Der Fall Lommel

Bisher hat keiner bewertet.

von Lance-Korporal Lady Rattenklein (SUSI)
Online seit 01. 11. 2010
PDF-Version

Aufgrund des Nachwuchsmangels wird das Werben der Abteilungen um die frisch beförderten Gefreiten stärker...

Dafür vergebene Note: 11

"Bei uns gab's früher nie so'n Tüddelkram!" beschwerte sich Lady Rattenklein und stellte ihre kleine Kaffeetasse lauter als nötig auf den Tisch, "Wir mussten uns noch richtig ins Zeug legen, um überhaupt in irgendeine Abteilung zu kommen."
Ihre Zimmerkumpanin[1] Breda Krulock stürzte die Lippen und nickte stumm. War sie ja schon das Gezetere der immer schrulliger werdenden Gnomendame gewohnt. Aber sie fand es irgendwie auch recht amüsant und so grinste sie in sich hinein.
"Jaja, lass die alte Frau mal wettern." Ratti hatte es gemerkt. "Kannst du dir das vorstellen? Weil wir zu wenig Gefreite haben! Ich würde ja sagen, weil die jungen Leute heutzutage zu faul sind, um zu arbeiten. Ha! Die Abteilungen attraktiver machen! Deswegen muss ich jetzt mein Labor strukturieren und eine Infomappe für neue Mitarbeiter anlegen. Es gibt eine Einführungswoche und hast du von diesen Schnupperkursen gehört? Ich kann doch nicht jeden Idioten meine Reagenzgläser und Chemikalien anfassen lassen. Geschweige denn die richtig gefährlichen Dinge, die brennen und ätzen und sowas. Ich glaube, die da oben wollen Rekruten loswerden und nicht anheuern. Und mir wachsen graue Haare!"
"Wäre schade um deinen rosa Haarschmuck." Gab Breda zu bedenken.
Ratti zeigte zustimmend mit dem Zeigefinger auf; "Wem sagst du das? Grau und Rosa? Das passt zusammen wie Ratti und Schnupperkurse."
Feldwebel Breda Krulock war zwar Abteilungsleiterin und hätte ob Lance-Korporal Rattenkleins Schimpfereien einschreiten sollen. Aber auch sie hatte ein Privatleben in dem sie Arbeit mal Arbeit sein lassen konnte und auch für sie gab es dienstfreie Samstagnachmittage, in denen sie tun und lassen konnte was sie wollte. Und da sie im Augenblick nur eines wollte, fragte sie:
"Bierchen?"
"Ist es schon nach drei?"
"Jup."
"Na denn los."

******


Ein unterdrücktes Chiiiihiiiii und ein kicherndes Pschhhhthihihi drangen um drei Uhr nachts durch das Boucherie Rouge. Es zog sich dumpf vom Erdgeschoss über den ersten Stock hin in den zweiten. Den Flur entlang, wo es schließlich mit einem Poltern an der Tür des Zimmers mit der Aufschrift Spaß im Grass endete.
"Auuuufschhhließen!" lallte Ratti, "Aufschhließenaufschhhließenaufschhh..."
Breda versuchte, sich gerade zuhalten. Sie straffte die Schultern, steckte die Zunge durch ihre spitzen Zähne und mit einem zugekniffenem Auge und viel Entschlossenheit stieß sie den Schlüssel direkt neben die für ihn vorgesehene Öffnung und tat sich damit so sehr an der Hand weh, dass sie laut aufheulte, was Lady Rattenklein mit einem ebenso lauten Gackern kommentierte. Diesen kurzen Augenblick der Nüchternheit nutzte Breda dennoch geistesgegenwärtig, um die Tür aufzuschließen und sie rüde aufzustoßen.
"Au verdammt!" rief Feldwebel Krulock und hockte sich jammernd aufs Bett. Ratti befand sich mittlerweile auf dem Boden und verwandt ihre ganze restliche Kraft darauf, die schwere Tür zuzuschieben. Mit gesenktem Kopf und beiden Händen gegen sie gestemmt bewegte sie sich wie ein trotteliger Ochse vorwärts und ächzte. Als sie das Kunststück vollbracht hatte, drehte sie sich um und rutschte mit verdrehten Augen an der Tür zu Boden, wo sie sie sich schließlich einfach zur Seite fallen ließ.
"Bääääh." Machte sie und wusste selber nicht was es bedeuten sollte.
"Was'n das?" fragte Breda, mittlerweile ebenso zusammengesackt von ihrem Bett aus.
"Hmmmm?" Die Lady schlief schon fast.
"Brief, Schettel, Blatt Bapier. Direkt vor dir."
Ratti blinzelte und grabschte nach dem Schrieb. Sie las nur Montag, 8 Uhr und Schnupperkurs im Labor.
Gezeichnet Ofw Harmonie entging ihr, da sie bereits selig im Reich der Träume weilte.

Am nächsten Nachmittag wachte die Gnomin in ihrem Schuhkarton auf. Sie traute sich noch nicht, die Augen aufzuschlagen, da sie mittlerweile wusste, was das nach einer solchen Nacht für Folgen haben könnte. Wie sie in ihr Bett gekommen war, wusste sie selber nicht. Aber es interessierte sie auch nicht. Ihr Unterbewusstsein wurde von ihrem Gewissen durchwühlt und zum Vorschein kam das Wörtchen Schnupperkurs.
"Och nö!" murmelte sie, ließ aber immer noch die Augen zu und dachte darüber nach, sich die Decke über den Kopf zu ziehen und noch ein paar Stunden zu schlafen. Aber ihr Gewissen kramte weiter und präsentierte ihr schließlich die passende Uhrzeit und das dazugehörige Datum.
"Och nööööö!" grummelte sie jetzt so laut, dass sie letztendlich doch Kopfschmerzen bekam. Jetzt konnte sie auch die Augen aufmachen, es war ja schon geschehen. Sie stand aber dennoch nicht auf und griff stattdessen neben ihr Bett und hatte richtig gedacht: Dort lag der Brief von Oberfeldwebel Laiza Harmonie. Die Gnomin las ihn erneut, bzw. zum ersten Mal, legte ihn dann zur Seite und dachte nach. Sie musste länger nachdenken als üblich. Ihre Gedanken waren noch umnebelt. Aber als sich schließlich einer davon zu einer Idee formte und sie damit zu spielen begann, fing die Gnomin an zu grinsen. Schließlich kicherte sie leise und klatschte alsbald in ihre kleinen Hände.
"So wird's gemacht!" rief sie freudig und stand auf, um sich zu waschen und Vorkehrungen zu treffen.

******


Gerade als Lady Rattenklein die letzte Knitterfalte in ihrem frisch gewaschenen Laborkittel glattgestrichen hatte, hörte sie die dumpf durch die Labortür dringenden Stimmen der Neugierigen. Eine Sekunde später wurde kurz geklopft und gleichzeitig schwungvoll die Tür geöffnet.
Laiza Harmonie, ihre Abteilungsleiterin, war immer noch dabei, Fragen der vor einigen Tagen beförderten Gefreiten zu beantworten und blieb dabei von Ratti abgewandt einige Minuten in der Tür stehen. Die Gnomin betrachtete derweil ihre Fingernägel, strich ihre Haare noch einmal hinter die Ohren, lehnte sich mit verschränkten Armen lässig an ein großes Becherglas und wartete geduldig.
Sie hatte ein leises, zufriedenes Lächeln auf den Lippen.
Vor dem Labortisch, auf dem sie sich so platziert hatte, hatte man Platz für einige Stühle geschaffen. So war der Tisch zu einer Art Bühne geworden. Es sah ein bisschen aus, wie bei einer Vorlesung in der Universität. Nur in klein. Schräg neben den Stuhlreihen befand sich eine Tafel, an der mit rosafarbener Kreide Rattis Name und Rang geschrieben stand, sowie der Beruf, Laborantin, der hier ausgeführt wurde. Wo sie sich befanden, stand ja an der Tür. Ratti hatte sich bei den Vorbereitungen eine Sekunde gefragt, ob auch wirklich alle Gefreiten im Stande waren, zu lesen. Sie grinste bei der Vorstellung in sich hinein.
"So, und nun seht ihr ja schon, wo wir uns befinden. Wo? Na? Genau! Im La-bor." Kündigte Laiza Harmonie herzlich die bevorstehende Schnupperstunde an und im Nu standen zehn neugierige Gefreite in Rattis "Guter Stube". Sie war recht froh, dass Huitztli Pochtli, der Laborant in Ausbildung, heute Morgen frei hatte. Obwohl sie widerwillig zugeben musste, dass er ein wirklich guter Schüler war und mal zur Abwechslung niemand, der ständig im Weg herumstand. Vielleicht hatte sie auch eine gewisse Sympathie für ihn entwickelt, weil er mehr einem Tier ähnelte, als einem Menschen.
" Ich hoffe der eine oder andere von euch, entscheidet sich für SUSI." Sagte Laiza gerade und riss damit Ratti aus ihren Gedanken, "Und nun, viel Spaß bei Lance-Korporal Rattenklein!" Damit warf sie der Laborantin einen bedeutungsvollen Blick zu, der eine Sekunde länger dauerte, als Ratti lieb war, und schloss schließlich leise die Tür hinter sich.
Und da stand Rattenklein nun. Die Gefreiten hatten sich inzwischen auf den Stühlen platziert, einige blickten noch zur Tafel, andere sahen gespannt zu der kleinen Person, die in ihrem strahlend weißen Kittel vor ihnen auf dem Tisch stand. Die Lady wartete noch einen Augenblick, drückte sich dann von dem Becherglas ab und spazierte langsam nach vorne und begann:
"So ihr Lieben, ich soll euch heute also einen bleibenden Eindruck von der Arbeit im Labor liefern? Na dann, herzlichen willkommen in dem selbigen. Mein Name steht dort auf der Tafel. Eure Namen kann ich mir sowieso nicht merken, also ist es nicht nötig, dass ihr ihn mir nennt." Sie machte eine Pause um die Wirkung zu beobachten. Es hatte sich nicht viel verändert. Einige lehnten sich sogar entspannt in ihren Stühlen zurück. Sie ging langsam nach links und fuhr fort:
" Ich werde euch nicht zeigen, wie man Chemikalien zusammenmischt. Ich werde euch nicht zeigen, wie irgendetwas explodiert, oder wie etwas brennt, oder die Tischplatte hindurch ätzt. Ich werde euch auch nichts erzählen über Tests zur Überführung von Gaunern, Fingerabdrücken oder Haar-und Hautteilen. Das könnt ihr lernen, wenn ihr euch dazu entschließt, hier bei SUSI in den Dienst zu treten. Nein. Ich werde euch erzählen, auf was man hier, im Labor, gefasst sein muss. Welche Dinge einem hier wiederfahren können und mit was man sowohl in seinem Arbeitsleben, als auch in seinem Privatleben zurechtkommen muss." Sie wanderte nach rechts, verschränkte die Arme hinter dem Rücken und senkte den Kopf.
"Ich werde euch jetzt eine Geschichte erzählen. Kein Märchen, nein, eine ECHTE Geschichte. Fragen braucht ihr nicht zu stellen, da ich sie eh nicht beantworte. Wer stört, fliegt raus und Pausen gibt es keine." Die Gefreiten waren relativ entspannt, was Ratti sowohl verwirrte, als auch ein wenig beeindruckte. Aber sie ließ sich nicht beirren und hob die Stimme.
"Es lebte hier in Ankh-Morpork vor zwei Jahrzehnten einmal ein furchterregender Mann namens Pim Van Lommel. Er war einer der hässlichsten Menschen dieser Zeit. Mit schrecklichen Furunkeln übersät. Krumme Finger und noch krummere Zehen machten ihm das Leben schwer. Seine Nägel waren gelb wie Ohrenschmalz, seine dick verklumpten schwarzen Haare, die seinen Körper nahezu vollständig bedeckten, sahen aus wie kleine Schlangen. Van Lommel war so hässlich, dass niemand sich mit ihm länger als fünf Minuten zu unterhalten vermochte. Seine Stimme erschütterte Mark und Bein und seine Zähne waren grau wie alter Schimmel. Stets trug er einen schwarzen Samtanzug mit großen roten Knöpfen. Man munkelte, sie bestünden aus geronnenem Blut..." Abrupt drehte Rattenklein sich zu ihren Zuhörern um und hob den Zeigefinger in die Luft;
"Doch!" rief sie und erreichte endlich, dass die ersten hörbar die Luft einsogen.
"Doch," fuhr sie fort, "gab es jemanden, eine Frau, der ihm Zuneigung schenkte. Sie, im Gegensatz zu ihm, war sehr ansehnlich und hatte ein hübsches rundes Gesicht und einen Körper, der den Blicken der anderen Männer schmeichelte. Aber sie war sein und schien über all seine hässlichen Eigenschaften hinwegsehen zu können; Von der warzenüberwucherten Nase bis zu den gelben krummen Zehennägeln. Sie teilte nachts mit ihm das Bett um am Tage mit ihm den Tisch. Und sie waren reich. Sehr reich. Ein großes Anwesen außerhalb von Ankh-Morpork nannten sie ihrs, sowie mehrere Ländereien im Ausland."
Einer der Gefreiten hatte schon seit längerer Zeit den Arm gehoben, aber die Laborantin beachtete ihn gar nicht und setzte sich an den Rand des Labortisches, wo sie die Beine herunterhängen ließ.
"Keiner konnte verstehen, wie solch eine hübsche junge Frau so ein Monster lieben konnte. Und wie es so ist, gab es viele Gerüchte über diese Verbindung. Es wurde gemunkelt, dass Frau Van Lommel sich vielleicht nachts in ein hässliches Klappergestell verwandelte oder sie zumindest unter ihren schönen Kleidern von großen entstellenden Narben übersät war. Vielleicht wurde sie auch gezwungen, bei ihm zu bleiben, weil er sie sonst umbringen würde. Vielleicht hatte er auch besondere...Vorzüge. Oder vielleicht war sie verhext und verflucht worden und konnte gar nicht merken, wie unglaublich unansehnlich ihr Mann war. Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Das ganze Dorf munkelte und hetzte und war neidisch auf das Glück und den Reichtum. Die Wirklichkeit aber, sah völlig anders aus.
Die Frau war weder unter ihren Kleidern entstellt, noch wurde sie gezwungen bei ihm zu bleiben. Sie hatte ihn aus freien Stücken geheiratet. Und immer sah man sie lächelnd und frohgestimmt, wenn sie über den Markt schlenderte, sonstige Besorgungen erledigte oder auf einem Damentreff war. Nie sorgenvoll oder unglücklich. Man musste sehen, dass sie ihn aufrichtig liebte."
Der Lance-Korporal ließ ihren Blick ein paar Sekunden schweigend auf den Zuhörern ruhen, bevor sie ihre Geschichte weiterführte. Jetzt war sie sich der Aufmerksamkeit völlig sicher. Die Spannung war aufgebaut. Keiner wusste, was dies mit der Arbeit als Laborant zu tun haben sollte, aber aufregend war es allemal.
"Der einzige, der sich je in das düstere Herrenhaus wagte, war ein junger Schreiner. Er kam zweimal im Monat zu dem Ehepaar Van Lommel und besserte die vielen hundert Möbel, Türen, Fenster und Wände aus. Man war überrascht in der Stadt, dass der junge Schreiner den ekeligen Herren sogar manchmal als FREUND bezeichnete. Das konnte keiner glauben und es entstanden immer mehr Gerüchte und Witzeleien über das Dreiergespann.
So ging es einige Jahre und der Schreiner erledigte seine Arbeit immer zur Zufriedenheit von den Van Lommels. Und wie es so kam und kommen musste, erledigte er sehr spezielle Arbeiten ebenfalls außer der Reihe nur zur speziellen Zufriedenheit von Frau Van Lommel.
Es machte sehr schnell die Runde bei den tratschenden Stadtbewohnern, wie man sich vorstellen kann. Und jeder lachte über den hässlichen Herrn und machte sich lustig und ein jeder sagte, dass es ja so hätte kommen müssen bei dem Aussehen. Der Schreiner selber machte kein großes Aufheben über seine Affäre zu der reichen Herrin. Er verleugnete alles, was damit zu tun hatte und fuhr weiter fort, alle zwei Wochen im Herrenhaus seine Arbeiten zu erledigen. Frau Van Lommel tat dies ebenso. Sie dementierte vehement die Gerüchte und das Geflüster über ihre geheime Liebschaft. Doch jeder war gespannt, wann Pim Van Lommel seine Beherrschung verlieren, das Haus in Brand und über die Bewohner der Stadt herfallen würde. So wurde noch mehr Angst und Hass geschürt und jeder in Ankh-Morpork wünschte sich nichts sehnlicher als den Tod des gruseligen Herren.
Eines Abends im April, es hatte schon seit dem Morgengrauen geregnet, so erzählt man, hörte man schreckliche Schreie aus den Mauern des Herrenhauses dringen. Zeitzeugen berichten von einem fürchterlichen Getöse und Geheul, viele sagen es schien direkt aus den Kerkerdimensionen an die Oberfläche zu dringen. Und schließlich...
Ein Schuss...
Ein Schuss aus einer Armbrust." Die Gnomin war inzwischen aufgestanden und zurück zu dem großen Becherglas gegangen. Jetzt beugte sie sich seitlich daneben und zog mit Schwung einen kleinen Rollwagen dahinter hervor, auf dem auf weißem Tuch eine Pistolenarmbrust gebettet war. Der Wagen hielt an der Kante des Tisches und die Gefreiten schnappten nach Luft. Ratti war insgeheim erleichtert, dass er nicht darüber hinaus gerutscht war und senkte die Stimme geheimnisvoll:
"Pim Van Lommel hatte sich erschossen. Er hatte als letzter erfahren, dass seine Frau ihn betrog. Hatte voller Gram und blinder Wut den jungen Schreiner genommen und bestialisch umgebracht. Ein zertrümmerter Schädel, Würgemale, mehrere gebrochene Knochen am ganzen Körper...was mit seinem Gemächt passiert war, will ich hier lieber aussparen. Er hatte den Betrüger getötet und danach sich selbst umgebracht." Sie machte keine Pause, sondern fing an, leise und hysterisch zu lachen.
"Nein, meine jungen Kollegen, die Geschichte ist noch nicht zu ende. Also SITZEN BLEIBEN! Diese Pistole ist ein lückenhaftes Beweisstück. In dieser Nacht ist etwas Schreckliches passiert, was klar nachzuweisen war. Einer wurde umgebracht, Motiv klar, einer hat sich selber erschossen, Motiv auch klar. Pistole gesichert. Ha!" Die Gnomin war in ein lautes Geklage verfallen und die Wörter flogen nur so aus ihr heraus; "Nein, meine Lieben. So einfach ist es nicht. Seit ich diese verdammte Pistole in diesem Labor liegen habe, lässt sie mir keine Ruhe. Nein sie lässt mich keine Nacht mehr schlafen, denn sie steht in Verbindung mit diesem schrecklichen Van Lommel, mit seinem Körper, seiner Seele, seinem GEIST. Ja, sein Geist. Er geht in diesem Labor um, seit dieser Fall wieder aufgerollt wurde. Er geht um seit..." Sie holte Luft, "...seit der einzige Bolzen verschwand, der in dieser Pistolenarmbrust war und in Lommels Herz steckte."
Es war totenstill im Labor. Die Gefreiten wagten es kaum zu atmen. Einige bewegten ihr aufgerissenen Augen suchend hin und her als ob sie befürchteten, den Geist des verstorbenen Pim Van Lommel in einer der dunklen, spinnenwebendurchzogenen Ecken zu entdecken.
"Etwas stimmt an diesem Selbstmord nicht, sage ich euch. Van Lommel flüstert es mir in stillen Nachtschichten ins Ohr. Er steht hinter mir. Ich spüre stets einen leisen Luftzug wenn er wieder auftaucht und weiß genau...er ist wieder da! Er verlangt Gerechtigkeit.
Wollt ihr wissen, was mit seiner Frau passierte, nach dieser abscheulichen Nacht?
Nichts. Sie erbte alles Vermögen, alle Ländereien. Ja, dieses Glück wurde ihr zuteil. Aber niemand hat sie je wieder gesehen. Einige sagen, sie starb einsam in dem großen Haus an Gram und Schock. Andere sagen, sie wagt sich nur nachts heraus, weil sie vor Grauen weiße Haare und tiefe Furchen im Gesicht bekommen habe. Und einige behaupten...sie habe die Hand im Spiel gehabt, als ihr Mann an einem Schuss starb. Und sehr wenige, nur eine Handvoll, sagt, sie habe den Bolzen aus der Pistolenarmbrust gestohlen. Und wisst ihr was? Genau dieses wird mir auf unheilvolle Weise immer und immer wieder von dem spukenden grotesken Pim in seiner rauen tiefen Stimme zugeflüstert."
Lady Rattenklein atmete hörbar aus und fragte:
"Aber warum? Es gibt nur eine Antwort: Weil sie ihren Mann selber umgebracht hat! Er haucht mir zu, sie habe sie verschwinden lassen und zwar hier. Hier in diesem Labor." Das letzte Wort flüsterte Ratti. Sie selber hatte plötzlich Herzklopfen und war sich nicht wirklich sicher, ob sie sich das tatsächlich ausgedacht hatte, oder ob es Realität war.
"Und nun, meine jungen Freunde, überlegt euch gut, wo ihr arbeiten wollt und was ihr verkraften und euren Augen, eurem Magen und eurer Psyche zumuten könnt." Damit schloss sie ihre Vorstellung, nahm den Rollwagen mit der Pistole und schob ihn wieder hinter das Becherglas. Sie spürte, dass hinter ihrem Rücken die Gefreiten langsam aufstanden und einer nach dem anderen blasser als zu dem Zeitpunkt, wo sie den Raum betraten, das Labor verließen.
Als sie sich zufrieden umdrehte, da sie sich alleine wähnte, musste sie vor Schreck aufschreien. Als sie aber eine Sekunde später bemerkte, dass es ein einzelner Gefreiter war, der da noch saß, verzog sie leicht verärgert ihren Mund.
"Ist noch irgendwas?" fragte sie rüde.
"Phantastisch!" rief er strahlend und klatschte freudig in die Hände. "Genau das will ich auch erleben!"
Damit hatte Ratti nicht gerechnet.
"Wie bitte?" ungläubig blieb ihr der Mund offen stehen.
"Wir müssen nach dem Bolzen suchen! Nur so können wir den Fall hundertprozentig aufklären!" Der Gefreite stand aufgeregt auf und begann hektisch damit, Boden und Wände abzuklopfen, in Töpfe und Gläser hineinzuschauen und die Decke mit den Augen abzusuchen.
"Hör auf mit dem Quatsch und sieh zu, dass du den Anschluss an deine Kameraden nicht verlierst. Wir haben hier schon alles auf den Kopf gestellt, glaub mir. Ich habe jetzt zu tun, okay? Danke das du zugehört hast, aber nun..." Die Laborantin wies auf die Tür. Unwillig verschwand der Neugierige, sah sich dabei aber noch mehrmals um, als ob ihm in letzter Sekunde doch noch etwas auffallen könnte.
Ratti grinste. "Feierabend!" lachte sie, hüpfte vom Tisch und machte sich auf in Richtung Bougerie Rouge.

******


"Du hättest ihre Gesichter sehen sollen, Breda!" gluckste Lance Korporal Rattenklein, als sie später am Abend ein Schwätzchen mit Ihrer Zimmerkumpanin hielt.
"Na ich weiß ja nicht." Gab die Vampirdame zu Bedenken, "So wie ich das sehe, kann das zu einer Abmahnung führen, Ratti. Vortäuschung falscher Tatsachen und so, du weißt es selber..."
"Ach was. Die sollen sich nicht so anstellen." Murmelte die Gnomin etwas zaghafter als sie beabsichtigte und begann, schuldbewusst in ihrer Tasche zu kramen.
"Oh Mist!" rief sie plötzlich, "Ich habe den blöden Schlüssel in der Labortür stecken lassen!"
"Was man nicht im Kopf hat..." lachte Breda.
"Jaja." Ratti war schon auf dem Weg zur Tür. "Bis gleich."

Ein Geräusch ließ die Gnomin innehalten. Da war doch jemand drin!
Die Labortüre war nur angelehnt und aus dem Spalt drang gedämpftes Licht.
"Na warte, du Früchtchen...wenn irgendjemand zu dieser Unzeit im Labor was zu suchen hat, dann bin ICH DAS! Attacke!" schrie sie und stürzte wütend in ihr Heiligtum.
Gerade als sie sich mutig auf den Einbrecher stürzen wollte, drehte dieser sich von der Wand weg und hob zum Schutz die Hände vors Gesicht.
"Du??" sie erkannte den Gefreiten[2] vom Morgen zuvor. "Was in aller Welt meinst du hast du hier zu suchen?? Ach du Sch... . Bei allen... ." sie verstummte, als ihr Blick vom aufgeschraubten Lüftungsschacht zu seiner Hand wanderte, in der er einen kleinen Bolzen mit glitzernder Spitze hielt.
[1] Ratti war vor einiger Zeit in einen Schuhkarton auf Bredas Schrank gezogen


[2] Ich habe dem Gefreiten absichtlich keinen Namen gegeben, da ich nicht abschätzen konnte, welcher von den "Neuen" sich nun bei SUSI bewirbt.

Zählt als Patch-Mission für den Laborantin-Patch.



Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.

Feedback:

Von Braggasch Goldwart

01.12.2010 13:57

Japp, neue Rekruten sind einfach nur faul. :DWie nciht weiter verwundern wird, finde ich die Geschichte in der Geschichte wundervoll - und auch sehr gut erzählt. Man fühlt sich direkt wie ein Rekrut, der da sitzt und lauscht.Allerdings verstehe ich weder, warum sich der Bolzen noch im Labor befinden sollte, noch, wieso sein Auftauchen etwas an dem Fall ändern sollte...

Von Huitztli Pochtli

01.12.2010 13:57

Och menno! Schade, dass man als SUSI im Pokal nicht auch für SUSI stimmen kann: Meiner Meinung nach die beste Single in diesem Durchgang des Pokals!

Von Ophelia Ziegenberger

01.12.2010 13:57

Schöner Ansatz und amüsante Umsetzung der Vorlage. Ich musste mehrmals schmunzeln und auch die gespannte Erwartungshaltung der anonymen Rekruten übertrug sich auf mich. Die Fußnote am Ende war gewissermaßen das Sahnehäubchen. ;) Für mein persönliches Empfinden (Geschmacksfrage) kam die Abteilung an sich, vertreten durch zwei bzw. drei Angehörige derselben, etwas zu kurz.

Von Sebulon, Sohn des Samax

01.12.2010 13:57

An dieser Single entlädt sich leider eine Menge Ärger. Wäre doch nur mehr Zeit für Zweit- und Drittkorrektor gewesen! Was mir aufgefallen ist:- die Formatierung des Kursiven war zum Zeitpunkt des Onlinestellens flöten gegangen- an anderen Stellen die Formatierung der wörtlichen Rede. ("Wäre schade um deinen rosa Haarschmuck." Gab Breda zu bedenken.) Hilfestellungen zum Formatieren [url=http://www.stadtwache.net/anleitung/anleitung-schreiben.php]findet man hier[/url].- Stilistisch fallen mir Satzreihungen auf, die sich nur sehr widerborstig lesen lassen. (Ihre Zimmerkumpanin Breda Krulock stürzte die Lippen und nickte stumm. War sie ja schon das Gezetere der immer schrulliger werdenden Gnomendame gewohnt. Aber sie fand es irgendwie auch recht amüsant und so grinste sie in sich hinein.)Inhaltlich: - der einzige Gefreite (da steht was von zehn, die auch noch neugierig seien), der in der Wache derzeit keine Abteilung hat, wird nicht mit Namen genannt und hat folgerichtig auch keinen sonderlich tiefen Charakter(Liebe Ratti, solltest du Rekruten gemeint haben, dann entschuldige bitte. Allerdings hättest du dann wenigstens einen oder zwei Rekruten namentlich und charakterlich einbauen können, ohne den faszinierten Rekruten benennen zu müssen. Rekruten sind jedoch keine Gefreiten - von denen schreibst du ja.)... hmm ... vielleicht ist ja die Vorlage irreführend, die auch schon von den 'frisch beförderten Gefreiten' redet ...?Ich verstehe, dass du eine Gruselgeschichte bauen wolltest, die keine Rückfragen zulässt; über die Logik deines Mordfalls will ich also keine Fragen stellen. Allerdings wünsche ich mir als Leser durchaus mehr Infos zur Auflösung des Falles, wenn die Überschrift "Der Fall Lommel" lautet. Es passiert hier leider keine Ermittlung, die doch der Geschichte aus meiner Sicht gut getan hätte.Schade. Denn dein Schreibstil liest sich sonst gut, finde ich, auch in früheren Geschichten.

Von Valdimier van Varwald

01.12.2010 13:57

In meinen Augen eine sehr nette Umsetzung der Vorlage, die ich so nicht erwartet hätte. Dein Schreibstil war wie immer sehr gut zu lesen und lässt eigentlich keinen großen Raum für Bemängelungen. Allerdings fand ich auch, dass für eine Pokey die gesamte Abteilung zu wenig einbezogen wurde.

Die Stadtwache von Ankh-Morpork ist eine nicht-kommerzielle Fan-Aktivität. Technische Realisierung: Stadtwache.net 1999-2024 Impressum | Nutzungsbedingugnen | Datenschutzerklärung