Der lebende Tote

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von Obergefreiter Dennis Schmied (SEALS)
Online seit 31. 01. 2003
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In einem Holzlieferantenlager wird jede Menge Fallobst aufgefunden. Ein unlösbarer Fall?

Dafür vergebene Note: 9



Es war eine tiefe, finstere Nacht, die finsterste seit langem, der Mond schien nicht und Ankh-Morpork war in einem Schleier aus Finsternis gehüllt. Der Regen prasste gegen die Scheiben der Lagerhalle und erzeugte ein dumpfes Trommeln, welches durch die Halle hallte. Blitze zuckten vom Himmel und erfüllten die Halle mit einzelnen Lichtstößen. Ein Zischen ertönte und es wurde hell in der Halle, es war ein flackerndes Licht, das Licht einer Fackel. In der Mitte des Raumes stellten sich einige Männer auf. Sie sahen aus wie Heilige, doch das waren sie nicht. Sie sahen reich aus, doch das waren sie nicht. Sie waren einfach nur besessen, besessen von Hass. Tiefe Wut befand sich in ihrem Inneren und wuchs nach und nach zu Hass. Es war eine Art Hass, die man nur haben konnte, wenn man etwas vernichten will, etwas was einem was Schlimmes angetan hat, was man nicht wieder gut machen kann. Sie falteten die Hände und es sah aus als beteten sie, doch es war kein Gebet, sie warteten. Einer der Gründer ihrer Gruppe hatte in der Stadt einen Zwerg getroffen, er war müde, hungrig und hatte keine Arbeit gehabt, also wurde ihm Arbeit angeboten und es war die Nacht, in der er sich vorstellen wollte. Ungeduldig starrten die Männer auf die Tür, als sie sich mit einem knirschenden Geräusch öffnete. Ein Zwerg trat ein und lief mit einer mächtigen Streitaxt auf dem Rücken direkt auf die Anwesenden zu. Wie automatisch bildete sich ein Halbkreis, den der muskulöse Zwerg betrat. "Da bin ich!", raunte er.
"Du willst uns also wirklich beitreten?", fragte der Älteste in der Männerrunde und sah erwartungsvoll auf den kräftigen Zwerg hinab.
"Ja, will ich, was dagegen?" Henrie Beilschwinger war durch seine Zwergennatur immer schon etwas frech gewesen und reagierte in solchen Situationen immer gleich. Sein Zeigefinger wickelte soweit es ging ein paar der rotbraunen Barthaare auf und ließ sie dann wieder los. Die beiden Vorsitzenden der F.G.D.S.V.A.M (Fraktion gegen die Stadtwache von Ankh-Morpork) tuschelten miteinander.
"Aber wenn man jemanden aufnimmt brauch man einen Eid oder so!"
"Wer sagt das?"
"Keine Ahnung Tradition oder so, tu es einfach, denk dir einen Eid aus." Dann richteten sie sich auf und der Ältere von beiden begann zu sprechen: "Also, in Anbetracht der Tatsache, dass uns starke Leute fehlen, Herr Beilschwinger, bist du aufgenommen. Allerdings musst du zunächst einiges erledigen. Bitte schwöre nun den Eichhörncheneid." Mit weit aufgerissenen Augen stand Henrie vor den beiden und als dann noch seine Kinnlade herunterklappte verdrehte der Älteste die Augen. "Du hast die Broschüre wohl nicht gelesen, die ich dir gegeben habe", log er, denn der Eid stand nicht in der Broschüre. "Na gut, sprech mir nach: ICH, HENRIE BEILSCHWINGER..."
"Ich Henrie Beilschwinger..", wiederholte der kräftige kleine Mann.
"SCHWÖRE HIER MIT IMMER FLEIßIG ZU SEIN...."
"Schwöre hier mit immer fleißig zu sein....." Die Stimme des Älteren war viel lauter als die Stimme von Henrie, auch wenn Henrie wahrscheinlich weitaus stärker war.
"UND IMMER AUF MEINE NÜSSE ACHT ZU GEBEN." Einer der jüngeren Anhänger der Fraktion kicherte leise und erntete dafür einen bösen Blick von einigen Anderen.
"Und immer auf meine Nüsse acht zu geben."
"Gratuliere, noch ein kleiner Test und du bist einer von uns." Beilschwinger schaute genervt zu den F.G.D.S.V.A.M Mitgliedern.
"Welchen Test?"
"Nun es ist mehr ein Ritual unserer Gruppe", korrigierte ein jüngerer Mann, dafür erntete er ein durchbohrenden Blick des Oberältesten. "Man nennt es kneippen", fuhr der Alte fort, "Das heißt, du musst mit nackten Beinen durch eiskaltes, knöcheltiefes Wasser laufen. Das Becken befindet sich dort hinten!"
"Ihr stellt auch noch Forderungen, entweder nehmt ihr mich oder nicht." Der Zwerg war sauer und griff bedrohlich nach seiner Axt. Einigen in der Runde schauderte es bei dem Gedanken gleich keine Kniescheiben mehr zuhaben, deshalb berieten sie.
"Nun gut, du hast Mut bewiesen, du bist aufgenommen. Komme morgen um die gleiche Zeit hierher, wir werden dir dann unseren Plan erläutern, damit vernichten wir die Wache endgültig. Hehehe!" Die Gruppe löste sich nach und nach auf, als letztes verließen die Ältesten den Raum. Inzwischen konnte man den Mond auch wieder sehen, aber es regnete immer noch. Ein Donner grollte, gefolgt von einem Blitz, durch den die Straße leicht erhellt wurde. Eine Katze huschte in die nächste dunkle Ecke und sprang auf einen Mauervorsprung. Sie war schwarz wie die Nacht und jagte offensichtlich eine Maus.

Atera saß in ihrem Büro und las einen Brief von Kommandeur Rince.

An Stabsspieß Atera!

Der Künstler da Quirm hat ein Gerät erfunden und wollte eins davon zu Testzwecken der Stadtwache zur Verfügung stellen, nach eifrigem Überlegen kam ich zu dem Schluss, dass es ja ein Verkehrsgerät ist und somit für eine Woche an den Obergefreiten Dennis Schmied, eurem Verkehrsexperten verliehen wird. Danach geht es zurück an da Quirm mit einem Bericht, aber nur falls Verbesserungsvorschläge vorhanden sind. Das Gerät heißt übrigens "Gestell-mit-zwei-Reifen-dran-zum-durch-die-Gegend-rollen",
Hochachtungsvoll
Kommandeur Rince


Atera überlegte und kam zu dem Schluss, dass an sich nichts dagegen sprach. Sie schrieb ihre Zusage auf ein Blatt und schickte es per Brieftaube an den Kommandeur. Zwei Stunden später klopfte es auch schon an der Tür des Büros der Abteilungsleiterin und sie bat die dahinter stehende Person herein. Marvin Eichelberg trat ein und trug einen Karton. Er versuchte damit umständlich zu salutieren, doch Atera bemerkte die Schwierigkeit darin. "Ist egal, lass das salutieren, ist das das Gerät?"
"Das sollte ich bringen", erwiderte der Rekrut mit einem eifrigen Nicken. Atera Haken deutete in eine Ecke des Raumes. Die Hand, die durch einen Haken ersetzt worden war, war ihr damals in den Ankh gefallen und mal ehrlich wer springt dann schon hinterher? Seit diesem Vorfall trug sie den Haken.
"Du kannst nun gehen. Ich kümmere mich darum." Der Rekrut salutierte und verließ hastig das Büro. Die Abteilungsschäffin erhob sich von ihrem Stuhl um das Paket zu inspizieren. Sie kratzte es an der Seite mit dem Haken auf und riss die Pappe, die durch den Regen draußen ziemlich nass geworden war, auf. In dem Büro roch es inzwischen ziemlich intensiv nach der Pappe, die sogar ein wenig tropfte. Ein stählernes Objekt mit Holzgriffen und Holzrädern kam zum Vorschein und Atera betrachtete es aufmerksam, dann schaute sie zum Fenster ob auch niemand herein schaute, denn schließlich könnt ja irgendein gewitzter Vampir auf dem Fensterbrett sitzen, doch da war nichts. Sie stellte eine Fuß auf das Gerät hielt den Griff mit Hand und Haken fest und schob sich mit einem Bein an, dann fuhr sie ein paar Runden um den Schreibtisch und stellte das Fahrzeug behutsam an die Seite. Jetzt, nachdem sie das Gerät auf Sicherheitslücken geprüft hatte, konnte sie Dennis rufen. Doch es war ja bekannt, dass, wenn man vom Teufel sprach, dass er dann kommt. Atera riss die Tür energisch auf und schrie:
"DDDDEEEEENNNNNNIIIIISSSSSSSS!!" Dennis starrte sie nur verwundert an und konnte tief in ihren Rachen schauen.
"Ja bitte, Schäffin?", sagte er unsicher. Wäre Atera kein Zombie, wäre sie bestimmt rot geworden, doch so veränderte sich ihre Mimik kaum. Ihr Finger deutete in den Raum und ihr Köper ging vor. Dennis folgte ihr und blieb aus Höflichkeit vorm Schreibtisch stehen, nahm jedoch den Helm ab, dann beobachtete er seine Schäffin, die inzwischen auf ihrem Stuhl saß und die Hände[1] rieb, ihre Nase deutete zu einem seltsamen Gerät, worauf Dennis misstrauisch die Augenbraue hochzog. "Das hat uns der Erfinder da Quirm zur Verfügung gestellt, du sollst sie eine Woche lang testen und dann einen Bericht mit Verbesserungsvorschlägen schreiben."
"Muss das sein?", fragte Dennis gelangweilt und genervt. Atera bemerkte die Abneigung in Dennis' Stimme, lächelte und nickte dann. Dennis griff nach dem Apparat. Es rumpelte im Rohr und Stuff kroch heraus. Er grinste diabolisch und legte ein Blatt auf Ateras Schreibtisch: "Hier, das wurde gerade unten abgegeben." Er sprang zurück ins Loch. Die Augen des Zombies durchkämmten die einzelnen Zeilen nach wichtigen Informationen:

Bei uns im Lager wurde eingebrochen und jemand hat sämtliche Reifen der Karren angesägt, so dass die ersten heute Morgen zusammen gebrochen sind. Das merkwürdige daran ist, dass jemand die Ladeflächen aller Wagen vorher leer geräumt und sie dann mit Fallobst beladen hat, welches schon halb verschimmelt war. Dadurch stinkt nun unser ganzes Lager. Mit freundlichen Grüßen
H. Holzspecht


Atera schlug sich mit ihrer Zombiehand vor den Kopf.
"Typisch Ankh-Morpork", jammerte sie und hielt Dennis den Zettel hin. Unsicher griff er nach dem Zettel aus Angst, dass es schon wieder ein auszutestendes Gerät sei. Er las aufmerksam, aber aufgeregt und dann begann er zu lachen. "Fallobst? Was soll das denn?"
"Das ist typisch Ankh-Morpork, Dennis, das sind die interessanten Fälle, die praktisch unlösbaren, woran wir uns immer die Zähne ausbeißen."
"Aha!", erwiderte Dennis verunsichert und überflog den Zettel noch einmal ungläubig.
"Kümmer dich bitte drum Dennis, ich muss arbeiten." Mit diesen Worten stand Dennis' Vorgesetzte auf und salutierte, auch Dennis salutierte und verließ mitsamt dem Rollding den Raum. Vor der Tür wurde Dennis dann doch von der Neugierde überrumpelt und stellte sich auf das stählerne rollende Etwas. Die Fortbewegung fiel ihm mit diesem Ding erstaunlich einfach. Der Obergefreite stieg von dem Apparat und lief die Treppe herunter. Wäre das Obst nicht verfault gewesen, wäre dies noch ein Fall von Anti-Kriminalität, dachte Dennis, aber Anti-Kriminalität war sehr selten, weil sie eigentlich sinnlos war. Ein gutes Beispiel für die Anti-Kriminalität wäre, wenn jemand in einem Haus einbrechen, dort die Schuhe des Hausherren putzen und wieder verschwinden würde, doch diese Art von Anti-Verbrechen hatte nie einen festen Halt in der Realität gefunden. Schmied verließ das Wachhaus. An einigen Stellen hatten sich die Wolken allmählich gelichtet und so entstand ein wunderschönes Farbenspiel am Himmel, ein Regenbogen. Der mit 24 Jahren, doch sehr junge Obergefreite beschloss einen Umweg zu Herrn Holzspecht zu fahren, um das rollende Etwas zu testen und aus diesem Grund fuhr er nicht wie gewohnt über die Ponsbrücke, sondern überquerte den Schnitt über die Salisstraße, welcher er bis zum zweitem großem Platz folgte. Er wählte den linken Weg, der direkt am Hide Park entlang lief und bog von dort in die Myrtenstraße ein. Nach wenigen Metern wurde diese verlassen. Das rollende Gerät, rollte gut und schnell, dazu kam noch, dass es leiser war als die Hufe eines Pferdes, die nicht nur laut waren, sondern auch Dreck auf den Straßen hinterließen. Doch andererseits war ein Pferd schneller, man musste nicht so viele Muskeln strapazieren und das wichtigste war, man saß hoch, so dass einen alle sehen konnten, auch übergroße Trolle. Er bog in die Kaimeisterstraße ein, um von dort aus die Schlechte Brücke zu überqueren. Nun brauchte der Wächter nur noch der Sirupstraße folgen, bis irgendwann rechts das Lagerhaus auftauchte vor dem einige Berge Fallobst lagen, die von ein paar fleißigen Trollen heraus geschaufelt wurden. Ein Mann, der einen hochroten Kopf hatte, stand kopfschüttelnd vor den einzelnen Haufen und fluchte. Als er Dennis erblickte, stapfte er auf ihn zu.
"Wissen Sie eigentlich wie viel Geld hier heute draufgegangen ist, weil wir nicht liefern konnten?! Ein Vermögen sag ich Ihnen. Ich hoffe die Wache klärt das schnell. Sonst gibt's Ärger. Sehen Sie sich ruhig um." Er stapfte wieder davon und schrie ein paar Trolle an, die ihm nicht schnell genug arbeiteten. Dennis starrte in die Halle, viele Wagen waren inzwischen wieder mit Holz beladen. Dennis lief an der Innenwand der Lagerhalle entlang und kontrollierte Fenster und Türen, doch er sah nichts Auffälliges[2]. Mit einer zu sich deuteten Handbewegung rief er einen Arbeiter herbei, der menschlicher Natur war. Er war ein ziemlich stabiler Kerl und schaute wie jemand, der was zu sagen hatte. Mit kräftigen Schritten lief er die wenigen Meter bis zum Wächter.
"Was ist?", fragte er hastig und winkte ein paar Trolle zu einem nahe stehenden Wagen, der noch voller Fallobst war.
"Wer hat alles den Schlüssel zum Lagerhaus?"
Der Mann starte den Obergefreitem misstrauisch an.
"Nur ich und Herr Holzspecht. Wieso, Wächter?"
"Weil hier niemand eingebrochen ist. Es muss jemand mit einem Schlüssel rein gekommen sein." Der Mann guckte darauf verdutzt und überlegte kurz.
"Ich glaube aber nicht, dass Herr Holzspecht sich das selbst antun würde."
Dennis stand auf. "Ich werde mich um den Fall kümmern. Direkt heute Nacht", versprach der Obergefreite und verließ erhobenen Hauptes die Halle.

***


Die nächste Nacht kam und Dennis bezog seine Position. Es war nebelig und noch immer plätscherte leise das Wasser, welches sich beim morgendlichen Regen in der Dachrinne gesammelt hatte, leise an den Wänden herunter. Stunden vergingen, bis auf einmal eine schwarze Gestalt auftauchte, eine Diebin. Mit einigen raschen Griffen überprüfte die Diebin, ob ihr Werkzeug noch richtig saß. Der Satz Dietriche, den sie in einen Bausch gezupfter Wolle in ihre Gürteltasche gesteckt hatte, klimperte kein bisschen und das kurze Stemmeisen saß fest an der Wade gebunden unter dem Leder des Stiefels. Die Dolchklinge in der ebenfalls ledernden Scheide am Gürtel würde nicht blinken, der eiserne mit Stoff umwickelte Knauf nicht glänzen. Man sah ihr an, dass sie ein Profi war.
"Guten Abend!" Dennis trat aus seinem Versteck und die Hand der Diebin fuhr sofort zum Dolch, doch als sie das mächtige Schwert, welches sich auf Dennis' Rücken befand und das er nur zum Schlafen abnahm, sah suchte sie schnell das Weite. Doch plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen, machte kehrt und lief schreiend auf Dennis zu und dann an ihm vorbei. Dabei schrie sie immer wieder laut. "Oh nein, ein Geist, töte mich nicht!" Dennis kam ins Grübeln. Er überlegte ob Steingesicht, sein ehemaliger Ausbilder, heute Wachdienst hatte, doch er meinte sich erinnern zu können, dass er für den Nachmittag eingeteilt gewesen war.
Doch dann sah Dennis es auch: Zwei rubinrote leuchtende Augen kamen näher, es war kein Golem, aber was sonst? Das Licht kam näher. Dennis wollte gerade die Flucht ergreifen, als er plötzlich bemerkte, dass es zwei Fackeln waren, die immer näher auf ihn zuschwebten. Getragen wurden sie von zwei Männern, die graue Umhänge trugen. Ein Schatten löste sich und war blitzschnell vor Dennis. Eine Fratze mit einem diabolischen Grinsen tauchte vor ihm auf und aus Reflex sprang Dennis in die Luft. Eine Axt zischte genau an der Stelle durch die Luft, wo eben noch seine Beine gewesen waren. Der Wächter warf sich zu Boden und rollte zur Seite, dabei zog er das Schwert und hielt es, als er wieder auf den Knien gelandet war, schützend vor sein Gesicht. Die Axt schlug dagegen und Funken flogen.
"Henrie, komm, wir sind fertig." Zwei Schatten flohen in die Nacht, doch der Zwerg blieb da und gab nicht auf. Die Axt prallte an die Wand, genau an der Stelle an der eben noch Dennis Kopf gewesen war. Ein paar Gesteinbrocken brachen aus der Mauer. Schmied nutzte seine Chance und trat dem Zwerg die Beine weg, dann sprang er auf ihn, griff in seine Manteltasche und holte ein Absperrband heraus, welches er eigentlich eigens für Verkehrsunfälle gekauft hatte und schnürte die Hände seines Widersachers mit einem Seemannsknoten zusammen. Die beiden anderen waren auf und davon.
"Im Namen der Stadtwache von Ankh-Morpork, bist du verhaftet." Dennis half dem Zwerg auf die Beine und führte ihn in Richtung Pseudopolisplatz.

***


In den Straßen war es sonderbar still bis auf das Tappen der beiden Fußpaare auf dem feuchten Pflaster. Ein leises Plätschern gesellte sich zu den Lauten der Schritte und durch den dichten Nebel war es in der Gasse unheimlich.
Eine Krähe schimpfte von einem Fenstersims auf die beiden grau bekleideten Männer hinab. "Und wenn sie ihn erwischt haben?", unterbrach der eine die Stille. "Dann lass uns beten, das er unseren Treffpunkt nicht verrät, aber das glaub ich kaum er hasst die Wache." Bedrückendes Schweigen herrschte, als sie die Halle betraten.

***


Dennis stieß mit seiner Schulter die Tür auf und trat in die Einganshalle der Wache. Es war ruhig, nur aus einigen Räumen kamen flackernde Lichter. Der Obergefreite durchquerte zusammen mit dem noch gefesselten Zwerg die Halle und ging die Treppe hoch zu Ateras Büro. Er klopfte leise und bedächtig. Der kräftige Zwerg wurde aufbrausend und schnauzte:
"Lasst mich frei, ich habe nichts getan. Ihr werdet uns nicht stoppen können!"
"Ruhe da oben!", hallte es durch den Flur.
"Oh, da kommen wir der Sache schon näher. Wer ist denn uns?", fragte der Obergefreite, als Atera die Tür öffnete. Als Dennis dem Zwerg einen leichten Stoß gab, so dass der Zwerg in das Büro der Abteilungsleiterin stolperte, schnaubte dieser: "Ich werde euch gar nichts über uns sagen, ich hab es mit dem Eichhörncheneid geschworen." Schmied schloss die Tür und stellte sich davor. Atera rückte noch schnell ein paar Unterlagen zurecht und warf Dennis dann einen fragenden Blick zu.
"Wer ist das, Dennis?"
Dennis holte Luft und sprach dann frei heraus: "Ich denke, er kann uns eine Menge zum Fall von Herrn Holzspecht sagen. Ich hab ihn mit zwei anderen Männern am Lagerhaus rum schleichen sehen." Atera nickte wissend und machte sich eine Notiz.
"Du gestehst also es gewesen zu sein?" Abwehrend hob der Zwerg die verschnürten Hände.
"Ich hab gar nichts getan, das waren die Nebelgeister." Die Abteilungsleiterin griff nach einem gebrauchten Schreibtischplattenpoliturlappen und warf ihn im hohen Borgen zu einem Mülleimer, der direkt neben dem Eingang stand und traf.
"Soso, die Nebelgeister", presste die SEALS-Schäffin durch ein von sich selbst erzwungenes Grinsen.
"Was in aller Welt sind Nebelgeister?", warf Dennis von hinten ein und schlug sich daraufhin die Hand vor den Mund, weil er Atera unterbrochen hatte.
Der kleine kräftige Kerl überlegte kurz und begann dann zu erklären: "Nebelgeister, sind Geister die auftauchen wenn sich warme mit kalte Luft mischt und somit Nebel entsteht."
Ateras Hand schlug auf die Tischkante und blieb dort liegen, während ihr Arm locker an ihrer Schulter hing. Dennis begann hinter dem Zwerg in seiner Tasche zu wühlen und holte nach einigem kramen Nadel und Faden hervor und gab sie seiner Schäffin.
Der Zwerg rutschte ungeduldig hin und her und drehte seine Barthaare mit dem Finger auf. Atera schüttelte enttäuscht den Kopf.
"Hättest du den Obergefreiten nicht angegriffen, würde ich dich jetzt gehen lassen, aber du hast es nun mal getan und kannst jetzt nichts mehr dran ändern." Einsichtig senkte der Zwerg den Kopf und bereute, dass er angegriffen hatte und dass er und seine beiden Kollegen so offen über die Straße gelaufen waren und sich nicht durch die Gänge geschlichen hatten.
"Soll ich ihn in die Zelle bringen?", warf Dennis ein.
Atera nickte, während der Obergefreite den Arm des Zwerges schon mit seinen großen Händen umschloss. Der Wächter und der Zwerg verließen das Büro der Abteilungsleiterin und schritten die Treppe hinab und von dort in Richtung Knast. Der Zwerg grummelte irgendwas auf zwergisch in seinen langen verknoteten Bart, als Dennis die Tür hinter ihm abschloss.

***


"Es war ein Fehler ihn aufzunehmen, das hab ich dir direkt gesagt, du Idiot!", schrie der Älteste, als er sah, dass die beiden ohne den Zwerg zurückkehrten.
"Er wird nichts sagen, das versichere ich dir Heinrich", sprach einer der beiden mit zittriger Stimme.
"Wenn das nicht der Fall ist, wirst du uns leider auf schmerzvolle Weise verlassen, also sorg dafür, dass er nichts sagt, egal wie. Wir brauchen ihn nicht mehr."
Der größere der beiden griff nach einer Armbrust und schritt wieder in den Nebel. Sein Ziel war die Wache, genauer der Gefängnisraum in der Wache. Die Vorhalle des Wachhauses war leer. Der Große durchschritt die Türe rechts, zog seine Armbrust und schoss auf Henrie in der Zelle. Mit einem erstickenden Geräusch sackte dieser zu Boden. Gelenk für Gelenk klappte er zusammen. Zuerst fiel er auf die Knie, dann auf die Hände und zu letzt lag er auf dem Boden. Auf der Höhe seines Halses entstand eine immer größer werdende Blutpfütze, die rasch in die Spalten zwischen dem Holz verfloss. Ein diabolisches Grinsen bildete sich auf den Lippen des Großen. Er macht kehrt und rannte zum Ausgang, dabei stieß er jedoch gegen einen Tisch und stolperte. Unsicher schaute er sich um und starrte in das Gesicht eines ziemlich großen Obergefreiten namens Dennis Schmied.
"Wen haben wir denn da?"
Dennis griff nach dem auf dem Boden liegenden, bekam aber lediglich dem Gürtel zu fassen, an dem die Armbrust befestigt war. Der Mann sprang auf und rannte los, er riss die Tür auf und verwandelte sich in eine Fledermaus. Mit heftigem Flügelschlagen flog er davon und Dennis blieb zurück. In der Hand hielt er den Gürtel, auf dem Boden lag die Armbrust. Die kleinen Zahnräder in seinem Kopf rotierten, eine Verfolgung würde nichts nutzen. Plötzlich ging ihm ein Licht auf: das Fingerabdrucksystem! Sollte das die Lösung sein? Vorsichtig wickelte er sich den Stoffgürtel des geflohenen Vampirs um die Hand und griff damit nach der Armbrust. Sein Weg führte ihn in das Büro des SUSI Leiters Pismire. Er klopfte vorsichtig an der Tür.
"Herein", sprach eine tiefe Stimme von innen und Dennis trat ein.
"Guten Tag Sör." Pismire sprang jedoch sofort hinter den Schreibtisch.
"Was willst du mit dem Ding in deiner Hand?"
Dennis schaute auf die Armbrust und dann zu Pismire.
"Hier war gerade ein Mann unten und hat sie verloren, dann ist er geflohen oder besser gesagt weg geflogen, er war Vampir. Ich wollte sie ihm zurück bringen." Pismire kam wieder hinter dem Tisch hervor und deutete zunächst auf die Armbrust und dann auf den Tisch. Nach wenigen Sekunden lag die Waffe auch schon darauf.
"Und ich soll jetzt nach Fingerabdrücken suchen?"
Der Obergefreite nickte.
"Wer hat es außer ihm noch angefasst?"
"Nur ich." Dennis betonten das Pronomen "Ich" besonders stark. "Aber nur mit dem Gürtel." Pismire holte einen Pinsel zum Vorschein und bestreute ihn mit Rußpulver, dann strich er über die Armbrust, bis man deutlich einen Fingerabdruck sehen konnte. Er holte eine kleine Folie zum Vorschein, die auf einer Seite klebte und "fing" so den Fingerabdruck ein. Dann klebte er es auf weißes Papier.
"So, hier ist er. Moment ich schau mal in die Akten." Pismire griff nach einem dicken Ordner und wühlte eine halbe Stunde darin.
"Hast du ihn?"
"Nein, er steht noch nicht in den Akten. Du kannst den Abdruck mitnehmen und ihn such..." Die Tür flog auf, doch niemand war zusehen. Die Blicke wanderten nach unten und die beiden entdeckten Gnomen. "Schäff, eh da liegt ein Toter im Knast. Er wurde erschossen." Pismires Blick fiel auf die Armbrust und dann auf den Fingerabdruck, schlagartig riss seine Hand den Zettel mit dem Abdruck zurück und legte ihn zurück auf dem Schreibtisch.
"Tut mir leid, Dennis, du musst jetzt gehen. Wir müssen arbeiten, wir befragen dich später. Die Sachen bleiben hier, sie sind Beweißmaterial." Schmied nickte, stand auf und schaute noch einmal zur Armbrust, dann verließ er den Raum und verschwand in seinem Büro. Auch Pismire verließ, zusammen mit Gnomen, das Büro.

***


Die Fledermaus reanimierte sich zu einem Vampir und betrat die Lagerhalle. In einem Kreis aufgestellte Kerzen erhellten den Raum und die Gesichter derer, die bereits auf den Vampir warteten.
"Ist er tot?"
Als Antwort gab der Vampir lediglich ein Nicken. Der Alte strecke die Hand aus.
"Ich habe sie im Wachhaus verloren."
"Was hast du? Du Idiot!"
Der Vampir ließ sich auf die Knie fallen.
"Bitte Herr, verze....."
"Schweig!", brüllte der Alte mit Zorn erfüllter Stimme und fuhr noch im Schrei herum, um den Vampir einen Flock ins Herz zu rammen. Die bleiche Gestalt sackte zusammen und blieb regungslos auf dem Boden liegen.
"Schafft ihn mir aus den Augen, ich kann ihn nicht mehr sehen. Dieser ist ein schlechtes Beispiel für euch alle, jeder der unser nicht würdig ist wird so enden." Zwei der Anhänger traten heran und trugen den toten Vampir weg. 15 Minuten später lag dieser tot auf dem Ankh.

***


An Dennis Tür klopfte es. "Herein.", bat er freundlich. Herein kamen drei Wächter, die ernst drein schauten und bewaffnet waren.
"Es tut mir leid, Dennis, du musst mit in mein Büro kommen und dich dem Fingerabdrucksystem unterziehen, du stehst unter Mordverdacht." Beinahe fiel Schmied aus allen Wolken. "Du hattest dich mit ihm geprügelt und du hattest die Armbrust", fuhr Larius fort.
"Aber ich hab nichts getan!", verteidigte er sich aufgebracht.
"Das werden wir gleich feststellen. Kommst du bitte mit?" Pismire ging vor, gefolgt von Dennis und den beiden anderen SUSI-Mitarbeitern. Im Büro angekommen, wurde Dennis auf einen Stuhl gesetzt. Vor ihm wurde ein kleiner Apparat gestellt. Er war klein, dreieckig und an einer Seite befand sich ein Glasspalt auf den der Verbrecher seine Hand pressen musste. Innen saß ein kleiner Dämon, der den Abdruck malte. Nun griff Pismire zur Hand des Obergefreiten und positionierte sie. Ein Gekritzel ertönte und wenig später wurde der Abdruck raus geschoben und mit dem von der Armbrust verglichen.
"Du warst es wirklich nicht, tut mir leid, dass wir dich verdächtigt haben. Du kannst gehen und sei uns nicht böse."
"Wie könnte ich, ihr tut doch nur eure Pflicht!" Dennis erhob sich, salutierte und verließ abermals das Büro. Erneut verfielen Pismire und seine Kollegen in tiefe Gedanken, wie um alles auf der Welt konnten sie den Mörder stellen?
"Wir lassen den Mörder einfach zu uns kommen!", scherzte Gnomen. Pismire schaute ihn an.
"Das ist es! Der Tote lebt!", rief Larius plötzlich und wurde dafür von Gnomen ausgelacht. "Ich meine natürlich behaupten wir nur, er hat überlebt, demnach müsste der Vampir noch mal kommen, um ihn zu töten."
"Na gut, Larius, leite alles Erforderliche ein, die Wächter sollen sich in den Straßen über das Überleben des Zwerges unterhalten und zwar so, dass es jeder hört. Weggetreten." Larius eilte mit Gnomen auf seiner Schulter heraus.

***


Am darauf folgenden Tag ging die Nachricht wie ein Lauffeuer durch die Stadt: der Zwerg, der den Bolzen überlebt hatte. Über einige Umwege gelangte die Nachricht an den Ältesten von F.G.D.S.V.A.M., der sichtlich wütend darauf reagierte.
"Dieser Vampir war nicht mal fähig ihn zu töten. Du da, töte den Zwerg!!", schrie er wild tobend durch den Raum. Eine kleine ängstlich dreinschauende Gestalt trat hervor.
"I... I... Ich?" Der Älteste machte eine abwertende Handbewegung.
"Ich machs selbst!" Mit diesen Worten eilte er zu einem nahe stehenden Schrank und riss ihn auf. Das Licht der Kerzen spiegelte sich an den vielen Klingen. Die Hand des Mannes griff nach einem Dolch, einer Armbrust und einigen Bolzen, die er in seiner Tasche verschwinden ließ. Dann stapfte er mit hochrotem Kopf davon, hinaus aus der Halle und hin zur Wache.

***


Der Wind blies in die Eingangshalle, als der Älteste der Fraktion die Tür aufstieß und eintrat. Seine Schritte führten ihn geradewegs zu den Zellen, doch seine Überraschung war groß, als er dort niemanden vorfand. Wutendbrand fuhr er herum und schaute auf eine sauber geschärfte Klinge eines prächtigen Schwertes. Dennis stand vor ihm. Auf der Schulter des Obergefreiten stand Gnomen est Nomen und brüllte:
"Waffen weg, sowohl den Dolch, als auch die Armbrust!!"
"Verfluchte Wache!", schrie der Mann, zog plötzlich die Armbrust und schoss. Nur wenige Millisekunden später spürte er einen Schmerz in seiner Magengegend. Dennis hatte ihm den Knauf seines Schwertes in die Magengegend gerammt.
Der Bolzen flog dicht an Dennis' Kopf vorbei und direkt auf den heran eilenden Larius zu. Fast wie eine Schildkröte zog er seinen Kopf ein und der Bolzen knallte in die sich hinter Larius befindende Wand. Während dessen machten sich Dennis und Gnomen daran den Mann zu fesseln.
"Danke, Dennis, wir kümmern uns nun weiter um ihn." Gnomen hüpfte von Dennis Schulter herab und ging zusammen mit Larius und dem Alten ins SUSI Büro.
Am nächsten Tag brach der Alte sich selbst das Genick. Die Akte wurde den ungelösten Fällen beigelegt.


[1]  Die Hand und den Haken

[2] Für ihn wäre es auffällig gewesen, wenn die Tür oder das Fenster aufgebrochen worden wäre, doch das war nicht der Fall.




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