Unmenschliches Handeln

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von Gefreite Ophelia Ziegenberger (RUM)
Online seit 01. 08. 2005
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 Außerdem kommen vor: Søren EltsamRomulus von GrauhaarStump von SchwampAxtspalterKolumbiniAgnetha vom AnkhThymian PechTricia McMillanKathiopejaThask Verschoor

Die Zuständigkeiten der Abteilung R.U.M. sind klar: Schwerer Raub und unlizensierter Mord.
Sind Zusammenhänge und Schlussfolgerungen es aber ebenfalls immer in dieser Deutlichkeit?

Dafür vergebene Note: 12

Sie irrte durch die Straßen. Sie war nicht in Gedanken versunken, denn es gab keinen klaren Gedanken mehr in ihrem Sinn! Die groben Kanten des Kopfsteinpflasters unter ihren Füßen bohrten sich durch die dünnen Sohlen. Diese Kanten waren das Einzige, was sie noch fühlte. Ihr Blick schweifte direkt über die vor ihr liegende Straße. Steine, Kanten und Dreck. Der Dreck verschwamm vor ihren Augen, durch die Tränen, die ihr über das blasse Gesicht liefen.
Wo waren die Bäume hin? Ihr stetes, beruhigendes Rauschen? Sie vermisste es so sehr, dieses einwiegende Geräusch, das vertraute Sicherheit versprach. Der Gedanke ließ sie blinzeln und weitere Tränen hinterließen feuchte Spuren auf den Wangen. Sie blieb irritiert stehen.
Wo war sie? Ach ja... Ein Schluchzer löste sich.
Wie habe ich das nur verdrängen können? Hier gibt es in der Tat keine Bäume. Nein, hier nicht. Dies ist Ankh-Morpork, ein stinkender, hustender Koloss aus unbeweglichen Wohnquadern und verrottenden Löchern für das wimmelnde menschliche Ungeziefer. Sie korrigierte sich fast emotionslos:
Der Vergleich mit der Tierwelt hinkt. Die anderen Wesen, die aufrecht laufenden, sind weitaus verachtenswerter!
Tschappies Bild tauchte wieder aus den schwarzen Seen ihrer Erinnerung auf. Sie presste sich die Faust an die bebenden Lippen.
Wie hat er nur so grausam sein können? Tschappie hat nie einer Menschenseele etwas zu Leide getan! Ach, wäre ich doch in Überwald geblieben. Dann wäre Tschappie jetzt vielleicht noch am Leben.
Sie wischte sich mit den behandschuhten Fingern über die rotgeweinten Augen. Er sollte dafür büßen! Genug, dass er sie ausgenutzt und verspottet hatte. Das konnte sie nicht zum Vorwurf machen und dagegen klagen. Wen in dieser Stadt würde das schon interessieren, zumal ohne jegliche Beweise! Sie hatte über die Gilden gelesen. Hier waren viele Dinge "lizenziert". Das hatte Ereignisse zur Folge, die dem gesunden Menschenverstand nicht nachvollziehbar waren. Zumindest dem ihren nicht. Und die Leute hier waren roh und hart zueinander. Sie hatte erst vor zwei Tagen einen Überall auf offenem Gehweg beobachtet, der völlig unbestraft von Statten ging. Niemand hatte sich dafür interessiert oder war dem Opfer zur Hilfe geeilt. Da war wieder dieser Zettel gewesen, der anschließend ausgestellt wurde und alles zu entschuldigen schien. Das alles machte sie krank! Die fremden Gerüche und Geräusche, die schlechte Luft und das blasse Licht.
Ich muss wieder zurück, nach Hause. In Überwald rauschen die Bäume noch. Dort gibt es die Berge mit ihren Schluchten, den kräftigen, frischen Wind in den Tannen. Auch, wenn die Einsamkeit dort schmerzlich sein wird – ohne Tschappie. Sie suchte hastig in den Kleidertaschen nach einem Tuch und schnäuzte sich.
Aber bevor ich gehe, bevor ich dieses Ungeheuer von Ansiedlung verlasse, das den Verstand vergiftet, sollst du dafür büßen, was du ihm angetan hast, Gregor!

"Ich... es tut mir leid Ma'am. Ich bin... vielleicht könnten Sie bitte einen Moment hier warten, damit ich nachfragen kann?"
Der Gefreite Ruth streckte in einer beruhigenden Geste beide Hände der aufgelösten Frau am Wachetresen entgegen. Sie kämpfte deutlich mit den Tränen, erwiderte jedoch nichts. Er interpretierte die Bewegung ihres Kopfes als angedeutetes Nicken.
"Sehr gut. Ich beeile mich. Bitte, setzen Sie sich doch derweil dort drüben, ich bin so schnell wie möglich zurück." Er deutete auf die wacklige Holzbank seitlich des Tresens.
Die Frau klammerte sich krampfhaft an ihre Handtasche, wandte sich jedoch schweigend der Sitzgelegenheit zu.
"Timmy...", der junge Mann flüsterte dem stattlichen Rekruten neben ihm, mit dem er heute die Schicht teilte, zu: "Ich weiß das wirklich nicht. Ich lauf schnell hoch zur Chefin und frag nach. Ich beeil mich auch. Du hältst die Stellung?"
"Natürlich, was denkst du denn?" Der Moloss in Ausbildung runzelte die Stirn. "Aber mach hinne."
"Klar. Bis gleich." Herold rannte die zwei Etagen hoch und kam schnaufend vor der Tür seiner Abteilungsleiterin zum Stehen. Doch er nahm sich nicht die Zeit, erst wieder zu Atem zu kommen. Der Tresen sollte immer doppelt besetzt sein – schon jeder Rekrut bekam das eingebläut. Ausnahmen wurden kaum gestattet und selbst in solchen Fällen wie diesem, die einen echten Interessenkonflikt darstellten, richteten sich einem ehemaligen Rekruten noch die Nackenhaare auf, bei den unweigerlichen Gedankenketten.
Sein Klopfen war kaum verklungen, als von Drinnen ein ruhiges "Herein!" befehlsgewohnt Einlass gewährte.
"Ma'am!" Der Püschologe in Ausbildung trat verschüchtert näher und salutierte. "Gefreiter Ruth, Ma‘am! Ich habe eine dringende Frage, wegen einer Bürgerin, die unten am Tresen steht und eine Anzeige aufgeben möchte."
Die junge Frau hinter dem Schreibtisch sah ihn kühl und mit hoch gezogenen Brauen an. "Was daran ist so ungewöhnlich, dass du deinen Kollegen alleine lässt, mit seiner Verantwortung?"
Herold wurde etwas rot im Gesicht, fasste sich aber gleich darauf wieder. "Die Dame... also... ich weiß nicht, ob das geht? Sie will einen Mörder anzeigen, wie sie sagt aber..."
Oberleutnant Lanfear legte das Blatt aus ihrer Hand vor sich ab. "Und? Eine hervorragende Möglichkeit für dich, das Protokoll aufzunehmen. Nicht umsonst arbeiten wir für R.U.M."
"Ja... aber..." Er seufzte tief. "Ma'am, sie möchte jemanden anzeigen, weil er ihren Hund getötet haben soll!" Unsicher fragte er: "Sind wir für so etwas verantwortlich?"
Irinas eine Braue wanderte noch etwas höher, dem Haaransatz entgegen. "Mach dich nicht lächerlich, Junge. Wofür steht unsere Abteilung?"
Er senkte verlegen den Blick und rezitierte aus den Unterlagen, die er erst kürzlich für abgehakt befunden und zuunterst im Schrank verstaut hatte: "R.U.M. steht für die Verbrechensbekämpfung in den Bereichen schwerer Raub und unlizenzierter Mord."
Die Abteilungsleiterin nickte. "Ich nehme nicht an, dass ihr 'Hund' zufälligerweise ein Werwolf war? Oder eine andere einigermaßen intelligente Spezies?"
Der Gefreite schüttelte unsicher den Kopf. "Davon hat sie nichts gesagt, Ma'am."
"Dann sind wir auch nicht dafür verantwortlich!" Sie nahm den Bericht wieder auf. "Wir werden nicht auch noch aufgrund von Haustieren ermitteln, als wenn wir nicht genug zu tun hätten!"
Er wollte eigentlich noch fragen, was er der armen Frau denn nun sagen sollte, doch er besann sich eines Besseren. Seine Chefin würde zu Recht von ihm erwarten, dass er mit solchen Dingen selber zurechtkam.

"Ich bitte Dich, Mark! Du beabsichtigst doch nicht etwa, die anormale Verhaltensweise dieser Frau auf dein einwandfreies Benehmen ihr gegenüber zurückzuführen?" Der gut aussehende Mann streckte seinem Gegenüber fassungslos die Hand mit der Zigarette hin. Gleichzeitig lehnte er sich wie vom Schock getroffen zurück. "Mark, mein Freund!"
Der 'Freund' schüttelte widerwillig den Kopf. "Gregor, du weißt ganz genau, dass sie vielleicht gedacht haben könnte, sie solle mir... zu Gefallen sein. Das hätte man aus deinen Worten heraushören können. Wenn auch nur versehentlich, versteht sich?" Er blickte unsicher auf.
Gregor lächelte ihn entwaffnend an. "Ich bitte dich! Auf so eine Idee kann nur jemand mit einer blühenden Fantasie kommen. Du meinst doch nicht ernsthaft, dass ich so etwas Niederträchtiges von einer zuverlässigen Angestellten erwarten würde? Wo kämen wir denn da hin, wenn wir so sorglos Personal verleihen würden!" Er lachte leise über seine amüsant doppeldeutige Formulierung. "Komm schon! Blick nicht so betrübt! Du weißt, ich bin ihr nachgegangen. Ich konnte sie beruhigen. Sie ist nur etwas mitgenommen wegen unseres Aufenthaltes in der Stadt, da hat sie dich einfach falsch verstanden und dann sind ihr die Nerven etwas durchge..."
"Mich? Gregor, du hast doch das mit dem Kümmern gesagt?"
Gregor nahm einen tiefen Zug und inhalierte den grauen Rauch dabei, als wenn er das Folgende nur ungern sagen würde. "Du hast mit ihr gesprochen."
Der Mann antwortete zutiefst betroffen: "Ja, natürlich. Aber was hat das mit..."
Sein Geschäftspartner unterbrach ihn, wobei er mit seinem Blick den eigenen Gesten der Zigaretten-Hand folgte. "Nun, sagen wir es einmal so... Dir muss doch ihr Interesse an dir aufgefallen sein?" Er sah überraschend auf und hielt den Blick seines Gegenübers mit purer Aufmerksamkeit fest.
Der Blickkontakt brach. Marks Stimme war nur leise zu hören: "Wenn sie wirklich... Das war ein Missverständnis!"
Gregor schnippte unauffällig die Asche auf den Boden des edlen Restaurants. "Wie gesagt. Nimm es nicht so schwer. Sie ist halt eine Frau. Die werden ab und an hysterisch aber sie kommen auch wieder auf den Teppich. Zumindest für kurze Zeit." Wieder lachte er leise. Er beugte sich näher und stützte dabei seine Ellenbogen beidseitig auf den Knien ab. Er zwinkerte verschwörerisch. "Vielleicht überlegt sie es sich dann ja doch noch und entschädigt dich für deinen Schrecken?"
"Wenn ich nur wüsste, wie das wieder gut zu machen..."
Gregor unterbrach den Redefluss, indem er ihm kumpelhaft auf die Schulter klopfte. "Schon gut. Du kannst dich ja stellvertretend bei mir dafür revanchieren, dass du meine Assistentin mit deinem Charme verscheucht hast, indem du mir bei der Holzsache Rabatt gibst."
Mark strich sich in einer zweifelnden Geste das Haar beiseite. Für einen Sekundenbruchteil blitzte so etwas wie Misstrauen und zurückhaltende Vorsicht in den braunen Augen auf.
Gregor reagierte darauf mit betont ernstem Blick. "Na gut. Ich wollte dir das eigentlich nicht sagen, denn immerhin geht mich das eigentlich nichts an. Ist eine rein persönliche Sache. Aber da es nun auch meinen Geschäftspartner betrifft, wäre es wohl besser, dir reinen Wein einzuschenken, wie man so sagt." Er stützte sich mit der freien Hand erschöpft den Kopf ab. "Nature Präraffa hat erhebliche..." Er zögerte, seufzte und fuhr dann dennoch fort: "Sie hat wohl ein Nervenleiden." Schnell nahm er einen neuen Zug aus dem qualmenden kleinen Papierstengel. "Die Stadt bringt vermehrt zu Tage, was in einem abgelegen Dorf unentdeckt bleiben mag. Sie verträgt keinen Stress, keine Belastung. Das Ganze ist überaus störend. Es wäre egal gewesen, was ich gesagt hätte, sie versteht in letzter Zeit alles falsch und überreagiert!" Der Mann blickte mit trübem Blick auf. "Ich hätte wissen müssen, dass so eine Reise nicht gut für sie sein würde. Ich mache mir deswegen Vorwürfe." Er ließ traurig die Schultern hängen.
Mark wollte ihm schon gut zureden, als Gregors Worte ihn unangenehm berührten.
"Etwas Aufmerksamkeit von dir hätte ihr bestimmt gut getan."
Er blickte wieder, mit diesem für ihn typischen Zwinkern im Augenwinkel, auf.
"Hey! Wir sind Männer! Mit dem Zweikörperstoßgesetz kennen wir uns doch aus! Die beste Heilung für überreizte Nerven ist immer noch ein ordentlicher Ritt durch' s Unterholz!"

"Er roch nervös und besorgt, irgendwie schlierig-orange. Und er sagte, sie hätten am Vortag seiner Abreise eine feste Verabredung zum Lunch gehabt. Als Abschied bis zur nächsten Transaktion. Der Termin stand wohl schon länger fest. War so etwas wie Tradition. Herr Tauscher war wohl sogar einmal mit Zahnschmerzen erschienen, um die Verabredung einzuhalten. Von daher kann man schon von ungewöhnlichem Verhalten sprechen."
Der Lance-Korporal an seiner Seite kramte geistesabwesend in einer seiner Manteltaschen. "Ungewöhnlicher wäre es meiner Meinung nach eher gewesen, wenn Herr Tauscher mit seinen Schmerzen zu einem dieser bohrenden Gildenmitglieder gegangen wäre." Sein trockener Tonfall ließ einen zweimal überlegen, als er den Gedankengang ergänzte: "Das lizenzierte Verbrechen hat ein neues Niwo erreicht!"
Der Chief-Korporal neben ihm lachte leise und ging vor der Tür der kleinen Absteige in die Hocke. Seine Bein- und Rückenmuskeln bewegten sich dabei sichtlich kraftvoll unter dem groben Stoff der Kleidung. Er konzentrierte seine Sinne auf den Türrahmen, sah dann mit einem resignierten Blick auf und nickte seinem Kollegen zu. "Wir brauchen gar nicht erst Klopfen."
Der kleine Ermittler kramte nun auf der anderen Seite des Mantels in einer der Taschen. "Aber einen Schlüssel sollten wir uns wohl trotzdem besser besorgen, nehme ich an.", brummelte er vor sich hin.
Sein Kollege erhob sich kurz entschlossen: "Ich werde die Vermieterin darum bitten."
Kurz darauf erschien Romulus mit dem Schlüssel. "Wir sollen gefälligst nichts mitgehen lassen, sagt die Walküre."
Inspäctor suchte immer noch etwas in den Tiefen der Stofflagen. "Ich hatte nicht vor, den Kerl einzustecken. Das können die S.U.S.I.s machen."
"Außerdem meinte sie, von besonderen Vorkommnissen sei ihr nichts bekannt. Dem Gejammer wegen angeblicher Ruhestörungen schenke sie keine Beachtung mehr und bis auf Herrn Tauscher hätten auch alle Mieter auf dieser Etage innerhalb der letzten Tage gewechselt."
Die Tür schwang auf und eine Welle von Gestank schwappte ihnen entgegen. Da es sich bei der Unterkunft um ein einziges Zimmer handelte, war der Tote nicht zu übersehen. Er lag mit ausgestreckten Armen und Beinen, vollständig bekleidet, inmitten von Kot und Urin auf dem Bett, die Decke zerwühlt unter seinem Körper. Sein Gesicht wirkte ausgezehrt und die Haut spannte sich trocken über dem Schädel.
Die beiden Ermittler traten ein und begannen, sich umzusehen.
"Hier wurde mehrere Tage lang nicht gelüftet." Der Ermittler hätte zu gerne das Fenster geöffnet oder sich das Halstuch vor' s Gesicht gehalten aber die einzelnen Geruchsnoten waren bereits am Verblassen. Es war schwer genug, sie von dem kräftigen grünlichen Ölfilm der noch nicht sichtbaren Verwesung, und den beißend gelben Ausscheidungsgerüchen zu unterscheiden.
Der Werwolf beugte sich näher an einen der Bettpfosten und runzelte die Stirn. "Hier ist es stärker." Der penetrante Geruchsfilm des menschlichen Kadavers wollte sich in seine Nasennebenhöhlen einbrennen. Er zuckte vom Bett zurück und atmete mehrmals rasch durch das Halstuch.
Kolumbini trat an seine Seite. "Was ist dort stärker?"
Romulus fasste sich wieder etwas. "Dort, an den Pfosten, an den anderen auch, ist diese schwarze Note."
"An allen vier Pfosten?"
Der Chief-Korporal nickte.
Kolumbini tippte sich nachdenklich mit dem Finger an sein Glasauge, so dass die Stille im Zimmer von einem regelmäßigen leisen Ting-Ting-Ting unterbrochen wurde. "Das ergibt ein Muster..."
Romulus kräuselte in einem gänzlich ungewohnten Anfall von Ironie die Lippen: "Ja. Ein Viereck." Er setzte seine Untersuchungen fort.
Der kleinere Ermittler blieb mit Blick auf das Bett stehen und vergrub seine Hände in den Taschen. Kurz darauf rief er freudig aus: "Ich hab' s!"
Von Grauhaar sah sich erschrocken um. "Hast du ein Indiz gefunden?"
"Hm? Wie? Ach, nein. Nur den neuen Taschendrachen. Ich wusste doch, dass ich ihn dabei haben musste. Igor meinte heute früh, ich solle etwas mehr auf mich achten, von wegen Prästiesch. So ein Ding hätte heutzutage jeder. Na, ich halt da ja nicht so viel von. Diese Silbereier, siehst du, die haben an der Seite Luftlöcher. Aber wenn es dem Kleinen da drin nicht gut geht? Was dann? Dann wird er sich, statt auf die altbewährte Weise Brandlöcher in die Taschen zu kokeln, in dem kleinen Ei selber rösten! Das ist, bei den Preisen hierfür, auf die Dauer auch nicht gut! Und bis die Drachenliga da etwas gegen unternimmt, das kann auch nicht lange dauern. Aber man kann mit Igor über so etwas nicht diskutieren. Ich tue ihm halt ausnahmsweise mal den Gefallen."
Romulus rollte mit den Augen.
Nachdem beide – jeweils auf ihre Art – das Zimmer durchkämmt hatten, stellte er sich mit verschränkten Armen ins Zentrum des Raumes. "Und? Was hast du bis jetzt gefunden?"
Inspäctor lächelte verschmitzt. "Ich wollte dir eben die gleiche Frage stellen."

Die Gefreite Ziegenberger lehnte sich mit einem süffisanten Gesichtsausdruck auf dem Stuhl zurück. "Wie kannst du nur etwas derart frevelhaftes tun?" Ihr Blick ruhte auf dem blonden Mann ihr gegenüber.
Soeren sah von den Papieren neben seinem Teller auf, als wenn er erst einen Moment bräuchte, um sich daran zu erinnern, dass es seine offizielle Pause war und er sich deswegen mit den andern beiden in der Kantine befand.
Ophelia war immer wieder davon fasziniert, wie beredsam ihr diese Augen erschienen. Sie hatte darüber nachgedacht, eine Geschichte zu schreiben, in der der Held irgendwie stumm und auch wieder nicht stumm war. Aus irgendeinem Grund tauchten bei diesen Überlegungen aber Satzfragmente in ihrem Sinn auf, wie "Wuff-wuff! Dort ist Jimmy in der Miene verschüttet und drei Stützen werden in zwanzig Sekunden bersten! Wir könnten zwar den Umweg über die Hügel nehmen, wuff, aber von dort nähern sich die Bankräuber. Wuff-hilfe-waff?". Das war derart verwirrend, dass sie diese Idee schnell wieder über Bord geworfen hatte.
Der Gefreite Eltsam blickte unsicher zwischen seinen zwei Kollegen hin und her. Ophelia brachte ihn immer wieder aus dem Konzept, vor allem, wenn sie ihm ohne zu zwinkern in die Augen sah. Sie kam doch aus einer gehobeneren Schicht, da musste sie doch gelernt, haben, dass das unhöflich war. Oder steckte mehr dahinter?
Und Axtspalter? Nun, wer wusste schon, was in Troll-Gehirnen wirklich vor sich ging? Der angehende Püschologe war überzeugt davon, dass ungeahnte Potentiale nur darauf warteten, äußerlich sichtbar zu werden, was den seiner Meinung nach korrekten Umgang mit Trollen nicht leichter machte.
Ophelia nahm den beuligen Blechbecher wieder auf, um an ihrem heißen Getränk zu nippen. Sie bemerkte Soerens Blick und konnte seine Gedanken fast hören: sicherlich war er einer dieser Leute, die einen engen Zusammenhang zwischen Schreibtisch-Tasse und Wächter herstellten. Ihr Becher musste ihn unweigerlich verwirren. Sie hätte am liebsten laut gelacht bei dem Gedanken daran, dass dieser Becher ein Geschenk Dragor Nemods war.
Da kann er lange raten!
Sie deutete mit dem dampfenden Becher auf die aufgeschlagene Akte. "Du weißt doch ganz genau, dass sie das nicht gerne sehen, wenn ihre geheiligten Unterlagen aus der Abteilung mitgenommen werden. Selbst wenn du auch in der Pause an ihnen arbeiten willst. Oder ist das ein püschologisches Spielchen? Ich teste meine Grenzen aus, damit ihr wisst, das ich meine Grenzen austeste, aber so, dass ihr das auch mitbekommt, damit ihr denkt, ihr würdet es immer mitbekommen und bräuchtet deswegen nicht zu sehr auf mich aufpassen, wobei ihr mich natürlich nicht gänzlich ignorieren sollt?"
Axtspalter knirschte auf seinem extra verstärkten Metallgestell, wovon inzwischen einige für Trolle in der Kantine bereitgestellt worden waren. "Das zu schwer sein. Du leichter sagen?"
Die Gefreite lächelte den Troll an. "Ich habe Soeren eigentlich gefragt, ob er entdeckt werden möchte oder ob er das nicht möchte."
Der Püschologe in Ausbildung konnte wieder nicht verhindern, dass seine Augen ihn verrieten. Er war leicht rot geworden, entschloss sich aber doch, den Spekulationen entgegen zu treten. "Ich möchte nicht, wie du es mir soeben wohl unterstellt hast, sollte ich nicht falsch liegen mit meiner Vermutung oder vielmehr meinem Verständnis der Situation... ähm." Er überlegte, wie er den Satz hatte beenden wollen, nahm den Faden dann jedoch der Einfachheit erneut auf: "Diese Akte hier ist jedenfalls außerordentlich interessant, falls ihr sie noch nicht zu Gesicht bekommen haben solltet, ich weiß ja nicht, wann sie der Abteilung vorgelegt oder zur Teambesprechung herangezogen werden sollte, da sie ja sozusagen eben erst eingereicht wurde und daher noch ganz frisch, um nicht zu sagen Tintenfrisch ist... jedenfalls, ist sie wirklich nicht ohne gewisse, Neugier fördernde Aspekte, welche unsere Kollegen, die daselbst ebenfalls der Abteilung angehören, namentlich der Herr von Grauhaar und der Herr Kolumbini, oder vielleicht sollte ich doch eher der Chief-Korporal von Grauhaar und der Lance-Korporal Kolumbini sagen, da wir ja eine gewissen Hierarchie und dementsprechende Verbundenheit einem System gegenüber, das die Einordnung beziehungsweise Unterordnung..." Die Angewohnheit, Sätze aufgrund ihrer komplexen Länge nicht zu Ende führen zu können, berechtigte die Gesprächspartner im fortgeschrittenen Stadium dazu, den forschen Schritt der Unterbrechung zu tätigen.
"Was genau haben sie denn ermittelt, in diesem neuen Fall? Lass uns am Inhalt teilhaben, wenn du uns schon deine ungeteilte Aufmerksamkeit vorenthältst."
Ein leises Grollen rollte durch Tisch und Boden. "Wieder schwer. Nicht ich verstehe, was ihr redet. Was du gesagt? Was sie gesagt?"
Die junge Frau beugte sich zu den beiden rüber, ignorierte dabei die Stimmen der anderen Rekruten und Gefreiten, die derzeit den Raum mit ihnen teilten. "Er hat gesagt, dass ein spannender Fall rein gekommen ist. Und ich habe ihm gesagt, dass er uns mehr davon erzählen soll."
Etwas knirschte verhalten – der Troll nickte. "Ja. Er soll. Gute Idee das sein. Ich mögen hören."
Soeren blätterte zurück zum Deckblatt mit den Hauptstichworten. Sein blondes Haar fiel ihm dabei ins Gesicht. "Es geht um eine männliche Leiche, ungefähr 30 Jahre alt. Ein Geschäftspartner hatte darum gebeten, nach dem Rechten zu sehen. Laut dessen Aussage war der Mann nicht zu einer dringenden Verabredung erschienen, was ungewöhnlich gewesen sein soll..." Er versuchte geistesabwesend die Haare hinter die Ohren zu streichen, doch sie fielen immer wieder in ihre Ausgangsposition zurück. "Hm... Kolumbini und Romulus ermittelten... haben die Pension aufgesucht... Schlüssel geben lassen... ah, hier!" Er gab die Ermittlungsergebnisse wieder und kam dann zu dem Schluss. "Die Untersuchung hat ergeben, dass der Mann rund um die Hand- und Fußgelenke Blaue Flecken aufwies, wie wenn er lange gewaltsam festgehalten oder gefesselt wurde. Stimmt wohl auch mit anderen Ergebnissen und Vermutungen überein. Die Pfosten des Bettes und das Bettzeug haben Spuren von Seilfasern aufgewiesen, die ihrerseits mit Hautabrieb belastet waren... Und eine Beule am Hinterkopf, die schon mehrere Tage alt war. Es wurden auch Anzeichen gefunden, die auf die Anwesenheit anderer Personen, vielleicht auch einer Frau, in dem Zimmer hindeuteten. Allerdings keine speziellen. Kein eindeutiges Parfüm oder so. Aber vielleicht waren das auch alte Spuren von Vormietern. Der Zimmerschlüssel ist nicht auffindbar. Ansonsten... der Mann ist aufgrund des Erreichens des Dehydrations-Endstadiums verschieden, was durch die gefundenen Textilfusseln im Mund des Toten unterstrich..."
Soeren wurde von einer tiefen Stimme unterbrochen: "Was das seien, Dehiedra...?"
Er antwortete beinahe automatisch: "Flüssigkeitsverlust. Der Mann ist schlicht und ergreifend vertrocknet! Wahrscheinlich ist er auch noch verhungert aber zuallererst ist er verdurstet."
Die rothaarige Gefreite starrte ihn aus großen Augen an. "Wie grausam! Wie kann man nur so..." Ihr fehlten einen Moment die Worte. "Wenn ich mir vorstelle, dass ich so etwas..." Sie schüttelte sich bei dem Gedanken.
Soeren bekam für Sekunden einen sehr abwesenden Ausdruck: "Was für ein Täterprofil dort wohl dahinter steht..."
Ophelia riss ihn aus seinen Gedanken: "Hat man denn schon einen Verdächtigen?"
"Sie haben noch niemanden gefunden, aber die Vermutung liegt wohl nahe, dass seine Reisebegleiterin etwas damit zu tun hat. Sie sind anscheinend auf der Postkutschenstrecke von Überwald aus gekommen. Er hat einmal jährlich Geschäfte in der Stadt gemacht und sie war wohl als Sekretärin mitgekommen. Sie haben einen Terminplaner gefunden, dessen Eintragungen fast alle, außer die der letzten zehn Tage, in weiblicher Handschrift vorgenommen wurden. Ebenso ein guter Teil der Korrespondenz, die gefunden wurde. Jedenfalls ist diese Frau verschwunden. Es gibt keinen Anhaltspunkt, wo sie sich aufhalten könnte."
"Jemand den Mann befragt hat?" Axtspalter war bisher relativ ruhig gewesen. Jetzt aber schien er sich dazu entschlossen zu haben, sich aktiv am Gespräch zu beteiligen.
Soeren runzelte die Stirn. "Wie soll man denn eine Leiche befragen? Ich meine, wenn sie wirklich tot und nicht untot ist?"
Der Troll runzelte nun seinerseits die steinige Stirn. "Leiche befragen?"
Ein leichtes Lachen erklang von der anderen Tischseite her. "Hey, ihr beiden. Nicht den, den anderen. Soeren, haben die Namen, die Beteiligten? Sonst kommen wir noch total durcheinander!"
Der Gefreite blätterte kurz, dann nickte er. "Ja, Namen sind verfügbar. Der Tote heißt, gemäß Eintragung ins Gästebuch seiner Unterkunft, Gregor Tauscher. Seine Geschäftspapiere weisen ihn als Rohstoffhändler aus Überwald aus. Er handelt über viele Grenzen hinweg. Einen festen Wohnsitz hatte er allerdings nirgendwo vermerkt. Der anzeigende Geschäftspartner heißt Mark Kraft. Er war wohl der Letzte, der Herrn Tauscher lebend sah – außer dem Mörder natürlich." Soeren blickte mit funkelnden Augen zu seiner Kollegin. "Es sei denn..."
Es war so einfach, seinen Gedanken zu folgen: "...er wäre der Mörder!" Ophelia grinste ungewollt. "Dann wäre er zwar immer noch der Letzte, aber dann müssten wir wohl wesentlich mehr Nachforschungen zu seinen Motiven und seinem Hintergrund anstellen. Weiß man auch, wie die Dame in diesem Trio heißt?"
Soeren blickte kurz in die Papiere. "Nature Präraffa."
Ophelia seufzte. "Hoffentlich haben die Kollegen irgendwelche Ideen, wo man mit dem Suchen anfangen sollte. Die Stadt ist groß, wenn man es drauf anlegt. Und bis nach Überwald werden bestimmt keine Spesen gezahlt, um Flüchtende zu verfolgen."
"Frau traurig sein. Hat toten Hund."
Soeren und Ophelia sahen den Troll erstaunt an. Ophelia fasste sich als erste. "Woher willst du das denn wissen?"
Axtspalter saß wie ein Fels in der Brandung inmitten des hektischen Nachmittags-Andrangs auf den Kaffee-Nachschub. "Ruth Protokoll gemacht hat von Aussage. Hab gelesen. Frau traurig gewesen sein, weil ihr Chef Hund getötet hat. Aber nicht Fall für R.U.M. gewesen sein, deswegen noch trauriger wieder weggegangen ist. Name von Frau Präraffa war, Name von Chef Tauscher war."
Die beiden menschlichen Kollegen sahen erst sich und dann den Troll an. Diesmal war der junge Mann an der Reihe mit einer Frage: "Da hat sie doch bestimmt ihre Adresse angegeben! Vielleicht sollten wir dem Oberleutnant Bescheid sagen? Axtspalter, weißt du noch, wo das Protokoll zu finden war?"

Kathiopeja nickte zum wiederholten Male. Allmählich ging ihre Geduld mit der herrischen Alten zur Neige.
"Sowatt jibbbet hier nich, nich in ditt Hos. Wir sin nen anständijet Hos, jawollja. Nich, datt se dett vorjehabt hätt, hatt se jesacht. Abba ik hab ja jenuch ärlept, in meen läbn. Ik hab der dat och jesacht, där jungen Fro, abba det hatt se ja wohl nich so richtich zu inträssiern jescheint!"
Die Gefreite strich sich das lange Silberhaar hinters Ohr und fragte mit erzwungener Selbstbeherrschung nach: "Wie kommen Sie denn darauf, Frau Bolle?"
Die rundliche Hauswirtin stemmte ihre Fäuste in die Hüften. "Ja denken se denn, ik wär blöde? Ik merke dit doch, wenn ma mia nich zuhört, wa? Wozu hatta uns dänn schlieslich de Ohren an de Säiten vonnen Schädel jejeben, der Om, wa?"
Die Wächterin blätterte, den Hinweis auf die allseits 'geschätzte' Gottheit ignorierend, eine Seite zurück in ihrem kleinen Notizbuch. "Können Sie mir sagen, ob in ihrem Gespräch an besagtem Tag auch die Rede auf ein Tier kam?"
Hatte sie bisher geglaubt, an einen unleidlichen Hausdrachen geraten zu sein, musste sie ihr Urteil nun neu überdenken. Die alte Dame holte tief Luft und hub eine Schimpftirade in beeindruckender Lautstärke an: "Und ob it det hat! Ik möchte ma wissen, wohär se det so jenau wieda wissen, junge Fro? Ik hab Ihnen ja schon jesacht, dat et so ne Sachen bai uns im Hose nich jibt, wa, aber die Olle, die hat det nich kapiert, wa? Die hat doch tatsächlich jewahcht, mia da nochma mit uff m Senkel zu jehn! Spräch ich vallaicht Latatianisch, oda wat? Ik hab dea janz klip un klahr jesacht, dat det Fieh nich inne Bude kommt! Wo käm wa denn da hin, hä? Wenn hia jeda seine Töle inne Bude schläppt, denn könnten wa inna Nacht jewiss kän Ohje zumachn! Da könn se aba Jift druf nähm, Frolain! Da hatt se zu hoiln anjefang! Zu hoiln! Meene Herrn, als wenn se nen Knirps mit na Pulle wär, dit muss ma sich ma vorställn, wa? Mannomann, wah die mitt de Närfin runta! Nich so, wie nen pah Taje späta, da wah se ja völlich meschugge, sowatt von belämmat! Ik kenn ma damit aus, wissen Se, Frohlain? Ik les ja rejelmäßich in den Kurrier, wa, da kricht ma ja allet mit. Allet! Die kleene Heulsuse mit ihrn Hunt, die hat jewisslich de 'Mejalomanie' [1] oda wie det jenau haisst! So durchjedreht wie det Ding wa! Jep! Jenau sowatt hatt se!" Die Hauswirtin zeigte ihr mit dem Finger Kreisel an der Schläfe. "Die kann ma von Jlück sagn, dat se den fain Kerl dabei hatte, wa? Dea Pinkel, der wusst jenau, watt a da machen musst, och!
, wenn a n bissken jenärft war, von dea Ollen. Aba wah ja och ken Wunda, wa? Hat ia denn sofort fasprochn, datt er sich da drum kümmern würt. Faina Kerl. Wenn ma nua n paar Jährchn jünga wär..."
"Der Mann, der bei ihr war, hat ihr also zugesagt, sich um die Unterbringung des Hundes zu kümmern?"
Die Dicke nickte.
"Wie lange hat sich Frau Präraffa bei Ihnen aufgehalten?"
Frau Bolle kratzte sich nachdenklich an der Stirn. "Die wah nich längah als biss zu de Kohlelieferung da. Also, an de zwee Wochn. Unn bis voa zwee Wochn." Mit Beifall heischendem Gesichtsausdruck erklärte sie der Jüngeren: "Sowatt wes ik janz jenau! Die Olle wollt ma, wie jesacht, betrüjen, hab ik ja nuh jemärkt. Abba ik bin och nich uff de Birnä jefalln, wissen se? Ik hab ma jedacht, bai so eene sai ma lieba uff de Hut, Frau Bolle, hab ik ma jesacht. Die iss ma nich jeheuer. Da hab ik ma lieba jleich de Miete füa de näxstn zwee Wochen im Foaraus abkassierd. Un nuh... nu hattit sich ja bestädicht! Se iss ja nich wiedah jekomm! Abba ik hab meen Jeld! Mir haut ma nich so laicht übat Oah, wa!"
Kathiopeja hielt ihren Blick strikt auf den Block gerichtet, auf dem sie die Antworten notierte: "Ihre Menschenkenntnis ist beeindruckend, Frau Bolle.", murmelte sie sarkastisch. Etwas lauter fragte sie: "Haben Sie eine Ahnung, wo Frau Präraffa sich im Moment aufhalten könnte?"
Die Alte zuckte gleichgültig mit den breiten Schultern: "Ik hab abba och nich de laiseste Ahnunk!"
"Ich würde mir gerne das Zimmer ansehen, in dem Frau Präraffa einquartiert war. Wäre das wohl möglich?"

"Diese Woche ist der neue Tarif für Parakommunikation probeweise eingeführt. Deswegen!" Der Mann mit dem unglaublichen Wucherbart im Gesicht blickte sie ungerührt an.
Tricia McMillan war etwas verwirrt. "Neuer Tarif für... Ich will doch nur eine Nachricht an den Pseudopolisplatz schicken! Was soll das denn wieder sein? Das ist doch garantiert nur Geldschneiderei, diese Parakommunikation?"
Der Cemaphore-Kassierer ließ gerne durchblicken, dass er wesentlich mehr Ahnung von Fachbegriffen hatte: "Was Kommunikation bedeutet, werden Sie ja wohl wissen, nicht wahr?"
Tricia bestätigte ihm diese Vermutung durch einen feindseligen Blick.
"Ja, und 'para' heißt 'gegen'." Er reckte stolz die Schultern.
Mc Millans Augen funkelten gefährlich. "Ach, ein Tarif also, der die Möglichkeiten, miteinander in Verbindung zu treten, erschwert? Darauf hätte ich aber wirklich selber kommen können."
Der Mann runzelte verärgert die Stirn: "Was? Ach, Unsinn. Parakommunikation ist der Extra-Tarif für Nachrichten, die nicht randwärts, sondern entgegen dieser Richtung verschickt werden sollen."
Die Verdeckte R.U.M.-Ermittlerin spürte brodelnden Zorn in sich aufwallen. "Die Wache liegt aber nun mal in der Para-was-auch-immer-Richtung und dafür werd ich bestimmt nicht mehr bezahlen, als noch gestern." Sie zückte ihre Dienstmarke. "So, jetzt vergisst du einfach mal, dass wir gerade in der Testwoche sind und schickst gefälligst diese verdammte Nachricht zum Normaltarif ans Wachhaus. Das ist eine dringende Sache und wenn du der Wache durch Sturheit Steine in den Weg legst und unsere Ermittlungen dadurch behinderst, dann garantiere ich dir, dass du demnächst Probleme wegen Mittäterschaft in 'nem Mordfall an den Hals bekommst. Ist das klar?"
Der Kassierer blickte sie nun ebenso zornig an. "Ja, ja. Das ist doch wieder typisch Wache. Nix mit 'Wir sind euer bester Freund!' und 'Wir helfen euch!'. Wenn was nicht passt, dann sieht man euer wahres Gesicht." Dennoch nahm er den Zettel entgegen. Er blickte kurz drauf, notierte die Anzahl der Worte und das Ziel in seinem Kassenbuch. "Könnt ich dann wenigstens diesen Betrag von Euch erhalten, Euer Ladyschaft?" Die Ironie war nicht zu überhören.
"Vorsicht, Freundchen!" Die Wächterin gab ihm das Geld. "Und ich brauche eine Quittung dafür." Sie sah nervös zu dem Fenster des Geschäfts.
Der Angestellte schob die Quittung zu ihr rüber. "Die Nachricht geht dann gleich raus."
"Danke." Sie machte auf dem Absatz kehrt, ließ die Ladentür scheppernd hinter sich ins Schloss fallen und beeilte sich, zurück zu kehren. Hätte sie doch bloß eine Kommunikationstaube dabei haben können, dann hätte sie sich den ganzen Stress mit diesem blöden Kerl erspart. Aber so gut die Dinger auch erzogen sein mochten, irgendwann ließen sie jede Tarnung auffliegen. Und das konnte sie nicht gebrauchen.
Hoffentlich war die Verdächtige noch nicht wieder aufgebrochen. Aber sie hatte nicht so gewirkt, als wenn sie es eilig gehabt hätte.
Die Wächterin Ander Kaffer zügelte ihr Tempo, als sie das hüfthohe, verschnörkelte Metallgitter erreichte, dessen Standort den Eingang des Friedhofs kennzeichnete. Sie hatten Recht gehabt.
Obgleich Frau Präraffa eine Fremde in der Stadt war, hatte sie diesen besonderen Platz ausfindig gemacht.
Tricia blickte über die unzähligen winzigen Grabsteine. Der Ort war ursprünglich ein Acker gewesen und zusätzlich lag er auch noch ein ganzes Stück außerhalb der Stadtmauern. Aber: Hier konnten geliebte Haustiere ihre letzte Ruhe finden! Der Besitzer des Ackers machte jetzt, nachdem der Ort sich unter alten Leuten und anderen Fanatikern herumgesprochen hatte, garantiert ein einträglicheres und weniger schweißtreibendes Geschäft mit dem Boden, als zuvor. Zumal die Angehörigen der 'Verstorbenen' sich rührend um die Landschaftspflege kümmerten.
McMillan stellte unwillkürlich einen Vergleich zum Lustgarten an der Unsichtbaren Universität an.
Sie näherte sich dem frischen Grab in der Baum umstandenen Ecke.
Da ist sie noch! Das dunkelbraune, lange Haar und die eher erdigen Töne ihrer Kleidung, ließen sie beinahe mit den Schatten der Umgebung verschwimmen.
Näher würde Tricia nicht heran können, ohne sich zu verraten. Sie sah sich kurz um und entschied, dass sie im Zweifelsfall Kittie besuchen wollte.
Meine geliebte Kittie, die vor... sie blickte sicherheitshalber noch einmal auf den weißen Grabstein... vor etwa drei Jahren von mir gegangen ist!
Sie ging vorsichtig in Deckung und bemühte sich, etwas von dem, was die Frau leise, zu den Blumen gewandt, erzählte, aufzuschnappen.
"...hast du es jetzt schöner... Leider kann ich dich nicht mitnehm..." Die Stimme der knienden Frau wurde noch undeutlicher, da sie sich ein Taschentuch vor das Gesicht hielt. "...herzlos... nun davon!..." Sie begann wieder zu weinen.
McMillan hätte ihr gerne einige Fragen gestellt. Aber ein Ander Kaffer-Tschob bedeutete immer Unauffälligkeit. Es war jetzt wichtiger, heraus zu bekommen, wo die Dame derzeit ihren Unterschlupf hatte.
Kurz darauf erhob Nature Präraffa sich, klopfte die Erdenkrümel von ihren Röcken und verabschiedete sich mit einem letzten wehmütigen Blick von ihrem Liebling.
Der Weg, den sie zurück einschlug, ließ in Tricia sämtliche Erinnerungsglocken läuten.
"Verdammt, ich muss jemanden vorschicken! Und wieder keine Taube zur Hand!"

"Stadtwache Ankh-Morpork! Bitte öffnen Sie die Tür!" Der große, dünne Mann starrte auf die Holzmaserung und versuchte, das flaue Gefühl in seiner Magengegend zu ignorieren, ein Gefühl, das nicht lediglich mit seiner aktuellen Aufgabe zu tun hatte. Sicher, er ging direkten Konfrontationen lieber aus dem Wege. Aber das war es nicht. Und er war auch wirklich gerne mit Frauen unterwegs. Auch das war es nicht. Sie war Schuld! Sie war... umwerfend! Etwas raschelte leise neben ihm, als das Objekt seiner Gedanken in Form der Team-Kollegin vortrat. Er hätte es verstanden, wenn die Wohnungsinhaber spätestens jetzt entschlossen hätten, nicht zu öffnen.
"Sie sind da. Ich weiß es." Die geringe Göttin rümpfte ihre Nase, als könne sie das verbrecherische Ungeziefer durch die Holzfasern hindurch riechen.
Stump von Schwamp hielt das für unwahrscheinlich - das mit der geruchsgestützten Wahrnehmung. Es gab Dinge, die ihm nahezu unmöglich erschienen. Er nickte. "Ich weiß, ich habe es auch gehört." Nochmals klopfte er kräftig mit der Faust gegen die legale Barrikade und rief etwas lauter: "Hören Sie, wir wissen, dass Sie eben erst angekommen und noch da sind. Wir gehen nicht eher weg, als bis Sie mit uns gesprochen haben! Also öffnen Sie gefälligst die Tür!"
Bodendielen knarrten verhalten hinter der Tür und zwei Stimmen flüsterten miteinander. Dann, näher als das Knarzen zuvor, fragte die männliche Stimme misstrauisch: "Was wollen Sie?"
Der Ermittler seufzte und bereute es sofort - nun würde er neuerlich Luft holen müssen. "Wie gesagt: Wir wollen mit Ihnen reden. Mit Ihnen beiden! Und das möglichst nicht durch eine Tür hindurch." Er wartete, wobei er möglichst flach atmete.
Wieder hörten sie verhaltenes Wispern. Etwas schabte über Holz und Metall und die entriegelte Tür gab widerstrebend den Blick ins Innere der Behausung frei. Im dunklen Flur stand ein junger Mann und blickte ihnen verteidigungsbereit entgegen.
Der Wächter zeigte seine Dienstmarke vor. "Mein Name ist Stump von Schwamp und das ist meine Kollegin Agnetha vom Ankh. Wir ermitteln in einer Wache-Angelegenheit und hätten Ihnen dazu gerne einige Fragen gestellt. Dürfen wir eintreten?"
Der junge Mann starrte die zierliche junge Frau an und überlegte offensichtlich ernsthaft, diese Bitte abzuschlagen. Letztlich nickte er jedoch und trat etwas beiseite.
Die Wohnung war sehr klein, bestand nur aus zwei Räumen. Die Feuerstelle war in einer Ecke am Fenster untergebracht, doch alles war sauber und ordentlich hergerichtet. Nahe der Feuerstelle stand eine schlanke Frau mit großen braunen Augen, die ihnen sichtlich nervös entgegensah.
Agnetha ließ einen abschätzenden Blick über dieses Menschlein schweifen und befand sie sofort für nicht willensstark genug, um eine echte Gläubige abzugeben. Sie nickte ihr zu und fragte herausfordernd: "Frau Präraffa, richtig?"
Die zierliche Frau wurde noch etwas blasser und stützte sich schnell an der Anrichte ab. Für Agnetha ein klares Eingeständnis der Schuld – welcher auch immer. Auf andere Zusammenhänge, vielleicht sogar solche ihr eigenes Auftreten betreffend, kam sie nicht. Ein triumphierendes Funkeln entstand in den Augen der Ermittlerin.
Ihr Kollege wollte die Befragung eben mit einem vorsichtigen Räuspern beginnen, als die Göttin ihm die Sache aus der Hand nahm. Sie wandte sich dem jungen Mann zu, der ihnen geöffnet hatte. "Und Sie sind Herr Kraft?"
Mark Kraft nickte vorsichtig und ging zu der Frau am Fenster hinüber. Er deutete ihr, sich zu setzen und öffnete das Fenster.
Von Stump näherte sich unauffällig dieser Quelle der Erfrischung, während Agnetha langsam in Fahrt kam.
"Wir verdächtigen Sie des Mordes an Herrn Gregor Tauscher. Was haben Sie dazu zu sagen?"
Von Stump stöhnte ob dieser übergangslosen Befragung innerlich auf, griff jedoch resignierend zum Notizblock um zu assistieren. Dann sollte es eben auf diese Art ablaufen. Wer hätte schon sagen können, ob es anders besser gewesen wäre?
Die beiden Verdächtigen sahen einander an. Ob es Schrecken, Ungläubigkeit oder einfach nur Unsicherheit waren, die aus diesem Blickkontakt sprachen, konnte er nicht bestimmen.
Herr Kraft straffte die Schultern. "Was für eine absurde Anschuldigung. Wir sind beide unschuldig! Ich habe Ihre Kollegen doch sogar noch um die Aufklärung des Verschwindens von Herrn Tauscher gebeten, da wollen Sie doch nicht ernsthaft behaupten, ich wäre plötzlich der Schuldige in irgend einem Mordfall, von dem ich bis eben nicht einmal etwas wusste!"
Die kleine Frau funkelte gefährlich mit Augen, die dunkler zu werden schienen. "Doch.", erwiderte sie schlicht.
Frau Präraffa faltete nervös ihre Hände im Schoß. Ihre Stimme klang stockend, als sie fragte: "Er... Herr Tauscher ist also... ermordet worden?"
Die angriffslustige Wächterin antwortete mit höhnischem Unterton: "Tun Sie nicht so, als wenn Sie das nicht wüssten! Wo waren Sie zum Zeitpunkt des Todes?"
Der Mann setzte sich zu der nervösen Frau und konterte in gleichem Tonfall: "Wann war dieser Zeitpunkt denn, damit wir uns schnell Alibis basteln können?"
Agnetha kniff die Augen zusammen und überlegte. Sie rief sich die Fakten in Erinnerung, die sie noch von der letzten Teamsitzung in Erinnerung hatte. Der Zeitpunkt des Todes wäre in diesem Fall schwer nachweisbar aber der Zeitpunkt, zu welchem dem Opfer die Beule am Hinterkopf beigebracht worden war, der hatte sich einigermaßen eingrenzen lassen. "Vor zehn Tagen."
Wieder tauschte das Paar auf dem Sofa für einen Sekundenbruchteil Blicke aus. Er antwortete: "Da war ich in einer geschäftlichen Besprechung – einer langen Besprechung. Sie können meinen Vorgesetzten dazu befragen."
Frau Präraffa schlug die Augen nieder und flüsterte: "Ich war auf dem Tierfriedhof Sonnenacker."
Die Ermittlerin lachte laut auf: "Den ganzen Tag?"
Die Sekretärin blickte verwirrt. "Nein, nicht den ganzen Tag, nur den Vormittag." Sie verhaspelte sich und sah den Mann neben ihr an. "Ich meine, ein Mord dauert doch nicht den ganzen Tag, oder?"
Agnetha trumpfte auf: "Ha! Und woher wissen Sie, dass der Mord vormittags stattfand? Na?"
Natures Finger verkrampften sich und ihre Pupillen weiteten sich hilflos. "Ich, ich habe geraten. Aber ich bin wirklich unschuldig! Fragen Sie doch auf dem Friedhof nach, bestimmt hat mich jemand gesehen, es muss so gewesen sein... bestimmt!"
Die geringe Göttin stieß abwertend Luft aus, was dazu führte, dass die übrigen Drei im Raum noch etwas blasser wurden. "Pah!"
Ihr Kollege meldete sich das erste Mal zu Wort, seine blauen Augen fest auf die Verdächtige gerichtet. "Sorgen Sie sich nicht. Wir werden das überprüfen." Er machte sich eine dementsprechende Notiz in seinen aufgeschlagenen Block, nutzte Agnethas trotzige Schaffenspause und hakte bei seinem Lieblingsverdächtigen nach: "Ihr Vorgesetzter, wie heißt er? Und wo können wir ihn erreichen?"
Mark Kraft gab die gewünschte Auskunft. Es folgten noch weitere Fragen, denen wiederum weitere Unschuldsbeteuerungen auf dem Fuße folgten. Und der Wächter notierte alles in fein säuberlicher Schrift.
"Wann haben Sie Herrn Tauscher das letzte Mal gesehen?"
Die zartgebaute Frau in Brauntönen antwortete kleinlaut: "Vor zehn Tagen. Herr Tauscher hat mir Urlaub gewährt und ich habe diesen genommen. Ich habe ihn in dieser Zeit nicht gesehen oder sonst von ihm gehört."
Der Ermittler richtete die gleiche Frage an ihren Bekannten.
Der ehemalige Geschäftspartner des Opfers runzelte die Stirn: "Vor zehn Tagen. Zu unserem Geschäftsessen."
"Und Sie haben ihn zwischenzeitlich nicht noch einmal kontaktiert?"
"Nein, habe ich nicht. Er hatte noch einige Termine in der Stadt und wollte sich erst wieder zum Vertragsabschluss melden. Bei so etwas drängelt man nicht. Ich habe auf sein OK gewartet, bis es mir merkwürdig erschien, dass er sich so gar nicht mehr melden wollte. Zumal er nicht einmal zu unserer Verabredung kam. Woraufhin ich ja auch Ihre Kollegen informierte. Nebenbei gesagt finde ich es ungeheuerlich, wie man als unbescholtener Bürger behandelt wird!"
Von Schwump notierte die Antwort.
Die Frau an seiner Seite schnaufte verächtlich. "Das können Sie Ihrer Oma erzählen, Kerlchen. Sie beide stecken doch unter einer Decke! Was haben Sie überhaupt dazu zu sagen, he? Ist ja wohl kein Zufall, dass die beiden Hauptverdächtigen plötzlich zusammenglucken! Wir wissen von Ihrer Anzeige, Frau Präraffa. Sie haben sich wegen ihres Hundes an ihm rächen wollen und ihr Freund hier, verteidigt Sie jetzt!"
Nature biss sich auf die Lippen.
Marks Schultern spannten sich abrupt. "Das reicht! Sie haben kein Recht in dieser Art mit uns zu sprechen! Ihre absurden Verdächtigungen sind schon schlimm genug aber das! Es stimmt. Wir sind nicht zufällig zusammen. Wir kennen uns schon seit ungefähr 7 Jahren und treffen uns zu jeder Geschäftsreise Herrn Tauschers wieder. Allerdings sind wir deswegen ja wohl noch lange keine Mörder! Frau Präraffa hat von Herrn Tauscher Urlaub bewilligt bekommen und wir wollten diesen gemeinsam verbringen. Das ist kein Verbrechen!"
Von Schwump sah von seinem Block auf. "Wusste Herr Tauscher von ihrer beider Beziehung?"
In einem Reflex fassten sie einander an den Händen. Der junge Mann antwortete leicht gedehnt. "Nein, Herr Tauscher wusste nichts von unserer Zuneigung zueinander. Das ist eine persönliche Sache, die ihn nichts angeht... anging."
Der Wächter hob beide Brauen und ließ den Stift kratzend über das raue Papier wandern.
Die Ermittlerin in Ausbildung gab sich nicht einmal Mühe, den Tonfall ihrer Frage zu verdecken: "Und wer war es dann, stattdessen? Haben Sie sich dafür auch schon eine Erklärung zurecht gelegt, ja?"
Nature löste die zitternden Finger aus dem tröstenden Griff und blickte auf. "Es könnte sein, dass der Täter ein ehemaliger Geschäftspartner war. Also nicht Herr Kraft aber jemand anderer. Mein ehemaliger Chef war nicht der netteste Mensch, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und auch nicht unbedingt der fairste oder ehrlichste."
Der schwarzhaarige Mann in Uniform stockte in seiner Tätigkeit, der kleine Stiftstummel blieb reglos in der Luft hängen. "Was genau meinen Sie damit, Frau Präraffa? Haben Sie Beweise dafür oder irgendwelche Unterlagen?"
"Nein, habe ich nicht, es war nur so eine Vermutung, ich...", stotterte sie.
Ihr Begleiter fasste beschützend mit einem Arm um ihre Schultern und fuhr die Wächter an: "Sie waren es doch, die danach gefragt hatten! Und für Beweise sind Sie wohl auch eher zuständig. Was soll das?"
Bevor Agnetha den harschen Ausfall persönlich nehmen und in ihrem aufbrausenden Talent dazu übergehen konnte ‚überlieferte Flüche‘ und ‚Kräfte des Unterstroms‘ zu beschwören, unterbrach von Schwamp den Verdächtigen mit ruhigen Worten: "Wir werden auch das überprüfen."
Das Pärchen sah von der Couch zu ihm auf.
Seine Kollegin blickte ihn, mit unzufrieden vor dem Körper verschränkten Armen an.
Er resümierte die gesammelten Antworten, verglich sie mit den vorliegenden Fakten und seufzte tief auf. "Zuallererst jedoch muss ich Ihnen mitteilen, dass die Umstände gegen Sie sprechen und wir Sie daher vorläufig festnehmen und zu weiteren Verhören auf die Wache mitnehmen müssen."
Die Göttin setzte ein zufriedenes Grinsen auf. So war es recht. "Uns könnt Ihr nichts vormachen. Die Sache stinkt zum Himmel!"

Beständiges Grummeln hinter der kleinen Metallklappe kündete vom Missmut des überarbeiteten Kaffeedämons. "Einen mit Schaum, einen ohne Schaum, einmal mit Zucker, bitte nicht zu heiß... blablabla... Was denken die denn, wer ich bin!"
Thask blickte geduldig auf das reglose Ausgabefach.
"Hi, Verschoor!"
Der Zombie drehte langsam den Kopf. "Hallooooo, Hauptgefreiter Pech!" Sein Mund schloss sich wieder und er konzentrierte sich erneut auf das Ziel seiner aktuellen Wünsche.
Der Hauptgefreite unterbrach ihn dabei. "Hast du Aven oder Amok gesehen?"
Thask wandte sich wieder dem Neuankömmling zu. Der Anwerber lehnte locker an der Wand neben dem Ausgabefach, die Hände in den zerknitterten Hosentaschen vergraben, und verbreitete generell eine Aura der schmuddligen Gelassenheit.
Etwas machte 'Ping', eine Metalplatte klapperte leise und der Mann mit dem strubbeligen blonden Haar hob einen dampfenden Becher ins Blickfeld, an dem er vorsichtig zu pusten begann.
Das Schimpfen war kurzfristig lauter geworden. "Aber das war das letzte Mal! Das Letzte, ich schwör's euch! Und wenn ihr mir den Knollenfresser an den Hals setzt! Dann soll er mir gefälligst auch die Überstunden zahlen, basta! Und 'ne Pause hatte ich auch schon länger nicht mehr..."
Die neuerdings nicht mehr ganz so unansehnliche Haut des Zombies bewegte sich etwas, als Gedanken sich unter ihr entlang schoben. "Nein."
Thymian Pech runzelte die Stirn und nippte unschuldig an dem Kaffee. "Klasse! Ich hasse das! Ich frag mich, warum ich immer wieder herkomme und das mitmache, wenn die beiden gar kein Interesse an ihrer Ausbildung haben! Ich hab' echt auch noch andere Sachen zu tun, als Grünschnäbeln hinterher zu dackeln. Wenn du die beiden siehst, schick sie mir nach oben, ja? Die haben heute Theorie."
Verschoor beobachtete die Klappe. Das leise Zetern war scheinbar tiefer in die Wand hinein unterwegs – es wurde beständig undeutlicher. Er nickte. "Okäääääää." Etwas tauchte in seinen Erinnerungen auf. Er wandte sich dem Anderen zu und bot ihm einen Gegenstand aus seiner Jackentasche an: "Nasenklammeeeeer?"
Pech schüttelte den Kopf. "Nein danke. Hab' derzeit einen leichten Schnupfen."
Verschoor drehte sich wieder um.
Kurz noch betrachtete Thymian seinen arglosen Abteilungskameraden und ein Lächeln schlich sich in die Mundwinkel. Dann jedoch kippte sein Verhalten überraschend. Er verbrühte sich am Getränk, hustete, kleckerte durch die ruckenden Bewegungen Heißes auf seine Hand, woraufhin er fluchend den Pappbecher in den Mülleimer warf und die klebrigen Finger an seiner mitgenommenen Kleidung abwischte. "Verdammt!"
Gerade in diesem Moment kam vom Ende des Ganges Irina Lanfear näher. Er verstummte, wich Verschoors milchigem Blick aus und murmelte ablenkend: "Und was machst du so?"
"Ich verhööööre."
Der Anwerber sah überrascht auf, wich dem Blick aber sogleich wieder aus. Sein Murmeln war beinahe schon in ein schüchternes Flüstern konvertiert. "Wie das? Du bist doch eigentlich nicht für solchen Kram zuständig. Oder hat sich da was geändert, während meiner letzten Abwesenheit?" Seine braunen Augen verfolgten jede Bewegung der Abteilungsleiterin, die derzeit noch in die Lektüre einer Papierseite vertieft war.
Thask hatte den Gedanken beendet. "Ich habe eine Daaaaaame verhööööört. Und danach auch nooooch die Protokolle verglichen. Ein kompliziiiiiiiierter Fall."
Sein Kollege war auf etwas ganz anderes konzentriert. Seine Frage kündete von tiefreichendem Desinteresse. "Gibt es keine Verdächtigen?"
"Doch."
Der schmächtige Mann rieb sich geistesabwesend die vernarbten Hände. "Na dann..."
Der definitiv Ältere von beiden resümierte: "Sogaaaaar zwei Verdächtige. Aber sie saaaaaagen ohne Widerspruch aus. Außerdeeeeem haben sie feeeehlerfreie Alibis. Der Chef bestätigt das eineeeeee. Die Dame vom Friedhof das andereeeee. Sie kann sich guuuuut an die Dame erinnern, da sie auch den ganzen Vormittaaaaag am Grab ihrer Katze Kittie beschääääftigt gewesen war uuuuund die beiden sich schon öfter gesehen hatten.." Etwas wie Enttäuschung klang aus seinen Worten, als er schlussfolgerte: "Vielleicht müssen wiiiiiiiiir sie frei lassen?"
Der Anwerber beobachtete, wie die Abteilungsleiterin das Blatt wendete und beim Lesen stehen blieb. Sie runzelte die Stirn. Thymian beschloss, dass es Zeit war, drohenden Fragen aus dem Wege zu gehen. "Immerhin kriegst du dein Geld dafür, ist doch auch nicht schlecht.", brummelte er und löste sich entschlossen von der Wand. "Nichts für ungut aber ich muss jetzt los. Wie gesagt, wenn du die Beiden siehst, schick sie hintendrein!" Er wartete keine Bestätigung ab und war sofort von der Bildfläche verschwunden.
Irina setzte sich wieder in Bewegung und passierte den wartenden Zombie, der just in diesem Moment antwortete: "Aber es geht um Gereeeeeeechtigkeit!"
Sie blinzelte verwirrt und antwortete kurz angebunden. "Beschwerden wegen der Dämonen bitte an Ohnedurst. Da habe ich nichts mit zu tun."
Nun war es an Thask, irritiert zu sein. Sein Blick fiel auf die reglose Klappe. Er hatte so eine Ahnung, dass er keinen Kaffee mehr abbekommen hatte.
Und... Er stutzte. Da war noch etwas... eine... Nein. Er konnte es nicht so recht glauben! Das war eine Vor-Ahnung! Der Fall würde spätestens morgen aus Mangel an Beweisen zu den Akten gelegt werden müssen. Und das, obwohl jeder Wächter, der mit ihm und den zwei Hauptverdächtigen in Kontakt gekommen war, genau wusste, dass einer von den beiden schuldig war!

RÜCKBLENDE


Es war ein aussichtsloses Unterfangen gewesen, Gregor zur Rede stellen zu wollen. Dieser rohe Mensch kannte die Bedeutung des Wortes 'Respekt' nicht einmal, geschweige denn, dass ihm irgendeine seiner unmenschlichen Handlungen Leid getan hätte. "Sie hätte dir unter keinen Umständen in diesem widerlichen Betrugsversuch geholfen, denn im Gegensatz zu dir, ist sie ein ehrlicher Mensch mit Anstand!"
Der vormals so scheibenmännisch wirkende Geschäftspartner lachte unangenehm auf. "Das missverstehst du, mein Lieber. Das Weib ist nicht etwa anständig, sondern verklemmt!" Ein boshaftes Grinsen entstellte sein rotes Gesicht. "Ich hab' ihr geholfen, als ich der Töle das Lebenslicht ausblies! Abgesehen von einer gewissen Genugtuung war es nur zu ihrem Besten – Die hat doch vorher noch nie 'ne Emotion gespürt in ihrem kleinen, beschränkten Köpfchen!"
"Wie kannst du nur derart abfällig über sie reden! Sie hat für dich die ganze Arbeit erledigt!"
"Blödsinn! Ich hab' sie die ganzen Jahre wie einen Klotz am Bein mit mir herumgeschleppt! So herum wird eher ein Schuh draus! Was hätte ich ihr alles gegeben und gezeigt für eine klitzekleine Aufmerksamkeit! Aber nein! Jedes Jahr die gleiche Leier! Ich habe zu tun, ich bin unterwegs, ich kann heute nicht... Was denkt die denn, was ein Mann braucht? 'Ne Tippse? Ich bitte dich!" Das Grinsen im Gesicht wurde ölig.
Mark zuckte angewidert zurück. "Du ekelhafter..."
Der ältere Händler zischte ihn an: "Vorsicht! Außerdem muss man ja wohl sagen, dass du von uns beiden viel eher der Betrüger bist. Schnappst mir die Kleine weg und verschweigst es deinem treuherzigen Partner auch noch! Woher soll ich denn wissen, dass die Schlampe es nicht umgekehrt gemacht und meine Abschlüsse an dich verraten hat?"
Die Geduld des Jüngeren war eindeutig am Ende. "Wage es nie wieder, Nature in den Dreck zu ziehen!"
"Sonst was?" Der spöttische Blick Gregor Tauschers wanderte über die durchschnittliche Figur seines Kontrahenten.
Marks Stimme zitterte vor unterdrückter Wut: "Sonst zeige ich dich bei der Hehlergilde an und die werden dann dafür sorgen, dass du endlich Manieren lernst!"
Die schwarzen Abgründe klafften von einer Sekunde zur anderen auf und verrieten das wahre Wesen, des Mannes, der in so vielen Ländereien für sein umgängliches Auftreten und dieses unnachahmlich leichte Lächeln bekannt geworden war. Er trat einen weiteren Schritt auf Mark zu und stieß ihn grob von sich fort.
Der junge Mann stieß unsanft gegen den Metallrahmen des Bettgestells, stolperte und fiel hintenüber auf die durchgelegene Matratze.
Der Angreifer setzte ihm nach und beugte sich boshaft zischend über ihn. "Ich rate dir, schnellstens aus meiner Nähe zu verschwinden, du Wurm. Solltest du es allerdings wagen, auch nur einen Fuß in die Gilde zu setzen, endest du genauso wie der Köter und darfst dich zu ihm legen, ist das klar?"
Der Satz ließ sich nicht aufhalten. Er hatte Marks Mund verlassen, ehe das Gehirn auch nur eine reelle Chance zum Eingreifen erkannt hätte. "Das ist so klassisch für euch Möchtegern-Gutbürgerlichen! Wozu der Herausforderung begegnen und denken? Wenn man doch fast alles wesentlich schneller durch Kurz- und Kleinschlagen regeln kann!"
"Ich bring dich um!" Gregor sprang auf das Bett zu. Doch Mark erkannte die unmittelbare Gefahr augenblicklich, streckte seine Hände aus, griff zielsicher zu, nutzte Gregors Eigenmoment und hebelte ihn an sich vorbei und über das Bett hinweg. Dessen Hände griffen ins Leere und er landete nach einer halben Umdrehung mit lautem Krachen an der Wand.
Ein aggressives Pochen erklang als unausweichliches Echo der nebenan liegenden Mieträume. Jemand beschwerte sich über den unerträglichen Lärm der heutzutage lebenden jungen Leute.
Mark war darauf gefasst, den nächsten Angriff abzuwehren. Doch nichts geschah. Er blickte auf den bewusstlosen Körper neben sich. Die Wand war eine Außenwand und somit wohl stabiler gewesen, als die Übrigen. Tauscher rührte sich noch immer nicht. Der Jüngere kontrollierte den Puls des Bewusstlosen. Schade eigentlich. Er lebte noch.
Etwas in Marks Sinn machte 'klick'.
Die Zeit schien stehen zu bleiben. Schade?
Der Bewusstlose rührte sich noch immer nicht.
Und wenn er ihn nun irgendwie fesselte und knebelte? Nur so lange, damit er in Ruhe über sein weiteres Vorgehen nachdenken könnte?
Er begann in aller Eile das kleine Zimmer abzusuchen. Endlich fand er das Gesuchte. In einer der Taschen unter dem Bett waren die Produktproben für den Winter verpackt gewesen. Auch die besonders wetterfesten dünnen Seile. Er machte sich schweigend an die Arbeit und fesselte den Geschäftspartner an dessen Bett. Als er gerade ein grobes Wolltuch der Marke 'Sto-Ernte' als Knebel einsetzte, kam der gescheiterte Angreifer wieder zu sich. Der Schrecken in seinen Augen war nur von kurzer Dauer, dann setzte der Zorn ein.
Mark zog das Bettgestell etwas von der Wand, damit es nicht ständig dagegen scheppern würde. Verbissen wich er den Blitze schleudernden Blicken aus und ignorierte die gedämpften Laute der gewürgten Flüche.
Er wurde nervös.
Das ist alles nicht richtig! Was sollte er nun tun? Nature war auf dem Friedhof.
Wenigstens das. Aber er würde ihr davon erzählen müssen. Auch dem Chef, der ihn gedrängt hatte, die Vertragskündigung in der Holzsache zu verhindern.
Nein, lieber nicht. Andererseits konnte er nicht einfach gehen und das hier vergessen.
Oder?
Nein, er müsste zurückkommen und den Mann gehen lassen. Allerdings würde der ihn daraufhin anzeigen. Wenn man ihn nur irgendwie loswerden könnte! Einfach aufräumen und alle Spuren beseitigen, als wäre er niemals in ihrer beider Leben geplatzt!
Der junge Mann blickte ein letztes Mal in die hasserfüllten Augen des mit den Fesseln Kämpfenden. Dessen Gesicht hatte kaum noch Ähnlichkeit mit dem des überlegenen, gut gepflegten Händlers. Die geäderten Augen quollen aus den verschwitzten Fleischfalten heraus.
Er musste Nature beschützen.
Sie hat genug erduldet.
Mark wandte sich der Tür zu, nahm den Schlüssel mit sich, und schloss sie hinter sich.

[1] Frau Bolle hat eine etwas undeutliche Aussprache. Sie meint natürlich die 'Megalomanie', die einen krankhaften Wahn darstellt, eine Überzeugung entgegen einer statistisch/gesellschaftlich festgelegten Wahrscheinlichkeit. Das Wissen um diesen ungewöhnlichen medizinischen Fachbegriff, der offensichtlich nicht ihrem durchschnittlichen aktiven Wortschatz entspricht, bezieht sie aus roten Kurier-Schlagzeilen wie etwa: "Megalomane hat wieder zugeschlagen!"

KRITIK ERWÜNSCHT!



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Feedback:

Von Tussnelda von Grantick

02.09.2005 08:26

Die Story war gut aufgemacht und hat mir alles in allem recht gut gefallen.

Meine Kritikpunkte:

Der Dialektteil hat mir wahnsinnige Schwierigkeiten gemacht. War einfach zu geballt und hat so meinen Lesefluß Lesefluss gestört.
Bei den vielen Charakteren hätte ich mir vielleicht noch eine kurze Vorstellung gewünscht, eins zwei Sätze zu der Person die jetzt agiert und warum. Die Täter hatten zwar ein starkes Motiv, aber das hätte man sicherlich noch mehr herausstellen können.

Von Rib

02.09.2005 10:53

Mal nur ganz kurz: Von allen Pokalschreibern hast du am besten die Pokeyanforderungen, z.B. die Pokalwörter, genutzt. Die ungewöhnliche Nutzung war schön kreativ und hob diese Story bei mir auf den ersten Platz. Was nicht für die Note galt: Du mußt lernen, weniger zu ballen. Mir fehlten Scenen, in denen sich der Leser entspannen konnte. Denn wenn man immer angespannt liest, ist Spannung kaum möglich.
Deshalb gab es von mir eine Zwölf. Es wäre mehr drin gewesen, wenn es nicht so dicht gewesen wäre. Lieber die Story nur einen Hauch flacher halten.

Von Ophelia Ziegenberger

08.09.2005 19:53

:) Vielen lieben Dank Euch beiden für eure Rückmeldungen. Die sind mir sehr, sehr wichtig und ich werde sie bei meinen künftigen Versuchen unbedingt zu berücksichtigen versuchen. *gilt jetzt natürlich noch nicht für die bereits eingesandte Single - aber danach dann* Vor allem die Arbeit am Spannungsbogen sollte bald besser gelingen, wenn ich den Plot im Grundzug vorher, statt während des Schreibens entwerfe. :wink:

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