr die Fähigkeit, Wasser zu schaffen. Soweit, so gut. Doch was, wenn die junge Frau eine Berliner Gelehrtentochter aus dem Jahr 1895 ist, streng erzogen in der "eisernen Welt" des Kaiserreiches? Ein Korsett ist ebenso wenig für die Reise durch eine Wüste geeignet, wie großbürgerliche Tischmanieren für die Flucht vor nomadischen Sklavenhändlern. Doch dann holen die belächelten Erzählungen von pferdelosen Gespannen, magischem Licht und lärmenden Metallmonstern den Krieger ein und er muss erkennen, dass die rothaarige Frau beispiellosen Mut und Überlebenswillen aufgebracht haben musste, um sich nach dem Weltenwechsel durchzukämpfen.
In dieser Geschichte treffen Welten aufeinander. Wüstenvölker mit der industriellen Revolution, Magie mit Realismus, Sklaverei mit Emanzipation und nicht zuletzt Mann und Frau. Wer den Klappentext des Buches liest, dürfte unweigerlich in die gleiche Falle tappen, wie ich es tat und mit völlig verfrühten Erwartungen an den Stoff gehen. Was dort zu lesen ist, geschieht in der Geschichte erst nach der Hälfte des über 650 Seiten starken Bandes! Dadurch zog sich für mich alles elendig in die Länge. Ab Mitte des Buches kippt dann der Erzählstrang aber doch endlich, so dass es richtiggehend spannend wird. Zum Ende hin gibt es sogar eine regelrecht sehenswerte Steigung mit wahrer Liebe, Prophezeiungen und viel Zerstörung. Meine größte Schwierigkeit mit dem Roman war, dass er mitten in der Handlung beginnt. Ständige Rückblicke in wichtige Ereignisse, die der Leser so aber nur bruchstückhaft erfährt, vermitteln den Eindruck, dass es sich um einen Zweiten Band einer Reihe handelt. Das wird durch die Danksagung am Ende unterstrichen, in der die Autorin ihren Dank für die Unterstützung "für die Fortsetzung" äußert, ohne dass ersichtlich wäre, was als erster Band gilt. Dazu kommen Bettszenen, deren regelmäßig eingestreute, sinnlose Anhäufung irgendwann beim Lesen nervt.
Insgesamt muss man scheint' s sowohl ein Faible für Steampunk als auch eines für die Nomadenkultur haben und etwas unbefangener an das Buch herangehen, als ich es tat. Wenn dem so ist, dann bekommt man auf jeden Fall eine mystische Fantasygeschichte, die ein wenig aus dem Rahmen des Genres fällt.
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