Der Club der Ahnungslosen

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von Hauptgefreiter Scoglio (SEALS)
Online seit 01. 04. 2006
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Ein Juwelendiebstahl beschäftigt die Wache seit Tagen, aber es gibt noch keinen Anhaltspunkt. Den SEALS ist jedes Mittel recht, den Fall aufzuklären, selbst wenn es klein, pelzig und diebisch wie eine Elster ist.

Dafür vergebene Note: 11

Patrizierin und andere Kostbarkeiten gestohlen
Dreister Raub in der Augentroststraße
Juwelier Markus Landmann erbost


In der Nacht zum heutigen Montag gab es einen großen Diebstahl. Aus Landmanns Juwelierladen in der Augentroststraße wurden viele kostbare Schmuckstücke entwendet, darunter auch die berühmte "Patrizierin". Markus Landmann (42), Eigentümer des Juwelierladens, sprach von einer "Unverschämtheit".
Wie die Diebe den Einbruch bewerkstelligten, ist noch unklar, die Wache gab dazu bisher keinen Kommentar ab. Hinweise werden gerne entgegengenommen.




Cim Bürstenkinn, Abteilungsleiter der SEALS, legte die drei Tage alte Zeitung auf den Schreibtisch vor sich.
Die Times wusste nicht darüber Bescheid. Das war gut, denn so konnte die Wache ruhiger arbeiten. Wenn sie jetzt nur selber etwas mehr Ahnung hätten.
Im Kopf ging Cim zum wiederholten Male all die Fakten durch, die ihm nun schon bekannt waren.
Die Hauptgefreite Will Passdochauf und der Gefreite Michael Machwas hatten auf ihrem nächtlichen Streifengang in der Augentroststraße drei vermummte Gestalten forteilen sehen. Sie waren nicht imstande gewesen, ihnen zu folgen, hatten aber das Haus ausfindig machen können, aus dem die Gestalten wohl gekommen waren - es war der Juwelierladen von Markus Landmann. Sofort hatten die beiden Wächter einige Tatortwächter von SUSI benachrichtigt, die erfolgreich neugierige Passanten von dem Tatort fern hielten.
Die näheren Untersuchungen hatten dann ergeben, dass sich die Einbrecher durch den Keller des Nachbarhauses Eintritt verschafft hatten. Wer jetzt aber die Täter waren und wie sie in das Nachbarhaus hineingelangt waren, war nicht bekannt.
Cim seufzte, griff wieder nach der Zeitung und las wahllos einen Artikel.




Hochseefischen findet statt
Alle Vorbereitungen getroffen


Vor dem Mittwärtigen Tor wurde in letzter Zeit viel gewerkelt. Jetzt endlich sind die Arbeiten beendet. Ein großes Wasserbecken ziert die Rasenfläche - demnächst Schauplatz des I. Ankh-Morporkianischen Hochseefischens. Dieser Wettbewerb ist inspiriert von der bekannten Legende des Schatzes im Hochsee. Dort heißt es, dass einst eine Schar von Abenteurern auszog, um in dem mittlerweile ausgetrockneten Hochsee in der Sto-Ebene nach einem riesigen Schatz zu suchen. Doch keiner von ihnen bekam den Schatz zu Gesicht und nur wenige überlebten die Begegnung mit den gefährlichen Fischen, die in dem See hausten.
Ob es so für die Teilnehmer des Hochseefischens ausgehen wird, ist fraglich, aber Veranstalter Eugen Thomas verspricht: "Nur, wer seinen Heldenmut beweist, wird am Ende mit reichen Gütern beladen nach Hause zurückkehren können."
Nähere Details wurden noch nicht bekannt gegeben, deswegen wird am Freitag, wenn der Wettbewerb startet, eine große Menge an interessierten Schaulustigen erwartet. Man darf gespannt sein.




Es klopfte an der Tür und Cim legte abermals die Zeitung beiseite.
"Herein!", rief er.
Die Tür zum Büro des Oberfeldwebels öffnete sich und eine Frau trat ein. Sie hatte langes dunkelbraunes Haar, das sich gewellt um ihr Gesicht legte und große Augen, die nervös hin und her blickten. Cim schätze sie auf etwa vierzig Jahre.
"Guten Tag!", sagte sie mit zittriger Stimme. Sie schien sehr beunruhigt zu sein.
Cim erwiderte den Gruß mit einem knappen Kopfnicken.
"Eure Kollegen am Tresen haben mich zu Euch geschickt", sprach die Frau sogleich weiter. "Es geht um den Diebstahl in der Augentroststraße."
Cim blinzelte mit den Augen und ein Ruck ging durch seinen Körper.
"Ihr habt... Informationen?", fragte er ungläubig und wischte mit einer Hand einen Papierstapel beiseite, um etwas Platz zu haben. Verzweifelt suchte er nach einem freien Zettel und griff schließlich nach einer alten Memo.
"Ja... auch wenn mir nicht wohl dabei ist. Ich mag es kaum glauben."
"Dann erzählt mal!", forderte Cim die Frau auf. Er hatte inzwischen auch einen Stift gefunden. "Und setzt Euch doch!"
"Nun, ich glaube, mein Mann ist in den Diebstahl verwickelt." Die Frau schluckte und nahm auf einem Stuhl Platz. "In jener Nacht, als es passierte... ich wachte auf und fand den Platz neben mir im Bett leer. Zuerst dachte ich mir nichts dabei. Aber dann hörte ich dumpfe Geräusche aus Richtung des Kellers. Solche Geräusche, die entstehen, wenn jemand versucht, besonders leise zu sein, wisst Ihr?"
"Ich verstehe", sagte Cim und schrieb fleißig auf der Rückseite des Memos mit. "Aber warum seid Ihr nicht schon früher hierher gekommen, Frau...?"
"...Kiste", sagte Frau Kiste.
"Der Diebstahl ist immerhin schon drei Tage her." Cim musterte die Frau scharf.
"Ich... ich war mir einfach nicht sicher. Ich meine, mein Mann... ich konnte es nicht glauben. Ich hätte nie gedacht, dass er so etwas macht, auch wenn er immer schon irgendwie seltsam war."
"Er ist seltsam?", hakte Cim nach. "Inwiefern denn?"
"Er trifft sich immer mit so seltsamen Leuten. Hat mir nie gesagt, was sie dort eigentlich machen", antwortete Frau Kiste.
"Hmm..."
"Und er spricht seit einiger Zeit kaum noch mit mir. Als wollte er irgendwas verheimlichen."
"Interessant. Hat Euer Mann Euch denn gar nichts über diese Treffen erzählt? Oder wisst Ihr irgendetwas darüber? Vielleicht, wo sie sich treffen?"
Die Frau überlegte nicht lange. "Jeden Tag um 16 Uhr geht er los. Einmal bin ich ihm gefolgt und im Geldfallenweg, ganz in der Nähe unserer Wohnung, ist er in einem Haus verschwunden."
"Sehr gut." Cim machte sich eine Notiz. "Nun, wir werden uns darum kümmern. Vielleicht hilft es uns ja weiter."
"Das hoffe ich." Frau Kiste stand auf. "Auf Wiedersehen!"
Cim murmelte noch ein "Wiedersehen!", aber die Frau hatte sein Büro schon verlassen.
Jetzt hatten sie zumindest einen ziemlich eindeutigen Hinweis, sie mussten ihm nur noch nachgehen.

Wenig später stand Cim vor dem Büro mit der Aufschrift "SEALS 2"[1] und klopfte an. Er wartete nicht auf eine Antwort, bevor er die Tür aufstieß. Es knallte dumpf, als die Tür an die Zimmerpflanze stieß, die in der Ecke des Raumes stand.
"Was ist los?" Die zeternde Stimme rührte von der Gnomin Amalarie Mögebier her, die auf dem großen, massiven Schreibtisch saß und einen Zettel las. "Musst du immer so... Oh, Guten Tag, Sir!"
Die Gefreite sprang auf und salutierte. "Entschuldigung, Sir, ich dachte, es wäre Scoglio, Sir."
"Schon gut, schon gut, Ama. Setz dich ruhig wieder." Cim ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen, der vielleicht etwas länger als unbedingt notwendig auf seiner Büste, die oben auf einem Aktenschrank thronte, verblieb. "Wo ist er denn eigentlich?"
"Scoglio? Ich schätze, der schläft noch. Hatte ja gestern Nachtdienst." Amalarie grinste hämisch.
"Er schläft noch? Es ist doch schon 14 Uhr, er hat längst hier zu sein." Der SEALS-Abteilungsleiter schüttelte den Kopf. "Dann gehst du halt erstmal alleine mit Damien los. Scoglio schick ich dann 'ne Taube, dass er nachkommen soll."
Die Gnomin sah Cim fragend an. "Wohin geht's denn?"
"Augentroststraße. Wir haben einen Hinweis bekommen. Um 16 Uhr sollte aus dem Haus neben dem Juwelierladen ein Mann heraus kommen, dem ihr folgen sollt, wahrscheinlich bis zum Geldfallenweg. Dieser Mann soll sich da mit einigen anderen treffen und ihr habt herauszufinden, was sie dort treiben." Cim wollte sich schon wieder zum Gehen wenden.
"Augentroststraße? Es geht also um den Diebstahl in dem Juwelierladen? Und dieser Mann, was spielt er da für eine Rolle?"
"Seine Frau vermutet, dass er den Dieben Einlass gewährt hat. Da liegt der Verdacht nahe, dass bei diesem Treffen auch etwas nicht mit rechten Dingen zugeht."
"Hmm, ok." Amalaries Neugierde schien befriedigt zu sein.
"Dann macht euch mal auf den Weg." Mit diesen Worten verließ Cim das Büro.

Ein beständiges Pochen weckte Scoglio auf.
Der Troll öffnete mühsam die Augen und starrte geradewegs auf eine kleine Kugel mit weißem Fell, die sich nach näherem Betrachten als Kleiner Willie herausstellte - der Yeti-Ritter, eine Mischung aus Yeti und Gnom, der seit kurzem sein Mitbewohner war.[2] Dieser holte ein weiteres Mal aus und trat gegen des Trolles Stirn.
"He, hör auf, Willie! Ich ja schon wach bin." Scoglio richtete sich schlaftrunken auf. "Was denn los ist?"
"Potz Blitz, eben gerade ist eine Taube von der Wache gekommen, das ist los." Der Yeti-Ritter, der zu Boden gefallen war, als sich Scoglio hinsetzte, rappelte sich wieder auf. "Sie hatte diesen Zettel dabei."
Scoglio nahm den Zettel nachdenklich entgegen. Warum schickte ihm einer seiner Kollegen um diese Zeit eine Nachricht? Sein Dienst hatte doch noch gar nicht angefangen.
Er faltete den Zettel auseinander und las.
Wenig später sprang er auf, suchte nach seiner Hose, merkte, dass er sie noch an hatte, wollte sich seine Dienstmarke schnappen, merkte, dass sie noch in der Hosentasche steckte und suchte in seiner Hose nach seinem Stadtplan, den er auf dem Tisch fand.
"Willie, wie spät es sein?" Gehetzt sah Scoglio seinen kleinen Mitbewohner an.
"Nun, genau kann ich es dir nicht sagen, aber ich würde schätzen, so etwa 14.30 Uhr", antwortete Kleiner Willie dem Troll, verwundert über dessen plötzliche Eile.
"Verdammt, verdammt! Ich viel zu spät sein. Wie mir das nur passieren konnte? Und jetzt ich auch noch bis 16 Uhr in der Augentroststraße sein muss. Das am anderen Ende der Stadt ist", sagte der Szenekenner nach einem flüchtigen Blick auf die Stadtkarte. "Ich mich beeilen muss!"
"Scog, denk an die Tür!", rief Willie noch, aber ein lautes Krachen ließ darauf schließen, dass der Troll seine Worte nicht mehr gehört hatte.

"Endlich, Scoglio. Du hast dir aber reichlich Zeit gelassen." Von diesen Worten begrüßt, traf der Szenekenner in der Augentroststraße ein, der zuerst Mühe hatte, den Herkunftsort der Stimme zu deuten. Dann aber sah er die kleine Gnomin Amalarie Mögebier, die auf einer Mauer stand und ihn mürrisch anblickte. "Nun komm endlich hierher, oder willst du noch gesehen werden?"
Eine Tür in der Mauer öffnete sich wie von Geisterhand, aber als Scoglio verwundert durch die Öffnung schritt, erkannte er, dass sie bloß von seinem Kollegen Damien G. Bleicht geöffnet worden war.
"Beobachte das Haus gut weiter, Ama", sagte Damien, als er die Tür wieder schloss. "Ich erkläre Scog erstmal, worum es überhaupt geht. Oder weißt du schon Bescheid?"
"Es in der Nachricht stand. Wir einem Mann folgen sollen, der vermutlich den Dieben neulich Einlass gewährt hat, richtig?"
Damien nickte.
"Deswegen verhalt' dich still. Er darf unter keinen Umständen auf uns aufmerksam werden. Verstanden?"
Nun war es für Scoglio an der Zeit zu nicken.
"Verstanden", flüsterte er.
Einige Zeit lang geschah nichts weiter. Amalarie wartete darauf, dass sich etwas in dem Haus gegenüber regte und die beiden anderen Wächter warteten darauf, dass die angehende Informantenkontakterin sich regte.
Nur wenig später aber öffnete sich die Tür des Hauses und ein Mann trat heraus. Soweit Amalarie es erkennen konnte, hatte er nichts Verdächtiges an sich; er sah bloß ein wenig verrückt aus, mit seinem weit abstehenden grau-weißen Haar, der viel zu kurzen Hose und dem weiten, zerschlissenen Mantel.
Die Gnomin verharrte regungslos, bis der Mann an ihr vorübergegangen und schon ein wenig entfernt war. Dann drehte sie sich zu ihren beiden Kollegen um.
"Er ist jetzt auf dem Weg", flüsterte sie.
"Dann los!" Damien öffnete die Tür und Amalarie sprang von der Mauer hinunter. Scoglio folgte dem anderen Szenekenner durch die Öffnung und machte dabei erstaunlicherweise kaum Geräusche.
Die drei Wächter warteten noch ein Weilchen und gerade in dem Moment, als sie losgehen wollten, dem Mann hinterher, öffnete sich die Tür des Hauses ein weiteres Mal. Heraus trat Frau Kiste, die sichtlich erregt war.
"Nun macht schon!", sagte sie. "Ich will wissen, was er auf diesen Treffen immer so treibt."
Zusammen mit Frau Kiste folgten die drei Wächter nun deren Mann, der das Ende der Straße schon fast erreicht hatte. Dort wandte sich dieser nach links und bald darauf wieder nach rechts, hinein in den Geldfallenweg, in dem er nach kurzer Zeit in dem Haus mit der Nummer 10 verschwand.
"Worauf wartet ihr? Geht hinterher und sorgt für Recht und Ordnung oder was ihr eben so macht", sagte Frau Kiste, als die Wächter vor dem Haus stehen blieben und zögerten.
Damien warf einen abschätzigen Blick auf die Frau, entgegnete ihr aber nichts.
"Scoglio, öffne die Tür", sagte er stattdessen.
Der Troll trat einen Schritt vor, legte seine riesige Hand um den Türknauf und zog kräftig. Die Tür fiel ihm entgegen.
"Das war die falsche Richtung, du Dummkopf!", rief Amalarie.
Scoglio zuckte nur mit den steinernen Schultern. "Hauptsache, sie auf ist." Dann trat er ein, gefolgt von den anderen.
Die vier standen in einem Flur, der in einer kleinen Treppe endete. Dahinter befand sich eine derzeit offen stehende Tür.
Zwecks Mangel an anderen Möglichkeiten stieg die Gruppe, angeführt von Scoglio, die Treppe hinauf und trat in den Raum, der hinter der Tür lag.
Der Anblick, der sich ihnen bot, war... überwältigend.
Die Wände des großen Raumes waren über und über mit Unmengen von Zetteln und einem detaillierten Plan eines Gebäudes, das die Wächter auf den ersten Blick nicht identifizieren konnten, bedeckt. Selbst vor den Fenstern hing Papier, durch das aber noch einiges Licht durchschien, sodass es überhaupt möglich war, in dem Raum etwas zu erkennen.
In der Mitte des Raumes stand ein großer Holztisch, auf dem ebenfalls einige Papiere verstreut herum lagen. Um den Tisch waren sechs Stühle ohne jegliche Ordnung aufgestellt.
Auf einen dieser Stühle hatte sich Herr Kiste fallen lassen und starrte den großen Plan an einer der Wände an. Er schien die Neuankömmlinge nicht bemerkt zu haben.
Damien sah Scoglio an und nickte in Richtung des Mannes. Amalarie untermalte den Blick mit einige Gesten, damit auch kein Zweifel daran blieb, was zu tun war.
Der Troll ging langsam auf die Mitte des Raumes zu und legte eine Hand vorsichtig auf die Schulter des Mannes.
"Herr Kiste? Ihr verhaftet seid."
Der Mann zuckte zusammen und sprang auf, ohne dass sich Scoglios Hand von seiner Schulter löste.
"Wa... wa... was? A... aber warum?" Herr Kiste sah den Troll entgeistert an.
"Ihr steht unter dringendem Tatverdacht, am Überfall auf Landmanns Juwelierladen mitgewirkt zu haben." Damien kam mit Amalarie auf der Schulter langsam auf den Mann zugeschlendert.
Herr Kiste wurde bleich.[3] "Damit... damit habe ich nichts zu tun."
"Sicher nicht?" Damien stand mit einem Satz vor Herrn Kiste, der zu schwitzen begonnen hatte. "Und was ist dann all das hier? Die ganzen Papiere an den Wänden? Der Plan, den Ihr eben so genau beobachtet habt?"
Herr Kiste fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. "Ich habe all das hier noch nie zuvor gesehen. Wirklich."
"So? Was macht Ihr denn immer hier in diesem Raum, ohne dass ihr das bemerkt?" Damien setzte sich auf einen Stuhl und blickte Herrn Kiste erwartungsvoll an.
"Ich... normalerweise treffen wir uns hier immer. Der Club der Ahnungslosen."
"Normalerweise also, soso. Und ahnungslos wollt Ihr auch noch sein, wie?" Damien schüttelte den Kopf. "Wer ist denn noch in diesem Club? Und wann trefft ihr euch immer?"
"Wir... wir treffen uns einmal in der Woche", gab der Mann bereitwillig Auskunft. "Immer donnerstags um 16 Uhr."
"Wir, wir... ich höre immer 'wir'. Aber wo sind denn die anderen? Oder sind meine Augen so schlecht geworden in letzter Zeit?"
"Nein, normalerweise sind wir zu fünft. Ich weiß auch nicht, wo die anderen sind."
Zu fünft also, dachte Damien. Aber dennoch stehen hier sechs Stühle.
"Und was macht ihr dann immer so?", fragte der Hauptgefreite. "Ich meine, außer auf Wände zu starren und die Blätter nicht zu bemerken?"
"Wir stellen uns wichtige Fragen und suchen die Antworten", erläuterte Herr Kiste. "Deswegen nennen wir uns auch 'Club der Ahnungslosen', ahaha."
"Ahaha", sagte Damien. "Was wären das denn so für Fragen?"
"Nun, zum Beispiel... zum Beispiel, warum..., nein, was für ein Geräusch es macht, wenn man mit nur einer Hand klatscht. Dazu mussten wir uns natürlich erstmal die Frage stellen, was es für ein Geräusch macht, wenn man in beide Hände klatscht."
"Und zu welchem Ergebnis seid ihr gekommen?", fragte Damien und grinste höhnisch.
Herr Kiste zögerte einen Moment lang. "Noch zu gar keinem. Wir sind ja schließlich ahnungslos."
"Ah, natürlich." Damien lächelte. "Nun, alle weiteren Befragungen werden wir wohl direkt auf der Wache durchführen. Scoglio, führ ihn ab!"
"Was? Aber... glaubt ihr mir denn nicht?" Herr Kiste wurde von Scoglio vorwärts geschoben.
"Natürlich glauben sie dir nicht, Hermann." Frau Kiste, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, kam auf ihren Mann zu. "Bei der Geschichte, die du ihnen da erzählt hast. Wie sollten sie denn anders?"
Hermann Kiste war sprachlos. Er starrte seine Frau mit offenem Mund an.
"Das hätte ich dir nie zugetraut, dass du dich auf so etwas einlässt. Damit hast du den Namen und die Ehre unserer Familie entwürdigt. Wie konntest du nur?" Ihre Stimme war immer lauter geworden und auf dem Höhepunkt ihrer Rage versetzte Frau Kiste ihrem Mann eine schallende Ohrfeige.
"Frau Kiste, ich muss doch sehr bitten!", rief Damien ärgerlich und sprang mit einem bösen Glitzern in den Augen auf, sodass Amalarie beinahe von seiner Schulter fiel. "Sonst bekommt Ihr noch ein Verfahren wegen Körperverletzung auf den Hals."
Frau Kiste beruhigte sich wieder etwas und funkelte ihren Mann nur noch zornig an. Dann wandte sie sich verächtlich ab und stapfte aus dem Raum hinaus.
Auch die Wächter, mit Herrn Kiste in ihrer Mitte, verließen das Haus und gingen zur Wache am Pseudopolisplatz.

"Alle Beweise sprechen gegen ihn." Damien saß in Cims Büro und hatte dem Abteilungsleiter der SEALS gerade Bericht erstattet, während seine beiden Kollegen Scoglio und Amalarie noch Herrn Kiste in eine der Zellen im Keller des Wachhauses brachten. "Seine Ausreden waren mehr als dürftig und sein schauspielerisches Talent ist es ebenfalls. Er hat die ganze Zeit über gezittert."
"Aber gestanden hat er noch nicht?", erkundigte sich Cim.
"Nein, bisher noch nicht", antwortete Damien.
Es klopfte und Scoglio trat ein, mit Amalarie auf der Schulter, die so weit von seinem Kopf weggerückt war, wie es die Umstände erlaubten.
"Aber nehmen wir mal an, dieser Herr Kiste ist unschuldig?", sprach Damien weiter, als er den Beiden kurz zugenickt hatte. "Ich halte es zwar für äußerst unwahrscheinlich, aber es könnte sein, oder?"
Cim sagte nichts.
"Vielleicht war er ja nur verunsichert, eben weil er mit der Sache nichts zu tun hat? Könnte es nicht sein, dass seine Frau ihn da in irgendetwas hineinreiten wollte? Zuzutrauen wäre es ihr fast, sie ist ein schreckliches Weib." Damien starrte Cim fragend an.
Der kratzte sich nachdenklich am Kopf.
"Das ist eine sehr gewagte Vermutung, Damien", sagte er schließlich. "Ich weiß nicht, möglicherweise hast du Recht, aber es ist sehr unwahrscheinlich. Ich will diesen Fall endlich abschließen, Damien."
"Dann solltest du Frau Kiste lieber beobachten lassen. Du wolltest doch erst kürzlich einen Fall schon zu früh abschließen[4], geh diese Gefahr nicht noch einmal ein."
Cim stöhnte.
"Erinnere mich nicht daran, deswegen läuft jetzt ein IA-Verfahren gegen mich. Aber ich glaube, du hast Recht. Nur welchen Wächter sollen wir noch damit beauftragen? Wir haben auch so alle genug zu tun. Immerhin sind wir SEALS!"
Scoglio trat vor.
"Ich da jemanden wüsste. Er zwar kein Wächter sein, aber er das garantiert gut können."
"So?" Cim blickte ihn an. "Und wer ist das?"
"Kleiner Willie, mein neuer Mitbewohner. Er ein Yeti-Ritter ist. Eine Mischung aus Yeti und Gnom, größtenteils aber ein Gnom", fügte er hinzu, als sein Blick nur auf unverständliche Mienen traf.
"Und du glaubst wirklich, er ist dafür geeignet?", fragte Cim.
"Ich schon denke, ja. Seine Größe ein bedeutender Vorteil ist und er einfach gut darin sein, nicht entdeckt zu werden. Das ich selber schon erleben durfte."
"Hm, na gut", sagte Cim und nickte. "Einen Versuch ist es wert."

Am nächsten Tag, schon früh am Morgen, hatte Kleiner Willie seinen Posten bezogen. Er saß auf dem selben Mauerstück wie tags zuvor Amalarie, hinter einigen Efeuranken verborgen, und ließ das Haus neben dem Juwelierladen nicht aus den Augen.
Dort regte sich einige Stunden lang nichts und dem Yeti-Ritter juckte es in den Fingern, vorübergehende Passanten von ihren Wertsachen zu erleichtern. Aber er besann sich eines Besseren - immerhin konnte er die Sachen schlecht mit sich tragen, wenn Frau Kiste sich regte und außerdem würde es Scoglio wohl kaum gefallen, wenn er es mitbekäme.
So vergnügte er sich damit, an einem dünnen Ast mit einem winzigen Messer, das er mitgebracht hatte, ziemlich lustlos herumzuschnitzen.
Gegen Mittag wurde er aufgeschreckt, als sich die Tür des gegenüberliegenden Hauses öffnete und eine Frau heraus trat. Laut der Beschreibung von Scoglio musste es Frau Kiste sein.
Sie wandte sich in Richtung der Tollen Schwestern und Willie folgte ihr auf Schritt und Tritt, wobei er sich immer recht nahe an den Häuserwänden hielt, um auch ja nicht aufzufallen.
Als ihr Weg sie auf den Oberen Breiten Weg führte, verlor der Yeti-Ritter Frau Kiste kurzzeitig aus den Augen, so viele Menschen waren hier unterwegs. Willie kletterte an dem nächsten Passanten herauf, der an ihm vorüberging und erkannte von dessen Schulter Frau Kiste nur wenige Meter vor ihm. Bevor das unfreiwillige Opfer des Yeti-Ritters überhaupt realisieren konnte, was ihm da geschah, war Willie schon wieder von ihm heruntergesprungen und lief nun beinahe unmittelbar hinter Frau Kiste, die sich wie der Großteil der Masse in Richtung des Mittwärtigen Tores bewegte.
Neben, hinter und vor ihm stampften Füße auf den Boden auf und der kleine Yeti-Ritter machte sich einen Spaß daraus, den herannahenden Gefahren möglichst spät und geschickt auszuweichen. Doch dabei ließ er die Füße der dazugehörigen Frau Kiste nicht aus den Augen.
Der nächste Fuß nahte und Willie vollführte einen Salto über ihn hinweg. Als er wieder aufkam, erzitterte der Boden und es krachte dumpf. Der Yeti-Ritter rannte weiter, im Slalom um einige Füße herum. Das Krachen hörte nicht auf, sondern ging in einem beständigen Rhythmus weiter und wurde immer lauter.
Willie schaute sich verwundert um und als er nach oben sah, verdunkelte sich sein Blickfeld. Er blickte geradewegs auf einen Trollfuß, der sich ihm rasend schnell näherte. Mit einem Hechtsprung brachte sich der Yeti-Ritter in Sicherheit und neben ihm donnerte der steinerne Fuß auf den Boden.
Geschockt holte Kleiner Willie tief Luft und starrte dem Troll hinterher. Dann zuckte er zusammen. Frau Kiste, wo war sie? Ihre Füße konnte er nirgends erblicken.
Wieder hangelte er sich an einem Passanten empor, um Ausschau zu halten, aber er sah sie nirgends. Verzweifelt blickte er in alle Richtungen und konnte deswegen gerade noch die Hand sehen, die ihn einen Bruchteil einer Sekunde später mit voller Wucht traf und ihn von der Schulter herunterschleuderte.
Der Yeti-Ritter prallte an eine Wand und fiel zu Boden. Dort blieb er eine Zeit lang schwer benommen liegen.
Was sollte er jetzt tun? Alles nochmals nach Frau Kiste absuchen? Das hatte wohl kaum eine Aussicht auf Erfolg. Zum Wachhaus gehen und Scoglio seinen Misserfolg berichten? Ihm graute davor, aber er sah keine andere Möglichkeit.
Mühsam richtete er sich wieder auf und machte sich verbittert auf den Weg zum Pseudopolisplatz.

Der Obergefreite Steven Träumer und der Gefreite Johan Schaaf hatten sich spontan entschlossen, ihren Streifengang ein wenig auszudehnen und standen jetzt vor den Mauern der Stadt Ankh-Morpork inmitten einer großen Menschenmenge an einem riesigen Wasserbecken.
"Bist du sicher, dass es eine gute Idee war, hierher zu kommen?", fragte Steven. "Ich meine, Hochseefischen klingt zwar vielversprechend, aber bisher ist hier nichts passiert. Da könnten wir doch lieber unseren Dienst fortsetzen."
"Nun sei doch mal nicht so ungeduldig", antwortete Johan. "Eine kleine Pause hat noch niemandem geschadet. Und außerdem können wir unseren Dienst auch hier ausüben. Nur weil wir nicht durch die Stadt laufen, heißt das noch lange nicht, dass wir unbedingt untätig sein müssen. Überleg mal, was hier alles passieren kann. Da sind wir dann sofort zur Stelle. Außerdem kommen wir gar nicht mehr so leicht zurück. Sieh dir mal die vielen Menschen an."
Steven drehte sich um und sah sich mal die vielen Menschen an. Dabei fiel sein Blick auf Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin Schnapper, der ganz in ihrer Nähe stand und es irgendwie schaffte, sich einen Weg durch die Menschenmenge zu bahnen.
"Na, das ist ja kein Wunder, dass der hier nicht fehlt." Steven seufzte.
"Kauft Fisch!", drang die Stimme Schnappers zu den beiden Wächtern hinüber. "Kauft den Fisch, bevor er wegschwimmt. Garantiert frisch!"
"Warum kann man den eigentlich nicht verbieten? Er ist eine Gefahr für jeden, der ihn noch nicht kennt. Und er nervt." Steven starrte Schnapper finster an, was dieser zum Anlass nahm, um auf ihn zuzukommen.
"Guten Tag, die Herren Wächter! Ihr seid doch bestimmt hungrig, so während der Arbeit. Wollt ihr nicht etwas Fisch? Der ist frisch wie frischer Fisch."
Johan starrte auf den gut gefüllten Bauchladen und musste einen Würgereflex unterdrucken. Er wandte sich schnell ab, mit der Hand vor dem Mund.
"Du musst ihn entschuldigen, Ruin", sagte Steven so freundlich wie möglich. "Aber er ist bestimmt allergisch gegen Fische. Er ist eigentlich gegen alles allergisch. Aber ich möchte auch keinen..."
"Du bekommst auch einen Gebissreiniger gratis dazu. Damit lassen sich etwaige Gräten und andere störende Fischüberreste leicht entfernen", unterbrach Schnapper den Obergefreiten und zeigte auf etwas, das dieser eher für einen kleinen, dünnen Kaktus gehalten hätte.
"Nein, wirklich Ruin. Ich möchte jetzt nichts." Steven rollte mit den Augen.
Da erhob sich plötzlich eine laute Stimme über den Platz.
"Sehr geehrte Zuschauer! Nun ist es endlich soweit, das I. Ankh-Morporkianische Hochseefischen wird jeden Augenblick beginnen. Die 14 Teilnehmer haben sich nun alle vorbereitet und warten nur noch auf das Startzeichen."
Steven nutzte den guten Moment der Ablenkung und drehte sich von Schnapper weg. In geringer Entfernung sah er nun, woher die Stimme kam. Auf einem kleinen Holzturm stand, seiner Aufmachung nach zu urteilen, ein Zauberer, der seinen Stab vor den Mund hielt, wodurch seine Stimme wohl auf magische Art verstärkt wurde.
"Und da ist es auch schon, das Startzeichen", sprach der Zauberer weiter. Ein brennender Pfeil war in die Luft aufgestiegen und versank nun zischend in dem Wasserbecken.
14 Männer sprangen gleichzeitig in das Wasser hinein. Einer von ihnen kletterte sofort wieder schreiend heraus, mit einem Fisch am Fuß hängend.
"Das war wohl ein Hinterhältiger Heilbutt, wenn ich das richtig sehe. Sehr schmerzhaft für Armijn Laang und natürlich eine kurze, aber dennoch zeitraubende Auszeit. Aber das macht gar nichts, er darf wieder mitmachen, wenn er es überlebt."

Atemlos schlüpfte Kleiner Willie durch die kleine Tür in der Tür. Er rannte über den Boden, hin zu dem Schreibtisch und kletterte die Gnomenleiter hinauf.
"Gerade eben der Bericht von Damien reinkam", sagte Scoglio, als er den Yeti-Ritter auf der Tischplatte entdeckte. "Er nochmal mit einigen anderen SEALS den Raum untersucht hat, in dem wir haben Herrn Kiste festgenommen. Aber sie nichts gefunden haben, außer den ganzen Zetteln, mit denen sie nichts können anfangen. Und was es Neues bei dir gibt? Wo Frau Kiste jetzt ist?"
Willie setzte sich auf den Stuhl, der eigentlich Amalarie vorbehalten war, die aber derzeit nicht im Büro weilte.
"Es tut mir so Leid, Scoglio", sagte er dann und schluchzte. "Ich hab sie aus den Augen verloren. Du hast mir so einen wichtigen Auftrag gegeben und ich habe versagt. Bestrafe mich!"
Scoglio lächelte aufmunternd.
"Ach was. So schlimm es doch nicht ist."
"Doch, das ist es wohl. Wie willst du mir je wieder vertrauen können?" Der Yeti-Ritter legte seinen Kopf auf Amalaries kleinen Schreibtisch und schluchzte noch lauter. Einige Tränen liefen ihm durch das weiße Fell hinab und tropften auf den Tisch.
Scoglio schluckte. Dieser Kerl war immer für Überraschungen gut. Damit hätte er nie im Leben gerechnet, dass er so verzweifelt wegen so einer geringen Sache war.
"Wo du sie denn aus den Augen verloren hast?", fragte er.
"Oberer Breiter Weg", brachte Willie undeutlich hervor. "Sie war stadtauswärts unterwegs."
"Dann sie wohl zu diesem seltsamen Wettbewerb gegangen ist. Davon ich in der Times gelesen habe", meinte Scoglio nach einigem Überlegen. "Wir... wir dorthin gehen könnten und sie suchen."
Und wenn es nur sein, um dich zu trösten, fügte er im Stillen hinzu. Ich dich einfach nicht so traurig sehen kann.
Willie hob den Kopf und lächelte schwach.
"Das würdest du tun?"
"Sicher, ich gerade nichts besonders Wichtiges zu tun habe und es ja auch Ermittlungen sind." Der Troll stand auf und Willie sprang voller Freude auf seinen Arm. Zusammen verließen sie das Büro und anschließend das Wachhaus.

"Auwei, da hat es Heribert Fischauge aber bös' erwischt. Ein Gemeiner Kieferknacker hat ihn dort gebissen, wo die Sonne nicht scheint, wie es aussieht", kommentierte der Zauberer das aktuelle Geschehen. Ein mitfühlendes Stöhnen ging durch die Menge.
"Das ist gar nicht mal so schlecht hier, was Steven?" Johan Schaaf drehte sich nach links und blickte in das Gesicht einer Frau, die erschrocken aufschrie und sich durch die Menschenmassen hinfort drängelte.
"Nanu? Seltsam." Der Verkehrsexperte kratzte sich verwirrt am Kopf.

Scoglio und Willie durchschritten das Mittwärtige Tor.
Mit ihnen gingen noch einige andere Personen und in nicht allzuweiter Ferne waren schon all die Zuschauer des Hochseefischens zu sehen.
"Klatsch und Tratsch - Neues aus Klatsch! Al-Katrass, das neue Hoch-Sicherheits-Gefängnis eröffnet. Neuer Gildenbesteuerungserlass für die Al-Tar-Gilde, zuständig für die Erbauung von Zeremoniellen Gegenständen. Konzert der Al-Gorhythmen ein voller Erfolg." Ein fremdländisch aussehender Zeitungsverkäufer war auf die Beiden zugetreten und hielt ihnen eine Zeitung hin.
Das war mal wieder typisch. Kaum gab es ein großes Ereignis in der Stadt, wollten wieder allerlei Leute die Möglichkeit nutzen, Geld zu verdienen. Scoglio beachtete ihn aber nicht weiter und setzte seinen Weg fort.

"Was ist denn jetzt los? Einer nach dem anderen begibt sich hier zum Rand des Beckens und... und sie werden verfolgt. Ein Schwarm Fliegender Fieslinge verfolgt sie. Da, die ersten steigen schon aus dem Wasser auf und erheben sich in die Luft. Geht in Deckung, Leute, die sind gefährlich!" Der Zauberer stieg rasch von dem Turm hinunter und eilte mit erhobenem Zauberstab auf das Becken zu.
Überall um ihn herum kreischten und schrien die ersten Leute los, die realisiert hatten, was gerade geschah. Alle drängten von dem Wasserbecken weg, hin zu den Mauern Ankh-Morporks.
Auch Steven und Johan wurden ein Stück weit von der Menge mitgerissen, fanden aber auf einmal sicheren Halt bei Scoglio, der wie ein Fels in der Brandung stand, was er gewissermaßen auch war.
"Was hier los sein?" Der Troll musste rufen, um die Geräusche der fliehenden Menge zu übertönen.
"Einige gefährliche Fische sind aus dem Becken entflohen", rief Johan ebenso laut zurück. "Sie können fliegen!"
"Wo denn? Ich keine sehe!" Scoglio spähte in Richtung des Beckens.
Johan zeigte dorthin, wo er die Fische zuletzt gesehen hatte und stutzte, als er sie nicht mehr sah.
"Also, eben waren sie noch da."
"Und jetzt nicht mehr?" Steven zuckte zusammen und versuchte, die ganze Umgebung auf einmal zu überblicken. Gleichzeitig zog er sich weiter zurück in den Schutz von seinem steinernen Kollegen. "Das heißt, sie können praktisch überall sein."
Scoglio ging entschlossen los, in Richtung des Beckens und zog dabei Johan mit sich. Steven blieb freiwillig in seiner Nähe.
Bis auf einige wenige Menschen, die stöhnend und teilweise bewegungslos auf dem Boden lagen, hatte sich die Menschenmenge aufgelöst.
"Um die wir uns jetzt nicht kümmern können", sagte Scoglio mit steinerner Miene. "Kommt weiter!"
An dem Becken angelangt, trafen sie auf den Zauberer, vor dem einige Fische auf dem Boden lagen.
"Ich hab sie alle erwischt", sagte dieser und lächelte geschafft, aber glücklich. "Keine Gefahr mehr. Ich weiß nur nicht, was so plötzlich mit ihnen los war, sie sind normalerweise gar nicht aggressiv. Irgendetwas muss sie erschreckt haben."
Der Zauberer begann, die Fische aufzusammeln und in einen Sack zu tun.
"Sind die jetzt alle tot?", erkundigte sich Steven und kam hinter Scoglios Rücken hervor.
"Ja, leider. Es gab keine andere Möglichkeit."
Der Rechtsexperte wusste nicht, ob er darüber erleichtert oder erbost sein sollte.
"Ihr irgendwelche Hilfe hier braucht?", fragte Scoglio den Zauberer. Dieser schüttelte den Kopf. "Dann wir uns lieber um die Verletzten kümmern. Die jetzt Hilfe nötig haben."
Er drehte sich um und ging einige Schritte weit, während der Zauberer den Sack schulterte und in die andere Richtung davon ging.
"He, sieh mal da!", sagte plötzlich Kleiner Willie und zeigt mit seinem kleinen Arm auf zwei aufeinander liegende Körper. "Das müsste Frau Kiste sein, ich erkenne ihre Füße wieder."
Johan und Steven zogen vorsichtig den oberen Körper herunter.
"Ja, das sie ist", bestätigte Scoglio.
"Na, da soll mich doch..." Johan starrte die Frau an. "Eben gerade erst ist sie erschrocken weggerannt, als sie mich gesehen hat."
Scoglio blickte sie nachdenklich an.
"Was sie da in der Hand hält?", fragte er plötzlich.
Steven öffnete behutsam ihre verkrampfte blutige Hand und begutachtete das Etwas.
"Ich glaube, es ist einer von diesen Fischen. Ja, hier sind die Flügel, seht ihr?"
"Interessant." Scoglio nahm dem Obergefreiten den Fisch aus der Hand. "Den ich mitnehme. Und Frau Kiste auch, dann sich Rogi schonmal um sie kümmern kann. Sie ja wirklich böse verletzt aussieht. Ihr hier bleibt und euch soweit es geht um die anderen Verletzten kümmert. Ich dann noch mehr Hilfe schicken werde."
Der Hauptgefreite legte sich die Frau über die Schulter, ging los, auf die Stadt zu, und ließ die beiden anderen Wächter alleine.
Ihm kam ein großer Teil der Menge entgegen, die vor kurzem noch geflüchtet war. Aber so war es in Ankh-Morpork eben - wenn Gefahr drohte, brachte man sich in Sicherheit, aber nur so weit, dass man das Spektakel noch mit ansehen konnte.


Epilog:


Zwei Tage später saß Cim Bürstenkinn zusammen mit Scoglio, Johan, Steven, Damien, Amalarie und dem Kleinen Willie in seinem Büro.
Mit tatkräftiger Hilfe vieler Freiwilliger hatte die Stadtwache den Platz wieder herrichten können. Das riesige Wasserbecken war abgebaut, die Verletzten waren versorgt und die beiden Toten, die es gegeben hatte, waren feierlich bestattet worden. Seltsamerweise war weder von den Veranstaltern noch von dem Zauberer eine Spur zu finden gewesen.
"Frau Kiste hat uns sehr geholfen", berichtete Cim. "Als sie wieder aufgewacht ist, hat sie gestanden. Dabei habe ich sie noch nicht einmal mehr verdächtigt. Der Fisch, den sie in der Hand hielt, war mit einem kostbaren Edelstein gefüllt - einem Juwel aus dem Diebstahl vor einer Woche. Sie hat uns alles erzählt. Zumindest alles, was sie wusste. Damien, du lagst richtig mit deiner Vermutung. Sie hatte den Dieben durch ihr Haus Zugang zu dem Juwelierladen verschafft und anschließend mit deren Hilfe den Raum, in dem ihr Herrn Kiste gefunden habt, so hergerichtet, um ihm alles anzuhängen. Der Mann scheint tatsächlich unschuldig zu sein. Verrückt zwar, aber unschuldig.
Die gestohlenen Juwelen haben sie dann mithilfe des Zauberers in diesen Fliegenden Fieslingen versteckt. Es war geplant, dass die Teilnehmer dieses von ihnen veranstalteten Hochseefischens die Schätze, die sie finden konnten, behalten durften. Das war wohl eine neue Idee von diesen Gaunern, ihre gestohlene Ware zu verkaufen, denn die Teilnehmer, allesamt Kollegen von ihnen, mussten eine wirklich hohe Teilnahmegebühr zahlen. Aber scheinbar hat dieser Zauberer die Fische magisch so beeinflusst, dass sie aufeinmal so rasend wild wurden. Dann hat er sie alle getötet und ist mit ihnen allein verschwunden. Die anderen müssen ihm dann sofort gefolgt sein, vermutet Frau Kiste."
Es herrschte Schweigen in dem Büro, bis Johan das Wort ergriff.
"War sie denn die Frau, die plötzlich weggerannt war, als sie mich gesehen hatte?"
"Ja, das sagte sie. Sie wäre aufeinmal so erschrocken gewesen, weil sie dachte, wir wären ihr auf der Spur." Cim machte eine kurze Pause. "Aber ich denke, wir können trotz alledem zufrieden und erleichtert sein, dass wir den Fall überhaupt aufgeklärt haben."

[1] Zumindest eine der Aufschriften lautete so. Weiter oben stand noch "Hauptgefreiter Scoglio" und tief unten auf der kleinen zusätzlichen Tür, die sich in der Tür befand, stand "Gefreite Amalarie Mögebier".

[2] Nachzulesen in der S-Mission 'Die Rückkehr der Yeti-Ritter'.

[3] Nicht ganz so sehr wie Damien, aber immerhin.

[4] Siehe S-Mission 'Der Orden vom weißen Stier' von OFw Cim Bürstenkinn.

Zählt als Patch-Mission.



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Feedback:

Von Ophelia Ziegenberger

01.05.2006 20:17

Lob: Was mir vor allem Anderen positiv an deiner Geschichte auffiel, war die saubere Einarbeitung und Verwendung der Pokalbegriffe. Teilweise, so wie im Falle der Benennung des Edelsteins oder dem Auftritt des fremdländischen Zeitungsverkäufers, war die Einbindung sogar sehr gut. Nur zu oft kommt mir bei Pokalsingles der bedauernde Gedanke, der Schreiber hätte das Pokalwort einfach ideen- und lieblos noch irgendwie in den Text gequetscht. Es hat Freude gemacht, dass Du statt dessen ein, zwei Ecken weiter gedacht und die Geschichte dadurch mit humorvollen Highlights bereichert hast.

Kritik: Die eingestreuten Parallelen zu und entliehenen Bilder aus den Harry Potter-Geschichten waren mir ein klein Wenig zu deutlich eingebracht. Prinzipiell habe ich da (vielleicht) Nichts gegen einzuwenden (ich weiß, eine widersprüchliche Aussage - aber ich bin mir selber nicht ganz klar darüber) aber in dieser Geschichte und ihrem Verlauf, rissen mich die Andeutungen immer wieder aus dem Lesefluss, was ich als sehr störend empfand. Beispielsweise sah ich automatisch den Sprecher des Quidditch-WM-Turniers vor meinen Augen, konnte diese Vorstellung jedoch keinesfalls mit der Beschreibung des mittelalterlich anghauchten Marktes vor den Stadttoren Ankh-Morporks in Einklang bringen etc. Außerdem kann ich den Einsatz des Kleinen Willies nicht ganz nachvollziehen. Würde ein Abteilungsleiter wirklich, in einem so bedeutungsschweren Fall von Raub, auf die Observierung durch einen Zivilisten zurückgreifen, wenn er dazu nicht durch wesentlich schwerwiegendere Gründe gezwungen würde, als lediglich "die Abteilung hat zu viel zu tun"?

Aus meiner persönlichen Sicht hat die Single die Pokalanforderungen gut erfüllt.

Von Scoglio

01.05.2006 20:43

Eigentlich wollte ich so früh ja noch nicht antworten, aber ich bekomme gerade einen verdammten Schmunzel-Anfall.
Ich hab kein einziges Mal an Harry Potter gedacht! Das ist vollkommener Zufall, dass da solche Parallelen drin sind und mir waren sie auch noch nie aufgefallen, aber jetzt wo du es sagst, bemerke ich es dann auch. :D

Aber jetzt gerne noch mehr Kritik! :)

Von Ophelia Ziegenberger

01.05.2006 20:52

:D *lol* Echt nicht? Oh mein Gott! Ich bin ein verdammt-verseuchter Harry Potter-Fan, wenn dem so ist... Du hast wirklich nicht... nicht bei dem Zauberstab-Mikro? Nicht? Und auch nicht grundsätzlich bei dem Kampf der einzelnen Teilnehmer inmitten einer "Arena" mit Monstern, ohne zuvor über die Aufgaben aufgeklärt zu werden? Aber wenigstens bei dem Zeitungsverkäufer, der seine Exemplare mit der Meldung über den Ausbruch der Gefangenen aus Al-Kattras... *seufz* :D

Von Scoglio

01.05.2006 20:56

Nein, kein bisschen. Wenn man das alles schnell noch in der letzten Nacht vor dem Abgabetermin schreibt, bleibt nicht viel Zeit für andere Gedanken... :P

Von Cim Bürstenkinn

01.05.2006 21:06

2ter Versuch bei der Auswahl des Threads:

jep, das ist auch meine einzige wirkliche Kritik an der Geschichte @ Willie.
Ich hab das Gefühl, dass Du Willie noch nicht 100% im Griff hast. Aber wenn Du erst den richtigen Platz für ihn in der Wache gefunden hast, wird er endgültig cool Wink
Und wenn Dein Abteilungsleiter einfach so einen Zivilisten in die ermittlung mit einbeziehen würde, sollte das einen Grund haben - und sei es nur weil Cim gelangweilt aus einer Laune so entschieden hat - name it, buddy.

Ansonsten: siehe SEALS-Forum.

lg, Cim,
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