Geneigter Leser,
diese Geschichte trug sich zu Beginn des Jahres zu - es ist hilfreich vorher die Coop Lupus Cruor gelesen zu haben - aber es ist nicht absolut notwenig. Vor dem lesen sollte man wissen, dass Rabbe in Überwald war um den Mörder ihrer Schwester zu stellen, dass sie es tat ohne sich vorher abzumelden, Urlaub zu beantragen oder ihren Freunden Bescheid zu geben. Der grau eingefärbte Teil dieser Geschichte beschreibt ausschließlich was mit Rabbe geschah zwischen dem Ende der Coop und vor der Haupthandlung dieser Single - wer sich für Rabbes persönliches Leben also weniger interessiert kann diesen Teil guten Gewissens überspringen.
Have a good read.
-------------------------Diese Geschichte beginnt auf eine Art wie es viele tun.
Am Anfang. Mit einem Fisch.
Der Fisch schwamm in die Nähe des Hafens von Ankh-Morpork, bevor er zu viel natürliches Ankh-Wasser um sich herum fand und den darauffolgenden inneren Verletzungen erlag. Seine schuppige Leiche trieb in Richtung der Morpork Docks und verlor sich in der Nähe der restlichen Zigarettenkippe, die ins Wasser geschnippt wurde.
Cim seufzte.
Es war immer noch nicht offiziell geworden, aber er spürte es in jeder Phase seines zynischen Wächterdaseins. Die Abteilungen würden aufgelöst werden, die meisten Spezialisierungen zusammen gelegt. Sein kleines Abenteuer mit Rabbe und Tussnelda außerhalb des Ganzen hatte nur wenig geholfen.
Ach Rabbe.
Cim trank einen Schluck Wasser und ließ sich nach hinten fallen, wo er tief seufzte.
Tussnelda war gerade für zwei Wochen nach Quirm gereist, was die aktuelle Situation noch schwerer machte. Sie hatte bedauert, ihn zu einem solchen Zeitpunkt allein zu lassen, aber der Trip war schon länger geplant gewesen und offenbar hatte sie ein paar 'dringende Angelegenheiten' denen sie dort nachgehen wollte.
Was genau das war hatte sie nicht sagen wollen und ihm hatte die Kraft gefehlt weiter nachzufragen. Sein Blick schwebte durch den dunkler werdenden Himmel. Er hatte sich frei genommen. Warum konnte er nicht sagen, vielleicht waren ihm die allgegenwärtigen Gerüchte über die Abteilungsauflösung auf die Nerven gegangen, vielleicht wollte er auch einfach mal in Ruhe nachdenken. Außerhalb der Arbeit. Über andere Dinge als Arbeit und Abteilungsauflösungen und...
Er seufzte erneut.
"Ob Rabbe irgendwann wiederkommt?", trieben ein paar wenige Gedanken einsam durch seinen Kopf und verharrten einen Moment am Bewusstseinsriff, bevor sie den Apathiefall der Trunkenheitssee hinabsanken. Die Wächterin war inzwischen seit drei Monaten verschwunden. Wie allgemein bekannt geworden war, hatte sie etwa einen Monat nach ihrem Verschwinden über das Fratzenbuch mit ihrem Bruder kommuniziert, am Leben war sie also.
"Ob sie wiederkommt ist die andere Frage", dümpelte es weiter durch seinen Kopf und für einen Moment erfasste ihn eine kleine Welle der Wut. Wenn sie öffentlich mit ihrem Bruder kommunizieren konnte, wäre es da zu viel verlangt gewesen eine Nachricht an ihre Freunde abzusetzen ob alles okay war, ob sie wiederkam, warum sie einfach abgehauen war - irgendetwas? Von dem was er gehört hatte war sie wohl sehr verstört gewesen und war sehr übereilt aufgebrochen. Jargon hatte nur bestätigt, dass sie eine der Gefangenen im Haus seines Entführers gewesen war, wie genau sie hinausgekommen war oder wie sie hingekommen war konnte er nicht sagen. Aber was hatte sie dort gemacht? Dass sie loszog, um Jargon zu retten, erschien ihm nicht wirklich verwunderlich, sie zögerte nie einem Kollegen in Not zu helfen, aber... nicht ohne vorher Rücksprache zu halten, ein Team aufzustellen, Missionsbewilligung zu bekommen oder wenigstens Nachrichten zu hinterlassen! Die Wache hatte in Erfahrung gebracht, dass sie ihre Miete vier Monate im Voraus bezahlt hatte bevor sie gegangen war - sofern sie ihren Keller halten wollte würde sie bald zurückkehren müssen, wenn sich nicht so oder so schon jemand anders eingenistet hatte.
Der Vektor seufzte und richtete sich auf. In der Ferne kam ein großes Schiff näher dem er müden Auges folgte. Es war ungewöhnlich ruhig hier am Hafen. Er hatte sich ein möglichst abgelegenes Kai gesucht um vor sich hinzustarren, soweit abseits vom Ankh wie nur möglich, doch der Geruch des nahen Schlachthausviertels war immer noch aufdringlich. Wenn der Wind vom Meer wehte spritzte einem etwas Gischt entgegen und man erhaschte den ein oder anderen Zug halbwegs klarer Seeluft.
Aber es war zu still. Man hörte nur wenig Stadtgeräusche und kaum Seemannsgegröhle.
Cim stand auf und starrte. Irgendetwas würde passieren, da war er sicher. Sein Wächtersinn las das Surren in der Luft und rief ihm eine Warnung ins Großhirn.
[1] Mit dem näher kommenden Schiff schien irgendetwas nicht zu stimmen. Es sah aus wie ein typisches großes Handelsschiff wie es manchmal von den Braunen Inseln oder auch mal aus Quirm ankam, doch gleichzeitig wirkte eine undefinierbare Sache daran unfassbar fehl am Platz.
Der Wächter seufzte. Man war nie wirklich nicht im Dienst. Er stand auf, zupfte die Uniform zurecht und ging autoritären Schrittes in Richtung des Perlendocks, wo er mit wachsendem Unbehagen zusah wie der schwimmende Lasttransporter einlief, Leinen von Bord geworfen wurden und ein Laufsteg über Bord geschoben wurde. Das Schiff war nicht nur ausgesprochen groß sondern auch mit riesigen Kisten beladen. Vom Steg aus erkannte er einige teuer gekleidete Gestalten, die Anzüge wie die reichen Anwälte aus der Gilde trugen, dazwischen befanden sich aber auch einfach gekleidete Männer die Lasten herum schoben oder sonstige Handwerksarbeiten zu verrichten schienen.
"Ein Wächter! Ja wunderbar!", rief eine übertrieben beschwingt klingende Stimme und eine Gestalt sprang vom Schiff herab. "Schönen Guten Tag der Herr, ich bin Labradäus Mäuseschreck und mein Herr müsste einiges an Fracht anmelden, die in der Menge in der wir damit handeln nur begrenzt legal ist, daher bräuchten wir Unterstützung der Wache und die des Sachbearbeiters dieses Hafens, der denn hoffentlich für solche Dinge zuständig wäre und sich hoffentlich in der Nähe aufhalte denn es verlangt mich sehr, allzu bald eine Gaststätte aufzusuchen denn wir waren lange unterwegs."
Cim starrte. Alexander sah ihn mit starrem Grinsen an und sein Blick schien ihn anzuflehen die dargebotene Hand zu schütteln, die er dem Vektor hinhielt. Zögernd ergriff er selbige und schüttelte sie langsam, spürte das gefaltete Papierstück, dass man ihm in die Hand drückte, und war in diesem Moment froh, nichts getrunken zu haben. "Dafür müsst ihr euch an den Hafenmeister wenden", erwiderte er starr und suchte mit den Augen so unauffällig er konnte das Schiff hinter Rabbes Bruder ab. Wenn er hier war schien es wahrscheinlich, dass auch sie nicht weit war. Aber warum hatte er ihm einen falschen Namen genannt, obwohl er ihn offensichtlich erkannt hatte? Und warum kamen sie mit diesem Schiff an?
"MÄUSEDRECK!", brüllte es von oben und Alexander drehte sich leichtfüßig auf die Seite. "WAS ZUR HÖLLE MACHST DU DA UNTEN? ICH HABE GESAGT DU SOLLST AUF MICH WARTEN! NIEMAND GEHT ALLEIN VON BORD!" Ein massiver Mann lehnte über die Reling und sah Rabbes Bruder an als wollte er ihn im Ganzen auffressen. Er hatte übertrieben große Muskeln und wirkte so aufgepumpft, dass er mehr wie ein roter Troll als ein Mensch aussah. "Entschuldigung mein Herr! Ich heiße MäuseSCHRECK, nicht Dreck, und ich sah diesen freundlichen Wächter hier stehen und dachte, ich spreche ihn am besten gleich an bevor er denkt, wir wollten unsere Ware am Ende illegal in die Stadt bringen!", erwiderte Alexander mit einer fast schon kindlichen Freundlichkeit und hob winkend eine Hand.
Cim räusperte sich. "Wie ich ihrem Kollegen eben schon sagte müssen sie sich an die Hafenbehörden wenden. Ich stand hier nur zufällig. Habe Pause und ein wenig Luft genossen. Einen guten Tag noch und willkommen in Ankh-Morpork, die Herren", sprach er so unbeteiligt er konnte, hob grüßend die Hand und schlenderte gemütlich davon, bemüht sich seine Nervosität nicht anmerken zu lassen.
Der Mann sah aus als wäre er willens Alexander umzubringen, wenn er es nochmal wagte so unverschämt zu sein.
Als Cim gemütlich hinter eine Fassade gewandert war und sich außer Sicht der Menschen auf dem Schiff zu befinden, faltete er rasch den Zettel auseinander.
“Diese Nachricht ist umgehend z.Hd. von Kmd. Breguyar, Obfwbl. v. Grauhaar oder Obfwbl. Bürstenkinn weiter zu geben! Gefahr. Schiff mit Sprengstoff beladen, Nachweis nicht möglich da offizieller Transport von Düngemitteln. Terroristen an Bord. Keine Beweise vorhanden. Habe die Gruppe infiltriert und werde Kontakt aufnehmen sobald möglich. Akute Lebensgefahr. Niemand darf erkennen lassen, dass mein Bruder oder ich bekannt sind, sonst Folgen unabsehbar. Gez. LK Rabbe Schraubenndrehr“Cim schluckte. Dies klang ernst.
"Und gerade jetzt habe ich keine Taube mit", dachte er grimmig, während er in Richtung des nächsten Klackerturms losspurtete. Wenn die Crew anfing auszuladen und irgendein anderer Wächter vorbeikam und Rabbe erkannte konnte sie in ernsthafte Schwierigkeiten geraten.
"Aber wie kann ich ihr helfen? Wenn sie verdeckt ermittelt hat sie kaum Möglichkeiten mit uns Kontakt aufzunehmen. Sie kennt wahrscheinlich keine der untoten Briefkästen und auch so dürfte es schwierig für sie werden.."Er kam am Klackerturm an, kritzelte hastig eine Extranotiz auf einen anderen Zettel und wies den Arbeiter an alles mit der Wachechiffrierung an alle Wachhäuser weiterzuschicken. Als selbiges erledigt war lief er in Richtung seiner Wohnung weiter, um sich umzuziehen.
Egal wo Schiffsleute herkamen - sie alle suchten die gleichen Tavernen auf.
*Am Hafen*Alexander schob eine der Kisten zurück Richtung Lagerbereich und landete wie durch Zufall neben seiner Schwester die gerade ein Tau aufrollte. "Ich hab Cim den Zettel gegeben", murmelte er gerade laut genug damit sie ihn hören konnte. Sie nickte stumm und er sah wie die Anspannung ein wenig aus ihren Schultern wich. Es hatte keine Möglichkeit gegeben zu wissen, ob ein Wächter in der Nähe der Docks sein würde, gleichzeitig hatte die Information aber so schnell wie möglich an die Wache weiter gegeben werden müssen. Wenn ein Wächter Rabbe auf der Straße erkannte und es jemand anderes aus der Crew mitbekam konnte es für sie beide den Tod bedeuten. Es war brenzlig genug gewesen ihre Auftraggeber zu überzeugen, dass sie es sehr wohl für eine gute Idee hielten, den Palast in die Luft zu jagen - wenn ein Stadtwächter Rabbe aber direkt ansprechen würde und deutlich würde, dass man sich kannte, wäre das ihr Ende.
Rabbe biss die Zähne zusammen. Die Situation war alles andere als einfach. Sie hatte sich darauf gefreut nach Ankh-Morpork zurückzukommen - gleichzeitig hatte sie eine unsägliche Angst zu versagen. Ihr altes Leben schien so lange zurückzuliegen, die Pflichten eines Wächters wirkten wie die eines Menschen, der sie nicht länger war.
"Drei Monate... Es ist gerade erst drei Monate her, dass ich hier weg bin und doch fühlt es sich an als wäre ich jahrelang weg gewesen." Sie verhakte das Tau und wollte zu einer Kiste mit Sprengfallen-Vorbauten gehen, als Alex sie in die Seite stupste. "Hey, stell dir vor ein Rekrut wäre am Hafen gestanden und hätte laut gefragt, warum zur Hölle ich ihm einen Zettel in die Hand gedrückt habe." Rabbe konnte ein winziges Lachen nicht ganz verkneifen, knuffte ihn in die Seite und zischte ermahnend. Sie waren auch hier Bruder und Schwester, daran hatte sich nichts geändert. Doch man konnte nie vorsichtig genug sein.
"Aber er hat Recht", dachte Rabbe dankbar und schob die Kiste nach innen.
"Dass Cim dort stand war das Beste was passieren konnte. Er wird die Nachricht sofort an alle weiterleiten... und sich dann in irgendeiner Hafenkneipe als unauffällige Kontaktperson positionieren." Sie grinste leicht und sah kurz Richtung Stadt.
Es war gut wieder hier zu sein. Noch vor wenigen Wochen war sie sicher gewesen, nie zurückzukehren.
* 2 Monate zuvor*
Dunkelheit. Stille. Lärm.
Rabbe wanderte ziellos umher.
Keine Gedanken. Keine Richtung. Keinen Sinn.
In ihrem Kopf erklangen Schreie. Maurcias Todesschreie. Ceros hysterisches Todesröcheln. Und Rabbe selbst. In ihrem Zentrum stand als einzelnes Bild immer sie selbst in einem vagen Bild und schrie. Die Verzweiflung wurde nicht mehr anders ausgedrückt. Durch einen Schleier bemerkte Rabbe dass sie wohl Dinge tat.
Wald. Bäume. Kälte. Schmerzen. Starke Schmerzen.
Eine allumfassende Leere.
Der Schlaf war stets traumlos. Sie aß nicht, trank nur das Nötigste. Sie verband sich die Hand und den Fuß immer wieder neu mit improvisierten Verbänden. Und sie lief weiter. Jeden Tag. Den ganzen Tag. Bis sie irgendwann stehen blieb und schlief. Die Bewegungen ein mechanischer Ablauf. Die Bedürfnisse ein notwendiges Hindernis. Immer weiter.
Die Gestalt, die einst als Rabbe Schraubenndrehr bekannt gewesen war, schritt namenlos durch die Welt. Hinterließ nichts, sagte nichts, tat nichts. Nur laufen. Immer weiter.
Die Ereignisse ihres Lebens, besonders die der letzten Tage, schienen in weite Ferne gerückt, wie aus einem vorigen Leben. Es gab keine Vergangenheit, keine Gegenwart. Es gab überhaupt keine Zeit mehr. Nur den Weg.
Irgendwann vage Stimmen. Irgendwann gezwungene Mundbenutzung. Erbrechen danach. Erneut gezwungene Nahrungsaufnahme.
Schlaf. Langer Schlaf. Traumlos.
Rabbe wachte auf. Gezwungen zu bleiben. Wieder Nahrung. Wieder Schlaf. Nahrung. Schlaf.
Dann gehen. Verschwinden. Gehen. Weiter gehen.
Dunkelheit. Kälte.
Leere. Immer weiter gehen. Gehen. Gehen.
Kälte.
Regen...
Rabbe war tagelang ziellos durch den Wald gelaufen, bevor sie langsam das Gefühl hatte, wieder zu bewussten Gedanken fähig zu sein. Sie war lange durch den Wald gelaufen, bis sie irgendwann wieder eine Stadt erreicht hatte. Wie durch einen Nebel betrachtete sie die kleine Stadt und erkannte, nachdem sie das Ortsschild eine Weile angestarrte hatte, dass es sich um das überwaldische Dorf Bloedvzglept nahe Willinus handelte. Sie fühlte sich noch immer merkwürdig leer und die Ereignisse der letzten Wochen, vermischt mit den Tagen um Mauricias Tod, dominierten ihre Gedanken, aber dennoch fühlte sie sich langsam etwas besser, als wäre ein Teil von ihr aus einem langen Schlaf erwacht. Dennoch hielten sich ihre formulierten Gedanken in Grenzen. Sie spürte, dass sie körperlich ausgezehrt war, aber es war ihr egal. Sie hatte sich am Morgen gezwungen etwas zu trinken, genug um zu überleben, etwas zu essen kam aber nicht in Frage. Am Vortag hatte sie einige Würmer und Wurzeln gegessen, das würde reichen damit sie weiter durchhielt.
Während sie über die Marktstraße ging, vorbei an Menschen die sie nicht kannte und die ihr egal waren, dachte sie ganz kurz an Jargon. Was wohl mit ihm geschehen war? Sie konnte nicht sagen wie sie nun zu ihm stehen sollte. Er war der Halbbruder Ceros gewesen, aber... dafür konnte er eigentlich nichts. Rabbes Mutter war auch ein Monster gewesen, was machte das aus ihr?
Sie hatte Zweifel an ihrer eigenen moralischen Seite. Ob sie ein guter Mensch war wusste sie nicht, aber Mauricia war es gewesen - unschuldig und rein. Nein, allein durch seine Eltern konnte man nicht böse werden, da war sie sicher.
In der Ferne ragte ein provinzieller Klackerturm auf und ein ungewohnt klarer Gedanke schoss durch den nebligen Geist. Alexander.
Sie beschleunigte die Schritte und lief so schnell es ihr die müden Glieder erlaubten Richtung Klackerturm.
Alexanderalexanderalexanderalexanderalexanderalexanderalexanderalexanderalexanderalexanderalexanderalexander...
Sie dachte in diesem Moment nichts anderes als den Namen ihres Bruders, der Gedanke, dass sie ihn sehen musste, bei ihm sein musste... Er war der einzige auf dieser Welt der je irgendwie für sie da gewesen war, der einzige der ihr helfen konnte...
Der einzige bei dem sie sich im Moment sicher fühlen würde.
Ihre Träume in naher Vergangenheit waren stets von Brutalität und Angst gezeichnet gewesen, ihre Tage von Unsicherheit und Gefühllosigkeit. Die Leere, die sich in ihr breit gemacht hatte... Sie wusste es war ein Zeichen der geistigen Wunden die sie davon getragen hatte, sie wusste sie brauchte jemanden dem sie noch irgendetwas bedeutete, der ein wenig auf sie acht gab. Alexander hatte sie nach Mauricias Tod nur sehr ungern allein wegziehen lassen und war mehr als froh gewesen, als sie wenige Monate nach ihrem Tod für eine Weile zu ihm nach Llamedos gekommen war. Er sorgte sich um sie, das wusste der Lance-Korporal. Er würde sich um sie kümmern. Auf sie achtgeben. Sie beschützen bis sie wieder die Kraft fand, für sich selbst zu sorgen.
Das Benutzen von Wörtern um mit dem Mann am Klackerturm zu reden war für sie ungewohnt. Es kam ihr wie eine lange Zeit vor, seit sie zuletzt mit jemandem gesprochen hatte und sie wählte ihre Worte langsam und mit Bedacht. Nachdem der Mann am Klackerturm sie herein genötigt hatte, damit sie "sich setzen und etwas ausruhen konnte", war sie weggedöst. Wie lange wusste sie nicht, doch als sie wieder zu sich kam war es dunkel und man reichte ihr eine Tasse Tee und teilte ihr mit, dass Alexander wohl versucht hatte, sie in Ankh-Morpork zu erreichen. Über Kommunikation mit dem Knotenpunkt in Bums hatte Fidell, der ältere Klackerarbeiter, der mit den Goblins im oberen Bereich des Turms zusammenarbeitete, in Erfahrung bringen können, dass Alexander derzeit offenbar in Kupferkopf weilte.
Rabbe starrte Fidell mit glasigem Blick an. Der Alte war sehr freundlich gewesen. Er hatte bisher auch kein Wort von Bezahlung gesprochen, er blickte sie nur besorgt an und der Wächterin fiel jetzt erst auf, dass er ihr offenbar eine Decke umgelegt hatte während sie gedöst hatte. Sie sah den faltigen Herrn an, der sie großväterlich besorgt ansah, und ihr nach dem Tee nun eine andere Tasse in die Hand drückte. Rabbe war Überwaldisch viele Jahre gewohnt gewesen, aber sie war in letzter Zeit so müde, dass die Bedeutung des jetzigen Wortes nur schwer zu ihr durchdrangen - weniger weil es überwaldisch war als viel mehr weil das lange Kommunizieren sie erschöpfte. Sie fühlte sich wie außerhalb ihres Körpers und von dem freundlichen Satz, mit dem sie das Getränk erhielt, kam nur ein Wort richtig bei ihr an.
'Splot'.
Nach zwei Schlucken begann Rabbe zu schreien und wurde kurz darauf bewusstlos. [2]
Sie blieb zwei Tage in der Obhut Fidells. Sie sprach wenig und er akzeptierte es, versorgte sie mit Tee und nötigte sie den seltsamen Gemüsebrei zu essen, den er ihr vorsetzte. Es schien ihm Freude zu machen sich um sie zu kümmern und Rabbe dachte nicht darüber nach warum dem so sein könnte. Es tat gut auszuruhen. Es tat gut, dass sich jemand kümmerte.
Irgendjemand.
Am dritten Tag kam Antwort von Alexander. Sie würden sich sobald wie möglich in Zweihemden treffen. An weitere Schritte dachte Rabbe in diesem Moment nicht. Sie hatte seit Wochen nicht an die Wache oder Ankh-Morpork gedacht und würde nun nicht damit anfangen. Ihre Karriere, ihre Abteilung, das vermutlich bevorstehende IA-Verfahren... nichts davon schien eine Rolle zu spielen. Sie musste nur Alexander sehen. Dann würde alles gut werden.
Vor beinahe zehn Jahren hatte Rabbe für ein gutes Jahr in Willinus gearbeitet. Einen Großteil der Beute hatte sie damals in einem nahen Wald versteckt, wo sie nun Ausgrabungen machte. Zur damaligen Zeit hatte sie es nicht verwenden wollen, weil sie nicht damit klarkam herauszufinden, wo es wirklich hergekommen war, doch heute war sie froh darüber diese alte Reserve noch zur Verfügung zu haben. Sie kaufte das beste Pferd am Ort zu überteuertem Preis, den sie gerne zahlte, und ließ Fidell eine größere Menge Geld zurück, die dieser nur nach langem Zetern annahm [3]. Dann ritt sie los. Es bereitete ihr Schwierigkeiten sich auf dem Pferd zu halten. Sie brachte nicht die Energie auf, ihre Körperspannung zu halten, weshalb sich der Ritt als mühsam und schmerzhaft erwies - doch sie kam schneller voran, als sie es auf einem Karren oder zu Fuß getan hätte, weshalb ihr die blauen Flecken als notwendiges Übel erschienen.
Auch sie würden irgendwann heilen.
Alexander Saitensprung war sofort aufgebrochen als er Rabbe Nachricht gelesen hatte. Er hatte sich wirklich auf den Besuch bei seinem alten Freund und Stollenbruder gefreut, die Neuigkeiten über Ceros Tod waren für ihn aber Grund für höchste Alarmbereitschaft. Dass der Wolf tot war schien unwichtig. Natürlich würde er dem Mörder seiner Schwester keine Träne nachweinen, er hatte sich aber auch nicht in Rachefantasien verloren, so wie es bei Rabbe eine Zeit lang gewesen war.
Dass er nun tot war und sie ihn offen um Hilfe anrief, machte ihm massive Sorgen. Gilbert hatte seine Kontakte im Dorf genutzt, damit Alexander sofort das schnellste Gespann in der näheren Umgebung bekam, hatte dem Schwarzhaarigen noch einen Rucksack voll Proviant gegeben und ihn dann auf Weg geschickt. Rabbe hatte eine Weile bei ihm im Bergwerk gearbeitet. Sie war eine gute Arbeiterin gewesen und in vielerlei Hinsicht sehr geschickt. Dass Alexander so offene Sorge um sie zeigte hatte den Zwerg sehr beunruhigt. Keiner von ihnen war besonders gut darin, über Ängste oder sonstige Gefühle zu sprechen, aber... Rabbe war wichtig. Rabbe war unfassbar stur - wenn sie einmal soweit war, dass sie um Hilfe bat, würde es den Überwäldler nicht wundern, wenn sie bereits im Sterben lag.
"Und Cero war ein Werwolf... ein kräftiger... wenn Rabbe gegen ihn gekämpft hat ist das bestimmt nicht schadlos an ihr vorbeigegangen..."
Er schluckte und fuhr so schnell er konnte weiter. Nach Zweihemden war es ein ziemliches Stück. Er würde einige Tage brauchen bis er ankam.
Rabbes Strecke war aber ähnlich weit. Wenn sie beide so schnell reisten wie es ging, und daran zweifelte er nicht, sollten sie ungefähr am gleichen Tag ankommen.
Zumindest wenn die Jüngere noch fit genug war, sich so schnell zu bewegen.
Nach mehreren Tagen dauernder Fahrt, weniger Pausen und zu wenig Schlaf kam Alexander erschöpft und besorgt in Zweihemden an. Es war keine besonders große Stadt, doch es gab viele Kolonialwarenläden und auch sonst recht gute Einkaufsmöglichkeiten, da Zweihemden Treffpunkt für viele Reisende war, die aus Überwald oder aus der Ebene kamen und Richtung Spitzhornberge oder Lancre wollten.
Der Schwarzhaarige fuhr langsamer als er durch den Ort kam. Wo würde Rabbe sein? Wäre sie in normalem Zustand hätte Alexander sie in der nächsten Kneipe gesucht, aber irgendwie glaubte er nicht, dass sie dort sein würde. Der Stadtrand in wäldlicher Richtung erschien wahrscheinlicher. Er hielt kurz an und erkundigte sich bei einem Krämer, ob er in den letzten Tagen eine Frau, die wie Rabbe aussah, gesehen hätte. Der Mann verneinte, was Alexander zum Grund nahm an den Waldrand zu fahren. Dort schien sich ein zwielichtigerer Bereich der Stadt zu erstrecken - zwischen älter aussehenden Scheunen und versoffenen Bars prügelten sich vereinzelt Leute oder schliefen ihren Rausch auf der dreckigen Straße aus. Es wirkte sehr eindeutig wie die Gegend in der man die beste Chance hatte Rabbe zu finden. Das war ihre Welt - weniger weil sie gerne mal gewalttätig wurde oder ein Gläschen schätze - sie hatte hier nur das Gefühl, dazu zu gehören. Die Leute hier waren nicht besser als sie. Hier musste sie sich nicht als böser oder schlechterer Mensch fühlen. Hier konnte sie einfach sein wer sie war.
Alexander fuhr langsam durch die Straße und hielt bei einem Bettler an. "Entschuldigen Sie! Haben sie diese Frau hier gesehen?", er hielt dem Mann eine vergilbte Ikonographie von Rabbe hin.
"Hmmm? Grabbelbrabbelkarrenhaufen!"
Alexander seufzte und warf dem Mann eine Münze in die Mütze. "Ah! Zwei Häuser weiter hinter der Scheune saß sie heut früh noch."
"Warum nicht gleich so...", murmelte der Andere und fuhr weiter. Er würde mit dem Karren im Ganzen hinter das Haus fahren müssen - in dieser Gegend wagte er nicht, ihn allein zu lassen und hier konnte er niemandem vertrauen.
"Rabbe?!", rief er, als er in die Nähe des Gebäudes kam. "Raaaabbeee?!" Er fuhr um das Haus herum und erblickte, ein Stück hinter der Scheune, an einem Baum zusammen gesunken eine müde Gestalt deren Frisur, Züge und Kleidung verdächtig nach seiner kleinen Schwester aussahen. "Rabbe!", rief er, erschrocken wie kraftlos sie auf Entfernung wirkte. Er sprang vom Kutschbock und eilte zu ihr. Kaum bei ihr angekommen öffnete sie sofort die Augen.
"Rabbe." Alexander ging neben ihr in die Knie und ließ besorgt den Blick über seine Schwester schweifen.
Sie sah nicht gut aus. Tiefe Augenringe, fahl wirkende Haut, stumpfe Haare und sie hatte in den paar Monaten, die er sie nicht gesehen hatte, eine Menge Gewicht verloren. Ihre Augen blickte im ersten Moment scharf und klar, Alarmbereitschaft über einen Neuankömmling. Als sie Alexander erkannte verschwand diese Aufmerksamkeit sofort. Der Ältere glaubte regelrecht zu sehen, wie Rabbe innerlich eine Barrikade in sich zusammenfallen ließ. Ihre Augen wurde sichtlich trüber und unfokussierter, doch ein winziges Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. "Alex... Du bist hier... Du bist hier...", murmelte sie leise und der Ältere beugte sich vor, um sie zu umarmen.
Er hielt sie ein Moment lang fest und dachte fieberhaft nach, was er als nächstes tun sollte. Er war selbst extrem müde und von der raschen, weiten Reise erschöpft, doch Rabbes Zustand erforderte schnelles Handeln. Alexander strich mit bangen Gefühl über Rabbes Rücken wo sich die Rippen um einiges deutlicher als früher abdrückten. Er spürte Verbände unter ihrer Kleidung, im gleichen Moment in dem ihm auffiel, dass sie offenbar eingeschlafen war. Ihre Körperspannung war intakt, sie lehnte an ihm, würde sich jedoch eine Möglichkeit für ihre Gelenke geben den Dienst einzustellen würden sie es tun.
Der Überwäldler drückte sie ein klein wenig weg, drehte sie und packte sie von hinten, damit er sie einfacherer zum Wagen bringen könnte.
Sie fuhren zurück in den besseren Teil Zweihemdens. Alexander hatte seine Schwester auf das improvisierte Feldbett im hinteren Teil des Wagens bugsiert. Nachdem er sicher war, dass ihre Atmung stabil war, hatte er ihre Verbände überprüft. Sie hatte vor allem an Armen und Beinen Wunden, sowie einige Schrammen im Gesicht. Der Oberkörper war - abgesehen von ein paar hässlichen Quetschungen - zu seiner Erleichterung offenbar unverletzt geblieben, die Hand gefiel ihm dagegen nicht besonders. Er hatte nicht gewagt den Verband zu lösen, aber entweder hatte ihr jemand zwei Finger sehr geschickt an die Handfläche gebunden oder sie hatte selbige verloren.
Auf der Hauptstraße sah es aus, als würde gerade eine Wagenkarawane gebildet. Große Planwagen mit normalen Karren dazwischen hatten hintereinander Aufstellung bezogen. Waren wurden aufgeladen, Händler stritten sich und Alexander sah ein paar spielende Kinder zwischen den Karren herumrennen. Er fuhr an den Wagen vorbei auf einen Kolonialladen zu, den er zuvor bemerkt hatte, darum bemüht möglichst gleichgültig auszusehen.
Er durfte Rabbe nicht lange alleine lassen. Es war helllichter Tag und nicht unbedingt menschenleer, aber wo es Händler gab waren auch immer Räuber und andere gemeine Verbrecher vorhanden. Er würde direkt vor dem Laden halten, das nötigste zum Überleben besorgen und dann mit Rabbe ein Stück aus dem Dorf herausfahren, wo es weniger potenzielle Banditen geben würde. Der Wagen hielt, er blickte schnell über die Schulter um sich zu vergewissern, dass man nicht hinter die Planen sehen konnte ohne auf den Kutschbock zu klettern, sprang vom Wagen und ging gemessenen Schrittes in den Laden. Er durfte nicht zu eilig wirken. Falls Rabbe verfolgt wurde würde man nach eiligen Gestalten Ausschau halten. Sie hatte ihm zwar geschrieben, dass Cero tot war, doch es würde ihn nicht wundern, wenn sein Vater noch lebte und seine Schergen nach seiner Schwester geschickt hatte.
Der Mann hinter dem Tresen sah aus wie ein Mann, der seinen Laden schon lange führte und dabei über die Jahre ein gutes Geschäft gemacht hatte. Die Preise an seinen Waren schienen Alexander recht teuer, aber in einer Gegend so nahe an Überwald war es wichtig keinerlei Schwäche zu zeigen. "Guten Tag. Ich brauche Hartkäse, Schwarzbrot, Dauerwurst, zwei Säcke Hafer, Salzgemüse, eingemachtes Obst und das Netz Limonen da drüben."
Der Mann blickte ihn abschätzig an. Hagere Gestalt, Bartstoppel überall und ein langer Ziegenbart. Schwarzer Mantel, schwarzer Hut und...
Der Blick des Verkäufers verharrte einen Moment an der gewaltigen silbernen Axt auf Alexanders Rücken, huschte dann schnell über Details seiner Positur bevor er begann hastig die Sachen zusammenzupacken, die Alexander erbeten hatte. Es wäre die Mühe nicht wert ihn auszurauben. Wer mit einer solchen Waffe in der Nähe Überwalds unterwegs war und noch nicht gefressen wurde wusste sich zumindest genug zu verteidigen, damit die Mühe seines Todes nicht durch den Verkaufswert der Waffe aufzuwiegen wäre. "Kommt noch was dazu, der Herr?"
"Nein danke."
"Macht dann zweiundzwanzig Dollar."
Alexander legte ohne zu zögern den passenden Betrag auf den Tisch, tippte sich grüßend an den Hut und packte die Tasche, mit der er möglichst gelassen wieder hinaustrat und auf den Kutschbock stieg. Er zog die Plane beiseite. Rabbe lag noch immer wo er sie zurückgelassen hatte, es schien niemand sonst hier zu sein. "Na dann besser weg hier", murmelte der Schwarzhaarige, packte die Tasche hinter sich und trieb die Pferde an. Er würde nicht mehr allzu weit fahren können bevor die Tiere eine ordentliche Pause brauchten, ganz zu schweigen von dem Umstand, dass er selbst das Gefühl hatte, sofort einzuschlafen wenn das Adrenalin nachließ. Vielleicht wäre es klüger im Ort zu bleiben und eine Herberge zu suchen, doch er fühlte sich in diesem Moment nicht sehr rational und seine Instinkte schrien ihn an, dass er diesen Ort verlassen musste.
Er war bisher stets gut beraten gewesen auf sie zu hören.
Eine gute Stunde später waren sie ein ordentliches Stück aus Zweihemden heraus. Alexander hielt ein Stück abseits der Straße in der Nähe eines Flusses und nahm den Pferden das Geschirr ab. Während die Tiere zum Fluss liefen um etwas zu trinken, kletterte er in den hinteren Bereich des Wagens. Er trat an seine Schwester heran und fühlte ihren Puls, prüfte ihre Atmung. Dann holte er einen Hafersack aus der Futtertruhe, als ihm zwei Füße mit Wucht in den Rücken trafen. Alexander fiel vornüber und rollte sich ab so gut es seine müden Glieder vermochten. Reflexartig riss er seine Axt aus ihrem Gurt und sprang zurück auf die Füße. Vor ihm stand ein Mann in abgetragener, zweckdienlicher Kleidung. Er hielt einen Dolch in der Hand und blickte böse als er auf den Schwarzhaarigen zusprang und nach seinem Hals schwang. Alexander wich mühsam aus. Wäre er ausgeruht und in guter Verfassung wäre dieser Kampf wahrscheinlich schon vorbei, doch er hatte die letzten Tage viel zu wenig geschlafen und war nach der langen Reise erschöpft. Er trieb seinen Fuß nach vorne, zog ihn aber zur Seite bevor er den anderen traf und nutze den Schwung, um seinem Gegner den Kopf seiner Axt gegen die Brust zu stoßen. Ein trockenes Keuchen kämpfte sich aus dessen Kehle, doch Alexander schwang sich weiter vor, trieb ihm das Knie in den Bauch und brachte die flache Axt auf den Kopf des Fremden hernieder.
"Du... verdammter... Mistkerl!", knurrte er und lehnte sich erschöpft auf den Stiel seiner Axt. Nachdem er einen Moment verschnauft hatte, trat er den bewusstlosen Kerl in die Seite, bevor er sich daran machte, ein Seil aus einer Kiste heraus zu kramen. "Du kannst von Glück sagen, dass du meiner Schwester nichts getan hast, sonst müsste ich mir jetzt nicht die Mühe machen dich zu fesseln", knurrte er mürrisch, bevor er sich umdrehte und dem Mann erst Hände und Füße zusammenband und das Seil dann an einem Querbalken festmachte. Alexander seufzte und verbrachte dann einige Minuten damit zu prüfen, ob sich vielleicht noch jemand im Inneren des Wagens, darunter oder in der näheren Umgebung aufhielt. Als er relativ sicher war, dass dem nicht so war, nahm er die Axt vom Rücken, lehnte sie an die Wand und setzte sich neben Rabbe auf den Holzboden. Er seufzte und legte den Kopf in den Nacken, atmete ein paar Sekunden mit geschlossenen Augen vor sich hin, bevor er gedankenverloren eine Hand auf Rabbes Kopf legte und ihr über die Haare strich. Sie war wach, das konnte er spüren, doch sie beide schwiegen für lange Zeit.
"Willst du's mir erzählen?", fragte der Ältere irgendwann leise und sah nach unten. Seine Schwester blickte ihn aus starren, distanziert wirkenden Augen an. "Später. Zu anstrengend." Alexander nickte und strich der Jüngeren über den Rücken, dann wieder durch die Haare und ließ die Hand irgendwann auf ihrem Kopf liegen. Als er gegen Abend aufwachte tat sein Rücken schrecklich weh.
Die nächsten Tage verliefen gemütlich und einseitig. Sie setzten den Bandit bei einem Bauernhaus in der Nähe ab, wo er sich eine Heimfahrt würde verdienen müssen, danach fuhren sie allgemein in westliche Richtung. Rabbe machte nicht deutlich ob sie nach Ankh-Morpork zurückgehen würde, also fuhren sie jeden Tag für einige Stunden Richtung Sto Ebene, wobei sie sich bemühten eine Route zu befahren, bei der sie den Carrack-Bergen und dem Wald von Skund würden entgehen können.
Alexander wartete.
Im Grunde lief jeder Tag gleich ab - er nötigte Rabbe etwas zu frühstücken, was stets eher mühevoll geschah. Sie starrte ins Feuer und sagte nichts. Manchmal schnitt er spontan Grimassen oder tat alberne Dinge, womit er sie kurz zum Lachen brachte, doch die kurzen Momente ihres Lächelns währten nie lang und sie setzte wieder einen starren Blick und die ernste Miene auf. Und er wartete. Sie redete nur über das Nötigste, doch sie suchte seine Nähe und ließ zu, dass er sich um sie kümmerte - doch sie ließ sich noch nicht ganz fallen. Rabbe fühlte sich noch nicht recht sicher, das sah man ihr an. Bis sie sich nicht sicher genug fühlte würde sie wohl kaum darüber sprechen was passiert war. Als sie durch ein kleineres Dorf gekommen waren hatte Alexander einen Arzt gefunden, der sich Rabbes Hand ansah und sie ein wenig ordentlicher zurecht stutzte, damit die Neuverletzungsgefahr nicht mehr so hoch war. Sie ließ es stumm über sich ergehen. Sie starrte und starrte.
Tage vergingen. Sie fuhren weiter durchs Land, so gut es ging dem Weg westwärts folgend. Tag für Tag. Manchmal machten sie in Dörfern halt und stockten an Lebensmitteln auf. Wenn sie früher zusammen gereist waren, hatten sie vor allem von der Natur gelebt, doch bei Rabbes Zustand kam dies derzeit nicht wirklich in Frage.
"Ich habe mir nie verzeihen können... dass ich sie nicht gerettet habe."
Sie machten Rast an einem Fluss. Die Sonne war eben hinter den Wolken hervorgekommen und Rabbe lag auf dem Rücken, starrte glasigen Auges in den blauer werdenden Himmel.
Alexander sah auf und legte den Stock weg an dem er herum geschnitzt hatte.
"Ich habe immer... Ich dachte ich hätte anders handeln sollen. In eine andere Richtung laufen, vielleicht lieber verstecken als wegrennen..." Ihre Stimme war brüchig und leise. Alexander trat zu ihr und setzte sich neben sie, sagte aber nichts. "Als... Ich... ich habe mir immer eingeredet, dass es nicht meine Schuld war. Hab versucht.. Ich wollte diese Wahrheit nicht sehen. Cero hat gesagt, der einzige Grund warum sie angegriffen haben, warum Mauri sterben musste war... weil ich nicht demütig genug war." Rabbe presste Augen und Zähne zusammen, ihre Stimme war zittrig. Alexander legte ihr eine Hand auf den Kopf und strich ihr durch die Haare. Seine Haltung hatte sich stark verkrampft. Was Rabbe sagte tat weh, doch er musste abwarten bevor er irgendetwas dazu sagen konnte. Er selbst machte sich heute noch Vorwürfe wegen des Vorfalls der seine jüngste Schwester das Leben gekostet hatte - nicht nur wegen ihres Todes, sondern auch weil er Rabbe danach hatte ziehen lassen statt sie für eine Weile bei sich zu behalten.
Aber sie war immer ein Freigeist gewesen.
"Zwei Jahre vor ihrem Tod hab ich doch bei Secabonum gekellnert und... ich wollte nicht wegsehen als er eine junge Frau vergewaltigt hat. Nicht sofort. Ich war zu geschockt. Als ich ihn wiedersah hat er gesagt... dass sie sterben musste wäre meine Schuld. Dass er sie so... Er hätte uns ins Visier genommen weil ich ihm keinen Respekt erwiesen hätte", bei den letzten Worten hatte sich Rabbes Haltung immer mehr verkrampft, ihre Worte waren immer gepresster geworden. Nun krümmte sie sich zusammen und verfiel in heilloses Schluchzen. Alexander zog sie zu sich und nahm sie in eine halbe Umarmung. Für eine Weile klammerte sie sich fest und gab sich dem Heulanfall hemmungslos hin. Es schien keine Rolle mehr zu spielen worum es ging oder wer Schuld hatte, doch Rabbe hatte sich stets versagt den Schmerz wirklich auszukosten. Sie hatte ihn tief in sich verschlossen und versucht, zu vergessen was geschehen war. Ceros Worte hatten alles wieder hochgeholt und ihr die Ereignisse der Vergangenheit deutlicher vor Augen geführt als je zuvor.
Irgendwann normalisierte sich ihre Atmung. Sie entspannte sich leicht und er schaukelte seine Schwester leicht von einer Seite auf die andere.
"Ich hab noch nie so direkt jemanden umgebracht." Sie entwand sich seinen Armen und setzte sich ungelenk hin. Ihr Blick blieb gen Boden gerichtet, war aber nicht mehr so leer und verloren wie er es die letzten Tage stets gewesen war. "Als der Schneidgut entführt wurde... Ich habe das Lachen sofort erkannt. Es war unverwechselbar. Ich hatte gar nicht nachgedacht was ich tue, ich habe ihn nur erkannt und wollte Rache. Ich würde gerne behaupten, dass ich vermeiden wollte, dass er andere verletzt, aber so edel bin ich, fürchte ich, nicht. Ich wollte nur Rache für Mauris Tod." ihre Stimme wurde langsam fester. "Wie kann sowas auch fair sein? Wie kann so ein junges Mädchen,-", sie brach ab, sah kurz zur Seite und kämpfte neue Tränen zurück. "Ich habe ihn angegriffen, aber... natürlich hatte ich keine Chance." Sie grinste bitter. "Die ham mich fertig gemacht und auf dem Ankh liegen lassen."
Alexander lachte kurz in bellender Art auf. "Auf dem Ankh? Und das hast du überstanden?"
Sie grinste verhalten. Es stimmte. So surreal die vergangenen Wochen auch gewesen waren - der Fakt, dass sie wer-wusste-schon-wie-viel Stunden auf dem Ankh geschlafen und ohne Gehirnschäden überlebt hatte, erschien im Nachhinein am merkwürdigsten. "Ein Streifenwächter hat mich morgens entdeckt und aus dem Ankh raus gefischt..."
"Muss ja ein sehr eifriger Streifenwächter gewesen sein der irgendeinen Lance-Korporal vom Ankh fischt..."
Rabbes Gesichtsfarbe wurde ein winziges bisschen gesünder und sie sah kurz zur Seite. "Ja... ähm... Menélaos kannte mich schon und... er ist recht pflichtbewusst, weshalb er mich nicht wirklich liegen lassen wollte."
"Menélaos, hm?" Alexander grinste verhalten.
"Blödmann." Rabbe knuffte ihren Bruder in die Seite, doch sie war ihm auch dankbar. Er wollte die Lage nur auflockern - was ihm gelang - aber er konnte auch furchtbar nerven.
Sie seufzte. "Jedenfalls... hat man mich ins Wachhaus zurück gebracht und ich habe meinen Vorgesetzten gesagt, dass der Schneidgut entführt wurde. Ich nehme mal an, dass die dann auch eine Rettungstruppe zusammen gestellt haben, ich weiß es aber nicht. Mir war klar, dass sie mich nicht mitgehen lassen würden, also... hab ich mich aus dem Staub gemacht sobald es ging. Hab die Miete für meinen Keller noch für ein paar Monate im Voraus gezahlt und dann,-"
"Keller?", ihr Bruder zog skeptisch eine Augenbraue hoch. "Du willst mir jetzt aber nicht sagen, dass du schon wieder in einem Keller wohnst, oder?"
"Ääh... jedenfalls habe ich dann ein Pferd vom Postamt geborgt und hab mich auf den Weg gemacht."
"Geborgt?!" er sah sie streng an. "Du wohnst also nicht nur in einem Keller sondern klaust auch noch Pferde. Ich bin entsetzt, Rabbie." Er setzte eine ernste Miene auf, konnte aber nicht wirklich verhindern, dass kurz darauf ein schiefes Grinsen wieder durchkam. So schlecht es Rabbe augenscheinlich immer noch ging, er war unglaublich erleichtert, dass sie endlich aufzutauen schien.
Sie grummelte ihrerseits etwas größtenteils Unverständliches über Lebensumstände, Sold und mangelhafte Ausrüstung, bevor sie sich räusperte und mit der eigentlichen Erzählung fortfuhr. "Nach einer Weile kam ich jedenfalls in Überwald an, habe versucht mich einzuschleichen, wurde gefangen genommen, konnte entkommen und... hab ihn umgebracht."
Für einen Moment herrschte schweigen.
"Wir reden von Cero, oder?"
Rabbe nickte.
Alexander nickte ebenfalls.
Schweigen.
*Gegenwart, Ankh-Morpork*"MÄUSEDRECK!", brüllte jemand hinter Rabbe und sie hätte vor Schreck fast ihre Kiste fallen lassen.
"Ja! Sör! Was kann ich für Sie tun?!"
"Der Schäff will, dass du mit ihm in die Stadt kommst und den rechtlichen Kram erledigst! Du kannst doch Morporkianisch, oder?!"
"Ja Sör!", bestätigte die Überwäldlerin zackig während sie sich das Gesicht ihres Gegenübers noch einmal deutlicher einprägte. Sobald sie die Bande eingebuchtet hatte würde sie sicherstellen, dass dieser Kerl die ungemütlichste, rattenverseuchteste Zelle von allen bekam... und ihn mit Schinkenöl
[4] übergießen
[5].
"Und hol deinen Nichtsnutz von Bruder, er soll mit auf den Spähtrupp!", wies der Aufseher an und stapfte davon.
"Du mich auch du mieser Dreckskerl", murmelte Rabbe verärgert und räumte die Kiste weg, die sie hereingetragen hatte. Eigentlich war sie ja sehr froh, dass sie mit dieser Bande in die Stadt zurückgekommen waren - wenn sie es hinbekam, diese Gruppe Hops zu nehmen konnte sie vielleicht einer Strafe wegen unerlaubten Dienstfernbleibens entgehen.
"Ich hoffe nur, dass alle schon Bescheid wissen. Das letzte was ich gebrauchen kann ist, dass wir bei der Anwaltsgilde auftauchen und Glum mich fragt, seit wann ich wieder in der Stadt bin."Viehllipp Reisstrom war der Vize von Kapitän Iridium und ihm hatte ganz und gar nicht gepasst, dass Alexander einen Wächter auf sie aufmerksam gemacht hatte. Ursprünglich hatten sie alles was sie hatten unauffällig in die Stadt bringen wollen - das Hafenpersonal kräftig bestechen damit sie nicht prüften, was das Schiff geladen hatte und ignorierten, dass effektiv nichts ausgeladen wurde. Und nun das. Einer der Handlanger, die sie aufgegabelt hatten, war doch wirklich einem Wächter entgegen gelaufen und hatte dem ihre Coverstory aufbinden müssen. Wenn sie Aufmerksamkeit vermeiden wollten, würden sie wohl wirklich die legalen Schritte prüfen. Dass niemand außer der Hauptcrew und ein paar sehr wenige Handlanger tatsächlich wussten, worum es bei dieser Mission ging, war in dieser Hinsicht ein wenig problematisch. Wenn jeder eingeweiht wäre und voll hinter der Sache stünde, wäre alles ein wenig einfacher, man könnte die Operation viel schneller durchziehen und diesen nervigen Rechtskram ignorieren. Doch der Kapitän wollte jeden unnötigen Mitwisser vermeiden, also führte sie ihr jetziger Weg quer durch die Stadt zur Anwaltsgilde.
"Zumindest kann ich, wenn ich schonmal dort bin, gleich mal das Gebäude etwas ausspähen. Wollten wir ja eigentlich alles etwas anders machen und wer weiß wie viel Zeit wir durch diese Aktion verlieren... aber es ist unauffälliger als das, was Sven und Ötje werden durchziehen müssen", dachte er sich und warf einen misstrauischen Blick zu Rabbe hinunter. Sie war gute dreißig Zentimeter kleiner als der Hüne mit seinen über zwei Metern Wuchshöhe und irgendetwas an ihr kam ihm seltsam vor. Sie hatten die Frau mit ihrem Bruder, zusammen mit einer Handvoll anderer Tagelöhner, in einem der Fischdörfer um Quirm aufgegriffen. Sie hatten nicht genug Deppen für die Handlangerarbeit gehabt - vor allem keine, die dumm genug waren, um sie später gut als Sündenböcke dastehen zu lassen. Bei Libra, der Frau neben ihm, war er sich nicht ganz sicher wie dumm sie wirklich war, aber ihr Bruder Timotheus war dermaßen einfältig, dass es manchmal fast schon wehtat.
"Sind wir bald da oder was?", schnauzte er die Frau an, während er missmutig durch die dreckige Straße spähte. Er mochte die großen Städte nicht und gerade Ankh-Morpork war ihm absolut zuwider. Die Stadt war ein Dreckloch, nicht nur im hygienischen Sinne. Hier wurde mehr gestohlen, gehurt und gemordet als auf dem ganzen Rest der Scheibe zusammen. Es war allerhöchste Zeit, dass dem ein Ende gemacht wurde. Die Stadt musste ausgebrannt und neu aufgebaut werden, alles Gewürm vernichtet, um Platz für eine reinere Zukunft zu machen.
"Es dauert noch eine Weile", erwiderte Rabbe träge. "Wir sind erst halb da... Die Gilden sind alle beieinander... irgendwo in der Nähe vom Palast...", sie bemühte sich nicht zu selbstsicher und ein wenig gequält zu klingen, doch das Schauspielern gelang ihr nicht so gut wie ihrem Bruder. Es war erstaunlich, wie überzeugend er den Eindruck erwecken konnte, weniger Intelligenz als ein schimmliges Brot zu haben. Sie blickte kurz zu Reisstrom hoch, der missmutig grunzte und die Stadt mit offensichtlichem Abscheu betrachtete, während er neben ihr her trottete. Er schien nicht gewillt einen weiteren Kommentar abzugeben, worüber sie eigentlich nur erleichtert war. Sie wusste genau, warum sie verdeckte Ermittlung nicht mochte. Die ständige Angst, von Kollegen aus Versehen aufgedeckt zu werden, das nagende Gefühl, dass man die Tarnung nicht selber aufdecken dürfte und dann der permanente Zwang nach außen hin möglichst gelangweilt und entspannt zu wirken, sich nichts anmerken lassen, komplett innerhalb des Fremdcharakters zu interagieren... Der Stress war ihr zu viel. Wenn es nur um sie selbst gegangen wäre, hätte sie sich wohl nicht so sehr gesorgt, aber... Wenn sie aufflog war es nicht nur um sie geschehen. Alexander wäre so gut wie tot. Ein inakzeptabler Ausgang für die Situation.
"Da vorne kommt ein Wächter. Plapper du den bloß nicht an wie dein verdammter Bruder", grunzte Reisstrom ihr plötzlich ins Ohr und Rabbe spürte ihren Herzschlag plötzlich viel zu stark gegen ihren Brustkorb hämmern. Sie hatte die Götterinsel extra großräumig gemieden, um außen herum zur Gilde zu kommen, in der Hoffnung die Wahrscheinlichkeit zu senken, dass ihr irgendein Wächter begegnete, der sie allzu schnell erkennen würde.
Sie nickte kaum merklich und schlenderte mit dem Hünen so gelassen sie nur konnte weiter und flehte innerlich, dass der Oberfeldwebel a) sie nicht bemerkte, b) die Nachricht gelesen hatte und c) falls a) nicht der Fall war, geistesgegenwärtig genug war, b) ernst zu nehmen und sich daher d) bloß nichts anmerken ließ.
50 Meter... 40... 30...Romulus von Grauhaar sah weiterhin nicht zu ihr, änderte nun aber die Richtung. Er schien schräg an ihr vorbei zu sehen und ging dann langsam in ihre Richtung.
Ein Schritt vor den anderen... Atmung kontrolliert halten... gelangweilt aussehen...Für eine Mikrosekunde hatte sie den Eindruck, dass Romulus ihr einen beunruhigten Blick zuwarf. Dann ging er schräg an ihr vorbei in einen Laden wo ein Sonderangebot für Dosengetränke an der Tür angepriesen wurde.
Es kostete Rabbe alles was sie noch an Selbstbeherrschung aufbringen konnte, um nicht erleichtert aufzuatmen, weshalb sie sich schrecklich erschreckte als der Hüne neben ihr erleichtert ausatmete.
"Ha! Ich bin ehrlich Libra, ich hatte echt Angst, dass du auch einen auf geschwätzig machst. Ich glaube dann hätte ich dir den Hals umgedreht sobald der Wächter wieder weg wär", sagte Reisstrom etwas lauter als er gemusst hätte und lachte dröhnend, wobei er Rabbe auf den Rücken klopfte. Sie bemühte sich mitzulachen, konnte den erschreckten Unterton jedoch nicht ganz aus ihrer Stimme verbannen.
Vielleicht war das in Anbetracht ihrer Tarnung auch ganz angebracht. Immerhin hatte er ihr gerade fast eine Morddrohung gemacht. Wer würde da nicht ein wenig nervös sein?
Der restliche Weg zur Anwaltsgilde verlief relativ ereignislos. Für einen kurzen Moment war Rabbe stark in Versuchung geführt, sich einen klatschianischen Kaffee an ihrem Standardstand zu gönnen, hielt sich aber zurück, aus Angst, dass der Verkäufer sie fragen könnte warum sie so lange nicht da gewesen war oder ob sie heute dienstfrei hatte.
"Hör mir gut zu", murmelte Viehllipp gerade so laut, dass sie ihn hören konnte. Rabbe kam unauffällig näher so weit sie konnte und konzentrierte sich auf seine folgenden Worte: "Dieser Besuch muss sich wenigstens ein bisschen lohnen. Du redest. Du kennst die Lügengeschichte, die wir nach außen hin auftischen. Ich will, dass du so lange wie möglich Zeit schindest, rede so wenig du kannst, stell Fragen, die komplizierte Antworten erfordern. Das sind Anwälte. Die hören sich selbst gerne reden. Ich will mir die Architektur anschauen. Aber ich warne dich,-", er drehte sich leicht zu ihr und packte sie hart am Arm. "Ich werde nie außer Hörweite gehen. Wenn du dich verplapperst sind du und dein Bruder tot."
Rabbe schluckte und nickte stumm. Sie bemühte sich bei Kräften, den grässlichen Schmerz in ihrem Arm zu ignorieren. Sie war Schmerz gewohnt - vor allem die letzten paar Monate hatten eine größere Menge davon bereit gehalten - doch Reissstrom war stark. Als er endlich losließ war sie sicher, dass sie eine Quetschung hatte.
Sie betraten die Alchemistenstraße. Rabbe warf einen kurzen Blick zur Gilde der Herrenausstatter, bevor sie mit ihrem Begleiter auf das Gebäude der Anwaltsgilde zuschritt. Reisstrom war langsamer geworden und musterte die Fassade. Wer sich seine Augen besähe würde bemerken, dass sein Blick keineswegs der eines Bewunderers der eher zweifelhaft kunstvollen Architektur war, sondern er vielmehr Punkte ausspähte, an welchen kontrollierte Sprengungen am meisten Schaden anrichten würden. Sie traten auf das Tor zu, erklärten dem Türsteher kurz in aller Form, dass sie den Rat eines Anwaltes benötigten und betraten das teuer wirkende Gebäude.
Rabbe schluckte. Sie war noch nie hier gewesen - alles sah so aus als wäre es recht billig gewesen, um dann von einem irren Maler mit vielen kleinen Linien schraffiert zu werden damit alle Möbelstücke, Wandbehänge und ähnliches irgendwie feiner und teurer aussahen. Leider war Rabbe nur allzu bewusst, dass sie damit, dass sie eine Gilde betrat, auch in den Einsatzbereich der gesamten DOG eindrang... eine Abteilung, von der sie nie den Eindruck gehabt hatte, dass sie ihre Memos allzu häufig lasen.
Reisstrom lief relativ langsam. Seine Augen huschten durch den Raum und schienen jedes architektonische Detail geradezu aufzusaugen. Sie befanden sich in einer Art Lobby, ein Warte- und Arbeitsbereich, in dem eine Reihe von Schreibtischen standen, manche leer, andere besetzt von Leuten in Anzügen die größtenteils lasen oder schrieben. Sie schritten auf den zentral gehaltenen Schalter zu, der links und rechts von großen Bücherregalen gesäumt war die allesamt recht kompliziert wirkten. Rabbe wusste, dass ein Großteil dieses Ortes reine Schau war - die richtige Arbeit der Gilde fand in den Büros statt, die wirklich teuren Bücher standen bei den wichtigen Anwälten hinter dem Schreibtisch, für öffentliche Besucher unzugänglich.
Reisstrom knuffte sie und Rabbe sprach widerwillig die Rezeptionistin an.
"Guten Tag, ich bin Libra Mäuseschreck und das ist mein Herr, Matthäus Womnius, er hätte ein paar rechtliche Fragen zum Thema Wareneinfuhr und Lagerung begrenzt legaler Waren, können Sie uns da weiterhelfen?"
Die Rezeptionistin warf einen kurzen, kalkulierenden Blick auf Rabbe und ihren Begleiter, bemerkte ihre eher billige aber ordentliche Kleidung, aber auch den teuren Anzug den ihr Begleiter trug. Dann nickte sie und machte eine einladende Geste in Richtung der Sitzbereiche im Wartebereich. "Ich werde einen unserer Mitarbeiter verständigen, bitte nehmen Sie einen Moment Platz."
"Danke sehr."
Die beiden begaben sich zu einer Sitzbank mit einem Tisch, der so niedrig war, dass Rabbe im ersten Moment nicht sicher war, ob er nicht wirklich vielmehr ein Ablagebereich für Füße und Beine war. Sie beschloss, es nicht auszuprobieren.
Wie lange würde es dauern bis ein Mitarbeiter Zeit für sie hatte? Anwälte waren ein eitles Volk, aber Pünktlichkeit gehörte normalerweise zu ihren wenigen Qualitäten.
"Reisstrom sieht teuer und ungeduldig aus, ich nehme an es wir nicht lange dauern bis,- Oh Mist!" Rabbes Gesicht wanderte innerhalb von zwei Sekunden ausdrucksmäßig von nachdenklich zu erschreckt zu einer ausdruckslosen Maske. Sie versuchte starr geradeaus zu sehen und gleichzeitig den Wächter kurz zu mustern, der eben den Raum betreten hatte.
Er sah eigentlich ganz gut aus, wenn man bedachte was er vor wenigen Monaten mitgemacht hatte. Seine linke Gesichtshälfte wirkte etwas vernarbt, seine Haare und der Bart länger, aber ordentlicher als früher. Er trug ein paar grünlich-braune Lederstiefel und eine schwarze Lederjacke über seiner Uniform. Insgesamt bewegte er sich mit sichtlich mehr Selbstbewusstsein als noch vor einem halben Jahr, ein Umstand, der in Rabbe den leichten Wunsch weckte ihm ein paar Zähne auszuschlagen.
Ein Bild zuckte durch ihren Schädel. Der Wächter, der sich nun auf den Tresen zubewegte und sie nicht bemerkt haben zu schien, stand auf einem Balkon in schwarzer Uniform. Unter ihm die jaulenden Truppen seines Vaters wie sie nach Blut schrien, erfreut ihn als ihren neuen Anführer anzuerkennen, um unter seinem Kommando Unschuldige zu,-
Rabbe schüttelte unwillkürlich den Kopf. Sie durfte sich nichts anmerken lassen.
Reisstrom warf ihr einen skeptischen Blick zu, sagte aber nichts und starrte wieder die Decke an. Säulen und Balustraden. Dieser Ort barg viele Möglichkeiten mit wenigen Mitteln viel Schaden anzurichten.
"Ach, hallo Jargon. Ich dachte du kommst erst später." Rabbe spitzte die Ohren.
"Ja, das war der Plan, aber dann ist ein anderer Termin ausgefallen, weshalb ich lieber gleich hierher kommen wollte."
"Das verstehe ich. Ich muss mich eben um ein paar Klienten kümmern... Setz dich doch schonmal, ich bitte Monique gleich dir die neuen Unterlagen und einen Kaffee zu bringen."
"Danke Arnold, den brauche ich jetzt." Er nickte und steckte eine Sonnenbrille in die Jackentasche, die er bis eben noch in der linken Hand gehalten hatte. Danach drehte er sich um, kam in den Wartebereich und setzte sich ein Stück entfernt Rabbe gegenüber.
Der Mann, der sich als Arnold vorgestellt hatte, sprach kurz mit der Rezeptionistin die daraufhin begann an ihrem Tisch herumzuwühlen, bevor er auf Rabbe und Reisstrom zukam. "Herr Womnius?", er bot Reisstrom die Hand dar, die dieser nur sehr widerwillig schüttelte. "Und Sie sind sicher Frau Mäuseschreck." Er schüttelte auch ihr die Hand. "Mein Name ist Arnold Proviant, wenn sie beide mir bitte in mein Büro folgen möchten, gehe ich mit Ihnen gerne alle Rechtsfragen durch die Sie haben."
Sie betraten ein kleines aber ordentliches Büro. Proviant setzte sich hinter seinen Schreibtisch und wies auf die beiden Stühle gegenüber. Reisstrom knuffte Rabbe in ihren Stuhl und stellte sich ans Fenster. Rabbe warf ihm einen besorgten Blick zu und schaute dann entschuldigend den Anwalt an, dessen Augen verdutzt zu dem Hünen wanderten. "Mein Herr hat wenig übrig für die Kunst der Konversation", sagte Rabbe so freundlich und entschuldigend sie konnte. Der Anwalt nickte und begann mit Rabbe über die frei erfundene Geschichte einer neu zu gründenden Düngerverkaufsstelle zu diskutieren, was nach ungefähr zehn Minuten jedoch von Reisstrom unterbrochen wurde. "Wir haben heute nur sehr begrenzt Zeit. Wissen Sie, wie lange man eine solche Menge an Düngern maximal auf einem Schiff lagern darf bevor man mit dem Verkauf beginnt?"
Jargon Schneidgut hatte sich zurückgelehnt und blickte nachdenklich an die Decke. Er hatte Schwierigkeiten, sich auf den Papierkram zu konzentrieren.
Rabbe war wieder hier. Drei Monate, nachdem sie offenbar irgendwie aus dem brennenden Gebäude entkommen konnte, nachdem sie gesehen hatte, wie er als Erbe einer Werwolfstreitmacht präsentiert wurde.
"Was wird in ihrem Bericht stehen, wenn sie aus dieser Ermittlung raus ist? Was hat sie alles mitbekommen? Wird sie mich nun vollkommen hassen, weil ich mit diesen Monstern blutsverwandt bin?" Er hatte sie relativ schnell erkannt, nachdem er das Gebäude betreten hatte - mit ihrer Körpergröße und der allgemeinen Art wie sie sich hielt war sie auch schwer zu übersehen in einem Raum voller geschniegelter Anwälte. Aber er hatte auch das Memo des Kommandeurs aufmerksam gelesen und hatte sich bemüht sie soweit wie möglich zu ignorieren.
Ihr Gesichtsausdruck hatte ihm nicht gefallen.
"Ich wünsche den Herrschaften noch einen schönen Tag. Die Rechnungsfrage wird Tony gleich mit Ihnen klären", hörte Jargon einen Anwalt sagen, bevor Arnold Proviant wieder zu ihm herüberkam. "Sooo, Jargon, tut mir Leid, dass du warten musstest."
"Kein Problem, Herr Proviant." Er folgte Rabbe und ihrem Begleiter mit den Augen, als sie Richtung Ausgang liefen. Seine Barthaare zuckten. "Sag mal, wer waren die beiden Leute?"
"Oh, das kann ich dir nicht einfach sagen Jargon, das weißt du so gut wie ich. Immerhin müssen unsere Kunden auch sicher sein, dass wir ihre... geschäftlichen Interessen nicht einfach ausplaudern." Proviant zeigte die Zähne.
Jargon dachte einen Moment darüber nach, ob er den Anwalt zwingen sollte ihm zu sagen worum es gegangen war, entschied sich aber dagegen und nickte.
"Wahrscheinlich haben Sie ihm weder etwas über den wahren Grund ihrer Anwesenheit, noch über ihre Pläne verraten. Dass sie hier sind ist sicher Teil der Tarnung. Wenn ich mich weiter mit der Tarnung beschäftige verwirre ich mich nur selbst."Proviant setzte sich dazu und zog eine Akte heran. "Also, ich schlage vor wir beginnen mit der Prüfung des letzten Gildenberichtes."
*Woanders*Alexander Saitensprung taten die Mundwinkel weh. Er hatte seit Tagen ein dümmliches Grinsen oder einfältiges Lächeln auf dem Gesicht getragen - ein Zustand, den sein Kiefer nicht gewohnt war. Er lachte durchaus gern und mochte auch einen guten Witz... Aber wer wollte denn schon den ganzen Tag dümmliche Fröhlichkeit versprühen?
Er schauderte und rieb sich den Kiefer, bevor er den Waschraum verließ und zu seinem Aufpasser zurückkehrte, wo er seine Ausrüstung wieder aufnahm.
"Hast ja lang genug gebraucht, Mäusedreck", knurrte Waschbrett als Iridium und Musquat plötzlich dazu traten. "Status?" wisperte der Kapitän.
"Wir waren bei den Alchemisten und den Dieben. In beiden Fällen sind die Dinge wie wir es dachten. Die Assassinen wollten uns nicht reinlassen ohne dass wir genug Barmittel nachweisen, um auch nur einen kleinen Auftrag zu vergeben, da müssen wir also nochmal hin."
Iridium schüttelte den Kopf. "Die Assassinen übernehme ich selbst. Reisstrom war bei den Anwälten und Hutmachern." Iridium grinste und blickte Alexander an. "Mäusedreck, hast du nicht Lust dir 'ne Nutte zu holen?"
Das Gesicht des Überwäldlers zeigte eine Unschuld so rein und naiv wie destilliertes Wasser.
"Für was Süßes bin ich immer zu haben! Werden die hier gebacken oder frittiert?"
Es hatte ihn alles gekostet, während der daraufhin folgenden Unterhaltung ernst zu bleiben.
Von dem Wenigen, was er weiterhin aus den gemurmelten Gesprächen des Kapitäns erlauschen konnte, schloss Alexander auf folgendes: Das Viertel für käufliche Zuneigung war so groß und lose verzweigt, dass es die einzige Gilde war, auf die ein gezielter Zentralangriff nahezu unmöglich war, weshalb man sich zu einer anderen Methode entschieden hatte. Das Hauptgildengebäude schien vergleichsweise wenig verwaltungstechnischen Nutzen zu haben und ein entsprechendes Äquivalent war nicht wirklich ersichtlich. In einem Eintrag in der Willkommensbroschüre der Kaufmannsgilde hatte Reissfluss jedoch gelesen, dass eines der Häuser der Näherinnengilde gleichzeitg auch als Wachhaus genutzt wurde. Ein Wachhaus, das versuchte so zu tun, als wäre es keines. Das keinen Empfangstresen in dem Sinne hatte und in das man als zwielichtige Gestalt ohne jedes Problem nicht nur hinein kam, sondern auch länger verweilen konnte. Solange man es sich leisten konnte.
Die Wache direkt anzugreifen hatte von vornherein auf Iridiums Wunschliste gestanden, er hatte nur erst gefürchtet es nicht umsetzen zu können – das Hauptwachhaus war zu gut geschützt und das Ausbildungswachhaus war zu sporadisch besetzt; ein Angriff dort würde eventuell niemanden töten und gleichzeitg ein großes Risiko erwischt zu werden beinhalten.
Und nun das. Ein offener Eintrag über ein geheimes Wachhaus. Auf Nachfrage, warum dies dort stand, hatte der Kaufmann gegrinst und erklärt, dass die Wache wohl seit Jahren versuchen würde den Eintrag entfernen zu lassen, dies aber gegen die so genannte „Prässefraihait“ verstieße – sprich, der Patrizier selbst verordnen müsste, dass der Eintrag entfernt würde. Da dies bisher nicht geschehen war blieb der Eintrag erhalten, für jeden einsichtlich, der die 5 Cent für die Broschüre bezahlen konnte.
Iridium spaltete sich in der Nähe des Boucherie wieder ab und ließ Alexander mit seinen Aufpassern Musquat und Waschbrett allein. Beide waren mehr als geeignet, um das Gebäude auszuspähen und mit Alexander hatten sie ein Gespann, wie es typischer und praktischer für eine solche Aufgabe nur schwer sein könnte. Sie würden hineingehen, der Empfangsdame erklären, dass ihr Freund zum Manne gemacht werden solle, und das möglichst ausgiebigst und dass sie gerne im Eingangsbereich auf ihn warten wollten, um vorm Wind geschützt zu sein, und natürlich würden sie zum Rauchen hinausgehen, danke gnä' Frau.
Das Trio betrat das Boucherie Rouge und ward mit einem geringfügig verstörenden Bild konfrontiert: Daemon Llandcairfyn, seines Zeichens Haupt- und Dobermann bei der DOG, stand in der Lobby. Seine Haare, ein Großteil des Gesichtes und seine gesamte Uniformjacke waren mit einer sehr klebrig wirkenden, rosafarbenen, fädenziehenden Substanz überzogen. Um ihn herum standen drei leicht bekleidete Frauen, die an den Fäden zogen. Dem aufmerksamen Beobachter wäre in einer Ecke des Raums noch eine kleinere Frau aufgefallen, die ebenfalls mit der Substanz überzogen war und von einer anderen Näherin bearbeitet wurde.
"Wir machen nur ein kleines Experiment, Dae! Es wird dir bestimmt gefallen, Dae! Du bist der erste, der es ausprobieren darf und musst nichtmal dafür zahlen, Dae! WARUM ZUR HÖLLE HAST DU ES NICHT AN DEINEM VERDAMMTEN KANINCHEN GETESTET, LIESELOTTE?!"
"Hör auf so zu schreien. Ich wusste nicht, dass das passieren würde, und normalerweise bist du für Gratisproben immer gut zu haben! Außerdem kann man sowas nicht an Kaninchen testen... zumal Puffelchen eh wieder irgendwo verschwunden ist."
"Ja, aber,-"
Eine etwas älter wirkende Näherin räusperte sich laut. "Wenn ihr das bitte woanders klären könntet – mir scheint, wir haben Kundschaft."
Alexander und seine Begleiter waren knapp nach der Tür verharrt und hatten das Spektakel interessiert verfolgt, traten nun, da man ihnen Aufmerksamkeit schenkte, aber näher. "Guten Tag, gnä' Frau. Mein Freund und ich hier haben unlängst erfahren, dass unser neuer Mitstreiter hier noch nie mit einer Frau gelegen hat. Das geht auf See natürlich ganz schlecht, also eilten wir sogleich hierher, in der Hoffnung, eines eurer Mädchen könnte ihn wohl alsbald und ausgiebigst zum Manne machen", sagte Waschbrett in einem breiten, von kalter Luft und herbem Tabak kündenden Wortlaut und reichte ihr einige Münzen.
Die Näherin betrachtete erst die Münzen und dann Alexanders dümmliches Gesicht einen Moment lang und nickte. "Ich denke Roxanne sollte sich gut um ihn kümmern können. Was wünscht ihr anderen Herren denn für Unterhaltung?", fragte sie mit honigsüßer Stimme weiter, den Blick sichtlich von Musquats teurem Anzug angezogen. "Och, uns steht der Sinn heute nicht nach Unterhaltung. Jedenfalls nicht nach dieser. Wenn ihr gestattet werden wir einfach in aller Ruhe auf unseren Freund warten. Sollte wohl nicht allzu lange dauern." Waschbrett lachte anzüglich. Die Dame erwiderte das Lachen steif und nickte.
Musquat und Waschbrett gingen an den Rand des Raums und setzten sich auf eine Bank die in Türnähe stand und keinem tieferen Zweck als dem des allgemeinen Sitzens zu dienen schien.
Sie blickten eine Weile stumm ins Nichts, tasteten mit ihren Blicken die Architektur ab, hielten nach potenziellen Einstiegspunkten Ausschau und achteten dabei darauf, eher gelangweilt zu wirken. Nach einer Weile wisperte Waschbrett etwas, ohne seine Blickrichtung in irgendeiner Weise zu ändern. "Der Mann, der in dem rosa Zeug dastand, als wir herein kamen... er trug offensichtlich eine Uniform unter den Fäden. Unsere Infos stimmen auf jeden Fall."
"Aye." Mehr wollte Musquat in diesem Moment nicht erwidern.
Das Mädchen hinterm Tresen gefiel ihm.
Alexander ging den engen Flur hinunter und bemerkte zufrieden, dass ihm niemand folgte.
Die Näherin stellte sich in lasziver Haltung an die Tür und wartete bis er eingetreten war, wobei er sich – ganz im Sinne seiner Rolle – einiges an Zeit ließ. Sie schloss die Tür und wandelte schlangenartig auf ihn zu, als er die Maske fallen ließ. Seine Haltung wurde mit einem mal steifer, aufrechter, bestimmter. Das dümmliche Grinsen verschwand, die Augen wurden ernst, die Brauen zogen sich zusammen. "Bitte gib mir etwas zu schreiben und sei leise. Ich muss eine Nachricht für Hauptmann Llandcairfyn schreiben die du – wenn wir weg sind – ihm, und nur ihm, persönlich übergibst, verstanden?" Die Näherin sah ihn verwundert an. "Du siehst nicht aus wie ein Spion, wie ein Wächter aber auch nicht. Wer bist du?"
Alexander grinste. "Ich bin zu Besuch. Jetzt gib mir bitte was zu schreiben."
Sie verzog den Mund, holte aber einen Block, etwas Tinte und eine Feder hervor die sie ihm reichte.
"Das kostet aber extra."
"Daemon,
leite diese Nachricht umgehend weiter. Die Terroristen, gegen die LK Schraubenndrehr ermittelt, haben vor die Gildenhauptgebäude anzugreifen. Sie haben bisher folgende Gilden ausbaldowert: Anwaltsgilde, Assassinengilde, Diebesgilde, Gilde der Herrenausstatter und die Narrengilde. Sie werden relativ bald in die Gilden einbrechen und Sprengstoff anbringen, in dem Versuch, möglichst viel Chaos auf einmal anzurichten. Wir haben Grund zu der Annahme, dass sie auch versuchen werden, den Palast zu sprengen, dafür haben wir aber noch keine sicheren Grundlagen. Der größere Plan der Bande ist uns noch nicht bekannt. Weiterhin empfehlen wir, die Bande die Sprengstoffe anbringen zu lassen, diese danach zu entfernen und die Bandenmitglieder alle zusammen an Bord ihres Schiffes festzunehmen, da man Kurzschlussreaktionen der anderen Bandenmitglieder fürchten muss, falls Mitglieder der Truppe nicht zurückkehren.
Weitere Informationen folgen sobald möglich.
~Alexander"Er faltete den Zettel zusammen und schrieb außen noch einmal in fließender Schrift den Adressaten, bevor er das Schriftstück liegen ließ und sich wieder zu der Näherin umdrehte. "Gib dies Daemon 10 Minuten nachdem ich mit meinen Begleitern das Haus verlassen habe." Sie nickte. "Gut... Ich denke Musquat wird davon ausgehen, dass es eine Weile dauert bis ich rauskomme... und wo er eh schon für dich bezahlt..."
Er ließ den Satz offen, begann sich die Hemdschnürung zu lösen und trat auf's Bett zu.
*Einige Zeit später, Schlachthausviertel, Schlachtadler*Senray Rattenfaenger schmierte sich die schmutzigen Finger an der Hose ab. Sie war vor vier Tagen eingeschleust worden und bisher sah es so aus, als würde alles gut laufen. Sie arbeitete als Ausweiderin beim dicken Fred, der zusammen mit einigen anderen Mitgliedern der Gilde im dringenden Verdacht stand, verdorbenes Fleisch mutwillig an den Mann zu bringen, die Gilde um ihre Anteile zu prellen und Drogen in ihren Waren zu schmuggeln. Sie hatte schon einige Indizien gesammelt, doch die Arbeit mit all dem Blut und den Organen belastete sie. Wo viel Blut und Schlachtabfälle anfielen waren auch Ratten nicht weit.
Nie.
Ihre Angst vor den Biestern war ihr inzwischen mehr als einmal zum Verhängnis geworden, doch heute lief alles gut. Sie sollte für Fred ein Paket beim Schlachtadler abgeben. Warum dem so war oder um was es sich handelte hatte man ihr nicht gesagt und um ihre Tarnung nicht zu gefährden hatte sie nicht gefragt, aber sie würde es in jedem Fall gut untersuchen bevor sie es weitergab und versuchen, in der Spelunke etwas herauszubekommen.
Sie trat auf das abgewrackte Gebäude zu und drückte sich durch die schmierige Tür.
Der Schlachtadler trug seinen Namen zu Recht. Trat man ein hatte man das Gefühl, gleich wieder in einem Schlachthaus zu stehen. Die Luft war dick und schmierig, dunkle Flecken zeichneten Wände, Boden, Theke und Stühle und das gesamte Klientel bestand aus einer Mischung von Schlachtern und Dockarbeitern, sowie dem ein oder anderen einsamen Kaufmann
[6].
"Fred schickt mich, ich soll das hier abgeben", grummelte Senray möglichst mies gelaunt, als sie dem Mann hinter der Theke das fleckige Paket übergab.
"Wird auch Zeit." Er wog das Objekt prüfend in der Hand und grunzte unwillig. "Das ist nichtmal halb soviel wie ausgemacht war. Wo ist der Rest?", fragte er unwillig.
"Ich,- äh, ich weiß nicht. Mir hat man nur den Auftrag gegeben das hier abzugeben. Ich weiß nicht mal was drin ist."
"VERARSCH MICH DOCH NICHT!", der Wirt hatte sich hastig vorgebeugt und sie schmerzhaft am Revers gepackt. "Wenn du willst, dass ich dir die Nieren rausreiße und durch deine Nase wieder reinstopfe musst du nur so weitermachen! Wo ist der Stoff du miese kleine,-"
"Stop. Ich würde es bedauern deinen Laden wegen so einer Lappalie schließen zu müssen", sagte eine Stimme dicht neben dem Wirt in bestimmten Ton. Bjort drehte widerwillig den Kopf und sah in das Gesicht eines dunkelhäutigen Mannes in ziviler Kleidung, den er aber als Wächter erkannte. Widerwillig ließ er locker, hielt Senray aber weiter fest. "Diese kleine Diebin hat mir einen Teil meiner Lieferung gestohlen. Ich verlange Wiedergutmachung!", knurrte er und haute mit der freien Hand auf den Tisch.
"In dem Fall kannst du eine Anzeige am Pseudopolisplatz aufgeben. Ich weiß ja wie die Verdächtige aussieht und kann die Sache in die Hand nehmen. Wenn du allerdings willst, dass ich es gleich tue und mir bei der Gelegenheit deinen Lagerraum ansehe, kann ich das natürlich auch machen. Mir wäre es aber lieber, wenn du sie erstmal zu ihrem Boss zurückschickst, damit sich dieses bedauerliche Missverständnis von sich aus aufklären kann und ich nicht weiter bei meinem Bier gestört werde."
Bjort starrte ihn böse an. Dann schwenkte er auf Senray um und zerrte sie nochmal näher zu sich "Hol mir den Rest der Ware. Sofort!", knurrte er bevor er sie losließ.
Senray warf einen verwirrt-dankbaren Blick in Cims Richtung und floh.
Der Wächter setzte sich wieder und nippte an seinem schaumlosen Bier. "Hast du das wirklich immer noch nötig, Bjort? Ich dachte die Sache hätte sich geklärt."
Der Angesprochene sah verlegen zu Boden und tat so als würde er die Theke putzen, während er etwas Unverständliches murmelte.
"Wie war das?"
Bjort presste die Lippen aufeinander, da öffnete sich die Tür erneut und fahles Zwielicht drang einen Moment in die stickige Luft, bevor sich die Tür wieder schloss und eine Vierergruppe den Laden betrat. Cim sah betont nicht hin und lauschte auf die Stimmen, während der Wirt sich anschickte möglichst geschäftig auszusehen, als die vier sich an einem Tisch in der Nähe niederließen und einer geschäftsmäßig herantrat.
"Fünf Schnaps und vier Winkels."
Bjort kassierte, bereitete die Getränke zu und schob sie über die Theke, während Cim unauffällig zur Seite schielte. Als Rabbe an ihren Tisch zurückgekehrt war, bemühte er sich so gut er konnte die Ohren zu spitzen, doch es war laut. Gelegentlich drangen Gesprächsfetzen zu ihm vor, doch es handelte sich um sinnloses Gerede. Wie auch sonst. Wahrscheinlich war der Plan längst ausgetüftelt und es gab nichts mehr zu besprechen. Sie versuchten nur, die Zeit herum zu bekommen bevor sie zuschlugen. Der Wächter stöhnte. Er wusste nicht genau, ob es seit seinem Aufbruch vor drei Stunden noch Neuerungen gegeben hatte, aber wenn dem nicht so war standen ihre aktuellen Chancen, die Sache abzublasen ohne Rabbe zu gefährden, sehr schlecht.
Er fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht, als er hinter sich eine Bewegung wahrnahm, woraufhin er sich leicht drehte um aus dem Augenwinkel zu beobachten wie Rabbe und die anderen aufstanden und zielgerichtet die Kneipe verließen.
Mit Mühe unterdrückte er ein Fluchen, wartete bis eine Minute nachdem die Gruppe verschwunden war und ging zu ihrem Tisch. Leere Gläser. Ein Bonbonpapier. Er sah darunter. Ein fleckiger Bierdeckel.
"Verdammt", brummte er. Wenn wirklich die Gilden angegriffen werden sollten und sie nicht bald mehr Infos erhielten, würden vielleicht viele Wächter bei dem Versuch sterben, die Terroristen aufzuhalten. Wenn sie das Schiff stürmten und einer der Typen in einer Kurzschlusshandlung den Sprengstoff zündete, würde es mal wieder einen Fleischregen über Ankh-Morpork geben. Es war ohnehin wieder eine Weile her, seit dies der Fall gewesen war
[7].
Genervt trat er den Bierdeckel als ihm etwas bewusst wurde. Dies war der Schlachtadler. Hier hatte es noch nie Bierdeckel gegeben. Zögernd hob er das Pappstück auf.
*Später*Bregs ging missmutig in seinem Büro auf und ab. Er hatte eine Karte und eine Handvoll Notizen bereit gelegt und wartete. Wartete, dass hoffentlich eine Nachricht herein käme, die die aktuelle Situation leichter machen würde. Sie wussten, dass die Schraubenndrehr mit ihrem Bruder innerhalb einer Terroristen-Organisation waren. Wie es dazu gekommen war erschien vollkommen schleierhaft - sie hatten lediglich die Aussage des Lance-Korporals, eine Wächterin, die monatelang ohne ein Wort verschwunden gewesen war, nun aus dem Nichts zurückkam und erwartete, dass man ihr aus der Patsche half. Die behauptete, es wäre eine Bande in der Stadt, die einen groß angelegten Angriff starten wollten, ohne dass dafür irgendeine Form von Beweis erbracht worden war - nicht einer! Sie konnten nicht mit ihr reden, weil sie dann angeblich in Lebensgefahr wäre - sehr praktisch! Breguyar schnaubte. Er wusste, dass Situationen manchmal verlangten, dass man seinen Untergebenen vertraute, aber... Es konnte genauso gut sein, dass Rabbe sich der Wache ganz abgewandt hatte und hier ein doppeltes Spiel spielte. Dass sie alle Wächter auf eine falsche Spur lotste, damit möglicherweise ein ganz anderes Verbrechen begangen werden konnte.
Rabbe hatte jahrelang gute Arbeit geleistet, im Dienste der Bevölkerung, das war nicht von der Hand zu weisen, aber... sie war auch immer etwas aufsässig gewesen, hatte das Gesetz gerne mal zurecht gebogen wo sie es für richtig hielt. Bregs schüttelte verärgert den Kopf. Er hatte zu wenig direkt mit der Ermittlerin gearbeitet, um sich selbst wirklich ein gutes Bild von ihr machen zu können. Er konnte sie nicht einschätzen. Romulus hatte auf seine Fragestellung in dieser Hinsicht erwidert, dass er Rabbe für loyal hielt, sie aber auch gewisse Geheimnisse zu haben schien, die sie nicht hatte teilen wollen. Er glaubte nicht, dass Rabbe die Wache hintergehen würde - zumindest nicht freiwillig.
Es klopfte kräftig an der Tür, bevor Cim hereinkam ohne eine Antwort abzuwarten.
"Ich habe eine weitere Nachricht von Rabbe erhalten!", sagte er ohne Umschweife, während er die Tür hinter sich schloss. Er trat auf Bregs zu, einen Bierdeckel in der Hand. "Wir wissen nun, welche Gilden auf jeden Fall angegriffen werden sollen und dass der Palast offenbar nicht als aktuelles Ziel gilt. Die Gruppe hat es zwar offenbar auch auf den Patrizier abgesehen, wenn Rabbe aber recht hat wollen sie jetzt erstmal Chaos verursachen und etwas später ihren eigentlichen Schlag ausführen. Sie hat auch eine grobe Skizze vom Schiffsinneren beigefügt."
Cim hielt dem Gegenüber den Bierdeckel hin. Bregs sah nachdenklich von dem Pappstück zum Vektor und fixierte ihn nachdenklich.
"Du scheinst nicht daran zu zweifeln, dass wir den Informationen des Lance-Korporals folgen sollten."
Cim starrte zurück und zog die Brauen zusammen. "Sollte ich? Rabbe hat in der Vergangenheit immer gute Arbeit geleistet. Ich sehe keinen Grund ihre Angaben anzuzweifeln."
"Aber sie war monatelang weg... Ohne ein Wort, ohne eine Notiz. Hat sie mit dir gesprochen bevor sie abgehauen ist?"
Für einen Moment herrschte Schweigen.
"Ich denke... Rabbe wird ihre Gründe gehabt haben. Sie war immer loyal. Sie hat stets alles in ihrer Macht stehende getan, um ihre Pflicht zu erfüllen. Ich war nicht in der Stadt als es passierte, ich weiß wenig über die Umstände ihres Verschwindens - aber sie würde uns keine falschen Informationen füttern, egal wie sehr ihr eigenes Leben bedroht wäre. Nicht ohne einen Hinweis. Es wäre kein Problem für sie, einen Code auf einer Notiz unterzubringen den wir verstehen würden, den ich verstehen würde. Ein Hinweis, dass das, was sie uns mitteilt, unter Zwang weitergegeben wird - aber nichts dergleichen ist vorhanden. Warum sollten wir also am Ernst der Lage zweifeln?"
Bregs schwieg. Er nahm den Bierdeckel und studierte dessen Inhalt für eine Weile. Dann ging er zu seinem Schreibtisch und nahm einen anderen Zettel herunter. "Das hier hat Daemon vorhin vorbeigebracht. Ein Hinweis von Rabbes... Bruder. Du kennst ihn, oder?"
Cim nickte. "Er hat in Llamedos geholfen viele Leben zu retten. Mein eigenes zum Beispiel."
Sie starrten sich an.
"Du hältst es also für ausgeschlossen, dass Lance-Korporal Schraubenndrehr oder ihr Bruder die Wache verraten würden, um zufällig alle Wächter für einen Großeinsatz zu mobilisieren, was dafür sorgen könnte, dass viele andere Ziele in der Stadt - der Palast oder das Wachhaus selbst zum Beispiel - weniger Aufmerksamkeit als sonst geniessen würden, was einen potenziellen Gewaltakt viel leichter machen würde?"
"Ich vertraue Rabbe. Ich werde heute Nacht da draußen sein und gemäß ihrer Informationen mein Möglichstes versuchen, um diese Bande auszuheben - meine Abteilung mit mir. Ob du ihre Informationen ernst nimmst und die entsprechenden Befehle an die anderen gibst musst du wissen."
Die Männer starrten einander ernst an, bevor Cim dem Kommandeur den Zettel aus der Hand nahm, ihn schnell studierte, fallen ließ und zur Tür ging.
Bregs schaute zu wie er die Türe zuwarf und starrte auf das Holz.
Wie lange kannte er den Omnier jetzt schon?
Zehn, zwölf Jahre? Er war schon dabei gewesen, als Araghast seinen Weg durch's Rekrutendasein gemacht hatte.
Er gehörte nicht zu den Leuten, die einfach mal jedem vertrauten. Schlechte Menschenkenntnis konnte man dem Vektor auch nicht nachsagen.
Gab es einen Grund Rabbe zu misstrauen?
Nein.
Okay.
Ein bisschen.
Aber nicht sehr.
Bregs seufzte. Er würde gerne etwas trinken, doch etwas hielt ihn zurück. Es schien nicht der richtige Moment.
Er blickte auf die Dokumente auf seinem Tisch, die Karte, die Notizen und den Bierdeckel. Er dachte darüber nach, wie Rabbe sich seit ihrem Beitritt in die Wache vor gut vier Jahren verhalten hatte, als ihm bewusst wurde warum er eigentlich sauer auf sie war.
Er hatte gesagt, sie sollte dableiben und abwarten. Stattdessen war sie aus dem Wachhaus abgehauen um dann, in schlechtem Zustand und gegen seine ausdrückliche Anweisung, nach Überwald zu gehen. Oh, Schneidgut hatte wenig dazu gesagt, aber dort gewesen war sie, soviel war sicher!
Der Kommandeur brummte unwillig, setzte sich und zog einen Zettel heran.
An: ALs u. Stellv.
Betreff: Besprechung Einsatzorder
Orderbesprechung um 18.00 in meinem Büro. ALs und Stellvertreter haben pflichtmäßig zu erscheinen (ja, auch DOG). Anschließendes Briefing der je eigenen Leute nötig.
- Kmdr. BreguyarEr rollte die Nachricht zusammen, packte sie in eine Kapsel und warf sie in die Rohrpoströhre.
Sie würden diese Bande heute Nacht hochnehmen und niemand würde dabei zu Schaden kommen.
Danach hatte der Lance-Korporal ihm Rede und Antwort zu stehen.
*20.00 - Dach eines Lagerhauses*Romulus von Grauhaar blickte auf die Docks hinab, atmete den Geruch des Meeres ein und wandte sich wieder dem Kommandeur zu. "Bist du sicher, dass du es so herum machen willst?" Araghast nickte.
"Wir haben alle Gilden informiert. Sie haben ihre Gebäude evakuiert und Schaufensterpuppen an gut sichtbaren Stellen drapiert - die Gilde der Puppenmacher hat als Leihgabe einiges zur Verfügung gestellt. Wir müssen davon ausgehen, dass wir nicht wissen werden wann unsere Gegner ihre Tiehms losschicken, also brauchen wir jemanden, der das Ganze nochmal auskundschaftet bevor wir zuschlagen. Und genau auf den warten wir gerade."
Bregs blickte ebenfalls Richtung Dock.
"Rib ist eben erst los, es wird also ein bisschen dauern denke ich. Eigentlich hätte ich lieber Braggasch losgeschickt, aber hier dürfte Größe ein wichtiger Faktor sein."
Der Werwolf nickte. "In den Lagerhäusern waren keine Spuren von Sprengstoffen zu erriechen - das Schiff dagegen mieft wirklich ordentlich und es führen auch schon einige Geruchsspuren von dort Richtung Innenstadt. Haben Cim und Rea schon Statusmeldung gemacht?"
"Nein. Sollen sie auch nicht. Sie haben sich mit ihren Einsatzgruppen an den Spähposten zu den wichtigsten Gilden postiert. Zwischen ihnen und uns sollten wir alles finden können."
Nicken.
Zurück nicken.
Angespannt starrten beide zum Schiff hinab.
*An der Seitenwand des Schiffes*Rib wischte sich Wasser vom Gesicht. Sobald er das Schiff gesehen hatte war deutlich geworden, dass er keineswegs von Dockseite her eindringen konnte. Vor dem Schiff standen mehrere Wächter. Sie rauchten nicht. Sie tranken nicht. Sie bewegten sich kaum. Hätte Rib nicht gesehen wie sie sacht atmeten, hätte er vermutet sie wären getötet, ausgestopft und zur Abschreckung aufgestellt worden.
Da der Landweg nicht in Frage kam, war er soweit es ging auf der Ankhkurste näher gekommen, hatte dann eine Scholle abgebrochen und war mittels eines Stockes auf der Ankhscholle näher gerudert. Kurz vor dem Schiff war er von einem neugierigen Tintenfisch angegriffen worden, welcher dies mit dem Leben bezahlte – Rib den Mord aber mit einem Bad. Er schwamm die letzten Meter zum Schiff und grub die kleinen Nagelhandschuhe in die Planken, bevor er begann das Schiff hinaufzuklettern. Knapp unter der Reling hielt er inne und lauschte. Er bleib eine Weile hängen bis er schließlich Schritte hörte, die sich von ihm entfernten. Da er gleichzeitig auch Schritte hörten die sich, etwas weiter entfernt, näherten, kletterte er schnell die letzten Zentimeter hoch, schwang sich über die Reling und sauste das Bootshaus hoch. Vom Dach aus sah er zu, wie ein weiterer Wächter näher trat und sich stumm wieder hinstellte.
Rib grinste. In jüngeren Jahren wäre er vielleicht so torhaft gewesen zu versuchen, alle Wächter allein auszuschalten, um dann die im Innenraum niederzuschlagen – eventuell auch mit Erfolg – aber heute wusste er es besser. Auskundschaften hieß die Order und auskundschaften würde er.
Der Kobold kroch über das Dach und suchte nach einer offenen Stelle, einem Bugloch, einem Schornstein, einer losen Diele...
Er fand ein kleines Dachfenster an der Heckseite des Schiffes, aus der ein dampfender Schlauch ragte. Er hielt den Schlauch fest, öffnete das Fenster ein wenig mehr – und merkte, dass er das Gewicht von Schlauch und Fenster unterschätzt hatte. Kaum hatte er das schwere Gitter gehoben, sauste der Schlauch in seiner Hand gen Boden – und mit ihm seine Hand. Der Kobold ließ im Flug los und verfluchte sich. Es wäre kein Problem für ihn gewesen, den Schlauch festzuhalten und wieder festzuklemmen – wenn er damit gerechnet hätte, dass das Ding so schwer und glitschig war. Der Kobold schlug auf dem Boden auf, rollte sich ab und schlug eine Rolle in die nächste Ecke, bevor er seine Umgebung richtig wahrnahm. Es handelte sich um einen hohen, grauen Raum mit Utensilien die einen eindeutigen Schluss zuließen: Er war in der Küche.
“Na immerhin... es hätte wesentlich schlechter kommen können.“ Der Wächter lauschte und hörte Geräusche hinter einer großen Tür. Viele Geräusche. Nach Rabbes Zeichnung wurde der größte Teil des Innenraumes von einem einzigen großen Raum eingenommen der sowohl als Lager, Messe und Schlafraum diente. Da die Suche nach einem kleinen Fenster oder offenem Durchgang ergebnislos war, kauerte sich der Kobold in eine Ecke neben der Tür und begann zu warten. Irgendwann würde bestimmt jemand durch diese Tür kommen und sobald dies der Fall war konnte er hindurch huschen und,- Nein das war zu riskant. Entweder müsste er hoch und nach einem anderen Eingang suchen oder er musste sich noch einen anderen Eingang machen. Rib blickte sich um und dachte nach.
*Bei der Diebesgilde*Cim stand zwischen den großen Statuen auf dem Vorsprung des Hauptsitzes der Diebesgilde und war zutiefst amüsiert. Er hatte dem ausgeprägten Drang widerstanden, seine Dunkelwachtrobe anzuziehen, sondern hatte einen normalen schwarzen Mantel über seine Uniform angezogen, damit er im Dunkeln nicht so gut gesehen wurde. Obwohl dies ein nicht unbedingt harmloser Einsatz war, empfand der Vektor doch eine geradezu diebische Freude daran, hier zu stehen und im Grunde tun zu können, was er wollte. Gut, das Gebäude war größtenteils geräumt, aber dennoch... dies war die Diebesgilde. Wenn er nicht dabei wäre einer Terrorgruppe aufzulauern, würde Cim sich die eine oder andere Akte beschaffen.
Sein Blick schweifte hinab in die Dunkelheit der Straße. Dank der Evakuierung der Gildengebäude war auch um selbige wesentlich weniger los als sonst - Schnapper und ähnliche Verkäufer hatten vor Stunden andere Verkaufsorte bezogen, weil es hier nichts zu holen gab, ähnliches galt für die Damen der Nacht und den Spaß der Finsternis und wenn die Unterhaltung von diesen Stellen fehlte, was sollte ein normaler Bürger denn dann überhaupt noch hier suchen? Der Wächter blickte kurz hinter sich wo ein paar Meter entfernt Kanndra, Braggasch und Menélaos lehnten. Sie würden warten bis das hier zuständige Tiehm seine Sprengsätze angebracht hatte. Sobald diese das Gebäude wieder verließen, würde Braggasch nach innen eilen, um die Sprengsätze zu entfernen, während die anderen drei die Terroristen festnahmen.
"Das ist zumindest der Plan... wenn es mehr als sechs Leute sind, und die am Ende auch noch wissen, was sie tun, haben wir ein Problem."*Zurück auf dem Schiff*Rib hatte inzwischen den Weg in den Zwischenboden des Hauptraumes gefunden und sah sich bisher vor allem Dunkelheit und laut kratzenden Geräuschen gegenüber. Als er hier eingetroffen war, hatte es noch recht hohe Geräuschpegel aus dieser Richtung gegeben, doch schon als er sich in der Küche umgesehen hatte, war es langsam leiser geworden. Und in der Zeit die er gebraucht hatte, um in diesen Bereich des Fußbodens zu kommen, war es noch leiser geworden. Nun da er durch die engen Risse zwischen den Planken spähte und ihm der Staub in die Augen rieselte, wurde deutlich warum. Es wurde ausgeladen und dann offenbar ausgerückt. Es waren wenige Gespräche zu hören, denn die meiste Kommunikation bestand aus "Ihr wisst Bescheid?" und dann wurde offenbar genickt, denn Rib hörte keinerlei Erwiderungen auf diese Fragen. So leerte sich langsam der Frachtraum, Kisten kratzten über den Boden und Mann um Mann verließ das Schiff. Zu Beginn, als der Kobold verstanden hatte, dass gerade alle hier am ausrücken waren, hatte sein Instinkt ihm angeraten, jetzt sofort alle aufzuhalten - durch den Fußboden hoch zu preschen, und alles niederzuschlagen was ihm in den Weg kam, doch er hatte sich zurückgehalten. Romulus und Bregs übersahen das Ganze von außen - sie konnten sicher genau erkennen, wer auszog und in welche Richtung, und sie würden weiterleiten, in welche Richtungen die Verbrecher auszogen.
"Und sobald mal eine Lücke entsteht, schnappen die sich sicher auch die ein oder andere Gruppe, die ein bisschen zu einsam auszieht. Nein, es stimmt schon... ich sollte warten bis alle ausgezogen sind und dann den Rest überwältigen und hier sichern", dachte er und verkniff sich ein Husten, bevor er den Weg Richtung Küche wieder antrat. Vom Dach aus würde er eher nachvollziehen können, wann alle ausgerückt waren.
*Innenstadt*Rabbe stakste ausdruckslos hinter Iridium her, ein großer Kanister mit Brennflüssigkeit in ihren Händen. Sie wusste immer noch nicht in welchem Gebäude sie eingesetzt würde, ob Cim es geschafft hatte, sich beim Kommandeur durchzusetzen und genug Wächter zum Aufhalten der Verbrecher zusammen zu trommeln, oder wie viele Gruppen es letztlich wirklich gab.
"Aber jetzt ist es zu spät. Ich kann nur noch im Moment des Zugriffes reagieren -- vielleicht kurz vorher, dann könnte ich den Kollegen etwas Zeit kaufen. Was die anderen Dinge angeht, muss ich mich wohl auf Cim und Alexander verlassen." Sie lief zusammen mit vier anderen Handlangern durch die Nacht. Sie hatten die Innenstadt gemieden und waren durch die etwas weniger geschäftigen Viertel unterwegs und so wie Rabbe den Kapitän einschätzte, würden sie in weitem Bogen um den Palast laufen und dann aus nördlicher Richtung auf die Gilden zugehen.
"Wie wäre die aktuelle Lage, wenn ich nicht von vornherein hier dabei gewesen wäre? Hätten wir rechtzeitig bemerkt, was Sache ist oder wären Unschuldige in großen Mengen gestorben, ohne das wir es verhindern könnten?" Rabbe dachte daran, wie es überhaupt zu ihrer Teilnahme an dieser 'Mission' gekommen war... Sie hatte sich nicht getraut, direkt nach Ankh-Morpork zurück zu kommen, also war sie mit Alexander nach Quirm gefahren, um dann gemütlich nach Ankh-Morpork zu segeln. Das war der Plan gewesen. Doch in einer Taverne hörten sie jemanden von einer Gruppe Irregulärer reden, die Chaos in Ankh-Morpork stiften wollten. Der Patrizier gehörte abgesetzt und so. Im Grunde das Gleiche, was man immer hörte, doch als sie nach ein paar kalkuliert spendierten Drinks anfingen über Sprengstoffe zu reden, hatte das Ganze gleich weniger nach typischem Stammtischgebrabbel geklungen... Rabbe schauderte bei dem Gedanken an eine mögliche Gegenwart, wenn sie nicht zu jenem Zeitpunkt davon erfahren hätte. Dutzende, wenn nicht hunderte Tote, Explosionen, überall Blut... Ihr Gang verkrampfte sich kurz als, sie über die Möglichkeit nachdachte, dass möglicherweise auch viele ihrer Kollegen hätten sterben können.
"Und sie könnten es immer noch. Ich darf keine Fehler machen. Falls der Kommandeur meinem Input nicht geglaubt hat, sind dort draußen nur wenige Wächter die mir helfen werden. Wer würde sich für mein Wort gegen Breguyar stellen, falls es drauf ankäme? Cim und Tussi auf jeden Fall... Ettark oder Silly vielleicht, Glum... Jargon?" Die Ermittlerin schüttelte den Kopf. Es brachte nichts, über diese Dinge nachzudenken. Letztlich konnte sie nur reagieren. Die Marschtruppe bog in den drehwärtigen Breiten Weg ein, und Rabbes Aufregung verstärkte sich. Sie waren nun nahe der Alchemistenstraße, was hieß, dass sie sich mehreren größeren Gildengebäuden näherten. Bald würde sich zeigen, ob diese Aktion mit vielen Opfern enden würde oder nicht.
*In der Alchemistengilde*Alexander wurde überraschend geschubst und stieß schmerzhaft mit dem Kopf an das Fass vor sich. Er richtete sich verärgert auf und sah sich dem Bolzen einer Armbrust entgegen, die Waschbrett ihm vor den Hals hielt. "Was soll das?", scharrte er. Reisstrom schnaubte und schaute böse. "Ich weiß genau was du gemacht hast. Du wirst jetzt sofort den Container wieder anschließen - ich weiß nicht warum du versuchst uns zu sabotieren, aber ich hätte gleich wissen müssen, dass du nicht so doof bist wie du tust. Schließ es nun wieder an. Dann werde ich dich erschießen."
Alexander starrte ihn an und kalkulierte so schnell er konnte. Er hatte nicht erwartet, dass der Obermaat ihn tatsächlich beobachtet hatte, wie der Hellste hatte er selbst ohnehin nicht gewirkt.
"Aber wer beobachtet sollte nie vergessen, dass man dabei auch beobachtet werden kann... Mist aber auch." Er biss sich auf die Lippen und erwiderte: "Wenn du mich ohnehin umbringst, warum tust du es dann nicht gleich und schließt die Drähte selbst wieder zusammen?", knurrte der Überwäldler, woraufhin Reisstrom ihm in den Bauch trat. Alexander fiel etwas heftiger nach hinten als unbedingt notwendig, rollte sich ab, schnappte nach Reisstroms Beinen und riss ihn mit sich zu Boden. Sie rangen um die Armbrust während die anderen Crewmitglieder durch das Rufen hinzukamen. Zwei von ihnen versuchten Alexander zu packen und bekamen heftige Tritte ab, die anderen beiden schienen unentschlossen, was sie tun sollten, als sich ein Schuss aus der Armbrust löste und ein Stück Haut von Reisstroms Kopf abriss. Er schrie kurz auf, fluchte und versuchte Alexander zu würgen, der gleichzeitig von einem der anderen Handlanger an den Kopf getreten wurde. Es fiel dem Schwarzhaarigen zunehmend schwerer, noch aktiv gegen die Männer zu kämpfen, denn der Boden war kein guter Ausgangspunkt für einen Kampf. Er versuchte die starken Hände Waschbretts wegzudrücken und hörte ein lautes Hämmern das er nicht einordnen konnte. Rote Schlieren tanzten vor seinen Augen und das rote Gesicht Reisstroms kam ihm auf einmal so lustig vor, dass er gelacht hätte, wenn das Luftholen nicht zunehmend unmöglicher werden würde. Er schwankte in die Panik ob er er hier, auf dem Boden dieses Gebäudes, sterben würde. Was würde dann mit Rabbe? Jeder der hier raus kam wäre hinter ihr her... Der Überwäldler versuchte wieder Kontrolle über seinen Körper zu erhalten, aber alles was er tat war um Luft ringen die nicht kommen wollte. Alles wurde dunkler, die Angst größer und er sah eben noch, wie etwas großes braunes vor ihm erschien, bevor ihn etwas von dem Druck um ihn wegriss und wie Luft in ihn strömte. Herrliche, lebensspendende Luft. Er genoss das Gefühl des Atmens für einen Moment, bevor er sich der Bewusstlosigkeit hingab.
"NEHMT DIESE BESTIE VON MIR!", kreischte Reisstrom und bekam von Ettark prompt einen Knebel in den Mund gestopft. Jargon ließ den Mann nur zögernd los, so dass man ihn fesseln konnte. Ettark nahm sich seiner an, während Jargon zu Alexander lief und einen Moment den japsenden Atemzügen des Mannes lauschte. Dann kam er knurrend zu den anderen Vieren, damit Rea sie fesseln konnte.
"Macht schnell. Falls das jemand gehört hat könnte das die ganze Operation gefährden!" Ettark trat an die Sprengaufbauten heran und begann, Drähte und Schnüre durchzuschneiden. Nachdem Rea die Handlanger fertig gefesselt hatte, lief Jargon um eine Ecke und kehrte eine Minute später als Mensch zurück und kniete neben Alexander nieder. "Alexander? Kannst du mich hören? Alexander?"
"Wir müssen hier raus", sagte Rea. "Ettark, sind wir soweit?"
Der Informantenkontakter nickte.
"Dann raus hier. Wir wissen wie die Verhältnisse draußen sind, da sollten wir uns hier nicht zu lange aufhalten, also lassen wir die Handlanger hier bis wir wissen wie es bei den anderen aussieht." Jargon nickte, packte Alexander unter den Armen und begann ihn nach draußen zu ziehen.
*Diebesgilde*Rabbe verkabelte die Brennzelle mit einem der Kanister als Iridiums glatte Stimme fragte: "Ist das der Letzte?"
"Ja. Bin gleich fertig, Sör."
"Gut." Zwei schnappende Geräusche ertönten, gefolgt von zwei kurzen, keuchenden Geräuschen, einem Wischen und einem Aufschrei.
"Was soll denn,-aaaargh!"
Rabbe schnellte herum. Zwei Handlanger lagen bewegungslos auf dem Boden, der Dritte ging gerade mit durchschnittener Kehle zu Boden. Iridium drehte sich zu ihr um und richtete eine Armbrust auf sie.
"Mach die Verkabelung fertig, sofort!", herrschte er sie an. Rabbe starrte in einer Mischung aus Schock und Verwunderung zurück.
"Sie waren Verräter an unserer Sache! Mach deine Arbeit fertig, dann wirst du reich belohnt!"
Rabbe zögerte, drehte sich dann langsam um und ging in die Hocke. Iridium stand zu weit weg als, dass sie schnell genug zu ihm direkt hätte vorsprinten können, bevor er auf sie schoss. Sie schwenkte eines der Kabel mit einer Hand ein wenig, und zog dabei eines ihrer Wurfmesser aus einer Tasche. Dann machte sie ein klackendes Geräusch und sagte: "Fertig."
Beim Aussprechen des Fs rollte sie sich rückwärts ab, hörte das Surren der Armbrust, drehte sich auf der Stelle und warf das Messer nach Iridium, bevor sie vorschnellte, um ihn anzugreifen. Das Messer traf ihn an der Schulter, doch es schien geradezu von ihm abzuprallen. Er machte einen Schritt vor und schlug ihr mit harter Faust ins Gesicht und Rabbe fühlte sich wie vom Steinschlag getroffen. Die Wächterin taumelte, schüttelte den Kopf und stand wieder gerade, sah Iridium eben jedoch zum Ausgang wetzen. Sie hielt sich das schmerzende Gesicht und merkte durch die Taubheit der linken Seite einen Blutfluss und ein merkwürdig hohles Gefühl im Mundraum, welches schnell durch am Boden liegenden weißen Stücke erklärt wurde. Sie wischte sich durchs Gesicht und wandte sich wieder der Zündung zu, wo sie schnell Kabel und Schnüre durchschnitt, die sie erst kurz vorher gelegt hatte. Ein mahlender Kopfschmerz drang in ihr hoch und sie hörte ein schlurfendes Geräusch. Die Ermittlerin drehte sich erneut um, zog ein Messer und schlich Richtung Ausgang, wo ihr Braggasch entgegen kam.
"Braggasch!", brachte sich erleichtert hervor und keuchte. Warum hatte dieser Schlag immer noch so starke Folgen? Der Zwerg sah sie in einer Mischung aus Angst, Erleichterung und Entsetzen an.
"Rabbe, was,-", setzte er an, doch sie legte sich unsicher einen Finger vor die Nase
[7a]. "Pssscht.... Hahbwt ohr Urudum?", brachte sich zwischen blutigen Zähnen hervor, doch er schüttelte den Kopf.
"Wir haben nur einen rausgehen sehen, daraufhin hat Kanndra draußen die Stellung gehalten, hat mich rein geschickt und Cim ist ihm hinterher gerannt."
Rabbe blickte schockiert, packte ihn und rannte wieder los. "Wulche Ruchtung?" "Südlich, aber,-" die Worte des Zwerges verschwammen in der Luft und Rabbe rannte nur noch. Der Geschmack des Blutes in ihrem Mund war unangenehm stark und sie hatte das deutliche Bedürfnis, sich zu übergeben. Aber Iridium war gefährlich. Verdammt gefährlich. Klar hatte er sie überrascht, aber sie glaubte nicht, dass Cim allzu viel bessere Chancen gegen den Mann haben würde.
"Mann... Wieso war seine Faust eigentlich so hart? Und wieso hat ihm das Messer nichts ausgemacht? Da war blanke Haut! Hätte er nicht,- Moment... Iridium!" Rabbe würde sich vor dem Kopf hauen, wäre sie nicht so beschäftigt damit, Richtung Docks zu rennen. Iridium sah eigentlich aus wie ein Mensch, aber er hatte eine recht tiefe Stimme und wollte wenig ins Sonnenlicht.. Rabbe kannte sich nicht aus mit Spezies-Hybriden, aber sie wusste, dass es immerhin Kinder zwischen Zwergen und Menschen geben konnte... Die Physiologie von Menschen und Trollen war zwar vergleichsweise um einiges weniger ähnlich, als die von anderen Humanoiden, aber eine andere Möglichkeit gab es wohl kaum.
"Aber wie besiege ich einen Troll? Eigentlich käme nur Säure oder Feuer in Frage... ha. Feuer. Aber nein, das wird nicht..." Sie war noch nicht allzu weit gelaufen, als sie eine schattenhafte Gestalt aus einem Gebäude hüpfen sah. Kurz darauf stürzte selbiges in sich zusammen, weil ein wütender großer Mann schreiend hindurch stürmte.
Rabbe kam so schnell sie konnte näher und erkannte mühsam wie der Mann sich einen Topf vom Kopf zog, aus dem rot glühende Brocken heraus fielen. Cim hatte den Moment genutzt, um nach dem Mann zu schlagen und dann gleich wieder auszuweichen, aber direkte Angriffe schienen auch hier keine Wirkung zu haben. Rabbe hörte Iridium kurz japsen, bevor er entschlossen auf ihren Kollegen zu marschierte. Ihr fiel etwas ein, was sie sehr früh in ihrem Leben über Kämpfe gelernt hatte.
"Egal gegen wen oder was du kämpfst - das empfindlichste an Mann oder Frau sind immer die Augen."Erfahrungen mit den Schäden, die Tritte in bestimmten Regionen ausrichten konnten, hatten sie manchmal an dieser Aussage zweifeln lassen, aber im Moment war sie bereit alles zu versuchen. Sie kletterte die Markise des kleinen Gebäudes neben sich hoch, zog sich über die Absätze auf die Schindeln und rannte die verbleibenden Meter. Er schlug eben mit einer Hand auf die Wand gegenüber ein, vor der wenige Sekunden zuvor noch Cim gewesen war. Der hatte sich nach hinten gerollt, war zwischendurch aber auch schon getroffen worden, waren seine Bewegungen doch weniger gewandt als sonst. Rabbe wartete, dass Iridium sich drehte um wieder zuzuschlagen, der richtige Augenblick war essenziell für den Erfolg - und ihrer beider Überleben.
"3...2...1..."Sie sprang von oben auf Iridiums Schultern herab, schlang die Beine um seinen Kopf und rammte ihm ihre Messer in die Augen. Der Mann schrie markerschütternd und schlug wie besessen nach ihr, konnte auf Grund der Blockierung durch ihre Beine jedoch nur selbige erreichen. Rabbe hörte nicht, wie sie unter dem Schmerz selbst aufschrie, sie konzentrierte sich darauf, die Messer in seinen Augen zu drehen, und tiefer in den Kopf hinein zu schieben. Sie fühlte sich taub und gleichzeitig tat alles weh, doch sie machte weiter, bis die Schläge plötzlich nachließen und der Körper des Mannes mit ihr zusammen kippte. Sie stieß sich mit Mühe vom Kopf ab und traf mit Wucht die Hauswand gegenüber. Iridium lag auf dem Boden und war - so hoffte sie - tot.
Rabbe atmete schwer. Die Taubheit, die sie in den letzten Minuten am Laufen gehalten hatte, ließ nach und die Realität traf sie mit der Wucht eines von Golempferden gezogenen Karrens.
Der Blutgeschmack in ihrem Mund, in Kombination mit dem Schrecken über den gerade begangenen Mord, löste einen befreienden Brechreiz aus.
Danach wischte sie sich das Blut aus dem Gesicht und behielt einen ekligen Geschmack im Mund. Aber es ging ihr besser. Mühevoll kroch sie zur Wand und lehnte sich müde dagegen, sah zu wie Cim die Lebenszeichen des Mannes prüfte und danach zu ihr kam.
"Oh Rabbe." Er atmete erschöpft aus und ließ sich neben ihr nieder, wo er sich anlehnte.
"Hey Pfim", grüßte sie ihn leise.
"Wieder hier, hm?"
"Hmhm."
Sie schwiegen einen Moment und lauschten den Geräuschen der Nacht. Es würde nicht lange dauern bis man sie fand.
"Hey Pfim... haft du waf pfu trinken?"
Er reichte ihr wortlos eine kleine Flasche. Sie nahm einen tiefen Schluck und gab ihm dankbar die Flasche zurück.
"...feit wann ift da Waffer drin?", fragte sie zunehmend leiser mit offenem Amüsement.
"Ein Weilchen. Ich konnte doch nicht betrunken zu deiner Party kommen."
Sie lachte leise und er stimmte mit ein. Vor ihnen blutete Iridium weiter in einer Pfütze aus silbern und rot aus. Was genau er war würde, wenn überhaupt, die Obduktion bringen. So lachten die Wächter in die Nacht bis ihre Kollegen sie fanden und in Sicherheit überführten.
Irgendwann wachte Rabbe frühmorgens auf. Ein ekliger Geschmack in ihrem Mund machte deutlich, dass sich offenbar jemand um ihre Zähne gekümmert hatte. Sie fasste mit einer leicht tauben Hand zu ihrem Mund. Alle da. Offenbar hatte man einen Igor aus dem Hospital bemüht, ein Sanitäter hätte das nicht hinbekommen. Sie sah sich müde um und entdeckte ein Glas Wasser, welches sie gierig leerte. In einem anderen Feldbett neben ihr lag ihr Bruder, ein Verband umschlang seinen Kopf. Sie studierte seine sichtbaren Verletzungen einen Moment lang, bevor sie ihre eigenen Schäden durchging. Sie spürte erstaunlich wenig Schmerz für das, was sie erduldet hatte. Ein Verband umschlang ihre Brust, ihren Kopf und ihre Beine unter dem Kittel den man ihr angelegt hatte.
War sie im Hospital gewesen? Wie lange lag sie hier schon? Sie versuchte die Beine vom Bett zu schieben und aufzustehen.
Sobald sie einen Fuß auf den kalten Boden stellte, schoss ein scharfer Schmerz ihr Bein hoch und sie japste laut. Auf ihr Geräusch hin schreckte Alexander hoch und blickte sich verwirrt um.
"Rabbie?!"
Rabbe grinste. Sie hatte sich wieder auf's Bett fallen lassen, doch der Schmerz in ihrem Bein schien ihren ganzen Körper in dieser Hinsicht geweckt zu haben und alles tat auf einmal schrecklich weh. Sie drehte sich auf die Seite und krümmte sich ein wenig, doch trotz des Schmerzes konnte sie nicht aufhören zu grinsen, denn eine unglaubliche Erleichterung durchströmte sie. Sie hatten beide überlebt. Sie waren dieser unseligen Situation entgangen und hatten es geschafft, alle zu warnen.
"Aber wurden alle Gruppen rechtzeitig gestoppt?!", schoss es Rabbe plötzlich durch den Kopf, und ein Schauer überfloss sie. Sie wusste nur, dass ihr Trupp aufgehalten wurde, Iridium tot war und sie selbst, Alexander und Cim überlebt hatten.
Aber was war mit den Anderen? Konnte alles gestoppt werden? Sie schickte sich an wieder aufzustehen, als sich die Tür öffnete und Cim hereinkam.
"Das würde ich lieber lassen, wenn ich du wäre", sagte er ernst, lächelte aber weil sie auf war. Erst jetzt realisierte Rabbe so richtig, dass sie in einem der Mehrzweckbüros war, in dem man zwei Feldbetten aufgebaut hatte. Sie sah ihn erfreut wie auch angespannt an.
"Cim! Was ist passiert? Wurden alle aufgehalten oder gab es Opfer? Geht es allen gut?"
Der Vektor lachte leise. "Es geht fast allen gut, ja." Er selbst trug ebenfalls einen Verband um den Kopf. "Außer euch beiden, mir selbst sowie ein paar Verbrechern natürlich... und einem Alchemisten."
Rabbe hob fragend eine Augenbraue, doch Alexander schaltete sich ein bevor sie etwas sagen konnte.
"Konnte das Gebäude nicht mehr gerettet werden? Ich weiß noch, dass da ein brauner Schatten war und dann wurde ich bewusstlos - wie komme ich hierher?"
"Eins nach dem anderen... Alexander, du wurdest von Jargon und zwei anderen Mitgliedern unserer Abteilung rausgeholt. Nachdem ihr draußen wart, gab es auf einmal eine kleinere Explosion im Keller, die einen Teil des oberen Sprengsatzes zündete.... Aus den Aussagen der anderen Gildenmitglieder ging hervor, dass ein Lehrling sich wohl ins Gebäude zurückgeschlichen hatte, um ein Experiment durchzuführen... Damit ist das einzige Gebäude, das explodiert ist... die Alchemistengilde." Die anderen Beiden starrten ihn an, bevor Rabbe in heilloses Gelächter ausbrach.
Sie verbrachten die nächste Stunde damit, von Cim die ungefähren Ereignisse der letzten Tage zu erfahren. In mehreren Gilden hatten die Anführer der Trupps ihre Handlanger umgebracht, bevor sie mit den Zündschnüren die Gebäude verließen und verhaftet wurden, bevor sie die Sprengsätze hatten zünden können. Erst nach stundenlangen Verhören hatten sie zugegeben, dass sie Mitwisser aus dem Weg schaffen wollten, damit es leichter gewesen wäre den nächsten Coup zu landen. Auf dem Schiff war genug Sprengstoff gefunden worden, um den gesamten Palast dreimal in die Luft zu jagen - ein Fakt der erst deutlich wurde nachdem man den Lagerraum nach Festnahme aller anderen Gruppen gestürmt hatte.
"Wie lange sind wir eigentlich schon hier?", fragte Rabbe schließlich. "Ich fühle mich zu ausgeruht.. "
"Es ist vier Nächte her, dass wir dank eurer Hilfe eine Katastrophe verhindert haben." Er lächelte schief. "Du weißt nicht zufällig was genau dieser Typ war mit dem wir am Schluss so viel Ärger hatten, oder? Pismire und Lady Rattenklein glauben, er muss eine Art Troll-Mensch-Hybrid sein, aber von so etwas habe ich noch nie gehört, trotz aller magischer Hintergrundstrahlung..." Er hatte zunehmend langsamer geredet, da Rabbe schon vor einer Weile ganz auf's Bett zurück gesunken war und beim Fortschreiten seines Satzes leise zu Schnarchen begonnen hatte.
"Hm. Dann ein anderes Mal", murmelte er, stellte noch eine Flasche Wasser auf den Tisch und verließ das Büro erneut. Wahrscheinlich würde es noch etwas dauern, bis er sie überhaupt wegen ihres Verschwindens zur Rede stellen konnte.
Es dauerte noch zwei Tage bevor Rabbe wieder richtig gehen konnte. Sie hatte in dieser Zeit noch viel mit Cim geredet. Hatte ihm diesmal alles erzählt - von Mauricia und Cero, von Jargons Entführung und auch von dem Ende der Scabonums. Mit dem wenigen anderen Besuch hatte sie mehr oberflächliches Zeug besprochen, mit einer Ausnahme: An einem ruhigen Abend - als Alexander gerade draußen war - hatte sogar Jargon sie besucht
[9], mit dem sie ihre eigene kleine Aussprache hatte.
Nachdem man sie wieder nach Hause hatte gehen lassen, gab es eine Sache zu tun. Eine wichtige, bevor sie wirklich alles hinter sich lassen konnte. Sie schuldete der Wache Rede und Antwort, sonst könnte sie nicht wieder zur Ermittlerin werden. Dann gäbe es Lance-Korporal Rabbe Schraubenndrehr nicht mehr. Aber genau dieser Mensch wollte sie sein.
*Zu einem späteren Zeitpunkt*Rabbe blieb vorm Büro des Kommandeurs stehen und atmete tief durch. Sie war sicher, dass Araghast sie weder feuern noch degradieren würde.
Ziemlich sicher.
Ziemlich.
"Aber nicht absolut."Sie seufzte leicht, straffte ihre Haltung, ignorierte den Schmerz, der sich dabei durch ihren Körper zog und klopfte an bevor sie eintrat.
Kommandeur Araghast Breguyar saß hinter seinem Schreibtisch wie ein König auf seinem Thron. Als sie eintrat blickte er grimmig auf.
"Wo zum Geier hast du gesteckt?"
Rabbe hielt inne und schluckte. Dann schloss sie die Tür und kam langsam näher.
"Schön auch Sie wieder zu sehen, Sör. Ja mir geht es gut, danke dass Sie fragen."
Araghast grunzte und seine Augenbrauen wirkten, als wollten sie in seine Augen hineinkriechen. "Also, wo zum Geier hast du gesteckt?
"Ich war in Überwald."
"Aha..."
Rabbes Blick verfinsterte sich und sie schnaubte, was den Kommandeur dazu brachte, noch finsterer als vorher drein zu blicken (was eigentlich nicht hätte möglich sein dürfen).
"Du weißt, dass du monatelang unerlaubt dem Dienst ferngeblieben bist? Auf so etwas kann Degradierung stehen."
"Ja Sör und ich tat dies durchaus mit triftigem Grund,-"
"Und der wäre?"
Rabbe spannte den Kiefer verärgert an. "Wenn Sie mich ausreden lassen würden, mich fertig angehört haben und dann dennoch denken, dass ich degradiert gehöre, habe ich mich wahrscheinlich ziemlich in Ihnen getäuscht. Wie ich eben sagte... Ich war in Überwald. Sie erinnern sich sicher, dass ich dabei war als Schneidgut entführt wurde. Was ich nicht zu Protokoll gab, war, dass ich den Anführer der Entführer erkannte. Er war der Mann der vor gut 16 Jahren meine jüngere Schwester aufgefressen hat. Von dem Zeitpunkt an als ich ihn erkannte... Habe ich mich nicht mehr sehr rational verhalten, das gebe ich zu. Aber ich wusste, man würde mir nicht gestatten mit nach Überwald zu kommen, immerhin war ich nicht eben in bester Verfassung."
"Ob sie das je ist?", fragte Araghast sich spontan, verwarf den Gedanken aber gleich wieder und konzentrierte sich weiter auf ihre Erklärung:
"Ich musste nach Überwald. Nach der Püschositzung mit Oberfeldwebel von Grauhaar vor ein paar Jahren, bei der Sie auch dabei waren, ist mir der Mord an meiner Schwester immer deutlicher vor Augen geführt worden - als ich Cero, ihren Mörder, auf der Straße erkannte und sie Schneidgut entführt hatten, war ich mir sicher, dass sie einen größeren Plan verfolgten. Und ich war sicher, dass ich diese Chance nutzen musste, um ihm den Garaus zu machen. Also bin ich dort hin... und habe ihn umgebracht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie mich dafür wirklich bestrafen würden. Cero war ein Kindermörder, Vergewaltiger und Sklavenhalter... Er hat mit seinem Vater eine Armee aufgebaut und wollte erst Überwald und dann weitere Gebiete erobern."
Sie hielt inne und zwang sich durchzuatmen. Sie hatte es getan. Sie hatte den Mord gestanden. Vor sich selbst und ihrem Kommandeur. Wie es jetzt weiter gehen würde hing an seinem Urteil.
Rabbe blickte ihn angespannt an.
"Und was wollte dieser Cero mit Jargon?" Araghasts Gesichtsausdruck wirkte unleserlich steinern.
Sie sah beunruhigt zur Seite und dachte nach. Was sollte sie ihm sagen? Was hatte Jargon in seinem Bericht geschrieben? Einerseits wollte sie ihn nicht unbedingt schlecht dastehen lassen... gleichzeitig hatte sie noch immer das Bild vor Augen, wie er als neuer Anführer von Secabonums Truppe vorgestellt wurde. Er hatte nicht sehr glücklich ausgesehen, aber... letztlich wusste sie nicht, wie viel er wirklich mit allem zu tun gehabt hatte. Vielleicht hatte er auch all die Jahre nur in Ankh-Morpork gelebt, um die Stadt auszuspionieren. Vielleicht war seine ganze Hintergrundgeschichte erfunden und er hatte die letzten Jahre immer nur geschauspielert.
Sie biss die Zähne zusammen.
"Schneidgut... ist..." Sie traf Bregs' Blick und nickte leicht.
"Schneidgut ist offenbar Ceros biologischer Bruder. Ich weiß nicht, wie die genauen Zusammenhänge sind, da müssen sie ihn selbst fragen, aber... Als ich das Anwesen infiltrieren wollte, wurde er von Ceros Vater als dessen ältester Sohn vorgestellt."
"Hm, nun ja, Familie kann man sich leider nicht aussuchen... Zumindest scheint es um diesen Cero nicht schade zu sein."
Rabbe nickt angespannt
"Warum bist du nach Ende der Mission nicht wieder mit den anderen zurückgekommen?"
"Ich sah mich körperlich und püschisch nicht in der Lage, dies zu tun. Ich war schwer verletzt, hatte gerade einige Finger und viel Blut verloren - und ich wusste auch nicht, was mit Schneidgut passiert war oder welche Rolle er in all dem gespielt hat. Ich ging davon aus, dass irgendwelche andere Wächter zu seiner Rettung geschickt wurden, war ihnen aber nicht begegnet und wollte dem Bruder meines Todfeindes nicht unbedingt sofort begegnen, nachdem ich Cero gerade ermordet hatte. Ich wusste, und weiß auch jetzt, letztlich nicht wirklich, was genau Schneidguts Rolle in dem Ganzen tatsächlich war und wie er zu wem steht."
"Schneidgut ist zumindest halbwegs wohlbehalten zurückgebracht worden und hat seinen Dienst wieder angetreten."
Rabbe nickte.
Araghasts Blick, der Rabbe die letzten Minuten durchbohrt hatte schien nun auf ihrer verstümmelten Hand zu ruhen. "Wurdest du gebissen?"
"Jein. Cero hat mir die Finger mit den Zähnen abgerissen. Ich hatte mir sobald ich konnte noch..."
Sie verzog das Gesicht bei der Erinnerung an den Vorgang.
" ...die Fingerreste abgeschnitten und hatte keinerlei auffälligen Silberreaktionen oder ähnliches seitdem."
Araghast nickte.
"Nun gut, dieses Mal bleibt es bei einem Eintrag in die Akte wegen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst."
Rabbe nickt ernst, entspannte sich aber minimal. "Danke Sör."
"Gibt es noch was Bestimmtes, was du loswerden willst?"
Rabbe grinste schief "Nichts was hierher gehört, danke Sör."
"Dann ruh dich aus und melde dich wieder zum Dienst oder lass dich von einem Sanitäter krank schreiben, wenn du es brauchst."
Rabbe nickte. "Ich komme morgen wieder pünktlich zum Dienst."
Sie salutierte und ging zackig aus dem Raum.
Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte atmete sie aus. Dann wieder ein und aus bevor sie sich am Kopf kratzte und Richtung Erdgeschoss lief. Irgendetwas sagte ihr, dass der Kommandeur schon um einiges mehr Leute als sie umgebracht hatte und das Ganze leichter nahm als sie selbst.
Sie ging nach unten und überlegte kurz, ob sie erst noch mit jemandem im Wachhaus reden sollte oder gleich prüfen, ob es ihre Wohnung noch gab.
Da legte ihr jemand den Arm um die Schulter.
Sie blickte zur Seite in das grinsende Gesicht ihres Bruders.
"Also, was machen wir als erstes? Lass uns noch jemanden verhaften, okay? Ich finde es saulustig wenn du dich richtig ernst und bösartig gibst!"
"Urgh..."
Sie machte sich los und lief Richtung Ausgang. Alexander lief ihr hinterher und lief abwechselnd links und rechts von ihr. "Oder wir verkaufen Schnapper etwas! Oder wir stellen zwei Assassinen an, den je anderen umzubringen, oder...."
Rabbe lief langsam nach Hause, gefolgt von ihrem Bruder.
Der einfach nicht die Klappe halten konnte.
[1] Eine Situation die damit zu vergleichen ist wenn man eine große Menge unruhiger, misinformierter Bürger vor sich hat, die den Eindruck haben von ihrer Regierung nur ausgenutzt zu werden und an einem Abend mit besonders schlechter Suppe auf die Idee kommen, es sei doch ein guter Plan, nich wahr, den Palast anzuzünden, um den Herrschaften da oben mal zu zeigen wie es sich anfühlt im eigenen Saft zu schmoren. Niemand dieser Leute wird aussprechen, dass sie derartige Gedanken verfolgen. Sie stehen nur da und scheinen auf den Funken zu warten, der sie zum brennen bringt.
[2] OT-Erklärung: Splot = Getränk mit extrem gedankenbeschleunigenden Eigenschaften => mutmaßlich stark koffeinhaltig -> panikstörungsverstärkend -> Rabbe ist in einem Zustand der Traumaaufarbeitung, was mit Panikanfällen verbunden sein kann.
[3] Da Rabbe noch immer kaum redete und Fidell selbst nur wenig sprach bestand die Diskussion im Grunde darin, dass ein Beutel Geld mehrfach hin und her geschoben wurde
[4] "Hargas patentiertes Schinkenöl" lieferte sich in gewissen Teilen der schlechteren Mampfhöhlen Ankh-Morporks Konkurrenzkampf mit "Schnappers patentiertem Specköl", zumindest so lange bis allgemein bekannt wurde, dass Harga für sein Öl Ratten einlegte und auspresste. Seitdem war sein Umsatz soweit gestiegen, dass Schnapper sein Specköl vom Markt nahm.
[5] Ratten haben nichts gegen Kannibalismus
[6] Letztere waren nie lange Kunden
[7] Zuletzt zu Zeiten Herrn Hongs.
[7a] Der Versuch die Lippen zu treffen ging daneben
[9] wird in dessen Rückkehrsingle behandelt werden
Zählt als Patch-Mission für den Ermittlerin-Patch.
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