„Der Kinderdieb“ (OT: „The Child Thief“) ist ein Fantasyroman des amerikanischen Gothic Fantasy-Illustrators und Fantasyschriftstellers Gerald Brom, welcher eine Neuinterpretation des Peter Pan-Motivs behandelt. Das Buch beinhaltet zahlreiche, teils farbige, Illustrationen.
Inhalt:
Nick muss vor dem älteren Marko fliehen, den er gerade um eine Tasche Drogen gebracht hat. Doch Markos Schläger spüren ihn im Stadtpark auf. Nick glaubt schon, dass sein letztes Stündlein geschlagen hätte, doch da rettet ihn ein seltsamer Junge mit goldenen Augen und spitzen Ohren, der ihm von einer Insel ohne Erwachsene vorschwärmt, auf der Kinder frei sind und alles tun und lassen können, was sie wollen- und ein Leben voller spannender Abenteuer leben können. Nick folgt dem anderen, Peter, in den New Yorker Hafen und schließlich ihn eine Nebelwand hinein. Hier merkt er schon, dass Peter nicht ganz ehrlich war: überall liegen Skelette, und die Nebelgeister bringen ihn fast um den Verstand. Als er sich endlich jenseits des Nebels auf der Insel Avalon befindet, wird er von einer Horde Verrückter angegriffen, die ihn augenscheinlich fressen wollen.
Dabei sind die „Teufel“ noch nicht einmal sein größtes Problem: die Magie der Insel verändert alle, die sich auf ihr befinden. Da Kinder noch ein wenig Magie in sich tragen, werden sie wie Peter. Die Erwachsenen hingegen, die zur Zeit der Pilgerväter zufällig auf die Insel gelangten, wurden zu Dämonengeschöpfen. Und dann sind da noch die ursprünglichen Bewohner der Insel, die mit Menschen, egal wie alt, kaum etwas zu tun haben wollen.
Außerdem hat Peter noch seine ganz eigenen Feinde: eine Hexe will sein Auge und der Nachkomme des „Gehörnten“ möchte ihn am liebsten filetieren. Doch er braucht die Kinder, um seinen Krieg gegen die bösen „Fleischfresser“ zu führen, und holt deshalb immer mehr und mehr Kinder- egal, wie viele sterben.
Nick findet sich schon bald in einem Krieg zwischen allen Fronten wieder und muss sich für eine Seite entscheiden und ganz nebenbei auch noch herausfinden, was er denn wirklich will…
Mein Fazit:
Diese Neuinterpretation des Peter Pan-Mythos ist in meinen Augen rundweg gelungen. Vieles, was in der Kinderbuchversion noch naiv überlesen werden kann, wird einem hier drastisch vor Augen geführt. Blutrünstige Piraten, aber auch blutrünstige Kinder, und irgendwann verschwimmen die Grenzen zwischen dem, was moralisch erlaubt sein sollte dem Durst nach Rache. Die Gewaltdarstellungen sind zwar mitunter heftig, aber nicht explizit und gehören in die Geschichte hinein.
Insbesondere die Interpretation des Peter ist überaus glaubwürdig. Seine Handlungen sind nachvollziehbar und in sich logisch. Wenn man seinen Lebens- und Leidensweg miterlebt, fragt man sich unwillkürlich: hatte er überhaupt eine andere Wahl, als so zu werden, wie er jetzt ist? Über weite Teile seiner Existenz hinweg wurde er nur benutzt und benutzt demzufolge auch andere- war es doch das Einzige, was er je gelernt hat. Erst als er sein Erbe, welches dann doch etwas vorhersehbar kommt, annimmt und in gewisser Weise erwachsen wird, kann er sich aus allen Gespinsten um sich herum befreien und seine eigenen Entscheidungen treffen- und doch bleibt er sich selbst und seinem vorherigen Leben treu, allerdings meint man, dass sein Traum von einem ewigen Leben voller Spiel und Abenteuer erst jetzt richtig beginnt.
Der Autor thematisiert auch deutlich den inneren Konflikt, den Nick austragen muss: von seiner Mutter allein gelassen, folgt er Peter; aber auch der belügt und benutzt ihn. Im Kampf um Avalon scheinen die Rollen klar verteilt: die „guten“ Fabelwesen gegen die „bösen“ Erwachsenen und Christen, aber auf beiden Seiten gibt es Helden und Schurken, kleine Grausamkeiten ebenso wie Selbstlosigkeit. Doch die Fronten sind so verhärtet, dass es nur noch auf ein großes Finale hinauslaufen kann. Doch letztendlich findet Nick seinen eigenen Weg, den er auch konsequent bis zum Ende geht.
Und im Endeffekt sind es dann doch die mystischen und glorifizierten Fabelwesen, deren Abgang einen schalen Beigeschmack hinterlässt und ein kleines bisschen an das Ende der eigenen Kindheit denken lässt, wenn man erkennt, dass die Welt eben nicht verzaubert ist und die Helden der Kindheit ebenso Fehler und Makel machen wie man selbst.
Was bleibt? Ein ungemein spannendes Buch mit einem Hauptcharakter, der einem aus jeder Seite entgegenspringt, dessen freches Grinsen einen noch aus den Seiten des Buches heraus anlacht und den man doch, trotz allem, um seine unglaubliche Freiheit beneidet. Eine Freiheit, die mit viel Blut, Qualen, Tod, Verlust, aber auch Neubeginn erkauft ist. Peter findet seine Heimat schließlich in ihm selbst und überall dort, wo er ist- also passt auf, wer nachts an eure Fenster klopft, und lasst euch nicht von dem grinsenden goldäugigen Jungen entführen, und wenn er noch so sehr lockt…
_________________ Vor 500 Jahren wussten wir, dass die Erde eine Scheibe ist. Heute wissen wir, dass sie eine Kugel ist. Stell dir vor, was wir in 500 Jahren wissen werden!
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