Der falsche Fall

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von Gefreiter Weufolt Garnichgut (SEALS)
Online seit 01. 02. 2004
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Nichts ist so wie es scheint und der Fall scheint viel zu einfach. Alles ist perplex und wer ist eigentlich dieser geheimnisvolle grinsende Mann?

Dafür vergebene Note: 10


Es war eine stürmische Nacht. Schwarze Gewitterwolken bedeckten den Himmel. Der Regen wurde durch den Wind fast waagerecht über das Land hinweggefegt. Dachziegel wurden von den Häusern gerissen und zerbrachen auf dem Kopfsteinpflaster der Straße. Bei solchem Wetter war selbst die größte Stadt der Scheibenwelt, Ankh-Morpork, wie ausgestorben. Doch eine Person, zufälligerweise in einen dunklen langen Mantel gehüllt, lief schnell durch die Straßen...

...ja! So stellt man sich doch den Anfang einer spannenden Geschichte vor. Mit Gewitter, starkem Regen, heftigem Wind, Blitz und Donner. Aber nicht diese Geschichte. Kein Gewitter tobt, ja es regnet ja nicht einmal.
Unsere Geschichte begann an einem heißen Sommertag mitten in Ankh-Morpork. Es war früher Nachmittag und unsere dunkle Gestalt trug alles andere als Dunkle Klamotten. Sie war in eine rot, goldene Tunika aus Klatsch gehüllt. Vorne war sie leicht geöffnet und die Uniform der Stadtwache war zu erkennen. Es konnte niemand anderes sein als Weufolt, Gefreiter bei den SEALS. Alleine war er auch keineswegs. Mit ihm unterwegs war Dennis Schmied, Hauptgefeiter und zufälligerweise auch bei den SEALS. Die Straßen waren gut gefüllt mit allerlei Leuten die Geschäfte zu verrichten hatten. Beide Wächter gingen in diesem Durcheinander Streife, wobei Dennis Weu einige Tricks und Kniffe zeigte. Ganz plötzlich und vollkommen unerwartet passierte etwas Schreckliches. Dennis sah die Katastrophe schon, bevor Weu überhaupt merkte, dass Dennis aufgehört hatte zu reden. Dennis stürmte los, machte unterwegs einen doppelten Salto über ein Fass hinweg, rollte sich auf dem Boden nach links ab um einen heranrasenden Eselskarren auszuweichen, sprang hoch, hielt sich an einem Verkaufsstand fest, um sich hochzuziehen und... setzte sein freundlichstes Lächeln auf, als er zu der alten Dame am Straßenrand trat.
"Guten Tag, gnä' Frau. Kann ich Ihnen vielleicht über die Straße helfen? Wirklich? Gut dann nehmen Sie bitte meinen Arm", sagte Dennis in einem freundlichen Tonfall und führte die alte Dame sicher über die Straße. So etwas hatte Weu noch nie gesehen. Dass jemand so etwas macht, ja sogar sein Leben halb aufs Spiel setzt nur um... ja nur um eine gute Tat zu vollbringen. Dennis kam wieder zu Weu zurück, der immer noch verdutzt dreinschaute. Das heißt er schaute sicherlich verdutzt drein, macht man ja schließlich wenn man so etwas gesehen hat, nur bei Weu bestand das Problem, dass er ein Tuch vor dem Mund trug. So waren nur seine Augen zu sehen.
"War was?", fragte Dennis, "Ach so! Ich glaube, ich versteh was dein Problem ist. Aber ich helfe halt gerne."
Mit dieser Antwort musste Weufolt wohl vorlieb nehmen. Nach einiger Zeit ging Dennis in ein nahe gelegenes Haus, um dort auf den Abort zu gehen, er kannte den Besitzer, so etwas hatte Vorteile, wenn man nicht in eine dunkle Gasse verschwinden und sein Geschäft, ohne Angst ausgeraubt zu werden, verrichten wollte.
Weu spürte etwas. Dank dem Ding aus den Kerkerdimensionen, das in ihm hauste, hatte er eine besonders starke Anziehung auf anthropomorphe Gestalten aus dem Dies- und Jenseits. Als Weufolt etwas umher ging, um sich die Beine zu vertreten, bemerkte er eine Gestalt in einer Gasse. Sie zerrte Weu in die Gasse und richtete sich vor ihm auf. Erst jetzt konnte er die Gestalt richtig erkennen. Sie war groß gebaut, hatte rotes Fell, einen Pferdehuf und zwei Hörner zierten seinen Kopf mit den pechschwarzen Haaren.
"Ich bin der Toifel! Harr harr!!!", schrie er "Und ich bin gekommen um dich zu holen..." Er stockte. "Nein... noch mal von vorne: Ich bin der Toifel und ich möchte dir ein Angebot machen, was du nicht abschlagen kannst. Du musst nur hier unterschreiben."
"Geht es dabei um meine Seele? Muss ich sie dir verkaufen?", fragte Weufolt unsicher. Solche Geschichten kannte er natürlich. Überall gab es einen Teufel der Seelen aufkaufte.
"Ähm! Eigentlich nicht. Ich verkaufe alles was der Mensch oder Unmensch braucht. Zum Beispiel: Luftschlösser oder Seifenhalter für den Waschraum oder kleine Schuhe für Hunde" Der Toifel bemerkte den Blick von Weu und hatte schon Angst auch dieser Kunde wolle nichts von ihm kaufen.
"Das ist ja hochinteressant. Ich nehme drei von den Seifenhaltern aber nur wenn die Seife mit dabei ist."
"Ähm. Natürlich ist sie gratis dabei. Außerdem gibt es noch ein gratis Hemd mit der Aufschrift: 'Ich war dabei!' dazu. Die Seife ist übrigens hochqualitativ." Begeisterung überflutete den armen Toifel.
"Dann ist ja gut. Weißt du, die billigen Seifen schmecken mir nicht. Also dann. Einen schönen Tag und weitere Geschäftserfolge wünsche ich noch." Mit diesen Worten ließ er ihn einfach in der Gasse stehen und ging zurück. Dennis kam ebenfalls gerade zurück.
"Und? Irgendetwas passiert während ich weg war?", fragte er.
"Och! Eigentlich nichts besonderes", erwiderte Weu und beide setzten sich wieder in Bewegung. Dennis mit einem schönen Gefühl von Erleichterung und Weufolt seine Seife kauend.

* * *

Stabsspieß Atera ließ Dennis und Weufolt in ihr Büro rufen. Zugegen waren außer Weu, Dennis und Atera auch noch Ikari Gernetod und Will Passdochauf. Natürlich beides auch SEALS Wächter (das ist schließlich die beste Abteilung).
"Ich habe einen ganz besonderen Auftrag für euch beide. Ich verlasse mich auf euch. Ihr erledigt dies doch hoffentlich unauffällig. Niemand darf Wind von der Sache bekommen. Und nun geht. Beeilt euch." Niemand rührte sich.
"Liegt noch irgendwas an?", fragte Atera.
"Ähm! Nun ja! Ehrlich gesagt: Wir bräuchten nähere Informationen", sagte Dennis etwas zurückhaltend.
"Soll ich mich direkt selbst darum kümmern? Wenn ihr noch nicht einmal ein paar Infos zusammentragen könnt, warum seid ihr dann Wächter? Und nun geht!" Das waren Ateras letzte Worte. Die Wächter verließen ihr Büro und wandten sich Richtung Kantine.

* * *

Er beobachtete...
Er beobachtete gerne. Manchmal mischte er sich auch ein, aber er überließ es ihnen lieber selbst aus diesen Situationen herauszukommen. Im Nachhinein konnten sie dann sagen etwas vollbracht zu haben.
Er beobachtete lieber...
Doch dieses Mal schien es, als ob er sich einmischen würde müssen. Es würde schwierig werden, aber er hatte schon Schlimmeres erlebt. Er drehte sich um, wobei sein Mantel im Wind wehte. Sein Grinsen war selbst in der Dunkelheit zu sehen.

* * *

"Und was machen wir jetzt?", fragte Weu.
"Na was wohl? Wir lösen den Fall und damit hat's sich." Deprimiert rührte Dennis in seinem Kaffee.
"Aber wie sollen wir den Fall denn lösen ohne Anhaltspunkte?", fragte Weufolt aufgebracht. "Wir können doch keinen Fall lösen von dem wir keine Ahnung haben. Oder doch?"
"Ach lass mich! Ich weiß doch selbst nicht wies weitergeht. Also sei still und lass mich überlegen."
Ein Zettel lag auf dem Tisch herum. Erst jetzt bemerkte Weu ihn, nahm ihn und entfaltete ihn, um ihn lesen zu können. Ein Hinweis?
"He! Dennis? Das hier könnte interessant sein. Lies das mal" Er reichte ihm den Zettel.
Dennis las. Nach kurzer Zeit runzelte er mit der Stirn.
"Aber das ist doch...", begann er, "Das ist doch nur die Quittung der letzten Kaffeelieferung. Und das soll uns weiterhelfen?"
"Woher soll ich das wissen. Es sah nur interessant aus. Ich kann doch nicht lesen."
"Ach so... wenn's weiter nichts ist." Dennis trank ungerührt seinen Kaffee. Dann verengten sich seine Augenbrauen und er schaute Weu an. Erst blickte er lange in die Augen seines Kollegen, dann schüttelte er den Kopf. Dann jedoch schaute er Weu wieder an. Mit großen Augen.
"Du kannst nicht lesen? Mh? Das erklärt natürlich einiges. Aber lassen wir das. Der Fall ist viel wichtiger." Mit diesen Worten drehte er sich um und wollte sich einen neuen Kaffee holen. Da entdeckte er einen weiteren Zettel. Er lag genau neben dem Kaffee-Dämonen. Wie kam der denn da hin? Wieder nur eine Quittung? Aber seid wann werden Quittungen in einen alten ausgebleichten, vergilbten Umschlag mit offiziellem Siegel gesteckt. Steckte da etwa mehr hinter? Er nahm den Umschlag, brach das Siegel und öffnete ihn. In ihm steckte ein normales Blatt. Sah nicht sehr alt aus. Aber wie kam ein solcher Zettel in solch einen alten Umschlag? Mit solchen Sachen hatte Dennis jedoch nichts zu tun und beließ es dabei.
In dieser Stadt passierten viel seltsamere Dinge. Da konnte so etwa doch nur normal sein. Er schaute sich den Zettel an. Ihm war zwar egal wie er hierher gekommen war, aber was draufstand wollte er sich nun nicht entgehen lassen.
Auf dem Zettel war eine kleine Karte gekritzelt. Daneben stand die Zahl 10 und der 8. Gruni wurde angegeben. Ein X auf der Karte markierte eine Stelle. Aber welche Stelle? Ganz unten am Zettel stand: "Ein kleiner Tipp damits schneller geht!"
Soweit, dass an diesem Ort um 10 Uhr am 8. Gruni etwas passierte, soweit konnte Dennis noch denken, aber das X konnte er sich nicht erklären. Zumal heute der 7. Gruni war. Sollte also wirklich an diesem Ort morgen irgendetwas geschehen? War dies etwas, was gar mit den mysteriösen Fällen zu tun hatte? Zunächst war dieser Zettel aber unwichtig, fand Dennis, erst musste etwas Konkreteres herausgefunden werden, zum Beispiel, worum es in den seltsamen Fällen ging.
"Okay Weu, suchen wir nach Informationen."

Gesagt getan. Doch mit Infos war wohl nichts. Doch Wächter wären keine Wächter wenn sie so schnell aufgeben würden. Sie wären... ja, was wären Wächter denn, wenn sie keine Wächter wären? Vielleicht wären sie... Schnappers Gehilfen!!!
Wie schrecklich. Ein Glück, dass es so einen Beruf wie Stadtwächter gab.
"Und was machen wir jetzt?", fragte Weufolt. Das viele Rumgefrage hatte ihn komisch zumute werden lassen.
"Jetzt machen wir Feierabend. Schichtwechsel!" Damit drehte sich Dennis um, hing seinen Helm an einen Bügel und marschierte aus dem Wachhaus heraus. Weu schaute ihm hinterher und meldete sich ab, dann verließ er ebenfalls das Gebäude.
Es war zwar Nacht, aber keineswegs dunkel auf den Straßen. Der Vollmond schien groß, rund und zufrieden auf die Straßen herab. Weufolt gefiel die Vorstellung, dass der Mond aus Käse sei. Alles andere war für ihn zu kompliziert[1].
Und wenn der Mond aus Käse wäre, könnte Weu eines Tages zu ihm hoch kommen und ihn aufessen. Weufolt wollte eh immer nur essen. Bevor er sich aufmachte, um in seine Wohnung, eher in sein Quartier, zu gehen, ging er noch bei seinem Lieblingsverkäufer vorbei: Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin-Schnapper! Ankh-Morporks gefürchtetster Verkäufer. Und das zu Recht.
Doch Weu wusste nichts von seinem Ruf und ging immer seine heißen Würstchen im Brötchen bei ihm kaufen. Sie schmeckten ihm einfach sehr gut. Die Tatsache, dass er nichts schmecken konnte, ließ er dabei unbeachtet.
Als er seine Würstchen gekauft und Schnapper noch einen schönen Abend gewünscht hatte, bemerkte er eine merkwürdige Gestalt auf ihn zukommen. Sie war groß, hatte einen langen roten Mantel an, trug einen passenden roten Hut mit weiter Krempe dazu, trug weiße Handschuhe mit einem seltsamen Zeichen darauf, vermutlich eine Rune, und auf seiner Nase saß einer dieser modernen Brillen mit gefärbten Gläsern. Sie war rund und die gelben Gläser verdeckten die Augen völlig. Das was an dieser Gestalt jedoch am meisten auffiel, war, dass sie grinste. Sie grinste ein hämisches, gemeines Grinsen. Die besonders langen und spitzen Eckzähne verliehen dem Grinsen eine noch unheimlichere Wirkung. Diese unbekannte, mysteriöse Person ging an Weufolt vorbei, anscheinend ohne ihn zu beachten, jedoch als er neben ihm war, sagte er leise: "Guten Abend, Weufolt Garnichgut!" Das war alles, was er sagte. Als Weu sich umdrehte, um ihn wenigstens noch einmal verwundert anzuschauen, das ist schließlich Pflicht nach einem solchen Erlebnis, erblickte er nichts weiter als eine leere Straße.
Mit einem stinknormalen Achselzucken beließ er es dabei und ging weiter seines Weges. Er musste noch vorm Schlafengehen seine Lieblingssportart verrichten. Er wanderte zum Flussufer des Ankh. Dort warteten schon einige seiner "Freunde". Er hatte sie bei einer Besichtigungstour in der Unsichtbaren Universität kennen gelernt. Einer von ihnen war Erzkanzler Ridcully. Die andern beiden waren eher uninteressant. Ein entflohenes Ding aus den Kerkerdimensionen, für dieses Ding hatte Weu ein ganz besonderes Faible, denn das Ding in ihm hatte sich in dieses Ding verliebt. Auch Dämonen und andre finstere Gestalten verlieben sich mal. Der dritte im Bunde war Rincewind. Weu hielt ihn zwar für einen feigen Versager, aber er war nichtsdestotrotz ziemlich schnell. Und das musste man bei Weus Hobby auch sein. Weu ging auf das Ding zu und kassierte direkt eine Ohrfeige von drei Tentakeln als er versuchte mit dem seltsamen Wesen zu flirten. Gleich würde die Turmuhr schlagen und es würde losgehen.
Sie nickten einander zu ohne ein Wort zu sagen. Schnell schnürten sich alle die vorbereiteten Stiefel an und gingen los. Jedoch nicht in die Richtung vom Ankh weg, nein! Direkt auf den Ankh drauf. Sie postierten sich nebeneinander und hielten sich bereit. Gleich war es soweit. Die Turmuhr schlug und alle vier rasten los. Ihr wöchentliches Ankhlaufen, wie sie es bezeichneten, fing schon fabulös an. Ridcully war eigentlich der beste Läufer, da er schon früh damit angefangen hatte. Doch auch Rincewind war nicht zu verachten. Mehrere Blutegel krochen an seinem Bein hoch und als er sie bemerkte, lief er kreischend davon. Er setzte sich an die Spitze und behielt die Führung auch lange bei. Er hielt sie jedoch nur bis zum Ziel bei. Er gewann auch nur, weiter nichts. Als er bemerkte, dass er nicht mehr laufen musste, sprang er ans Ufer und riss sich alle Blutegel vom leib. Er hatte wohl tatsächlich gewonnen. Sein erstes Ankhlaufen was er je gewonnen hatte. Und alles verdankte er diesen Biestern.
"Herzlichen Glückwunsch... Ähm... Rainswand", gratulierte ihm Ridcully. Er konnte sich noch nie den Namen dieses unfähigen Zauberers merken.
Plötzlich ertönte eine von einem Megaphon verstärkte Stimme: "Hier spricht die Stadtwache von Ankh-Morpork! Bitte verlassen Sie unverzüglich den Fluss unserer geliebten Stadt oder wir müssen Sie unweigerlich festnehmen. Wer hat den Schwachsinn überhaupt geschrieben, den ich hier vorlesen muss?" Weu wusste von den Kärtchen, die neuerdings bei den Wächtern verteilt wurden, um Verbrecher auch mit den richtigen, dramatischen Worten zu überführen. Es kam einfach nicht sehr gut an, wenn ein Wächter einen Verbrecher stellte und dann nicht wusste, was er nun sagen sollte. Wer diese Kärtchen verbrochen hatte, wusste Weu nicht, er wusste nur, dass die Diebesgilde Antwortkärtchen verteilte. Sie hatten anscheinend eine besondere Art Humor.
Schnell verabschiedeten sich alle voneinander, versprachen, dass man nächstes Mal bestimmt gewinnen würde und so gingen alle ihren eigenen Weg. Und zwar besonders schnell.

* * *

SEALS Leute bekamen nie viel Schlaf. Doch jeder kam mit seiner eigenen Methode ganz gut zurecht, entweder wach zu bleiben oder unauffällig im Dienst zu schlafen. Weu machte es sich hierbei ganz besonders einfach. Er schlief einfach nicht[2]. Er kam gut damit zurecht. Wie er das anstellte. wusste niemand. Er wahrscheinlich auch nicht.
Pünktlich kam Weu am Wachhaus an. Dennis wartete schon auf ihn.
"Los! Komm endlich! Es ist gleich zehn. Wir müssen uns beeilen."
"Was ist denn los? Wo sollen wir hin? Und was ist daran so schlimm, dass es gleich zehn ist?"
"Da war doch gestern diese Nachricht. Und ich will gerne wissen, wobei es sich da handelt. Komm schon."
Weu gab keine Widerworte. Sie gingen beide los.
"Ich hab die Karte mit dem Stadtplan verglichen und herausgefunden, dass die Stelle, die markiert ist, in der Kröselstraße liegt, beim Viehmarkt."
Wie es in solchen Geschichten üblich war, kamen Weu und Dennis noch rechtzeitig um kurz vor zehn an der markierten Stelle an. Ein großes X war auf das Straßenpflaster gemalt und ließ für Dennis keine Zweifel offen: Dies musste die Stelle sein. Das X war vor einem Gebäude gemalt. Es sah aus wie ein Lagerraum. Noch einfacher konnte man es ihnen nicht machen.
"Gehen wir hinein?", fragte Weu.
"Erst umschauen. Ob es einen Hintereingang gibt, ob es Fluchtmöglichkeiten gibt und so weiter", erwiderte Dennis.
"Weißt du, dass mir das alles viel zu einfach vorkommt? Wenn wirklich irgendetwas mysteriöses hier vor sich geht, warum wissen wir dann, wo der geheime Stützpunkt der Verbrecher ist, aber nicht, was die Verbrecher eigentlich verbrochen haben? Das gibt mir zu denken."
"Ach! Kleinkrämerei! Jeder hat irgendwann einmal irgendetwas verbrochen. Also gehen wir rein, nehmen die Leute fest und finden später heraus, was sie angestellt haben. Einverstanden?", fragte Dennis noch ein letztes mal und näherte sich der Tür ohne eine Antwort abzuwarten. Diese öffnete sich von ganz alleine. Dennis schaute Weu fragend an, zog die Schultern hoch und ging in das Gebäude.
"Hey Dennis! Keinen Husarenritt!"
"Keinen was?", fragte Dennis verwundert und blieb stehen.
"Keinen Husarenritt. Ein Husarenritt ist eine draufgängerische Einzelaktion. Also sollten wir lieber zusammenbleiben, damit weniger passieren kann."
"Woher bei den Göttern weißt du was ein Husarenritt ist? Von diesem Wort habe ich noch nie was gehört."
"Ich auch nicht, aber das steht da in diesem Buch was hier liegt. Steht Wörterbuch drauf. Keine Ahnung was das bedeutet."
"Und ich dachte du kannst nicht lesen", sagte Dennis erstaunt.
"Kann ich auch nicht."
"Aber... aber... weißt du, dass du mir immer unheimlicher wirst?"
"Wollten wir uns nicht um diesen Fall kümmern?"
"Na gut! Kommen wir später zu dieser Sache zurück. Wir sollten uns lieber wirklich um den Fall kümmern."
Beide gingen in das Gebäude. Dies geschah sogar ziemlich leise, da sie die Tür nicht aufbrechen mussten, was außerdem noch illegal gewesen wäre. Aber niemand konnte ihnen verbieten in ein Haus einzutreten, bei dem die Türe weit offen stand. Es war sozusagen eine Einladung.
Innen war es ein ganz normaler Lagerraum. Man hätte dies annehmen können, wenn die geheime Falltüre mitten im Raum, die in den geheimen unterirdischen Keller führte, wenigstens geschlossen wäre.
"Irgendwie ist das alles viiiiieeeel zu einfach", bemerkte Weu.
"Du nimmst mir die Worte aus dem Mund", sagte Dennis.
Sie näherten sich vorsichtig der Falltüre. Eine alte, steinerne Treppe führte hinunter in die tiefen Geheimnisse, die solche Geheimgänge immer beinhalteten. Die beiden Wächter stiegen langsam die Treppe hinab. Was unsere beiden mutigen Abenteurer dort unten wohl erwartete?
Um die Geschichte etwas spannender zu gestalten, erfüllen wir auch noch die restlichen Klischees eines solchen Geheimganges und lassen ihn in einer großen, alten Höhle enden. Mit tausenden von Kerzen, die eine geisterhafte Atmosphäre verursachten. Die Höhle war sehr geräumig und irgendwo tropfte in regelmäßigen Abständen Wasser von der Decke auf den Boden. Durch die Größe der Höhle schallte das beständige Tropfen lautstark. Ein Geräusch, das wunderbar in diesen Schauplatz passte. Dennis und Weufolt schlichen jetzt nicht mehr. Sie durchquerten normal die Höhle. Hier konnten sich wahrscheinlich keine Meuchelmörder hinter der nächsten Biegung verstecken. Dennis bemerkte den Altar als erstes. Er stand ganz am Ende der Höhle. Zwei große, schwere Kerzenhalter verzierten ihn.
"Was ist das denn?", fragte Dennis.
Sie schauten sich den Altar genauer an. Ein Opferdolch lag auf einem kleinen Tisch hinter dem Altar. Neben dem Dolch lag eine große, metallene Scheibe. Ein Zeichen war aus der Scheibe herausgeschnitten.
"Was ist dies hier für ein Zeichen?", wandte sich Weufolt an Dennis.
"Das sieht verdammt nach einem Pentagramm aus. Aber warum ist dies in einer Scheibe? Sieht mir irgendwie wie eine Schablone aus. Aber wer benutzt eine Schablone um ein Pentagramm zu zeichnen? Schau mal. Hier ist noch etwas Blut am Rand der Scheibe. Da hat wohl jemand Angst etwas falsch zu machen", er stockte. "Da kommt jemand. Hör doch mal!"
Weufolt lauschte. Und tatsächlich. Er hörte Stimmen und Schritte. Jemand kam die Treppe herunter.
"Schnell! Verstecken wir uns."
Beide liefen los. Dennis entdeckte eine Holztür, riss sie auf und sprang hinein. Die Türe schloss er wieder hinter sich. Er war zu seiner Überraschung in einer Folterkammer gelandet. Sie sah aber eher danach aus, als ob sie nur zu Dekorationszwecken eingerichtet wurde. Nirgendwo klebte Blut an den Foltergeräten. Auch waren sie aus viel zu neuem Holz um eine alte verstaubte Folterkammer darzustellen. Es waren zwar Spinnweben an den Wänden, aber die sahen eher aus als wären sie aus Zuckerwatte. Als Dennis sich so schön umschaute, hörte er wie etwas klickte. Die Türe wurde abgeschlossen! Der einzige Ausgang war ihm versperrt worden. Lautes Schreien würde nichts bringen. Die Leute, die in die Höhle einmarschierten, würden vermutlich schlimmes mit ihm anstellen. Er konnte nur hoffen, dass Weu ihn hier rausholte. Wenigstens konnte er durch ein Loch in der Türe sehen was draußen passierte.
Er sah wie Weufolt unter den Tisch sprang. Kein sehr gutes Versteck, aber es passte zu Weu. Dennis schüttelte nur mit dem Kopf. Dann sah er die Gruppe von Leuten die Höhle betreten. Es waren sechs an der Zahl. Sie alle waren in dunkle Kapuzengewänder gekleidet. Ihre Gesichter waren verborgen. Sie gingen schön feierlich hintereinander zum Altar. Dort entdeckten sie, wie nicht anders zu erwarten, Weufolt, wie er unter dem Tisch lag. Dennis hätte gerne noch weiter zugesehen, was da draußen passierte, aber plötzlich hörte er hinter sich ein Geräusch.
Er drehte sich um... und sah genau in das Gesicht eines Mannes. Seine langen schwarzen Haare und sein langer roter Mantel wogten wie im Wind. Nur dass hier unten kein Lufthauch zu spüren war. Der Mann grinste. Sein Grinsen wirkte durch die langen, spitzen Eckzähne noch unheimlicher. Die Sicht auf seine Augen wurde durch eine Sonnenbrille mit gelben Gläsern versperrt. Ansonsten trug er altmodische Kleidung. Eher wie ein Graf oder ein Lord sich kleiden würde.
"Wäre dies nicht ein Auftrag für die FROGs gewesen? Oder wie hieß diese Gruppierung eures Vereines noch einmal?", fragte er plötzlich mit unheimlicher Stimme.
"Wer bist du?", fragte Denis aufgeregt.
"Man nennt mich Blechkarte! Ich gehöre einer Geheimarmee des Patriziers an die sich Schnellsing nennt. Mehr musst du nicht wissen." Mit diesen Worten ging er auf Dennis zu, berührte ihn leicht und öffnete die Türe. Als er Dennis berührte, fiel dieser wie ein Sack Mehl um. Der Hauptgefreite schlief friedlich ein. So bekam er nichts von alledem mit was nun geschah.

* * *

Weufolt hätte ahnen können, dass er hier erwischt werden würde, aber ein besseres Versteck war ihm in dieser Situation auf die Schnelle nicht eingefallen. Die vermummten Männer fesselten ihn wortlos und legten ihn in eine Ecke. Dann begannen sie mit einem seltsamen Ritual. Einer holte etwas aus seiner Gewandung hervor. Einen Beutel Stierblut. Ein anderer nahm die Scheibe und legte sie auf den Boden vor dem Altar. Nun begannen sie mit dem Blut das Pentagramm zu malen. Als es vollendet war, stellten sie jeweils eine Kerze an jede Spitze des Pentagramms. Fünf der Leute stellten sich an das Pentagramm, während der letzte zum Altar ging. Dort begann er einen Singsang. Die Beschwörung begann. Hätten sie die Beschwörung zu ende bringen können, hätten sie vermutlich einen mächtigen Dämonen oder etwas in der Art beschworen, der ihnen jeden Wunsch erfüllt hätte. Doch wie der Zufall es so wollte, wurde in diesem Moment die Türe zur Folterkammer aufgestoßen. Sie zersplitterte unter der Wucht eines Stiefels. Hinter dem Stiefel war ein großer Mann zu sehen. Er hielt eine große silberne Armbrust in der Hand. Ein normaler Mensch hätte sie höchstens mit zwei Händen halten können. Doch dieser Mann trug sie mühelos. Und dabei grinste er die ganze Zeit über.
"Situation C! Im Namen eines Gottes und des Patriziers werdet ihr vernichtet werden", sprach er und zog den Abzug durch. Der Bolzen flog geradewegs in die Brust des Mannes, der am Altar stand. Er kippte nach hinten um. Damit war die Beschwörung fehlgeschlagen. Trotzdem bildete sich ein Wirbel im Pentagramm. Irgendetwas kam aus den tiefsten Tiefen der Hölle empor. Alle starrten gespannt auf den Wirbel. Kam der Dämon nun doch noch?
Während alle auf den Wirbel starrten lud Blechkarte nach. Er holte zusätzlich noch eine zweite Armbrust aus seinem Mantel hervor. Sie war schwarz und ungefähr genauso groß wie die erste. Auf ihr stand mit silberner Schrift geschrieben: "Io is on Cori Celesti now!"
Er schoss, tötete somit zwei weitere und lief auf die drei Überlebenden zu. Sein gesamter Arm veränderte sich, wurde schwarz, bekam Augen und... tötete die die Überlebenden. Dieser Mann war gemein gefährlich. Doch sein Auftrag schien noch nicht erfüllt zu sein. Seine Augen wandten sich dem Pentagramm zu. Die Beschwörung wurde gerade abgeschlossen. Doch anstatt eines großen, mörderischen Dämonen erschien nur ein kleiner normaler Molch. Blechkarte grinste nur und ging auf Weufolt zu. Dieser hatte alles erstaunt beobachtet. Blechkarte zog seine Sonnenbrille aus und zum Vorschein kamen rote Augen. Damit schaute er Weufolt genau an. Er hypnotisierte ihn. Ließ Weufolt einige Dinge vergessen. Dasselbe musste er auch noch mit dem anderen Wächter machen.

* * *

"Go! Go! Go!", schrie Chief-Korporal Sidney den FROGs zu. "Ihr wisst, was zu tun ist. Stürmt das Gebäude."
Die Einsatztruppe der FROGs lief los. Sofort entdeckten sie die Geheimtür. Sie gaben sich Signale und liefen die Treppe runter. Die Armbrust im Anschlag. Am Ende der Treppe entdeckten sie eine Höhle. Doch statt der erwarteten Gegner und dem versprochenen Scharmützel sahen sie nur den Gefreiten Weufolt wie er dem Hauptgefreiten Dennis Schmied aufhalf. Einige Leichen lagen auf dem Boden verstreut. Ein kleiner Molch versuchte an Weus Bein heraufzuklettern. Die Situation war mehr als nur merkwürdig. Was hatte das alles zu bedeuten? Sidney kam auf die beiden Wächter zu.
"Wie könnt ihr mir dies hier erklären?", fragte er aufgebracht. Dies war ihm in seiner gesamten Karriere noch nicht passiert.
"Öhm! Ich glaube, ich habe Unschuldige getötet", sagte Weu mit zittriger Stimme.
"Unschuldige? Wo sind die?", fragte Sidney. Er ging auf den Toten hinter dem Altar und zog ihm die Kapuze vom Kopf.
"Meinst du diese Leute hier? Dies ist Willi Fröhlich! Einer der meistgesuchtesten Verbrecher der Scheibe. Wir waren ihm schon seit langem auf der Spur, konnten ihn bisher aber noch nicht hops nehmen. Die anderen sind nicht weniger gefährlich. Schau nur mal hier", er zeigte auf einen der anderen Toten, zog ihm dann die Kapuze weg. "Dies ist Herbert Leichtsinn! Er ist für den großen Knieweich-Diebstahl von vor drei Monaten verantwortlich. Es gab eine riesige Katastrophe, als all der Knieweich gestohlen wurde. Schade, dass wir nicht wissen, wo er all das Zeug versteckt hat. Und dieser hier ist dann wahrscheinlich..." Er zog auch dem dritten die Kapuze weg. "Mein Gott! Das ist Peter Topper! Ein Glück, dass der tot ist. Er beliefert Schnapper mit den Brötchen für seine heißen Würstchen im Brötchen. Eigentlich war er Schmalzbrotlieferant des Palastes. Er wurde jedoch gefeuert und musste von nun an Schnapper beliefern. Ein schreckliches Schicksal. Aber was mich wirklich am meisten interessiert: Was macht ihr beide hier?"
Weu schaute sich verlegen um.

* * *

"Ausgezeichnete Arbeit", lobte Atera die beiden Wächter. Dennis musste sitzen. Er war immer noch nicht ganz bei Bewusstsein.
"Aber um auf Sidneys Frage zurückzukommen: Was hattet ihr beide da verloren? Ich will eine ehrliche Antwort."
"Nuuuun! Wie du sicherlich weißt, Mäm, sollten wir doch einigen geheimnisvollen Fällen hinterher jagen. Es war also nur dein Auftrag, den wir erfüllt haben", sagte Weu unsicher.
"Mitnichten! Ich hatte gehofft, ihr würdet mal in euren Spint schauen, um dort die Auftragsliste zu begutachten. Ich konnte euch keine Informationen geben. Der Chef hätte es mitbekommen können. Ich hatte nichts anderes von euch erwartet, als dass ihr in euren Spint schaut, dort die Einkaufsliste herausholt und dann ein bisschen Einkaufen geht. Rote Beete ist nicht sehr schwer zu besorgen, aber es ist schwierig hier im Wachhaus einen Geburtstags-Rote-Beete-Kuchen zu Backen ohne das Ras was davon erfährt. Wir wollten ihn damit überraschen, aber nein, stattdessen kümmert ihr euch um Angelegenheiten, die euch nichts angehen. Ihr löst einfach die falschen Fälle. Ich kann euch nicht bestrafen, ihr habt schließlich diesen Fall gelöst, aber beloben kann ich euch auch nicht Zumal mir immer noch nicht in den Kopf kommt, wie du Weu, die ganzen Leute mit Armbrustbolzen töten konntest, wenn gar keine Armbrust in der Nähe war."
"Ich kann mir das auch nicht erklären, Mäm!", sagte Weu schüchtern. "Aber wer sollte es sonst gewesen sein?"
"Auch wieder wahr! Und nun weggetreten! Ich will euch erst mal nicht sehn und vor allem nicht in Fälle anderer Abteilungen. Geht jetzt. Ihr dürft nun zwei Wochen lang die Streife übernehmen." Atera schaute nur noch auf ihre Unterlagen, beachtete die beiden Wächter gar nicht mehr.
Weu und Dennis salutierten und verließen ihr Büro. Erst als die beiden gegangen waren, schmunzelte Atera leicht und schüttelte den Kopf dabei.

* * *

Weu und Dennis waren wieder auf Streife. Nun fiel Dennis zum ersten Mal der Molch auf Weus Schulter auf.
"Wo hast du den denn her?", wandte er sich an Weu.
"Ach, der lag ganz einsam in der Höhle rum. Ich dachte mir, der Kleine braucht ein zuhause. Ich habe ihn Butterbrot getauft."
"Ach so! Warum Butterbrot? Na ja! Passt zu dir. Aber weißt du: Ich denke immer noch darüber nach was da eigentlich passiert ist. Woher kam der Brief mit dem Hinweis und der Karte. Woher wusste jemand über diese Höhle bescheid und was da abging? Das ist alles zu mysteriös. Ich versteh das alles nicht. Das ergibt alles keinen Sinn und macht diese Geschichte nur unnötig kompliziert..." Dennis stockte mitten im Satz. Ein großer Mann mit gelber Sonnenbrille, rotem Mantel, einem roten Hut mit breiter Krempe und einem unheimlichen Grinsen ging an den Wächtern vorbei. Weu und Dennis drehten sich gleichzeitig um, doch sie sahen nur die leere Straße hinter sich. Nichts von einem Mann zu sehen.
"In dieser Stadt ist doch nichts unmöglich", dachte sich Weufolt und ging mit Dennis weiter seine Streife. Das mit den Hinweisen ging ihn nichts an. Sollten sich doch seine Vorgesetzten darum kümmern. Weu jedoch freute sich. Er hatte jetzt einen neuen Freund.


ENDE


[1] Generell war eh alles zu kompliziert für Weufolt was darüber hinausging alles Mögliche in sich hinein zu stopfen.

[2] Achtung Kinder! Nicht zuhause nachmachen.




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