Alles hört auf mein Kommando

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von Lance-Korporal Breda Krulock (DOG)
Online seit 01. 04. 2008
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Ein Einblick in das Leben eines D.O.G.s - Ganz gewöhnlicher Alltag.

Dafür vergebene Note: 12

Der Regen prasselt gegen die Fenster und auf die Dächer der Häuser und ein kalter Lufthauch weht mir um die Nase, als ich mich auf den Weg in die obere Etage des Boucheries mache. Es wäre gelogen wenn ich behaupten würde, dass ich mich sonderlich beeilen würde. Sie werden schon auf mich warten.
Auf dem Weg treffe ich Liselotte und Giselle, die grade eine kleine Pause einlegen und sie lächeln mir zu, als ich an ihnen vorbei komme. Diese beiden sind einfach liebreizend. Sie sind immer gut gelaunt und liebevoll, und das auch an Tagen, wo sie alle Hände voll zu tun haben. Manchmal sogar, wenn keiner zusieht und keiner Verdacht schöpfen kann, geben sie mir eine Kleinigkeit zu essen aus ihrem privaten Vorräten. Aber das ist ein Geheimnis und wird nicht an die große Glocke gehängt. Warum sie das machen? Nun, ganz einfach: Weil sie mich mögen und mich auch ein klein wenig beneiden. Außerdem gebe ich ihnen so das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben. Und das macht das Leben doch erst lebenswert, oder nicht?
Als ich im oberen Stockwerk ankomme höre ich Stimmen und gehe einen Schritt schneller. Die Tür vom Chef steht offen, also trete ich ohne Anklopfen hinein. An der Tür, lässig wie immer, lehnt der Nichts. Die Begrüßung zwischen mir und dem Lance-Korporal fällt kalt aus. Ich kann ihn nicht einschätzen und mag ihn deshalb nicht - er weiß das, ich weiß das, und er weiß, dass ich es weiß. Also lasse ich ihn links liegen und setze mich neben einen von den Neuen. Ich weiß nicht, wie er heißt, aber das ist mir auch egal. Der alte Mann da vorne, ich meine den Chef, fängt an zu reden und hört gar nicht mehr auf. Er lobt die Abteilung, obwohl doch jeder weiß, dass er nur hier ist, weil ... weil ... ja warum eigentlich? Es wird gemunkelt, dass Humph versucht, in jeder Abteilung mindestens einmal Leiter gewesen zu sein. Gerüchten zufolge hatte er sich sogar für das Amt des Kommandeurs beworben. Aber seien wir mal ehrlich: Gegen den alten Breguyar kommt keiner an. Nicht mal der alte Knollenbeißer, obwohl dass natürlich niemand zugeben würde. Aber das ist nicht mein Bier. Ob nun ein Vampir oder ein Halbvampir versucht, den Laden am Laufen zu halten, ist mir egal. So lange sie mich in Ruhe lassen, ist alles Tuttifrutti. Der Chef redet übrigens immer noch. Mittlerweile hat er aber nach all den Ausschweifungen seinen Weg zum eigentlichen Thema gefunden. Die Arbeitsmoral sei im Keller und das müsse sich ändern. Nichts neues also. Während er weiter redet, nehme ich Blickkontakt mit Hatscha auf. Sie nickt mir zu und schenkt mir ein Lächeln, in das ich zwei Bedeutungen interpretieren kann: Zum einen ist ihr auch stinklangweilig und zum anderen mag sie mich einfach. Ich denke, beides trifft es ganz gut.
Und jetzt kommt der Interessante Teil der Versammlung: die Arbeitsverteilung. Ein paar von den Frischlingen sollen in die Blatzgasse 5, dort ist ein Mord geschehen, was uns alle natürlich total überrascht. Dort sollen sie den S.U.S.I.s ein wenig über die Schulter schauen und versuchen, den Fall an D.O.G. weiterzuleiten. Dass er dann mit dem Finger auf mich zeigt, finde ich gar nicht gut.
"Du gehst mit!"
Ich glaub, ich höre nicht richtig! Die anderen gucken mich schief an und grinsen. Am liebsten würde ich ... aber nein, das bringt nichts. Immerhin wissen sie alle, dass ich ihnen schon mehr als einmal den Hintern gerettet habe und dass ohne mich hier eigentlich gar nichts laufen würde. Ich halte die Gruppe moralisch und teamtechnisch zusammen, und das nicht erst seit gestern ...
Dann werde ich den neuen Hüpfern mal helfen, ihre Ausbildung zu beenden. Sie sollen meine Hilfe übrigens nur dann in Anspruch nehmen, wenn sie mich wirklich benötigen, hat der Chef gesagt. Und wenn der Chef was sagt, wird das auch getan. Na, dann wird das wenigstens ein ruhiger Job für mich heute. Hoffentlich vergeht die Zeit bis zum Abendessen schnell, denn ich habe tatsächlich schon wieder Hunger.

Es hat aufgehört zu regnen, doch dafür zieht die Kälte nun richtig an, was mich aber nicht wirklich stört. Meine drei Kollegen allerdings folgen mir zitternd. Sie haben sich ihre Mäntel eng um die Schultern gezogen und einer von ihnen klappert sogar mit den Zähnen. Da alle drei aussehen wie begossene Pudel im Hagelschauer, kann ich nicht sehen, wer von ihnen das nervtötende Geräusch verursacht. Es könnte jeder von ihnen sein ... Also habe ich keine andere Wahl, als ihnen den schnellsten Weg zum Tatort zu weisen. Als wir dort ankommen, ist bereits die Hölle los. Die Gefreite mit dem Namen einer ansteckenden Krankheit holt einen Frosch aus ihrer Tasche und setzt ihn draußen vor der Tür ab. Mir liegt ein bissiger Kommentar dazu auf der Zunge, doch ich muss an meinen Ruf denken. Nicht dass hinterher einer sagt, ich hätte meinen Job nicht ordnungsgemäß erledigt und den Welpen Angst eingejagt. Es wäre eine glatte Lüge, aber mir würde man in dieser Hinsicht nicht glauben. Irgendein Scherzkeks hat mal ein "Vorsicht: Bissig!"-Schild an meine Tür gehängt. Dass diese Person mittlerweile nicht mehr in der Wache ist, damit habe ich rein gar nichts zu tun, ehrlich!
Nachdem das glitschige Ding eine nette Pfütze gefunden hat, folgt Coccinella, wie sie heißt, mir endlich hinein. Ptupekh und Schizzel Schattig stehen im Flur und reden bereits mit einem Wächter von S.U.S.I.. Nach kurzem Überlegen gelingt es mir auch, dem Gesicht einen Namen zuzuordnen, und ich gehe hinüber. Tatortwächterin Inös begutachtet mich mit einer hochgezogenen Braue und führt ihre Erklärungen, an die beiden Gefreiten gerichtet, fort.
"Wir haben etwas gefunden", sagt sie und ihr gebührt mein voller Respekt für eine solche Aussage. "Es scheint eine Gildenquittung zu sein, aber wir sind uns nicht sicher."
Erneut schlucke ich den Kommentar hinunter, der schon fast seinen Weg nach draußen gefunden hatte. Ich meine Halloooo?!?, wir Hunde können auch etwas und das gar nicht mal schlecht. Und wenn hier einer erkennen kann, ob eine Quittung echt ist oder nicht, dann ja wohl ich! Aber ich soll mich ja zurückhalten und so folge ich ihnen einfach in die Wohnung, welche nicht weiter erwähnenswert ist. Eine ganz normale Wohnung mit zwei Fenstern und einem Wohn-Schlafbereich. Es riecht alt und modrig und ich frage mich, warum niemand das Fenster geöffnet hat. Auf dem Holzfußboden zeichnet sich der Umriss einer Person ab. Der Körper ist bereits entfernt worden, nur die Kreidelinie ist noch zu sehen. Anzeichen für einen Kampf sehe ich keine. Weder ist etwas umgestoßen worden, noch gibt die Linienführung der Kreide Hinweise auf ein Verbrechen. Alle Gliedmaßen liegen dicht am Körper, als ob die Person sich freiwillig hingelegt hätte. Zumindest deute ich das anhand der Zeichnung. Schizzel geht hinüber und beugt sich hinunter und während er die Dielen ganz genau begutachtet, wischt er leicht mit dem Finger über den Umriss. Ob ich ihm sagen soll, dass es wirklich nur Kreide ist? Oder soll ich warten, bis er ... Ha! Okay ... hat sich erledigt. Scheint ihm nicht zu schmecken, aber aus Schaden wird man klug, hat ein alter Mann mal gesagt. Jetzt verzieht er das Gesicht und schaut mich böse an. Ah, ich verstehe: Ist natürlich meine Schuld. Schon klar! Ich murmle leise eine Verfluchung und gehe im Raum umher, bleibe neben Ptupekh stehen und versuche zu erkennen, was er in den Händen hält. Dass ich nichts von seinem Gesicht erkenne, nervt mich ein wenig. Mumie hin oder her, man kann es auch übertreiben. Seine Handschuhe knarzen leise, als er das Stück Papier vor und zurück wendet.
"Ich glaub', das ist 'ne Fälschung."
Durch das Tuch vor seinem Mund verstehe ich ihn kaum, aber ich gebe mir auch keine besonders große Mühe, dass sich das ändert. Fragend schau ich ihn an. Er jedoch beachtet mich nicht und dreht sich zu Coccinella um. "Hier, du wirst doch Gildenexperte. Sag mal was dazu!"
Da es interessant zu werden scheint, setze ich mich auf das muffelige Sofa und mache es mir bequem. Ich bin wirklich gespannt, wie lange sie brauchen werden.
"Hmm", macht die Froschfrau nur und ich frage mich, was die Welpen heutzutage in ihrer Ausbildung beigebracht bekommen. Aber da sieht man es mal wieder: Wenn man nicht alles selbst macht ... Doch bevor ich etwas sagen kann, scheinen sie sich alle einig.
"Wenn das 'ne Fälschung ist, werden wir es herausfinden!" Ein leiser Jubel ertönt und wie bei einer Schnitzeljagd stürmen sie hinaus. Ich habe große Mühe, so schnell vom Sofa hochzukommen, ohne mir dabei alle Gelenke zu verdrehen, um ihnen zu folgen.
Während ich nun humpelnd hinter ihnen her laufe, denke ich mir, dass ich für so etwas vielleicht doch langsam zu alt werde. Immerhin habe ich in Menschenjahren schon ganze Jahrzehnte auf dem Buckel. Die gehen nicht spurlos an einem vorbei. Doch viel Zeit zum Überlegen habe ich nicht, denn in kurzer Entfernung sehe ich sie bereits die Tür zum Wachhaus am Pseudopolisplatz aufstoßen.

Ich muss zugeben, dass ich schon ein bisschen Schadenfreude entwickle, als ich vor der Tür des Labors stehe und die Schreie durch die Tür höre. Rib ist voll in seinem Element und poltert, was das Zeug hält. Klug, wie ich nun mal bin, bin ich nicht mit hineingegangen, um eine chemische Analyse der Quittung anzufragen. Ich kenne die Regeln, im Gegensatz zu den drei Neulingen. Außerdem erkenne ich eine gefälschte Quittung mit verbundenen Augen und kopfüber überm Ankh hängend und würde deswegen nie zu den S.U.S.I.s gehen. Aber nun gut, ich soll mich ja zurück halten.
Eine rosa Flüssigkeit sickert unter dem Türspalt hervor. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die Lebensmittelreste ausgegangen sind und Rib nun mit Reagenzgläsern schmeißt. Zeit für mich, die Situation vor dem Eskalieren zu bewahren. Ich drücke die Tür einen Spalt weit auf und luge hinein. Es reicht, dass ich mich kurz zeige und die Schmeißerei hört auf.
Lady Rattenklein hebt den Kopf aus ihrem mit Kaffee gefüllten Becher und schaut zu mir hinüber. "Da!", ruft sie meinen Kollegen zu. "Ihr habt doch einen Experten dabei. Was wollt ihr dann von uns?" Mit einem zuckersüßen Augenzwinkern in meine Richtung senkt sich ihr Kopf wieder dem Becher zu und ein schlürfendes Geräusch ertönt. Die drei Hunde schauen mich verwundert an und versuchen zu verstehen.
Seit Ratti im Boucherie wohnt, haben wir uns noch besser kennengelernt und festgestellt, dass wir uns sehr gut ergänzen. Wenn sie weite Strecken zu bewältigen hat, trage ich sie und dabei haben wir schon die lustigsten Unterhaltungen geführt. Ratti ist eine ganz Liebe. Ich mag sie. Sie redet nicht nur dummes Zeug wie viele andere. Keine Worthülsen, nein! Manchmal, spät Abends, führen wir sogar richtig tiefgründige Gespräche. Meist redet nur sie, aber das stört mich nicht. Das zeigt, wie viel Vertrauen sie in mich hat, ihre intimsten Geheimnisse mit mir zu teilen. Man könnte sagen, ich bin der Gnomin bester Freund!
Dass die Drei das nicht wissen, dessen bin ich mir bewusst. Und nun ratet mal, wie sehr mich das interessiert!
Widerwillig gehen sie mit mir hinaus vor die Tür und Ptupekh und will mir die Quittung reichen. Ich schau kurz drauf und bemerke aus den Augenwinkeln, wie sie mir misstrauen und Grimassen schneiden. Mir wird klar, dass sie diesen Fall, wenn man es so nennen kann, alleine lösen müssen. Ich schnaube kurz und schaue sie mit großen, unschuldigen Augen an. Sie haben den Wink tatsächlich und relativ schnell verstanden! Der Mumierich steckt den Zettel wieder ein. Ich würde jetzt nur zu gern sehen, welche Verrenkungen sein Mund unter dem Tuch macht, aber seine Augen sagen alles. Dieser leere, starre Blick ... Nun, könnte daran liegen, dass er irgendwie tot ist, doch ich sehe da mehr. Viel mehr! Aber ich bin kein Abteilungsleiter. Soll Humph sich mit diesem Problem befassen, wenn es soweit ist und es Probleme gibt.
Als wir auf die Strasse treten, ist es bereits später Nachmittag und dicke Wolken verdecken die Sonne. Ich muss ja nicht erst erwähnen, wie vorteilhaft das für mich ist. Diese Wärme bringt mich eines Tages nochmal um. Wir steuern die Richtung zum Boucherie Rouge an. Es scheint, als erwarte uns nun ein bisschen Papierkram.

Ich gehe hinter den anderen her, als wir die Treppe zum 1.Stock des Gebäudes erklimmen. Oben angekommen sehe ich, wie ein mir unbekanntes, aber dennoch irgendwie vertrautes Gesicht das Büro des Abteilungsleiters verlässt, gefolgt von jenem selbst. Während die drei Jungspunde schnell ins Archiv hetzen, um ja keine Fragen gestellt zu bekommen, bleibe ich einen Augenblick lang stehen. Dieses Gesicht ... ich kenne es!
Humph kümmert sich nicht weiter um mich und verabschiedet seinen Gast.
"Also gut, Dorian. Willkommen bei D.O.G.. Du hast eine weise Wahl getroffen! Du kannst deine Uniform bei Liselotte abholen. Die dritte Tür von rechts im Erdgeschoss. Aber klopf vorher an." Dieser Dorian lächelt und salutiert zum Gruß, als sich der Chef zurück in sein Büro begibt. Mir fällt meine Kinnlade herunter, als ich realisiere, wer da vor mir steht. Dorian bemerkt meinen Blick und kommt auf mich zu. Wie unter alten Vertraute streichelt er mir über die Wange und legt den Zeigefinger seiner anderen Hand über seine Lippen. Keinen Laut kann ich von mir geben, wie wir da so stehen. Zu groß ist die Überraschung. Diese Augen würde ich unter Tausenden erkennen! Doch ich erkenne auch, was er da von mir verlangt, und ich sei verflucht, wenn ich ihm nicht jeden Wunsch erfüllen würde, den er von mir verlangt. Hätte ich Schamesröte, sie wäre mir nun zu Gesicht gestiegen, doch ich kann mich nur von seiner Berührung lösen und verlegen den Kopf senken. Er lacht kurz auf, küsst seine Handinnenfläche und legt mir diese dann auf den Kopf. Und dann ist er weg. Ohne ein weiteres Wort. Oder besser gesagt: ohne ein einziges Wort.
Ich steh noch einige Minuten am Treppenabsatz und versuche mich zu sammeln. "Dieser alte Haudegen!", denke ich bei mir, als ich dann die Treppe zu meinen drei Schützlingen hinauf gehe.
Schattig und Pyrrhula, die Froschfrau mit der ansteckenden Krankheit, hocken bereits im Schneidersitz artig über den Notizen, die einer der Dobermänner zusammengetragen hat. Von diesen Informationen lebt die ganze Abteilung, denn auch die Huskies sind daran interessiert, möglichst viel über die Gilde zu wissen, in die sie eingeschleust werden. Hach, ich wünschte, ich wäre damals auch ein Husky geworden! Muss schon ein aufregendes Leben sein, ständig unterwegs und unter Leuten, die dich alle bewundernd anschauen ...
Mein Blick fällt auf Ptupekh, welcher sich grade mit Glum Steinstiefel unterhält. Und wenn ich eines nicht mag, dann sind es Zwerge, die einem ständig hinterher rennen und mit dir Gehen wollen. Einmal hat er mich einen Matratzentester genannt. Zwar nur aus Spaß, wie er beteuerte, aber das ging wirklich zu weit. Immerhin geht es niemanden an, was ich in meiner Freizeit mache, und wenn man nichts zu sagen hat, sollte man einfach mal den Mund halten. Über diese Inkompetenz rege ich mich ständig auf! Der Chef hat mich schon ermahnt, ich solle den Leuten nicht ständig wegen solcher Lappalien ans Bein pinkeln, aber bei dem Zwerg würde ich zu gern mal ... ach, egal. Bei den Kleinwüchsigen ist das Knie eh recht tief, viel zu tief, wenn ihr mich fragt. Aber mich fragt ja keiner.
Die beiden setzen ihre Unterhaltung fort, als würden sie mich nicht bemerken, und ich bleibe am Türrahmen stehen, um das ganze aus der Ferne zu beobachten. Die beiden Gefreiten wühlen sich durch die Notizen und scheinen irgendwann das richtige gefunden zu haben. Wurde ja auch Zeit, denn so langsam kann ich nicht mehr stehen. Und was soll ich euch sagen? Die Mumie seilt sich tatsächlich ab. Hat wohl keine Lust mehr. Vielleicht jucken auch seine Bandagen, was weiß ich? Er sagt, er habe noch etwas anderes zu tun und verschwindet mit dem Zwerg Richtung Treppe. Ich will gar nicht wissen, was die beiden schon wieder aushecken, und warte darauf, dass die beiden anderen in die Pötte kommen. Nachdem alle noch einmal auf dem Klo waren und sich frisch gemacht haben, machen wir uns endlich auf zur Assassinengilde. Mal wieder.

Ich kenne diese Gilde besser als meine eigene Bude und es würde mich nicht wundern, wenn mich innerhalb der ersten drei Sekunden jemand erkennt. Das Schicksal eines fleißigen Wächters, behaupte ich da einfach mal. Ich ergebe mich meinem Schicksal, wie so oft, und schreite zur Tür, überlasse jedoch den anderen beiden die Arbeit. Immerhin weiß ich schon, wie man mit dieser Gilde umzugehen hat. Die Welpen müssen erst noch lernen, dass man hart und unnachgiebig sein muss. Keine Schwäche zeigen, am besten nur Zähne und niemals um etwas bitten sondern einfach ...
"Schönen Guten Tag, der Herr. Wir sind von der Stadtwache und würden gerne mal die Meinung eines Experten zu einer Quittung hören. Es wäre sehr nett, wenn jemand mal einen Blick auf dieses Stück Papier werfen könnte. Bitte!"
Oh, oh ... Der Typ hinter der Tür schaut Coccinella mit verzogenen Augenbrauen an, dann Schizzel und dann mich. Ich tue ganz lässig und widme mich der Außenfassade. Mit so einer Tour werden sie keinen Erfolg ha ...
"Aber gerne doch", antwortet der Türmann mit einem Lächeln, das merkwürdigerweise nicht verräterisch-mörderisch aussieht. "Kommt rein. Aber bitte nichts anfassen. Das könnte tödlich enden." Ohne das übliche Quietschen und Knarzen öffnet sich die Pforte ins Heiligtum der Gilde, was mich ehrlich gesagt ein wenig überrascht. Aber wirklich nur ein wenig. Immerhin kennt diese Gilde niemand besser als ich. Und wer etwas anderes behauptet, der lügt!
Der Mann weist uns an, in der Halle zu warten. Ich hatte sie viel düsterer in Erinnerung ... Nach nur wenigen Minuten kommt ein in Grau gekleideter Herr auf uns zu und stellt sich mit dem Namen Sebastian vor. Er ist einer der weniger aktiven Assassinen, was auch seinen recht hellen Kleidungsstil erklärt. Der Name auf der Quittung scheint ihm bekannt zu sein.
"Er ist momentan beurlaubt. Ein familiärer Vorfall. Ich müsste in den Archiven nach dem Auftrag suchen. Das könnte ein wenig dauern."
Schizzel bittet ihn darum, was Sebastian mit einem freundlichen Lächeln annimmt.
"Immerhin wollen wir sicherstellen, dass niemand ohne Genehmigung unterwegs ist", erklärt er uns seine Gutmütigkeit und ich erkenne sofort den Nutzen für die Gilde hinter diesem Vorgehen. Falls es wirklich eine Fälschung sein sollte, würden wir, egal wie schnell wir rennen würden, zu spät kommen und die Gilde hätte sich dieses Problemes selbst entledigt. Coccinella scheint heute gut gefrühstückt zu haben, denn sie kommt zu demselben Schluss und verlangt Auskunft, über die Wohnadresse des Assassinen. Der Mann zögert zwar, gibt uns dann aber alle Informationen, die wir benötigen. Er werde uns dann dort antreffen, versichert er, was niemand zu bezweifeln wagt.
Die nicht allzu weit entfernte Turmuhr des Palastes schlägt acht Uhr, als wir die Strasse entlang zur Wohnung des Verdächtigen laufen.

Während wir uns die Lunge aus dem Leib rennen, denke ich kurz daran, die beiden zurück ins Boucherie zu bringen, da diese Nummer doch ein bisschen zu groß für Welpen im Alleingang ist. Aber im selben Augenblick erinnere ich mich daran, dass ich ja dabei bin. Was kann also schon schiefgehen? Dass dies einer Fischverfolgung gleichkommt, ist mir durchaus bewusst. Die Indizien, die wir gegen die verdächtige Person haben, sind glitschig und es dauert bestimmt keine Sekunde, bis er uns aus den Händen gleitet, nämlich direkt in die Arme der Gilde. Aber es war eine gute Übung für die Neuen.
Jetzt stehen wir also vor der Tür des Mannes, dessen Name mir entfallen ist, und die beiden Dobermänner in Ausbildung treten in den dunklen Flur des Wohnhauses. Sauber und gut gepflegt ist eindeutig etwas anderes, aber in meinem langen Leben habe ich schon weitaus schlimmeres gesehen. Ich erinnere mich an diesen einen Tag, wo ich mit zu den S.U.S.I.s musste und wir den vollkommen unbedeckten Silly in seiner Wanne überrascht haben. Ein Tag, den alle Beteiligten gerne zu vergessen suchen.
Langsam gehen wir an der Treppe vorbei in Richtung zweier Türen am Ende des Flures. Es ist vollkommen still im Haus, doch irgendwas höre ich dennoch. Eine Art Surren.
Das riecht hier doch schon faul! So still ist kein Haus, außer es sind alle ... Moment!
Ich schleiche an den anderen vorbei und wittere den Typen hinter einer der Türen. Sie steht einen Spalt offen. Als ich das Zischen höre, stürme ich los und meine Kollegen folgen mir. Ich stoße die Tür zur Seite und falle fast vorne über, als ich versuche schnellstmöglich zum Stehen zu kommen. Das Zimmer vor mir ist voller Blut. Mir wird schlecht, aber ich reiße mich zusammen, immerhin ist dies nicht der richtige Moment. Wieso muss ich ausgerechnet jetzt an Wurst denken?
Der Mann in der Mitte des Zimmers ist noch warm, doch das riesige Loch in seiner Schläfe und der Blick auf seine Gehirnmasse an der Wand dahinter lassen nichts Gutes erahnen.
Die Burlich-Starkimarm sirrt noch leise. Die Sehnen qualmen leicht durch die schnelle Aktivierung des Bolzens, der nun in der gegenüber liegenden Wand steckt und leicht brennt. Pulver Nummer Eins. Ohne Frage. Ich gehe einige Schritte und ignoriere das Blut. Das heißt, ich versuche es. Ich sehe den Köcher mit den Bolzen. Es sind dieselben wie der in der Wand. Nummer 45, die mit der besonderen Durchschlagskraft, wenn ich das richtige erkenne. Ich brauche gar nicht erst in den Köcher zu schauen, um zu wissen, dass sich darin durch die jahrelange Nutzung etwas von dem Pulver Nummer Eins angesammelt hat. Das kann ich bis hierhin riechen und auch der Pfeil an der Wand ist Erklärung genug. Das wird ihm dann wohl den Rest gegeben haben. Die Konstruktion auf dem Tisch sieht nach etwas Selbstgebasteltem aus, und während ich noch ein wenig herum schnüffele, betritt Sebastian den Raum. Ich bin mal so gar nicht überrascht, wie schnell er die nötigen Informationen bekommen hat. Und er bestätigt, was ich die ganze Zeit schon vermutet habe: "Die Quittung ist echt!" Aber auf mich hört ja eh keiner.

Nachdem die Gilde sich der Sache angenommen hat, haben wir, wenn auch widerwillig, alle Daten bekommen, die wir für einen Bericht benötigen.
Der verstorbene Assassine hat seinen Auftrag gildengemäß ausgeführt. Leider ist sein Ziel rein zufällig der Mörder seiner Frau gewesen. Der familiäre Grund, weshalb man ihn beurlaubt hat. Und wahrscheinlich auch der Grund, warum er den Auftrag überhaupt angenommen hat. Und da er durch diesen Auftrag seinem inneren Drang zur Selbstjustiz Genüge getan hat, war nicht nur sein Auftrag erledigt, sondern auch der Grund, warum er ohne seine Frau weiter leben sollte. Ob er den Täter gekannt hat, wissen wir nicht. Aber der Tatort wies ja daraufhin. Das bleibt aber reine Spekulation und hat nichts im Bericht zu suchen.
Weil mich diese Herzschmerzsache nicht interessiert und mir das ganze ein bisschen zu abgedroschen erscheint, schiebe ich alles auf Mutter Zufall und Gerechtigkeit und verabschiede mich von den beiden nun nicht mehr ganz so frischen Hunden. So eine Sache kann besonders in der ersten Zeit ganz schöne Folgeschäden bereiten. Der Schaden wäre bei den beiden nicht besonders groß, aber man macht sich eben schon so seine Gedanken. Nach einem kurzen Marsch sehe ich die roten Laternen und kann es kaum erwarten, endlich Feierabend zu haben!
"Hey, warte!"
Müde und genervt bleibe ich stehen und schaue langsam über meine rechte Schulter. Aus der Dunkelheit einer Seitengasse sehe ich den Lance-Korporal Krulock auf mich zu kommen. Sehr wahrscheinlich hat sie wieder an irgendeiner Gilde gearbeitet und ist deshalb, zu dieser für sie normalen Tageszeit, noch unterwegs. Und sie trägt schon wieder diese kurze Rockuniform. Ts, wenn sie nicht schon tot wäre, würde sie sich eine böse Verkühlung zuziehen. Aber hübsch ist sie ja, das muss ich als alter Gentleman schon gestehen. Und irgendwie ist sie auch mein Seelenverwandter, denn es scheint mir, dass egal was passiert, wir immer dasselbe denken. Und das ist wirklich komisch. Immerhin bin ich ein Hund und sie nur ein Mensch ... oder so ähnlich.
"Wo willst du denn hin, du alter Streuner?", fragt sie mich und beugt sich herab. "Ich hab dich schon den ganzen Tag gesucht."
Obgleich dieser offensichtlichen Lüge streichelt sie mir über den Kopf und verweilt ein klein bisschen länger als sonst hinter meinen Ohren, die schon ganz kalt sind vom Wind. Sie ist meistens ganz schön beschäftigt mit den Gilden, doch für mich findet sie immer einen Augenblick Zeit. Ich mag sie! Und jetzt kann mein Feierabend endlich beginnen.

Langsam fuhr die Vampirin am Nacken des D.O.G.-Mitglieds entlang und ließ den Karabinerhaken leise in die dafür vorgesehene Schlaufe schnappen. Als sie sich erhob, blickte sie zu den dunklen Wolken über der Stadt empor, die langsam aber bestimmend einen nächtlichen Regenguss ankündigten.
"Na dann fällt dein Bad heute wohl aus, oder was meinst du, Crunkers?"
Der Rüde fing an zu jaulen und gähnte herzhaft, sodass Breda nichts anderes übrig blieb und die Leine straffte.
"Na gut, aber erzähl's nicht der Hatscha. Du weißt sie mag das nicht."

Die Nacht brach über die Stadt herein, als Crunkers, das wohl unbekannteste Maskottchen der Stadtwache, friedlich im Matratzenlager[1] einschlummerte und von den wilden Abenteuern träumte, welche er heute mit seinen Kollegen erlebt hatte. Jaja, so ein Hund hatte es schon gut.

Ende


[1] Tagsüber genutzt als Stellvertreterbüro




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Feedback:

Von Ettark Bergig

01.05.2008 11:11

Eine ziemlich geniale Geschichte, die ich wirklich gerne gelesen habe.Ich bin zwar der Meinung, dass sich die ICh-Perspektive nicht unbedingt für eine Poki eignet, aber als Singel war die Geschichte wirklich top! :)

Von Hatscha al Nasa

01.05.2008 11:11

Ich finde die Idee, aus der Sicht von Crunkers zu schreiben, echt klasse. Lange habe ich mich gefragt, ob das tatsächlich Breda ist, die da spricht... als sie dann doch aufgetreten ist, war ich etwas verwirrt, doch ist es dann ja schnell klar geworden *gg* Ich finde, die Mission ist eine schöne Pokalmission geworden :-) Gut macht. Ich darf sie ja leider nicht werten ;-) Aber das Korrigieren ging schnell und hat Spaß gemacht.

Von Kannichgut Zwiebel

01.05.2008 11:11

Diese Single zu lesen war mir eine große Freude! 8)

Von Ophelia Ziegenberger

01.05.2008 11:11

Diese Pokalsingle gehörte eindeutig zu meinen beiden Favoriten für den ersten Platz in dieser Pokalrunde! Die Perspektivwahl war so dermaßen konsequent und stimmig durchgezogen, dass mein zwischenzeitliches Stutzen wieder fortgewischt wurde und ich arglos zum Ende in die Überraschung tappte. Gratulation! Wirklich prima gemacht und originell! Mein Misstrauen zur Mitte hin bezog sich denn auch nicht einmal auf den Icherzähler und dessen Identität, sondern ließe sich in folgendem Gedankengang umschreiben: "Hhmmm, merkwürdig. Bisher hat die erzählende 'Breda' noch kein Wort geäußert... hat Steffie etwa eine Experimentalgeschichte als Pokey eingereicht, bei der sie versucht, eine Geschichte ohne Worte zu erzählen, ohne wörtliche Rede der Hauptfigur? Faszinierend!" Es wäre mir nicht in den Sinn gekommen, dass Crunkers und Breda sich in ihren Einstellungen derart ähneln könnten und in ihrer Sicht der Dinge, dass solch ein Aufbau und solch eine Verwechslung möglich wäre. Ich habe mich jedenfalls sehr gerne überraschen lassen und empfinde die Geschichte zudem als gut geschrieben. Leider auch hier die falsch eingebrachte "Worthülse" als Plural. Daher: Aus meiner persönlichen Sicht hat die Single die Pokalanforderungen nicht ganz erfüllt.

Von Ruppert ag LochMoloch

01.05.2008 11:11

Wau! Eine tolle und dicht geschrieben Geschichte mit einem Knalleffekt am Ende. Es gab zwar ein paar Dinge, die die Sache mit Crunkers doch merkwürdig erscheinen lassen (warum z.B. sollte der Hund vom Labor die Quittung gereicht bekommen), aber das kann ich angesichts der sonst echt tollen Geschichte locker "verzeihen". Bei ein paar anderen Sachen bin ich zu unicher, weil ich die Geschichte mit einer Woche Unterbrechung gelesen habe. In Dubiata pro Rea oder so ...Als Pokalmission? Ich weiss nicht recht ... Da waren zu wenige Wächter aktiv.

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