'Als ich ein kleiner Junge war'- Erich Kästner
'Erich Kästner'- Isa Schikorsky
'Die Zeit ist kaputt- Die Lebensgeschichte des Erich Kästner'- Klaus Kordon
'Erich Kästner- Eine Biographie'- Franz Josef Görtz & Hans Sarkowicz
Und ich kann nur sagen: Ein Wunder, dass dieser Mann so lange gelebt hat. Bzw. dem Alkohol erst so spät verfallen ist. Meine Güte.. Also ein paar mal musste ich echt Pause machen.
Eine dieser Stellen war:
"Meine Mutter blickte weder nach links noch nach rechts", berichtet er in seinen Erinnerungen. "Sie liebte mich und niemanden sonst. Sie war gut zu mir, und darin erschöpfte sich ihre Güte. Sie schenkte mir ihren Frohsinn, und für andere blieb nichts übrig... Darum erschien sie allen anderen kalt, streng, hochmütig, selbstherrlich, unduldsam und egoistisch... Das machte sie unglücklich. Das trieb sie manchmal zur Verzweiflung."
Diese Verzweiflung geht so weit, dass der Sohn, wenn er aus der Schule heimkommt, in der Küche öfter einen hasitg bekritzelten Zettel vorfindet. "Ich kann nicht mehr! Sucht mich nicht!" steht darauf. Und: "Leb wohl, mein lieber Junge!" Dann jagt Erich, "von wilder Angst gehetzt und gepeitscht, laut weinend und fast blind vor Tränen, durch die Straßen, elbwärts und den steinernen Brücken entgegen. Die Schläfen hämmerten. Der Kopf dröhnte. Das Herz raste. Ich lief in Passanten hinen, sie schimpften, und ich jagte weiter. Ich taumelte vor Atemlosigkeit, schwitzte und fror, fiel hin, rappelte mich hoch, merkte nicht, dass ich blutete und jagte weiter. Wo konnte sie sein? Würde ich sie finden? Hatte sie sich etwas angetan? War sie gerettet worden? War es noch Zeit, oder war es zu spät? 'Mutti, Mutti, Mutti?' stammelte ich in einem fort und rannte um ihr Leben. 'Mutti, Mutti, Mutti!' Mir fiel nichts weiter ein. Es war bei diesem Wettlauf mit dem Tod mein einziges, endloses Gebet."
Er findet sie fast jedesmal. Bewegungslos steht sie auf einer der Brücken und starrt ins Wasser. Er ruft sie, packt sie, zerrt an ihr, umarmt sie, schreit, weint und schüttelt sie, bis sie endlich wieder zu sich kommt. "Jetzt erst erkannte sie mich. Jetzt erst merkte sie, wo wir waren. Jetzt erst erschrak sie. Jetzt erst konnte sie weinen und mich fest an sich drücken und mühsam und heiser sagen: 'Kommt, mein Junge, bring mich nach Hause!' Und nach den ersten zaghaften Schritten flüsterte sie: 'Es ist schon wieder gut.'"
Manchmal findet der Sohn die Mutter nicht. Dann irrt er ratlos von einer Brücke zur anderen, immer in der Angst, Boote zu entdecken, von denen aus mit Stangen nach ihr gefischt wird. Ist er endlich wieder zu Hause, schläft er vor Erschöpfung ein. Wenn er aufwach, sitzt sie neben ihm, versucht zu lächeln, und er bekommt wieder dieses "Es ist schon wieder gut" zu hören.
Zu der Zeit ist er noch nichtmal zehn. Und das ist nur ein Teil der ganzen Miesere..
Jetzt hat er definitiv noch mehr meiner Hochachtung als vorher schon.
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