Just Married

Bisher hat keiner bewertet.

von Korporal Dragor Nemod (RUM)
Online seit 03. 05. 2004
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Endlich ist es soweit: dragor und Lena heiraten! (warnung: hier gibt es kein Verbrechen, nur eine Geschichte)

Dafür vergebene Note: 13

---Wie bei all meinen Singles kann es durch lange Bearbeitungszeit zu Ungereimtheiten in Rängen und Positionen geben. Ich bitte um Verständnis. Eventuelle Rechtschreibe und Zeichensetzungsfehler sind zu sammeln und bei Bregs abzugeben, die hat dann nämlich ihren Job nich richtig gemacht (nurn Scherz Bregs ;-) ) ---


Dragor verließ das Wachehauptquartier am Pseudopolisplatz mit dem wahrscheinlich größten Grinsen auf der ganzen Scheibe. Er hatte sich gerade sein Gehalt abgeholt und war nun auf dem Weg zu einem Laden um sich etwas ganz bestimmtes auszuleihen: Einen Anzug. Doch bevor er dorthin ging überquerte er die Strasse und ging zum Kartenhäuschen der Oper. Dort holte er sich die vorbestellten Karten für die heutige Vorstellung. Er hatte mehrere Gehälter dafür gespart und auf einiges verzichten müssen. Doch hatte sich hier Semmys weiches Herz in harter Schale gezeigt. Semmy hatte auf seinen Gehaltsanteil komplett verzichtet. Natürlich behauptete er das nur getan zu haben weil er Angst hatte Dragor würde ihn verkaufen, aber Dragor wusste, dass er es aus Freundschaft getan hatte. Doch Semmy war in letzter Zeit sowieso sehr beschäftigt. Er hatte den Verein K.A.M.P.F. [1] gegründet, mit dem er für die Rechte der Dämonen kämpfte, was ihn ganz schön auf Trab hielt. Auch der Zwergdämon aus Dragors Ikonograph war beigetreten und arbeitete intensiv mit Semmy zusammen. Diese intensive Zusammenarbeit hatte eins über den stillen Dämon zu Tage gefördert: Es handelte sich hier um eine Dämonin. Das war auch der eigentliche Grund für ihren Beitritt gewesen. Sie hatte sich sozusagen in Semmy verknallt. Die sonst so schüchterne Dämonin lag Dragor jetzt in Semmys Abwesenheit immer mit Schwärmereien in den Ohren. "Er ist ja so stark!" und "Diese Männlichkeit ist umwerfend!" waren mit verschiedenen Abwandlungen die häufigsten Sätze. Durch Semmy langsam überzeugt sich als Person statt als Werkzeug zu sehen, hatte sie sich endlich einen Namen gegeben. Betty nannte sie sich jetzt. Semmy wusste noch nicht so recht was er von der Situation halten sollte. Dragor hatte das Gefühl, dass er auch für Betty etwas empfand, jetzt wo sie sich aus ihrem Kasten herausgewagt hatte, aber seine harte Schale ihr gegenüber nicht fallen lassen wollte. Betty hingegen vergötterte Semmy offen und war sich sicher, dass ihre Gefühle erwidert würden, auch wenn Semmy es nicht zeigen wollte.
Aber zurück zu Dragor. Er war mittlerweile bei Herrn Schwalbenschwanz, Frack-, Abendkleid- und Anzugschneider und ?Verleiher, angekommen, welcher ihn höflich grüsste. Der von Dragor bestellte Anzug, sowie das Abendkleid lagen schon bereit. Alles lief an diesem Tag perfekt. Sogar der Ankh schien heute nicht zu stinken, doch Dragor war überzeugt, dass das nur sein subjektiver Eindruck war. Nichts würde diesen Tag verderben. Nichts durfte diesen Tag verderben. Dragor nahm den in ein Stoffbündel eingepackten Anzug entgegen und klemmte das Kleiderpaket unter den Arm. Der nächste Laden den Dragor ansteuerte lag in den besseren Bereichen der Strasse der schlauen Kunsthandwerker. Er musste aufpassen, dass Lena ihn nicht sah, denn was er vorhatte sollte sie überraschen. Sie arbeitete derzeit bei einem Schreiner, der sich auf Sitzmöbel spezialisiert hatte. Zum Glück war der Laden weit genug von dem Laden der Juweliere Glitzerstein und Schleifner entfernt um nicht beim hinein- oder hinausgehen zufällig erspäht zu werden. Nachdem Dragor das Päckchen vom Juwelier geholt hatte steuerte er die letzte Station an, einen Blumenladen. Dort erstand er einen prächtigen Strauss aus roten Rosen und weissen Tulpen, sowie Ansteckblumen für das Knopfloch seines Anzuges und als Brosche für das Abendkleid. Danach machte er sich auf nach Hause, wo er Semmy und Betty absetzte, seinen Anzug anlegte, das Abendkleid für Lena bereitmachte und sich noch die Haare in eine adrette Form zauberte. Zehn Minuten bis Lena nach Hause kam. Genau im Zeitplan. Auf zum letzten Teil des Puzzles, dem Kutschen-Vermieter.

Lena stellte den Besen in den Wandschrank, schloss den Schrank zu und seufzte. Sie hatte heute schon wieder ihren Arbeitgeber zur Schnecke gemacht, das war das zweite Mal diese Woche und es war wie beim letzten Mal wegen einer Lappalie gewesen. Aus irgendeinem Grund war sie in letzter Zeit sehr leicht reizbar. Sie musste sich beherrschen, sonst würde sie entlassen werden und sie wollte auf keinen Fall Dragor auf dem Geldbeutel liegen. Das könnte sie ihm niemals antun. Sie zog ihre Jacke an, verließ den Laden und schloss die Türe ab. Dann machte sie sich auf den Weg nach Hause. Sie freute sich jetzt schon darauf, Dragor wiederzusehen. Er war erst vor ein paar Tagen von einem Fall zurückgekehrt, davor hatte sie ihn gut eine Woche nicht gesehen. Es war die Hölle gewesen. Wie hatte sie es vermisst, sein warmes Lächeln zu sehen wenn sie nach Hause kam. Wie hatte sie es vermisst, ihn in den Arm zu nehmen und ihren Kopf auf seiner Brust zu betten. Es war eine schreckliche Zeit gewesen und Lena wusste nicht, ob sie es in ihrem momentanen nervlichen Zustand noch länger durchgehalten hätte. In diesen Gedanken versunken erreichte sie schließlich die Haustüre, schloss auf, und begab sich nach oben. Doch ihr Verlobter war nicht da. Hatte er noch länger in der Wache bleiben müssen, um seinen Bericht fertig zu stellen? Oder war er schon wieder auf eine neue Mission geschickt worden? War er vielleicht überfallen worden? Doch bevor Lena sich noch schlimmeres ausmalen konnte bemerkte sie das geschmackvolle weiße Abendkleid auf ihrem Bett. Es war wunderschön, es musste ein Vermögen gekostet haben. Auf dem Kleid lag eine kleine Karte bemalt mit Rosen und beschriftet mit:
"Ich habe eine Überraschung für dich.
Bitte zieh das Kleid an und mach dich hübsch
Ich komme dich in einer Stunde abholen.
Dragor"
Ohne weiter zu rätseln begann Lena ihre Arbeitskleidung abzustreifen. Kritisch betrachtete sie ihren freigelegten Körper im Spiegel. Ihr ansonsten flacher Bauch begann sich ganz leicht zu wölben, und das obwohl sie weder mehr zu sich nahm, noch sich weniger bewegte. Aber mit dem Essen war das sowieso so eine Sache im Moment... seit ein paar Tagen würde ihr morgens regelmäßig übel, teilweise musste sie sich sogar übergeben. Den Göttern Sei Dank hatte sie nächsten Donnerstag einen Termin bei einem Heiler, der würde ihr schon sagen können was sie hatte. Nun aber musste sie in die edle Hülle schlüpfen welche ihr Liebster ihr gebracht hatte. Nachdem sie die besondere Unterwäsche angezogen hatte zog sie das Kleid an und besah sich erneut im Spiegel. Sie sah aus wie eine Dame Von und Zu. Nicht wie eine der arroganten, faltigen Schachteln, sondern wie eine Prinzessin die es wert war vor einem Drachen gerettet zu werden. Dann setzte sie sich vor den kleinen Spiegel und trug hier und da ein wenig Mäk-App auf, danach verarbeitete sie ihre schulterlangen Haare in einer für die Länge sehr eleganten Hochsteckfrisur. Es lohnte sich, auf vielerlei Gebieten gebildet zu sein. Nur weil eine Frau ohne zu zögern einen Wächter fesselt und mit einer Armbrust bedroht, heißt das nicht, dass sie keine Tricks kennt um dabei gut auszusehen. Als sie schließlich mir ihrem Erscheinungsbild zufrieden war hörte die draussen vor dem Haus Hufschläge auf dem Pflasterstein und das quietschen von Kutschenrädern. Lena saß auf dem Bett, bekleidet mit dem edlen Abendkleid, der Borsche an der rechten Brust, die Haare mit ein paar unauffälligen Nadeln hochgesteckt und in Erwartung dessen was kommen sollte.
Eine kurze Stille folgte, dann vernahm sie die Stimme ihres Verlobten.
"Lady Ulster, dürfte ich Sie bitten, hinaus zu kommen?"
Als Lena aus der Haustüre trat erblickte sie eine prachtvolle Kutsche, vor der ihr Verlobter stand. Sie erkannte ihn kaum wieder. Wenn er mal nicht in Uniform war so trug entweder eine Verkleidung inklusive Maske oder aber auch gar nichts. Doch der Anzug der ihn kleidete machte einen ganz neuen Menschen aus ihm. Niemand hätte gedacht dass dieser Mann sich regelmäßig mit kriminellen Subjekten abgab und sie festnahm. Vor ihr stand ein Mann aus den oberen Schichten. Wieder einmal wurde Lena sich gewahr, dass es zum Beruf ihres Verlobten gehörte, jemand anderes zu sein. Dragor kam elegant auf Lena zu, gab ihr einen galanten Handkuss, kniete vor ihr nieder, zauberte einen Blumenstrauß hinter dem Rücken hervor und frug
"Dürfte ich Mylady zur Oper begleiten?"

Vor der Oper hatte sich eine regelrechte Kutschenschlange gebildet. Die Kutschen fuhren vor, der Page öffnete die Türe und die Insassen der Kutsche stiegen aus. Es sah ganz danach aus als würden Dragor und Lena den Altersdurchschnitt der Zuschauer ruinieren, denn bisher waren alle anderen Gäste gealterte Damen, mit Schmuck behangen, und gealterte Herren, mit eingezogenem Bauch, gewesen. Als Dragor mit Lena durch die aufgehaltene Türe kletterte staunte der Page nicht schlecht. Er erkannte Dragor als einen der Wächter, die im Wachgebäude am Platz ihr Büro hatten. Er war es gewohnt, dass der eine oder andere Wächter in der Oper ermittelte, doch einen Wächter als Gast hatte er noch nie gesehen. Dragor und Lena schritten die Treppe hinauf, gaben ihre Karten dem Türsteher, welcher nicht minder verdutzt war als sein Bruder der die Kutschen öffnete. Die beiden ungewohnten Gäste nahmen ihre Plätze ein, dritte Reihe Mitte, und Dragor ergriff Lenas Hand und streichelte sie sanft, während sie darauf warteten, dass die Vorstellung endlich beginne. Das letzte Licht im Saal verlosch und als Reaktion auf ein überlautes Zischen erstarb auch das letzte Gespräch. Es konnte losgehen. Mit einer Kerze in der Hand kam die Diva hinter Vorhang hervor und begann sogleich ihr Lied anzustimmen, begleitet von leisen Geigentönen. Sie stolzierte auf der Bühne umher, sang ein Lied von unerfüllter Liebe und Trauer, pustete ihre Kerze aus und verlies die Bühne. Daraufhin kam der Tenor auf die Bühne, ebenfalls mit einer Kerze ausgerüstet und brummte mehr als das er sang, ein Lied von unerfüllter Liebe und Trauer. Dragor erlitt ein Deja-vu.
So ging es mehr oder weniger zwei Stunden lang und es wurde eine romantisch-dramatische Geschichte erzählt, von Archibald, der Helen begehrte, welche Ronald versprochen war, welchen es nach Esther verlangte, die aber leider dachte das Archibald in sie verliebt sei. Kompliziert wurde alles erst, als Esthers verstorben geglaubter Ehemann Gunther zurückkehrte und erklärte, dass Helen seine Tochter sei. Irgendwann verlor Dragor den Faden, doch Lena folgte gerührt der Geschichte bis zum tragischen Tod sämtlicher Involvierter bei einem großen Feuer.

Nach Ende der Vorstellung folgte ein furioser Applaus, der Dragor gerade noch rechtzeitig aufweckte um sich keinen bösen Blick von Lena einzufangen. Ein schneller Seitenblick zeigte Dragor, dass manche der gealterten Herren einen nicht ganz so leichten Schlaf hatten wie er, sehr zu ihrem späteren Leidwesen, wie Dragor überzeugt war. So langsam leerte sich dann der Saal und Dragor reihte sich mit seiner Lena in den Strom der Verlassenden ein. Während er einige Herren dabei beobachtete von ihren Frauen leise getadelt zu werden unterdrückte er ein Gähnen und zwang sich, wach zu werden. Der schwierigste Teil des Abends stand noch aus. Bis sie die Fronttreppe erreichten hatte er noch Zeit. Er schob noch ein letztes Mal prüfend die Hand in die Jackettasche. Das Kästchen war da. Konzentration. Sie verließen das Gebäude und kalte Nachtluft und das Aroma des Ankhs schlugen ihnen entgegen. Da war die Treppe. Der Moment war gekommen. Nervosität. Herzflattern. Schweißausbruch. Konzentration! Dragor beschleunigte seinen Schritt leicht um vor Lena zu gelangen. Er zählte runter.
3...
2...
1...
Er drehte sich um und kniete sich vor Lena auf die Treppe. Die schnelle Bewegung ließ einen Schmerz durch sein Schienbein fahren, doch er konnte es sich jetzt nicht leisten, es zu zeigen. Lena blieb wie angewurzelt stehen.
"Lena Ulster." Begann Dragor mit lauter Stimme, so dass ihn wohl bis zum Wachhaus jeder hören konnte. Auf der Treppe drehten sich alle zu ihnen um, eine Dame fiel auf ihr wohl genährtes Hinterteil als der Page, der ihr beim einsteigen half, plötzlich sein Pflichtgefühl vergaß und sich seiner Neugier erinnerte.
"Seit zwei Jahren wohnen wir nun zusammen, teilen Tisch, Geldbeutel und Bett. Dein warmes Lächeln muntert mich immer auf und deine Arme geben mir Wärme wenn ich ausgebrannt bin. Dein Körper ist schöner als jedes Kunstwerk und dein Geist ist mindestens perfekt, wenn nicht mehr. Du bist die Frau mit der ich leben will. Du bist die Frau mit der ich sterben will. Lena Ulster, Frau meiner Träume, " Dragor griff in seine Tasche, förderte das Kästchen zu Tage, klappte es auf und enthüllte den Goldring. Ein kleiner Diamant blitzte darauf. "Willst du mich heiraten?"
Lena stand da wie vom Blitz gerührt. Eins stand fest, die Überraschung war Dragor gründlich gelungen. Die umgebende Menge hielt den Atem an. War es zu schnell gewesen? Hatte sich der Schmerz in seinem Gesicht gezeigt? War sein Auftritt peinlich gewesen? Doch bevor Dragor noch weitere Bedenken finden konnte , fasste Lena sich und ein Ausdruck tiefer, ehrlicher Freude und Erleichterung breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
"Ich dachte schon, du würdest nie mehr fragen! Ja, Ja, tausendmal ja!" rief sie, stürzte sich geradezu auf Dragor, umarmte ihn und gab ihm einen langen, leidenschaftlichen Kuss. Die Vorstellung auf der Treppe bekam beinahe soviel Applaus, wie die Vorstellung im Saal bekommen hatte.

- - - Der nächste Morgen - - -

Agnetha saß am Tresen an der Eingangstür des Wachgebäudes und gähnte herzhaft. Ihre geringe Göttlichkeit schien sie nicht vor Müdigkeit zu schützen. Wie sie das schon kannte gab es nicht viele Leute in näherem Umkreis um sie herum, was, wie jeder sofort merkte, am Aroma ihrer Heimat lag. Der Morgen war bisher eigentlich ganz ruhig verlaufen, sogar Frau Willichnichts Beschwerde war knapp gewesen. Doch die Ruhe sollte ein Ende haben. Lauthals und ziemlich falsch ein Lied singend schritt oder vielmehr tänzelte Korporal Dragor Nemod herein. Agnetha erkannte ihn von der Vorstellungsrunde, die Mä'äm Lanfear mit ihr gemacht hatte, als sie bei R.U.M. als Ermittlerin in Ausbildung eingestellt worden war. Wie sie ihn bisher erlebt hatte war es überhaupt nicht seine Art, sich derart zu verhalten. Als er vorbeikam, trällerte er ein fröhliches "Guten Morgen" und tanzte weiter, jeden grüssend, egal ob Verbrecher oder Wächter.

Larius kam grade aus dem Labor, wo er einige Beweise abgeliefert hatte, um die Ecke, hörte nur noch einen schiefen Gesang als er um die nächste Ecke ging und Dragor ihn umstiess. Beide gingen in einem Blätterregen zu Boden.
"Hey Drag, was ist denn in dich gefahren?" frug Larius als er sich wieder aufgerappelt hatte.
"Entschuldigen sie, Sör DeGarde!" antwortete Dragor. Larius verdrehte die Augen.
"Drag... Du musst mich nicht 'Sör' nennen, nur weil ich etwas schneller befördert wurde als du! Also, was ist los?" Wortlos grinsend suchte der Befragte alle Blätter zusammen, suchte eines heraus und drückte es Larius in die Hand. Darauf stand in Dragors lupenreiner Handschrift:
"Einladung!
Für: Chief-Korporal Larius DeGarde
Zur Hochzeit von Lena Ulster und Dragor Nemod
Am Freitag, den 30. Sektober, 20 Uhr
In der Kapelle des Polis Gardius
Platz der gebrochenen Monde
Musik und Tanz
Essen und Trinken
Und natürlich eine Torte!"
Larius verarbeitete das gelesene und sein Gehirn assoziierte. Dann leuchte ein Wort grellrot wie eine magische Leuchtschrift vor seinem geistigen Auge:
Junggesellenabschied!

Nach kurzer Zeit hatte so ziemlich jeder Wächter den Dragor kannte eine persönliche Einladung erhalten. Damit war der längste Teil der Gästeliste erledigt. Nun musste nur noch Lena in ihrer Mietwächteragentur die Einladungen verteilen. Das hieß, wenn heute kein Fall hereinkam konnte Dragor sich um die auf der Einladung versprochene Torte kümmern. Und das Glück war Dragor hold, die unlizensierten Räuber und Mörder schienen sich zurückzuhalten, zumindest war nirgendwo der Einsatz eines verdeckten Ermittlers nötig. Nach Dienstschluss verließ er das Wachgebäude mit demselben guten Gefühl mit dem er es morgens betreten hatte. Er machte sich als erstes auf den Weg zum Bäcker, wo er eine vierstöckige Hochzeitstorte bestellte. Die Figuren die darauf gestellt werden würden wollte er selbst anfertigen. Er konnte ganz gut malen, dann konnte schnitzen nicht so schwer sein, oder? Die Torte würde rechtzeitig zur Hochzeit fertig gestellt und zur Kapelle geliefert werden. Das nächste worum Dragor sich kümmern würde waren die Blumen. Aber das hatte noch Zeit, die Festlichkeiten waren schließlich erst in einer Woche. Also trat er den Weg nach Hause an, um darauf zu warten, dass seine zukünftige Frau von ihrem Nebendschob beim Schreiner zurückkam. Aus der Ferne wurde Dragor auf einen bleichen Mann aufmerksam, der mit seinem nur schwach bekleideten muskulösen Oberkörper an der Haustüre lehnte. Der Man sah mal nach hier, mal nach da. Als Dragor näher kam bemerkte er eine schwarze Ansteckschlaufe auf dem muskelbetonenden Hemd des Fremden. Dragor folgerte, dass es sich hier um ein Mitglied der geheilten Vampire handeln musste, doch er hatte noch nie im Leben einen so durchtrainierten Vampir gesehen. Die Untoten hatten es doch gar nicht nötig, zu trainieren. Doch der Vampir sah nicht verdächtig aus, also näherte sich Dragor ihm.
"Hallo Herr Wächter!" grüsste der Bleiche von weitem.
"Guten Abend Herr äh..."
"Birch. Brian Birch. Ehemals Graf Vorlost Marvolo Haldur Randor Valdimier von Reppkess" beantwortete Brian grinsend die unausgesprochene Frage und tippte dabei auf seine Liga-Schlaufe. "Und Sie müssen Dragor Nemod sein."
"Richtig Herr Birch." sagte Drag und streckte die Hand zum Gruß aus. Ein kräftiger Händedruck folgte. "Nun, was führt Sie her und woher kennen Sie meinen Namen?"
"Ich komme von der Wächtervermietung bei der ihre Verlobte Lena arbeitet. Sie erzählt viel von Ihnen."
"Wirklich? Das freut mich. Wollen Sie nicht mit hineinkommen?"
Brian ließ sich nicht zweimal bitten und folgte Dragor ins innere dessen, was man als Heim des zukünftigen Paares bezeichnen konnte. Dragor bat Brian hinein.
"Nehmen Sie doch Platz, Herr Birch. Nun, Herr Birch, was führt Sie her?"
"Na ja, wir haben davon gehört das Sie sich endlich entschieden haben, die Sache mit dem Geheirate durchzuziehen."
"So ist es."
"Na ja, ich und Heck und Meck wollten unsere Hilfe beim Aussortieren ungebetener Feiergäste anbieten. Ich schätze bei einer Wächterhochzeit tauchen solche Gestalten zwangsweise auf."
"Hm..." Dragor grübelte kurz "...da haben Sie sicherlich recht. Eine sehr gute Idee! Danke."
"Aber sagen Sie Lena bitte nix. Soll ne Überraschung werden."

- - - Donnerstag - - -

Dragor machte sich auf zur Arbeit. Nur noch ein Arbeitstag, dann würde er heiraten. Als er Lena den Abschiedskuss gab sah er, dass sie sehr bleich war.
"Stimmt etwas nicht, Liebling?" frug er besorgt. Lena zwang sich zu einem Lächeln.
"Nein, nein, Schatz. Mir ist nur ein wenig übel. Wird schon wieder." antwortete sie mit matter Stimme. Dragor gab ihr einen besorgten Blick und dann einen Kuss auf die Stirn.
"Na ja, du hast ja heute einen Termin beim Heiler, da wird sich schon alles aufklären."
Mit einem aufmunternden Lächeln verabschiedete Dragor sich zur Arbeit. Den ganzen Tag lang ein fröhliches Liedchen pfeifend verging die Arbeitszeit wie im Fluge. Seit einigen Tagen verhielten sich die Banden und Mörder der Stadt wirklich still. Es schien beinahe als wären sie nicht mehr da[2]. Ehe Dragor sich versah war der Tag schon seinem Ende nahe und seine Arbeit für einen weiteren Tag getan. Langsam verschwand die Sonne wieder aus dem Sichtfeld der Bewohner der dunstigen Stadt. Nur noch ein Nachmittag, eine Nacht und ein Morgen bevor der Bund zwischen Dragor und Lena die Anerkennung der Götter[3] finden würde. Das würde eines der besten Ereignisse seines Lebens werden. Im Geiste ging er noch einmal alles durch. Die Ringe waren sicher verstaut, die Blumen hatte er per Taube bestellt und die Quittung erhalten, die Torte würde auf die Sekunde genau geliefert werden, die Uniform war gepresst und gestärkt... ja, alles wie geplant.

Lena kehrte vom Heiler nach Hause zurück. "Wie hatte das nur passieren können?" dachte sie bei sich. "Das war überhaupt nicht geplant!" Geistesabwesend und vor sich hin brütend setzte sie sich an den Tisch. "Wie soll ich es Dragor sagen? Das könnte tödlich für seine Karriere sein... und meine sowieso!" Lena gefiel der Gedanke überhaupt nicht, ihre Arbeit aufzugeben. Nicht nur dass sie es sehr mochte als Mietwächterin zu arbeiten, sie würde auch noch Dragor belasten... außerdem würden sie morgen heiraten... heute Abend noch musste sie es ihm sagen. Vielleicht war unter diesem Gesichtspunkt die Hochzeit keine gute Idee. Aber sie liebte Dragor, sie liebte ihn mehr als ihr eigenes Leben! Zwei Jahre hatte sie jeden Tag auf den endgültigen Heiratsantrag gewartet. Zwei Jahre, seit Dragor sich heldenhaft vor Gericht für sie eingesetzt hatte, um einen Freispruch zu erwirken. Zwei Jahre mit immer neuen Wochen der Angst, wenn Dragor Ander Kaffer ermittelte, in denen sie nicht wusste wo ihr Mann war, oder was für Gefahren ihn erwarteten. Zwei Jahre, die sie nicht für jeden AM-Dollar auf der Scheibe missen wollte. Und morgen würde das Ereignis eintreten, auf das sie diese zwei langen Jahre gewartet hatte. Dragor würde ihr Ehemann werden.
Mit diesem Gedanken hörte sie die Haustüre ins Schloss fallen. Dragor kam, ein beschwingtes Lied pfeifend, die Treppe zu der gemeinsamen Wohnung hoch. Lena überlegte, sich wie sie es ihm beichten sollte. Da betrat Dragor auch schon die Wohnung.
"Guten Abend, Liebling!" trällerte er freudig, lehnte seinen Schild neben der Tür an die Wand und begab sich in die Mischung aus Wandschrank und Schminknische. Er legte seine Uniform ab und zog sich ein braunes Hemd und eine braune Hose an. Sehnsüchtig betrachtete er die Gala-Uniform in seinem Schrank. Er hatte die Uniformen damals selbst entworfen [4]. Morgen würde er sie zu seiner Hochzeit tragen.
Nachdem sich Dragor fertig angezogen hatte verließ er die Kammer und gab seiner zukünftigen Ehefrau einen Kuss auf die Stirn. Dann bemerkte er ihr sorgenvolles Gesicht.
"Was ist denn, mein Liebling?" frug Dragor "Du siehst aus, als bedrücke dich etwas!"
"Nunja..." druckste Lena ein wenig herum.
"Ist es wegen deinem Besuch beim Heiler heute Mittag?"
"Ja, so in der Art..."
"Nun sag do..." Doch dann lenkte ihn etwas ab. Neben seinem Fenster schlug ein Bolzen in die Wand ein. Dragor schaute sofort aus dem Fenster. Unten lief eine vermummte Gestalt davon. Einen Wächter außer Dienst angreifen? Das würde Folgen haben, wenn der Kerl nicht eine verdammt gute Gildenlizenz vorweisen konnte. Mit den Worten "Ich bin gleich wieder da, Liebling!" griff sich Dragor den Schild und hechtete aus dem Fenster.

Dragor hatte den Mann bis in die Docks verfolgt. "Ein Wächter hat wohl niemals Feierabend..." dachte er bei sich. Eigentlich hätte Dragor die Verfolgung auch aufgeben können und morgen alles melden können. Aber dieser Schuft hatte ihn zu Hause angegriffen, in Gegenwart seiner zukünftigen Ehefrau! Das konnte er so nicht stehen lassen. Leider schien er den Verbrecher verloren zu haben. Die Docks waren verständlicherweise eine Gegend, in der man sich gut verstecken konnte. Als Dragor sich schon wieder zur Umkehr wenden wollte, sah er den Verdächtigen in einer Bar verschwinden. Nur mattes Licht glomm aus der Bar. Dragor zwängte sich durch die Massen auf die Türe zu. Die Türe war nur angelehnt. Hatte Dragor sich das nur eingebildet oder hatte er da ein Kichern hinter der Türe gehört? Womöglich war das eine Falle... aber wie dem auch sei, Drag wollte diesen Typen erwischen.
Vorsichtig öffnete Dragor die Türe. In dem Raum stand eine einzelne, einsame Kerze. Niemand schien in dem Raum zu sein, doch es gab eine Türe in ein Hinterzimmer. Aus den Ritzen der Türe drang helles Kerzenlicht. Dragor schlich sich an die Türe heran. Er fasste den Griff seines Langschildes fester, ging in die Knie, öffnete die Türe und sprang hinein.
"ÜBERRASCHUNG!" rief man ihm aus dem hell erleuchteten Raum entgegen.
Als Dragor sich orientiert hatte, sah er ein großes Banner im Raum gespannt, welches verkündete "Viel Glück in der Ehe, Kumpel!". Viele seiner männlichen Kollegen drängten sich in dem Raum, darunter Hauptgefreiter Rib McLaut, Lance-Korporal Kolumbini, Gefreiter Vico van Vermeer, Feldwebel Larius DeGarde, Obergefreiter Gnomen est Nomen und viele, viele andere. Im weiteren Verlauf der Feier fand Dragor heraus, dass sein Freund Larius für ihn wohl eine Junggesellenfete organisiert hatte. Lena war schon per Taube informiert worden, dass alles OK war und Dragor morgen wieder da sein würde. Die Feier zog sich bis in die frühen Morgenstunden, mit Stripperin aus der Torte, einigen Fässern Bier und allem drum und dran. Schließlich torkelten alle, bis auf Dragor, welcher ging, erschöpft in die Zimmer, welche Larius in weiser Voraussicht angemietet hatte, um den Wächtern lange Heimwege zu ersparen.

- - - Freitag - - -

Nachdem Dragor aufgestanden war, sich angezogen und sein Buch gelesen hatte, machte er sich auf, den letzten Abend zu rekonstruieren, denn seine Handschrift war nicht mehr die sauberste gewesen. Einige Bier-, Wein- und Teeflecken erschwerten das Lesen zusätzlich. Gott sei Dank hatte er sich notiert wo Larius sich hingelegt hatte. Er hatte bisher die Erfahrung gemacht, dass Larius einer der trinkfesteren nichtzwergischen Wächter war und hoffte, seine Erinnerungen konnten ihm helfen, die unleserlichen Teile der Eintragung zu rekonstruieren.
Er schlenderte den Gang hinunter, trat beinahe auf Gnomen, welcher es nicht mehr in ein Zimmer geschafft hatte, und suchte das Zimmer in dem Larius sich niedergelassen hatte. Er öffnete die Türe "Larius du müsstest mir mal..." begann er zu sprechen "... helfen..." und stoppte bei dem, was sich da seinem Auge bot.
Gefreiter Vico van Vermeer lag in den Armen des Feldwebels de Garde schlafend im Bett. Beide schlummerten lächelnd vor sich hin. Um das Bett war Kleidung verstreut. Dragor stand einige Sekunden da und überzeugte sich, dass es kein irgendwie geartetes Trugbild war. Weitere Sekunden verstrichen als er sich überlegte, was er nun tun sollte. Dann knallte Dragor die Türe lautstark zu, so dass beide Wächter aufschreckten. Sie sahen sich verwirrt um, bis sich ihre Blicke trafen. Für einen kurzen Moment schienen sie zu überdenken was dies zu bedeuten hatte. Dann begannen sie beide lauthals zu schreien. Vico sprang vom Bett, riss die Decke mit sich, in welche Larius sich in dem Moment verwickelte als er auf der anderen Seite des Bettes einen Fluchtversuch unternahm. Eine Fußschlinge zwang Larius zu intensivem Kontakt mit dem Fußboden, was ihn zu einem neuerlichen Schrei animierte, diesmal aus Schmerz, was wiederum Vico zum wiederholten Male kreischen ließ. Dragor räusperte sich.
"Darf ich stören?"

"Aber was habt ihr da oben gemacht?" frug Dragor, nachdem er erfahren hatte, dass Larius ihm keine Hilfe sein würde.
"Wie gesagt, keine Ahnung. Ich hab einen totalen Filmriss. Das letzte woran ich mich erinnern kann ist bei einem Bierchen mit dir zu reden und ab da nichts mehr." antwortete Larius.
"Also das letzte was ich weiß von euch beiden ist, dass du Vico hoch auf ein Zimmer geschleppt hast, zusammen mit Kolumbini, weil er zu betrunken war um zu gehen."
"Hm... müsste ich ihn mal fragen ob er mehr weiß... wo ist er überhaupt?"
"Er ist schon nach Hause."
"Mist... muss ich ihn mal in der Wache abfangen."
In dem Moment schleppte sich Vico die Treppe runter. Er sah schrecklich aus, als habe er den schlimmsten Kater seiner Existenz und war nur schlampig gekleidet, was ein echtes Zeichen dafür war, dass es ihm nicht gut ging. Er schien die anderen verkaterten Anwesenden gar nicht zu bemerken und ging schnurstracks aus der Hintertür. Man hörte ein gewaltiges platschen von Wasser und Vico kam strahlend, jedoch mit nassem Gesicht und Haar wieder herein. Dragor nahm an, er habe seinen Kopf in den Pferdewassertrog gesteckt, welcher hinter dem Haus stand. Scheinbar hatte Vico die Eigenschaft, sich schnell von einem Kater zu erholen[5]. Vico stürmte die Treppe hoch und Dragor war überzeugt, dass er sich nun erstmal "richtig" bekleiden und herrichten würde. Dragor verabschiedete sich von den Anwesenden, sofern sie bei Bewusstsein waren, und machte sich auf nach Hause.

Zu Hause angelangt standen zwei große Trolle vor der Haustüre. Dragor erkannte sie auf Anhieb; es waren die Trollzwillingsbrüder und Mietwächter Heck und Meck. Dragor war ihnen öfter schon begegnet. Sie machten ihren Tschob gut, manchmal zu gut, doch sie waren leicht zu überlisten.
"Guten Morgen ihr Zwei!" rief Dragor ihnen zu und versuchte an ihnen vorbeizugehen. Beim Versuch blieb es jedoch, denn sie kreuzten ihre Keulen und versperrten Dragor den Weg.
"Du nix kommen hier rein!" sagte einer der beiden [6]
"Du nix sehn Braut vor Hochzeit!" bestätigte der andere.
"Aber meine Uniform ist da drin!" protestierte Dragor. Wie üblich überlegten beide etwas länger für die Antwort.
"Hey Bruce!" rief einer in die Eingangstüre hinein. Ein verärgert wirkender Brian kam herausgestapft.
"Wie oft muss ich es euch NOCH sagen? Ich heiße BRIAN!" sprach der Vampir.
"'Tschuldigung Bart..." antwortete einer der beiden Trolle. Brian schlug sich gegen die Stirn und machte ein Gesicht als würde er resignieren.
"Also, was ist?" frug er.
"Der da möchte seine Uniform haben..." antwortete Heck [7] und zeigte auf Dragor. Brian blickte ihn an und ging dann auf ihn zu, um seine Hand zu schütteln.
"Hallo Herr Nemod. Schön Sie zu sehen!" Dragor schüttelte die angebotene Hand.
"Hallo Herr Birch... könnten Sie mir bitte sagen, was das hier zu bedeuten hat? Warum lassen die Beiden mich nicht rein?" frug Dragor leicht verärgert
"Oh, das ist Tradition. Am Tag der Hochzeit darf der Bräutigam die Braut bis zur Hochzeit nicht sehen. Bringt Unglück." antwortete der Vampir.
"WAS?" Dragor war schockiert "Aber... ich meine... einen ganzen Tag?" Dragor brachte keinen ganzen Satz mehr zusammen.
"Ganz ruhig, Herr Nemod. Es sind ja nur noch zehn Stunden. Warten Sie hier, ich bringe Ihnen Ihren Anzug raus." sprach Brian und verschwand wieder im Haus und ließ den total verwirrten Dragor vor der Türe stehen. Kurz darauf kam er zurück mit einem Kleiderbündel in der einen und einer kleinen Holzkiste in der anderen Hand.
"Hier haben wir Ihre Uniform..." sagte Brian und drückte Dragor das Kleiderbündel in die Hand "... und das hier kam heute Morgen von der Schneiderei. Lena sagte ich soll's Ihnen geben. Achja, sie sagt außerdem sie liebt dich und kann die es kaum erwarten, dich wieder zu sehen. Also, bis heute Abend!" Brian schüttelte noch einmal Dragors Hand zum Abschied und verschwand wieder ins Haus, ohne dass Dragor auch nur reagieren konnte. Dragor stammelte ihm noch einige Worte hinterher und resignierte dann seufzend.

Larius' Schädel schmerzte. Das war alles, worauf er sich momentan konzentrieren konnte. Kopfschmerzen. Das war echt eine heftige Party gewesen gestern Abend. Larius fing an zu grinsen. Morgen früh würde Drag ein verheirateter Mann sein. Kein Junggesellenleben mehr... obwohl... eigentlich hatte Dragor ja sowieso nie eins gehabt... ach, was soll's, die Party war klasse gewesen. Plötzlich klopfte es. Larius hievte seinen Körper aus dem Bett und öffnete die Türe. Dragor stand vor der Tür, eine Holzkiste und ein Kleiderbündel unterm Arm.
"Hallo Sör DeGarde..." begann Dragor, doch Larius gebot ihm mit einer Geste still zu sein.
"Erstens..." sprach Larius im Flüsterton "... sei nicht so laut... und zweitens, nenn mich nicht Sör! Komm rein... was hast du da?"
"Das ist meine Galauniform. Ich werd sie heute zur Hochzeit tragen. Und eine Lieferung vom Schneider. Ich konnte es noch nich aufmachen." antwortete Dragor in gesenkter Stimme.
"Wieso das denn nicht?"
"Ich komm nicht zu Hause rein. Darf die Braut bis zur Hochzeit nicht sehen. Kann ich bis dahin hier bleiben?"
"Ja klar, kein Problem, sei nur leise..."
"OK, Danke."
Dragor setzte die Kiste auf dem Tisch ab, während Larius sich wieder aufs Bett fallen ließ.
"Ist hier ein Brecheisen im Haus?" frug Dragor
"Ja, müsste irgendwo neben dem Tisch rumliegen... hab's noch aus meiner Hafenarbeiterzeit..."antwortete Larius und addierte ein leises Stöhnen.
Dragor musste eine Zeit suchen, doch schließlich fand sich die Stange in der jenseitigen Ecke des Raumes an. Dragor rammte das flache Ende in den Spalt zwischen Deckel und Kiste und hebelte. Eine Menge Polsterungsmaterial schaute ihm entgegen und ein Griff in das Innere förderte pfirsisch-farbenen Stoff hervor. Dragor überlegte kurz und als der letzte Stein in seinen Platz fiel und den Gedanken zu Ende formte, krallte er sich den Stoff und rannte wie panisch aus dem Raum.

Auch der hektische Rhythmus des Klopfens, welcher sicher einiges an Höflichkeit und Zurückhaltung vermissen lies, konnte Arthur dazu bewegen, seine Schritte über das höfliche Maß hinaus zu beschleunigen. Der Butler der Lanfear-Residenz öffnete die Tür und sah sich einem aufgeregt wirkenden jungen Mann in den Kleidern eines Gemeinen gegenüber. Der Mann wirkte sehr aufgeregt und hatte ein Kleid unter einem seiner Arme.
"Entschuldigung... wie kann ich ihnen helfen?" frug Arthur in leicht ungehaltenem Ton.
"Ich suche Irina Lanfear! Ich muss sie sprechen!" antwortete der Mann
"Madame hat ihren freien Tag, ich weiß nicht, ob sie wach ist. Wen darf ich melden?"
"Melden sie Dragor Nemod!"
"Nun, ich werde nachsehen ob Madam wach ist..."
Arthur drehte sich und mit gewohnter gepflegter Geschwindigkeit machte er sich auf um in das nächste Stockwerk zu gelangen. Dragor ging das eindeutig zu langsam. Er holte tief Luft und schrie.
Rina saß grade am Fenster und genoss ihren freien Tag. Keine Morde, keine Diebstähle, keine nervigen Rekruten, keine Aktenberge, keine...
Rina war noch lange nicht fertig mit ihrer Aufzählung, da hörte sie eine vertraute Stimme.
"Mä'äm Lanfear, ein Notfall!" drang ein Ruf von der Türe her. Das war eindeutig Dragors Stimme! Rina hechtete nur in einen geblümten Morgenrock gekleidet über das Geländer ihres Balkons und rannte zur Türe, in der Gewissheit, dass Dragor sie nicht an ihrem freien Tag stören würde, wäre es nicht wirklich dringend. An der Tür sah sie auch schon Arthur erhitzt mit Dragor streiten, wie dieser es denn wagen könne sich so roh und unzivilisiert zu benehmen. Von weitem sah es aus als würde Dragor ein Kleid unter dem Arm tragen. Was es wohl damit auf sich hatte?
"Dragor, was ist denn los?" frug Rina, als sie die Streitkontrahenten erreichte.
"Mä'äm Lanfear, Sie müssen mir helfen!" holperte Dragor los.
"Madam Irina, kennen Sie diese... diese... Person?" empörte sich der Butler.
"Hören Sie mal zu, ich bin mehr als eine Person!" konterte Dragor.
"Das ich nicht lache! Ihr Benehmen lässt sehr zu wünschen übrig!" erwiderte Arthur und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Also jetzt hören Sie mir mal zu..." begann Dragor mit einem neuen Satz, doch Irina ging dazwischen.
"Ruhe! Beide! Arthur, könntest du bitte mein Bett machen?" brauste die Abteilungsleiterin auf.
"Sehr wohl, gnä Fräulein!" sprach Arthur nach kurzem Zögern, drehte sich auf der Ferse um und stapfte die Treppe hoch.
"Also, Dragor, was ist los? Was machst du hier? Ich dachte du heiratest heute Abend!" frug Rina.
"Es ist eine Katastrophe, Mä'äm Lanfear! Sie müssen wir helfen!" jammerte Dragor flehentlich und wedelte mit dem Kleid vor Rinas Nase.
"Was ist denn los? Beruhig dich erstmal und komm rein!"
Rina führte Dragor in den Salon und setzte ihn in einen der Polstersessel. Bereits verstorbene Lanfears beobachteten aufmerksam das Geschehen aus ihren Bilderrahmen heraus.
"Also, Dragor, was ist denn los? Wie kann ich dir helfen?"
Dragor sah sich kurz um, dann sprang er auf und drückte seiner Vorgesetzten das Kleid in die Hände.
"Ziehen Sie das bitte an Mä'äm!" Dragor zog eines der Beistelltischchen zu sich "Und dann stellen sie sich bitte auf den Tisch. Ja, genau so, Danke! Halten Sie bitte kurz still Mä'äm, ich muss noch ein paar Anpassungen vornehmen!"
Rina, von dem schnellen Wortstrom vollkommen verwirrt und überrascht, tat wie ihr geheißen war. Dragor zog ein paar Nadeln hervor und begann, am blumenverzierten Saum des Kleides herumzufummeln, während Rina versuchte, die Ballonärmel zu richten.
"Aber Dragor, was soll ich mit diesem Kleid überhaupt tun?"
"Ie ollen eine Rautungfa ein!" murmelte Dragor, der grade beide Hände voll hatte und die benötigte Klammer deshalb im Mund halten musste.
"Was hast du gesagt?"
Dragor nahm die Klammer aus dem Mund
"Sie sollen eine Brautjungfer sein!"
"WAS?" stieß Rina schockiert aus.
"Sie müssen es tun, Mä'äm!" flehte Dragor während er letzte Handgriffe an das Kleid legte "Die Kleidung für die Brautjungfern und die Trauzeugen ist viel zu spät gekommen und deshalb hab ich total vergessen, Brautjungfern und Trauzeugen zu bestimmen! Sie sind meine letzte Hoffnung! So, fertig!"
Rina stand auf dem Beistelltisch und besah sich ihr Kleid. Sah gar nicht schlecht aus. In dem Moment hörten die Beiden von der Tür her ein Räuspern.
"Oh, hallo Mutter..." begrüßte Rina die Dame in leicht genervtem Ton. Dragor sprang auf und verbeugte sich.
"Ein Freude Sie kennen zu lernen, Miss Lanfear!" grüsste er etwas höflicher.
"Irina, Liebes! Was hat das zu bedeuten? Ist der junge Mann dein neuer Freund? Und was hat es mit dem Kleid auf sich? Nicht dass es dich nicht kleiden würde... ich denke du solltest so etwas öfter tragen!" beantwortete Miss Lanfear die Begrüßungen. Dragor wurde leicht rot ob der Behauptung eine Beziehung mit Rina zu führen, Rina allerdings verdrehte die Augen und seufzte.
"Nein, Mutter, das ist nicht mein neuer Freund. Und ich werde solch ein Kleid garantiert nicht noch einmal tragen. Der junge Mann ist mein Stellvertreter und er wird heute Nachmittag heiraten. Ich werde Brautjungfer sein." klärte Rina die Situation auf.
"Ach so ist das... verstehe..." Irgendwie klang Rinas Mutter etwas enttäuscht. Ihm hinausgehen rief sie noch "Ich erwarte natürlich das du alles tust um den Brautstraus zu fangen..."
Mit einem frustrierten Seufzer verdrehte Rina die Augen. Dragor hätte nicht gedacht das der menschliche Augäpfel sich in einem solchen Winkel drehen könnte.

--- Freitag, 19.40 Uhr ---

Während draussen Heck und Meck und Brian gewisse Arten von Gästen davon abhielten die Kapelle zu betreten, kümmerte sich im Inneren Dragor darum, dass alles richtig stand. Alle Stühle waren da, jeder den Dragor eingeladen hatte war gekommen. Die Brautjungfern standen links vom Altar. Die zweite Brautjungfer war Vico van Vermeer geworden. Während Dragor bei Rina gewesen war, hatte Vico bei Larius angeklopft, mit dem Ziel einer Aussprache über die Ereignisse des Morgens, doch als er das Kleid neben der Kiste auf dem Tisch gesehen hatte musste er es anprobieren. Als Dragor schließlich zurückkam bettelte Vico geradezu darum, Brautjungfer sein zu dürfen. Auf der rechten Seite des Altars standen die Trauzeugen. Es waren die wahrscheinlich ersten Trauzeugen, die auf Barhockern stehen mussten um über den Altar sehen zu können, denn es handelte sich um die beiden Gnome Gnomen est Nomen und Rib McLaut. Der Grund dafür, dass diese beiden ausgewählt worden waren, war einfach. Zusätzlich zur verspäteten Lieferung hatte auch einer der Anzüge für die Trauzeugen gefehlt, also hatte Dragor auf dem einen Grossen zwei kleinere Versionen geschneidert, die jedoch nur noch einem Gnom passten. Außerdem sah man, dass diese Anzüge unter Zeitdruck geschneidert worden waren, denn so manche Naht war schlampig und so mancher Schnitt unsauber. Rib hielt schon einmal ein kleines Stückchen Holz bereit. Er sagte, er würde es benötigen, wenn bei der Zeremonie vorgelesen werden würde. Dragor frug Semmy nach der Uhrzeit. Noch 10 Minuten. Ein letztes Mal kontrollierte Dragor den Standpunkt der Torte. Ein Blick zum Altar zeigte, dass der Priester, gekleidet in einen alten Bronzehelm und einen verbeulten Harnisch, in seinem Glaubenswerk blätterte.
Dragor stellte sich an den Altar. Sechs Minuten noch. Dragor wurde sehr nervös. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Vier Minuten. Dragor war der Panik nahe. In Gedanken zählte er auf, was alles schief gehen könnte. Zwei Minuten. Nackte Panik brach in Dragor aus. Wenn er jetzt liefe, käme er vielleicht noch weg. Eine Minute. Was, wenn sie nein sagte? Dreißig Sekunden. Dragor machte sich bereit, zusammenzubrechen wenn er sie sehen würde.
Die Glocken der Stadt schlugen zur achten Stunde des Abends und als die letzten Glockenschläge der letzten Glocke verhallten, stand Lena im Tor. Sie war unbeschreiblich schön. Die roten Haare zu einem Zopf geflochten, das wunderschöne Gesicht noch von einem Schleier verhüllt, wurde sie in ihrem strahlend weissen Brautkleid von Brian zum Altar geführt. Um Dragor herum versank die gesamte Welt in Dunkelheit und Stille. Das einzige was er noch sah war die Lichtgestalt Lenas, wie sie einem Engel gleich auf ihn zu schwebte. Irgendwo, scheinbar aus weiter Ferne, drang Orgelmusik an sein Ohr. Als sie schließlich neben ihm stand schälte sich langsam wieder die Realität aus der Dunkelheit und Dragor hörte, wie der Priester mit seiner Ansprache begann.
"Sehr geschätzte Wächterinnen und Wächter, liebe Gäste, liebe Gemeinde.
Wir haben uns am heutigen Tage zusammengefunden um diese beiden Wächter auf eine gemeinsame Patrouille zu schicken. Wir wollen den heiligen Polis Gardius bitten, diese beiden auf ewig zusammenzuschließen und ihnen die angenehmsten aller Fesseln anzulegen, die Fesseln der Liebe. Sie sollen in ihrem größten Fall, ihrem geheiligten Leben, nur noch gemeinsam ermitteln und das bis das die Ausführung ihrer Pflichten sie trennt."
Rechts vom Altar hörte man das Knirschen von Holz, als Rib, zu Zwecken der Bekämpfung seiner Angst vor dem vorgelesenen Wort, kräftig die Zähne in sein Beißholz schlug.
"Und so frage ich dich, Lena Ulster, willst du den hier angetretenen Dragor Nemod zu deinem rechtmäßig zugewiesenen Partner nehmen, ihn schützen und unterstützen, wie in guten so in schlechten Zeiten, willst du ihn ehren und lieben, bis dass die Pflicht euch trenne?"
Tausende Gedanken schossen gleichzeitig durch Dragors Kopf. Alle Alarmglocken schrillten zugleich. Dragor wusste ganz genau, wenn sie jetzt nicht 'ja' sagen würde dann würde er zusammenbrechen, die Augen schließen und niemals wieder öffnen. Nanosekunden streckten sich zu Zeitaltern. Lenas Mund öffnete sich wie in Zeitlupe.
"Ja, ich will!" entfleuchte es Lenas Lippen.
Dragor seufzte erleichtert. Der Priester fuhr fort.
"Und so frage ich dich, Dragor Nemod, willst du die hier angetretene Lena Ulster zu deiner rechtmäßig zugewiesenen Partnerin nehmen, sie schützen und unterstützen, wie in guten so in schlechten Zeiten, willst du sie ehren und lieben, bis das die Pflicht euch trenne?"
"Ja, ich will!"
"Hiermit erkläre ich Sie zu Partner und Partnerin. Sie dürfen die Braut nun küssen!"
Dragor und Lena wendeten sich einander zu. Dragor hob den Schleier und sah Lena in ihre strahlenden braunen Augen. Sie küssten sich lang und leidenschaftlich und man konnte Vico weinen hören.

Nach der Hauptzeremonie gab es noch eine große Feier. Dragor hatte nicht nur für Torte gesorgt, sondern auch für ein Buffet. Alle Gäste tanzten, plauderten oder lachten. Gnomen saß auf einem Tisch bei einem Bierchen und unterhielt sich mit Larius, welcher noch immer nicht ganz aus seinem Kater entwachsen war. Am Tisch daneben saß eine frustrierte Rina, welche tatsächlich den Brautstraus in die Hände bekommen hatte und sich frug, was das nun zu bedeuten hatte, neben einem Vico, der dauernd an ihrem Kleid herumzupfte und auf sie einredete, wie gut sie doch darin aussehe und dass sie es öfters tragen solle. Rib stand an der Bar und pulte sich Holzsplitter aus den Lippen. Dragor und Lena tanzten eng beieinander, hatten beide den Kopf auf des anderen Schulter gelegt. Lena atmete tief durch.
"Liebling..." flüsterte Lena.
"Mmhmmh?" brummte der überglückliche Dragor.
"Ich muss dir was sagen."
"Hm?"
"Liebling..."
Sie zögerte.
"Ich... bin schwanger!"

The End

[1] Kleine Arbeiter Meinen sie Pferdienen bessere Fergütung ? Rechtschreibung war noch nie Semmys Stärke

[2] tatsächlich waren alle großen Banden Ankh-Morporks in Klatsch, auf einem internationalen Bandenkongress, zu Gast, wo sich die Größten (und die die es mal werden wollten) aus AM und Klatsch austauschten.

[3] Eigentlich nur eines Gottes: Polis Gardius, Gott der Stadt-, Tor-, Tür-, Palast-, Burg-, Miet-, Nacht-, Gruft- und Grabwächter. Mittlerweile beliebt genug für eine eigene Kirche.

[4] nachzulesen in Rache Teil 2 von Humph MeckDwarf

[5]  Dies lag am Genuss von "Antisecco", einem sehr beliebten Antikatermittel, welches, ähnlich wie reannueller Wein, wirkte bevor man es trank.

[6]  Dragor war sich sicher, dass man Heck&Meck irgendwie unterscheiden konnte, doch bisher wusste er noch nicht wie

[7] zumindest nahm Dragor an das es Heck war




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