Allein gegen Ankh-Morpork

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von Gefreite Kathiopeja (RUM)
Online seit 01. 04. 2006
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Seltsame Forderungen werden an den Tatorten von Morden gefunden. Und als ob das nicht genug wäre, mischt sich der Patrizier persönlich in den Fall ein, was die Stadt kurzzeitig ziemlich in Aufruhr versetzt.

Dafür vergebene Note: 11


Der Morgen war sonnig. Fast zu sonnig für eine Stadt wie Ankh-Morpork mit einem Fluss wie dem Ankh. Gegen Mittag würde der Gestank des Rattenlochs, das von Außenstehenden in ihrer Unwissenheit "Perle der Scheibenwelt" genannt wurde, beinahe unerträglich werden.
Die Gefreite Kathiopeja hoffte sehr, dass sie zu dieser Zeit nicht auf die Straße musste. Doch das war im Moment nebensächlich. Erstmal sollte sie schneller rennen, was bei einer Stadt mit zu vielen Einwohnern und zu schmalen Gassen nicht leicht war.
Allerdings kam sie ohnehin schon zu spät. Mal wieder.
Endlich erreichte sie das Wachhaus. Wenn sie Glück hatte, bemerkte niemand, dass sie unpünktlich war. Sie stieß die Tür zur Eingangshalle auf, trat ein und nahm sich dann die Zeit, nach Luft zu schnappen.
"Warum hältst du an?", fragte eine quengelige Stimme aus ihrer schwarzen Umhängetasche. Sie gehörte zu Marven, einem jungen Gnom, den sie während ihrer Ausbildung aufgelesen hatte.
"Weil..." Sie hielt inne und sog genug Luft zum Sprechen ein. "..ich jetzt da bin.... Jetzt kann keiner mehr behaupten ich sei..."
"Du bist zu spät, Kathi." Tussnelda von Grantick kam gerade aus der Kantine. "An deiner Pünktlichkeit musst du noch arbeiten", rügte die Püschologin ihre Kollegin. "Sonst wirst du noch rausgeschmissen."
Die Ermittlerin streckte ihr die Zunge raus und meinte: "Mich schmeißen sie nicht raus. Ich bin viel zu gut. Das können sie sich nicht leisten."
Tussi grinste nur zur Antwort. Und das Kichern des Gnoms überhörte Kathi einfach, als sie die Treppe hinauf zu ihrem Büro ging.

***

Bis zum Mittag war der Tag alles andere als ereignisreich. Dann bekam sie den Befehl, bei der Abteilungsleiterin zu erscheinen. Und obwohl Kathiopeja einen frischen, dampfenden Kaffee vor ihrer Nase hatte, entschied sie sich, ihre Vorgesetzte lieber nicht warten zu lassen. Es ging vermutlich um ihr zu-spät-kommen. Das häufte sich in letzter Zeit. Aber konnte Kanndra davon wissen? Oder war es wegen den paar kleineren Sticheleien bei den Susen? Es konnte gut sein, dass die sich beschwert hatten und sie nun eine Standpauke von der Schäffin erwartete. Dabei hatten es die SUSI in einigen Fällen wirklich verdient.
"Ich muss wohl einfach zu ihr gehen und sehen, was sie will", seufzte sie.
Marven sprang ihr auf die Schulter und antwortete nur: "Solltest du. Und jetzt beeil dich lieber." Er kicherte schon wieder. Das war kein gutes Zeichen.

***

Der Keller war dunkel. Dunkel genug, um sich in ihm zu verstecken. Die Anwohner rechneten nicht mit Eindringlingen. Am wenigsten mit welchen, die unter der Erde auf sie warteten.
Als die noch recht junge Frau den Raum betrat, fühlte sie sich irgendwie beobachtet. Sie schüttelte den Kopf, um diesen Gedanken loszuwerden. Wer sollte hier unten sein?
Die lächelnde Gestalt im Schatten konnte sie nicht erkennen. Sorglos ging sie tiefer in ihren Keller hinein.
Plötzlich fassten zwei gnadenlose Hände um ihren Hals und drückten zu. Ihr blieb die Luft weg, verzweifelt strampelte sie. Doch der Griff ließ nicht nach. Sie wurde schwächer, hörte auf zu treten. Schwarze Flecken tanzten vor ihren Augen, bis sie das Bewusstsein vollkommen verlor.
Nachdem auch der letzte Lebenshauch aus ihrem Körper gewichen war, wurde sie sanft auf den Boden gelegt. Der Schatten gab ihr einen kleinen Zettel in die Hand und verließ den Keller durch die Öffnung, die er in der Wand gefunden hatte. Er war dankbar erfahren zu haben, dass Ankh-Morpork auf Ankh-Morpork stand.

***

Kathiopeja klopfte vorsichtig an die Tür der Abteilungsleiterin. Marven schien zumindest ein Teil von dem zu wissen, was sie gleich zu hören kriegen würde, denn er lachte sich bereits halb tot.
"Herein." Kanndras Stimme klang gedämpft.
"Ich wurde gerufen, Mä'äm", sagte die Ermittlerin, als sie eintrat und die Bürotür hinter sich schloss.
"Ja, das wurdest du", erwiderte der Feldwebel und sah verwundert zu dem Gnom auf der Schulter ihrer Untergebenen.
"Es geht darum, dass du in letzter Zeit häufig zu spät zu kommen scheinst."
"Mä'äm?"
"Ich denke, du weißt, wovon ich rede."
Das RUM-Mitglied seufzte. "Hör mal, Schäffin, ich gebe ja zu nicht immer ganz pünktlich gewesen zu sein. Allerdings frühstücke ich dafür nicht mehr in der Wache, sondern trinke meinen Morgenkaffee zu Hause. Es spielt also eigentlich keine Rolle, ob ich pünktlich da bin und dann mindestens zehn Minuten in der Kantine bin, oder ob ich genau die zehn Minuten zu spät bin." Kathi grinste ihre Vorgesetzte nett an und fand ihre eigene Logik in diesem Moment geradezu genial.
Selbst Marven hatte aufgehört zu lachen und sah sie nun fast bewundernd an.
"Soso..." Es schien, als überlege Kanndra, was sie von der Aussage halten sollte. "Nun gut.. ich belasse es erstmal bei dieser.. Aussprache. Bitte sei ab sofort trotzdem pünktlich. Das erspart uns allen eine Menge Ärger."
Die Klatschianerin nickte und sah die Abteilungsleiterin fragend an.
"Du kannst gehen. Ich wollte das nur klar stellen. Wir sind Wächter und können uns einfach keine Unpünktlichkeit leisten, weißt du?"
Für Kathiopeja sah es so aus, als hinge die Frau vor ihr alten Erinnerungen nach.
Nun gut.. bei FROG mag Pünktlichkeit manchmal das Überleben einer Person ausmachen. Nachdenklich ging sie auf die Tür zu. Na ein Glück, dass bei meinen Fällen immer schon alle tot sind. Plötzlich grinste sie wieder gut gelaunt. Jaa.. der Tag wurde nun besser. Kanndra hatte nichts wirklich schlimmes gesagt und sie würde die Unpünktlichkeit einer RUM bestimmt auch noch ein bisschen länger tolerieren können. Selbst wenn nicht.. irgendwas fiel der Ermittlerin notfalls schon ein. Als sie sich an den Kaffee erinnerte, der auf ihrem Schreibtisch auf sie wartete, begann sie vor sich hin zu summen und fast schon tänzelnd zu gehen.
"Bitte... hör auf. Wenn du summst, grinst und durch die Gegend tanzt macht mir das wirklich Angst", sagte der grauäugige Gnom neben ihrem Ohr.
Seinen Satz quittierte die Gefreite mit einem noch breiteren Grinsen und drehte sich dann einmal im Kreis.
"Alles in Ordnung mit dir?", fragte Rabe Raben, der gerade den Flur kreuzte.
Kathi blieb stehen und lächelte ihren Freund an.
"Aber sicher doch. Gleich ist der Tag perfekt."
Der hoch gewachsene Mann sah sie an als zweifle er an ihrem Verstand. "Was auch immer man dir gegeben hat: es wirkt."
Er flitzte schnell um die nächste Ecke, ehe seine Kollegin etwas fand, womit sie nach ihm werfen konnte.
Die Ermittlerin öffnete die Tür zu ihrem Büro.
"Pff... Susen...", grummelte sie dabei.
Doch ihr Gesicht erhellte sich sofort, als sie den aktenfreien Schreibtisch und den Kaffee darauf entdeckte.

***

Kathiopeja hatte nichts zu tun. Absolut gar nichts. Das freute sie sehr. Ein wenig schade fand sie, dass keiner ihrer Büro-Kollegen da war. Pyronekdan, Aven Resta und Thymian Pech schienen zu viele Dinge außerhalb der Wache zu tun zu haben, um sich in ihrem Büro ausruhen zu können.
"Jaja.. die armen Anwerber und Kontakter haben immer was zu tun. Selbst, wenn es praktisch keine neuen Fälle gibt", murmelte sie vor sich hin.
"Weib, was erzählst du für Unsinn?"
Sie starrte den Gnom böse an. "WAS?", fragte die Klatschianerin in einem Ton, der Marven das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er schreckte zurück und ihn hätte wahrscheinlich eine nicht sehr angenehme Zukunft bevor gestanden, doch Kathi wurde unterbrochen.
Es klopfte.
Die Tür wurde mit einem Ruck geöffnet. Trotzdem ließ die Art und Weise des Öffnens darauf schließen, dass es vorsichtig geschah.
Ein Troll stand in der Tür. Nun.. eigentlich davor. Es war offensichtlich, dass die Türöffnung zu klein für ihn war.
"Ich haben Zettel für dich", sagte Axtspalter. Dann streckte er seine Hand vorsichtig in den Raum hinein und gab sich alle Mühe, die Nachricht auf einem kleinen Tisch in seiner Nähe zu legen, ohne etwas kaputt zu machen. Dennoch knackste das Tischchen verdächtig. Schließlich schien er der Gefreiten noch einmal zuzunicken und schloss die Tür hinter sich mit einem lauten Knall. Ein paar Sekunden später beschwerte sich das Holz mit einem vorwurfsvollen Knarren.
Kathiopeja nahm den Zettel und faltete ihn auf.
Komm zu uns (Adr. unten), haben Fall, sollst mitarbeiten, da wir Ermittlerin brauchen. Dann folgte die Adresse.
Eine Unterschrift gab es nicht.
Kathiopeja seufzte. Die Mitteilung kam von einem Wächter, das wusste sie, denn sie kannte die Schrift irgendwoher. Ihr fehlte im Moment aber die Motivation zu überlegen, von wem. Dahin war ihr ruhiger Tag. Dahin der Nachmittag allein mit ihrem Kaffee. Sie nahm ihre Tasse, füllte sie und holte ihre Umhängetasche.
"Na, wo gehen wir hin?", wollte Marven wissen, der sofort auf ihren Kopf kletterte.
"Wir gehen nirgendwohin", antwortete sie, setzte den Gnom auf ihrem Schreibtisch ab und begrub ihn vorsichtig unter einem Buch.
Bis er sich da drunter vorgekämpft hat, bin ich weg.
Sie sah ihn noch einmal vergnügt an und ließ den fluchenden Marven zurück.

***

Der Tatort war in einer der vielen ärmlicheren Gegenden der Stadt. Die Tote war noch jung gewesen. Gefunden worden war sie von einer Mitbewohnerin, die nur ein Zimmer neben ihr wohnte. Doch die Leiche lag nicht in ihrem ehemaligen Zimmer, sondern im Keller.
Kathiopeja wurde vom Inhaber des Hauses zum Ort des Geschehens gebracht. Von ihm ließ sie sich auch die anwesenden Wächter schildern. Seinen Worten nach waren es Tussnelda und Doris von Zitti plus zwei Wächter, deren Beschreibung ihr nichts sagte.
Vermutlich SUSI., dachte sie.
"Sie wurde erwürgt", sagte Doris zu ihrer frisch angekommenen Kollegin.
Die Ermittlerin besah sich die tote Frau. Die Würgemale waren kaum zu übersehen.
"Ja, das sieht man. Mal sehen, was der Gerichtsmediziner dazu zu sagen hat.", erwiderte Kathi.
"Die Leiche wird in ein paar Minuten hier weg sein, wir machen nur noch die letzten Ikonographien."
Die Stimme der Sprechenden kannte die Klatschianerin nicht. Sie war mindestens zehn Zentimeter größer als das RUM-Mitglied, hatte rote Haare und eine Augenfarbe, die irgendwo zwischen grün und grau anzusiedeln war.
"Gut gut..", antwortete sie schnell. Dann wandte sich Kathiopeja ihrer Freundin Tussi zu. "Hast du mir die Nachricht zukommen lassen?"
"Ja, Kanndra meinte, du seist die einzige Ermittlerin, die Zeit hat. Was kein Wunder ist, wenn du morgens immer zu spät kommst und die über Nacht geschehenen Fälle nicht zugeteilt bekommst." Sie grinste breit, wurde dann aber wieder ernst, als sie sich zu der Toten wand.
"Sie hatte einen Zettel in der Hand."
Die beiden Püschologinnen sahen sich viel sagend an.
"Was für einen Zettel?", wollte Kathi wissen.
"Lies selbst", meinte Doris und gab ihr die Ikonographie einer Nachricht. "Das Original hat SUSI mitgenommen. Vielleicht können sie Fingerabdrücke sichern."
Auf einem gelben Zettel stand in unsauberer Schrift:
HAHA!!! Ier beckommt mich nih! Aber meihne Vorderungen sollten besser erfüllt wehrden! Sonnst stehrben meer Menschen als nöhtig!
"Und das ist alles?", fragte die Klatschianerin mit hochgezogener Augenbraue.
Ihre beiden Kolleginnen nickten.
"Doris und ich vermuten... " Tussi unterbrach sich. "Nun.. es wird mindestens ein Mord folgen, denn der Täter spricht von Forderungen, hat aber noch keine gestellt. Darum glauben wir, dass er noch jemanden umbringen wird."
"Der Täter könnte aber auch einen Brief an die Wache schicken, in dem seine Forderungen stehen", gab Kathi zu bedenken. Doch ihr war bewusst, dass das in einer Stadt wie Ankh-Morpork wohl unwahrscheinlicher war als die Theorie der Püschologinnen. "Und sonst?"
"Oh.. SUSI konnte keine nützlichen Spuren entdecken. Wir hoffen nur noch, auf der Nachricht etwas finden zu können. Oder vielleicht gibt die Leiche im Labor mehr her."
Während Tussnelda sprach, hatte sich ihre zwergische Kollegin etwas zurückgezogen. Kathiopeja beobachtete, wie sie die Augen verdrehte.
"Ähm.. Tussi? Was tut sie?"
Die Angesprochene blickte zu ihrer ehemaligen Auszubildenden. "Ach.. sie denkt nach."
Zweifelnd blickte die Ermittlerin in die Richtung des Zwergs. "Fein....", meinte sie gedehnt und blickte sich im Keller um.
Es gab nichts auffälliges. Die Umgebung war in jedem anderen Haus Ankh-Morporks wahrscheinlich ähnlich zu finden.
"Habt ihr schon etwas über den Täter herausfinden können?"
"Wir sind Püschologen, keine Ermittler. Aber ja, wir wissen zumindest eines: es ist ein Mann. Und er ist durch ein Loch in der Wand hier eingedrungen. Ich weiß nicht, ob du weißt, dass es hier unten teilweise wundervoll erhaltene Häuser und Wege gibt."
"Ja, das ist mittlerweile relativ bekannt.", sagte Kathi abwesend. "Nun gut, wenn es sonst nichts mehr gibt, was ihr mir sagen könnt, sollte ich wohl mal mit dem Ermitteln beginnen."

***

Die Befragung der Nachbarin hatte nicht viel ergeben. Die Tote hieß Natali Gerber, was SUSI vermutlich ohnehin schon wusste. Sie arbeitete in einer netten kleinen Bar, hatte wenige Freunde, lebte eher zurückgezogen, hatte jedoch keine wirklichen Feinde.
Ihr Arbeitgeber bestätigte Kathiopeja die Aussage der Nachbarin und konnte sich ebenfalls niemanden vorstellen, der sie umgebracht haben könnte.
Halb verzweifelt saß Kathi in ihrem Büro, das bis auf sie, Marven und ihren Kaffee leer war. Wie üblich.
Es klopfte an der Tür. Noch ehe sie 'Herein' sagen konnte, schwang sie auch schon auf und zwei Wächterinnen traten ein.
"Guten Abend.", sagte Doris, die hinter Tussi rein gekommen war.
"Wir wollten wissen, wie weit du gekommen bist. Und wir haben dir etwas mitgebracht." Tussnelda legte den gelben Zettel, den Kathiopeja bisher nur von der Ikonographie kannte, auf den Schreibtisch. "SUSI konnte keine Spuren daran finden. Genauso wenig, wie an der Leiche. Scheint ein raffinierter Kerl zu sein."
"Na super..", seufzte die Ermittlerin.
"Ihr solltet ihr besser helfen, allein kommt sie mit dem Fall nämlich sowieso nicht klar", mischte sich Marven in das Gespräch ein und kassierte sofort einen liebevollen Klaps auf den Hinterkopf. "Weiber..", murmelte er und verzog sich in die Keksdose in Kathiopejas Schreibtischschublade.
"Kathi, bitte. Marven hat Recht: wir werden dir helfen."
Die Klatschianerin sah Tussi groß an.
"Weißt du, wenn die Spuren nichts her geben sollte man sich auf uns Püschologen verlassen." Neben ihr nickte Doris zustimmend mit dem Kopf. "Das meinte Kanndra übrigens auch."
"Also gut, ihr beiden Super-Püschologinnen. Dann setzt euch mal."
Die Klatschianerin holte die Keksdose heraus, scheuchte Marven fluchend fort und begann sich mit den beiden anderen Gefreiten zu beraten.

***

An sich war es ein schöner Abend gewesen, fand Kathiopeja gegen Mitternacht in ihrem mehr als unbequemen Bett. Sie waren nicht wirklich vorangekommen, doch das lag an diesem furchtbaren Fall und nicht an den drei Wächterinnen.
Neben ihr schnarchte Marven. Eigentlich sollte er in einem Karton auf dem Nachttisch schlafen, aber sie brachte es nicht übers Herz, dem kleinen Gnom ihr Kopfkissen zu verweigern, wenn er sie aus seinen großen, flehenden grauen Augen ansah. Und das wusste der kleine Kerl.
Grummelnd drehte sie sich um und musste dabei acht geben, nicht mit dem Kopf auf ihr Kissen zu kommen. Das vierzehn Zentimeter große Wesen konnte eine Menge Platz einnehmen. Ihre Gedanken schweiften immer weiter ab, bis sie schließlich einschlief um von riesigen Kaffeetassen, wandelnden toten Frauen und einem wahnsinnig lachenden Mörder zu träumen.

***

Der alte Mann lag ruhig in seinem Bett und schlief, wie es jeder ehrbare Bürger gegen zwei Uhr morgens in Ankh-Morpork tat.[1] Er war allein in dem Haus. Ob das alltäglich so war, kümmerte die Gestalt, die in der Schlafzimmertür stand, nicht. Etwas blitzte in seiner Hand. Doch es verschwand in einer Tasche, als er die Schüssel mit Flüssigkeit auf dem Nachttisch sah.
Vorsichtig näherte er sich dem schlafenden Alten. In der Dunkelheit war nicht viel zu erkennen, jedoch genug.
Lautlos nahm er die Schüssel, entfernte etwas daraus, was in der Flüssigkeit schwamm und drehte den Mann weit genug, um sein Gesicht in das Gefäß drücken zu können. Nach einigen Sekunden begann sich das Opfer zu wehren. Es war aber schon zu spät. Für diesen Mann gab es keinen Ausweg mehr. Als er schlaff und leblos in seinem Bett hing, begann der Fremde damit, noch ein paar mal auf den Körper einzustechen.
Verdient habt ihr es! Ihr alle!

***

In der Nacht war noch eine Leiche gefunden worden, die eindeutig auf den selben Täter wie bei der jungen Frau schließen ließ. Noch ein Zettel mit einer Forderung lag nun auf dem Schreibtisch in Kathiopejas Büro, das die drei Gefreiten zu ihrer Einsatzzentrale gemacht hatten.
Tussnelda, Kathiopeja und Doris betrachteten ihn.
Auf dem vergilbten, zerknitterten und unregelmäßig abgerissenen Blatt Papier stand in fast unleserlicher Schrift:
HAHA!!! Ier beckommt mich nih! Aber meihne Vorderungen sollten besser erfüllt wehrden! Sonnst stehrben meer Menschen als nöhtig!
Darunter war ein Pfeil gemalt, der darauf hinweisen sollte, dass das Blatt auch auf der Rückseite beschrieben war. Dort stand:
Ich vordere eihnen Gildenbesteuerungserlass! Die Gilden sollten keihne steuern bezalen müssen! Es geet den Mitglihdern schlimm genug!
Tussnelda nickte immer wieder verstehend, nachdem sie diese Nachricht zum mindestens hundertsten mal gelesen hatte.
Doris schien nachzudenken.
Schließlich sagte Kathi: "Tussi, ich denke, du hattest beim ersten mal schon recht: das ist wirklich ein Mann gewesen."
Die Angesprochene sah sie überrascht an. "Wie kommst du darauf?"
"Jeder in dieser Stadt weiß schließlich, dass die Gilden keine Steuern zahlen. Dank der Hilfe der freundlichen Anwälte. Kann ja nur ein Mann sein, der so blauäugig ist zu glauben, Gilden zahlen Steuern." Kathiopeja grinste, als die Püschologin sie fragend ansah.
"Ja.. gut.. meine Theorie ist vielleicht etwas weit hergeholt.", gab sie schließlich zu.
"Aber du hast mit einem recht: Jeder weiß, dass Gilden keine Steuern zahlen. Also ist diese Forderung lächerlich. Es sei denn, der Täter kennt sich nicht so gut aus in Ankh-Morpork."
Die Ermittlerin wurde plötzlich ernst. "Hmm. Stimmt schon. Aber sehen wir einmal von den Rechtschreibfehlern ab, scheint er keine Probleme mit der Sprache zu haben. Widerspricht sich das nicht irgendwie?"
"Kathi, du stammst doch auch nicht von hier, hast aber noch nicht einmal einen Akzent beim sprechen."
"Ich wohne ja auch schon lange hier."
"Und ihr habt zu Hause vermutlich nicht Klatschianisch gesprochen."
Kathiopeja nickte. "Richtig, meine Eltern haben immer darauf bestanden, dass wir uns sprachlich anpassen." Plötzlich lächelte sie. "Du meinst, er hat Kontakt in die Stadt? Er könnte ja einen Akzent haben. Den bemerken wir beim schreiben nicht."
"Durchaus möglich. Ich denke, Doris und ich sollten uns nun dem Prohfeiling zuwenden. Wir kriegen dieses mal bestimmt mehr aus der Nachricht heraus, als nur, dass es ein Mann ist."

***

Die drei hatten beschlossen, dass Kathiopeja sich bei SUSI wegen der Leiche erkundigen sollte, während Tussi und Doris erst einen Kontakter um Hilfe bitten und sich danach der Püsche des Mörders widmen wollten.
Auf dem Weg zur Gerichtsmedizin notierte sich die Ermittlerin einige Gedanken.
Welchen Zusammenhang zwischen Toten? Verbindung!? Motiv? Bestimmte Todesart? Warum Forderung?
Einige davon hoffte sie von den Püschologinnen beantwortet zu bekommen. Sie wollte gerade weiter schreiben, als sie gegen jemanden prallte.
"Pass doch auf!" war alles, was Magane sagte, ehe sie in der nächsten Tür verschwand.
Mitfühlend sah Kathiopeja ihr nach. Manchmal ging es ihr ähnlich. Sie konnte Maggie verstehen, da war sie ganz sicher.
Die Klatschianerin stand bereits vor der Gerichtsmedizin. Es gruselte ihr immer wieder, wenn sie die Gläser und Instrumente sah. Innerlich wappnete sie sich vor dem Anblick so gut es eben ging und klopfte dann.
Die Tür ging auf. Vor ihr stand die Zwergin Avalania von Gilgory, die sie noch aus der Ausbildung kannte.
"Wie kann ich dir helfen?"
"Es geht um den Mann, der diese Nacht erstochen wurde", antwortete Kathi.
Avalania blickte nachdenklich. "Hmm.. erstochen wurde niemand, soweit ich weiß." Dann lächelte sie. "Aber ich weiß, wen du meinst."
Kathiopeja war mehr als leicht verwirrt.
"Mir wurde ein Fall zugeteilt, in dem ein alter Mann in seinem Bett erstochen und mit einem Zettel in der Hand gefunden wurde."
"Das wird sich alles klären, keine Sorge", erwiderte die Gerichtsmedizinerin.

***

"Leute, ihr glaubt nie, was mir..." Kathiopeja hielt inne. In ihrem Büro saß weder Doris noch Tussi. Dafür aber ein verwirrt aussehender Thymian Pech.
"Oh.. entschuldige bitte. Ich dachte, die beiden Püschologinnen wären hier."
"Du meinst den Zwerg und die junge Frau?"
Kathi nickte.
"Die sind in die Kantine gegangen, als ich gekommen bin. Wollten mich wohl nicht stören."
Murmelnd dankte sie ihrem Kollegen und machte sich auf den Weg zur Kantine.
Was er wohl in unserem Büro macht? Ich seh ihn sonst fast nie.. Naja.. eigentlich auch egal. Die beiden werden Augen machen.
Als sie in den großen Speiseraum eintrat, sah sie sofort Tussneldas winkende Hand. Sie schien auf die Ermittlerin gewartet zu haben.
"Wir sind voran gekommen.", sagte die Püschologin schon zu ihr, als sie noch mindestens fünf Schritte entfernt war.
"Ich auch", erwiderte Kathiopeja, in der Sicherheit, dass ihre Neuigkeiten viel umwerfender waren. "Ihr fangt an."
Tussi nickte ihrer ehemaligen Auszubildenden zu, woraufhin diese zu Sprechen begann.
"Dass es sich um einen Mann handelt, haben wir sowieso schon vermutet. Dazu kommt, dass er aggressiv ist. Außerdem denken wir, dass jemand, der ihm Nahe stand in einer Gilde war und nicht sehr glücklich dabei. Seine Opfer sind wahrscheinlich wahllos, er will sich an den Gilden, den Menschen oder vielleicht der ganzen Stadt rächen. Wir schätzen, dass es eine Mordserie wird. Da können wir aber nicht sicher sein. Und da jeder in dieser Stadt das nächste Opfer sein könnte, haben wir auch keine Chance, das zu verhindern."
"Das nennt ihr voran kommen?", fragte Kathi ein wenig deprimiert.
"Immerhin wissen wir mehr, als vorher."
"Ja, das stimmt. Also gut, dann bin ich wohl dran. Es sieht so aus: der alte Mann wurde nicht erstochen. Die Stichwunden wurden ihm nach seinem Tod zugefügt. Er wurde ertränkt. In seinem Gebissreiniger."
"Was?", wollten die Püschologinnen gleichzeitig wissen.
"Soweit ich herausbekommen habe, stand eine Schüssel mit seinem Gebissreiniger und dem Gebiss darin immer neben seinem Bett. Und am Tatort lag das Gebiss auf dem Boden. Achtlos dahin geworfen." Es blitzte kurz in den Augen der Ermittlerin. "Das heißt, der Mörder hat sich vor Ort um entschieden. Jetzt kommt das wichtige: Die Tatsache, dass man Fingerabdrücke am Hals des Opfers fand, spricht ebenfalls dafür, dass es eigentlich nur erstochen werden sollte."
"Fingerabdrücke...", wiederholte Doris.
"Genau. Haben wir also erstmal den Täter, können wir ihm zumindest nachweisen, dass er es war." Übertrieben gut gelaunt fügte Kathiopeja hinzu: "Jetzt müssen wir also nur noch den Mörder finden."
Daraufhin verzog Tussnelda fast leidend das Gesicht.

***

Die Stadt war belebt diesen Nachmittag. Schlendernd ging der Mann durch die Straßen. Er hatte eine Aufgabe. Und er konnte sich keine wichtigere vorstellen. In einer Nebenstraße entdeckte er ein junges Mädchen. Unauffällig blickte er sich um. Niemand beachtete sie, niemand beachtete ihn. Sicher, er war nicht darauf vorbereitet gewesen hier und jetzt, doch es war ein guter Moment.
Er verschwand in der Seitengasse. Rasch näherte er sich dem Opfer. Nun beglückwünschte er sich dazu, immer Schreibzeug dabei zu haben.
Als er ihren Kiefer in seine Hände nahm begann sie zu sprechen.
"Was.."
Weiter kam sie nicht, bevor es zwei mal knackte und ihre Augen glasig wurden.
Hastig schrieb er eine Nachricht und drückte sie ihr in die Hand.

***

Die Gefreiten saßen noch immer in der Kantine, als Ilona zu ihnen kam.
"Ihr seid das mit den Morden und den Nachrichten, richtig?", fragte die sie.
"Ja, genau. Das sind wir." Doris sah die Kontakterin an. "Hast du etwas raus gefunden?"
"Das auch. Erstmal habe ich eine Mitteilung von Kanndra. Eben haben sie wieder eine Tote gefunden. Aber ihr müsst nicht zum Tatort. Gibt wohl nichts zu sehen dort. Nur auf die Berichte von SUSI sollt ihr warten. Es könnte wohl etwas interessantes bei sein."
Schweigen trat ein. Schließlich meldete sich Kathiopeja zu Wort.
"Hattest du nicht gemeint, du hast etwas herausgefunden?"
Die schwarzhaarige Frau blickte auf ihren Notizblock. "Oh ja.. Ich weiß nicht, ob euch das wirklich hilft, aber es war das einzige möglicherweise wichtige. Einer meiner Informanten hatte wohl Kontakt mit einem älteren, braungebrannten Mann, der erzählte etwas von Toten und Nachrichten für die Stadt. Und dass sich bald einiges verändern würde. Schien ein wenig wahnsinnig zu sein." Es sah so aus, als machte sie der Gedanke an Wahnsinnige nicht glücklich. "Schönen Tag euch noch!"
Damit war sie auch schon wieder gegangen.
"Der Mann passt zwar ins Profil, aber wirklich etwas bringen tut diese Info ja nicht", seufzte Kathi und erntete zustimmendes Nicken.
"Ich hab doch glatt etwas vergessen", ertönte es plötzlich vom Eingang der Kantine her. Es war Ilonas Stimme. "Tut mir leid", versicherte sie und gab ihnen eine Ikonographie.
Darauf war ein gelblicher Zettel und in der den drei RUM-Mitgliedern bekannten, wenn auch etwas hektischer geschriebener aussehenden, Handschrift stand dort:
HAHA!!! Ier beckommt mich nih! Aber meihne Vorderungen sollten besser erfüllt wehrden! Sonnst stehrben meer Menschen als nöhtig! Ich vordere ein Verboht so genannter Zeihtungn! Sie ferbreiten Falsche Dinge über tohte und zerstöhren mit ihrem Klatsch das andenken an sieh.

***

SUSI meldete sich noch am selben Abend, als Kathiopeja, Doris und Tussnelda wieder im Büro saßen.
Kathi sah in ihren Kaffeebecher. "Der Mann scheint einen unglaublichen Hass auf die Stadt oder doch zumindest einen Großteil davon zu haben."
"Ja.. außerdem können wir uns sicher sein, dass er jemanden verloren hatte, der in Ankh-Morpork lebte und nun die Stadt dafür verantwortlich machen will", fügte Doris hinzu.
"Und er schien ungeduldiger zu werden. Die Abstände der Morde wurden kleiner. Den letzten schien er noch nicht einmal wirklich geplant zu haben", sagte die Quirmianerin.
Dann klopfte es und herein kam der Tatortsicherer Rabe. Er sah mitgenommen aus, wie nach einem viel zu langen Arbeitstag. Den drei Gefreiten erging es ähnlich und so sahen sie ihn nur mitfühlend an.
"Ich hab was für euch. Viel Spaß damit." So legte er ihnen eine SUSI-Akte auf den Tisch, drehte sich um und wünschte ihnen allen eine gute Nacht.
"Haha... gute Nacht.", grummelte Kathi und nahm sich die Akte.
Ihr Gesicht erhellte sich während des Lesens.
"Mädels, es wird immer besser! Hier steht, dass sie überall an dem toten Mädchen Fingerabdrücke finden konnten. Genau wie auf dem Zettel. Und sie stimmen mit denen vom zweiten Mord überein. Er wird wirklich unvorsichtiger. Wir wissen sogar noch etwas."
Gespannt betrachteten die beiden anderen sie.
"Er war mal Fischer. Die Art und Weise, wie er sie umgebracht hat, wird in der Hochseefischerei verwand, um störende Tiere im Netz loszuwerden. Nennt sich Kieferknacker und funktioniert praktisch bei allem. Auch bei Menschen."
"Toll.. fehlt aber immer noch Aufenthaltsort oder wenigstens der Name", bremste Doris Kathiopejas zu überschwängliche Freude.
"Ja, doch.. ich weiß. Aber zumindest geht es voran, freut euch darüber doch mal!"
"Es mussten drei Menschen sterben", warf Tussnelda ein.
"Ich seh schon, ihr seid super drauf... Lasst uns für heute Schluss machen. Es bringt ja eh nichts mehr."

***

Die Abenddämmerung hatte eingesetzt, als er sich im Garten umsah. Mal abgesehen von dem jungen, athletisch aussehenden Mann, war niemand zu sehen. Laut einer Stickerei an seinem Hemd hieß er Daniel. Er öffnete die Tür zum Haus, ging hinein und bemerkte nicht, dass ihm jemand folgte, als er durch die breiten Gänge lief.
Die Gestalt ging vorsichtig hinter seinem Opfer her, einen scharfen und genauso spitzen Haken in der Hand. Hätte sich der Verfolgte im richtigen Moment umgedreht, hätte er vielleicht etwas glitzern sehen können. Doch Daniel rechnete nicht mit einem so dreisten Menschen. Das wurde nun sein Verhängnis.
Starre Augen richteten sich auf seinen Rücken. Als der junge Mann schließlich in einer kleinen Kammer stand, um sich ein Handtuch herauszuholen, spürte er einen kurzen Schmerz auf dem Kopf.
Aber damit war sein Angreifer nicht zufrieden. Die Gestalt schlug zu, trat und biss. Schließlich schnitt er ihm die Kehle durch. Doch das war bei weitem nicht alles. Er wollte den Körper noch in einen geeigneten Zustand bringen. Und dazu eignete sich nichts besser, als der mitgebrachte Haken.

***

Der nächste Morgen hielt für Doris, Kathiopeja und Tussi eine nächste Leiche bereit. Und ein Gespräch mit einer etwas nervösen Kanndra.
"Der Kommandör war heute hier", eröffnete sie den dreien sofort nach deren Eintritt. "Es war kein Vergnügungsbesuch."
Die Gefreiten sahen sich fragend an.
"Der Patrizier hat auf welchen Wegen auch immer von euren Morden gehört und Rascaal darauf angesprochen. Ganz besonders ist er an dem letzten interessiert. Was glaubt ihr, warum das so ist?" Sie sah die RUM-Mitglieder durchdringend an.
"Nun.. Schäffin, das ist so", begann Kathi und erklärte ihrer Vorgesetzten die drei Taten, von denen sie wusste, was sie bisher erfahren hatten und erwähnte schließlich die Forderungen.
Der Feldwebel schluckte.
"Der Patrizier scheint den Fall ernster zu nehmen, als die Wache..." Nachdenklich blickte sie von einer Wächterin zur anderen. "Ich gebe euch Kolumbini mit an den Tatort. Er ist gut darin, seltsame Fälle zu lösen. Doris bleibt hier im Wachhaus, verständigt alle Kontakter, die sie finden kann und gibt ihnen den Auftrag, sich nach einem Mann umzuhören, der dem Profil entspricht."
Die Zwergin schien ein wenig enttäuscht.
"Ich werde die anderen Ermittler zusammensuchen. Wenn der Patrizier so daran interessiert ist und diese Forderungen ernst nimmt, sollten wir diesen Fall schnell lösen. Jetzt verschwindet schnell. Ach und... ich habe gehört, dass der Tatort grauenvoll aussehen soll. Außerdem scheinen einige SUSI von einem Wahnsinnigen zu tuscheln. Stellt euch darauf ein."
Tussnelda und Kathiopeja nickten. Dann gingen alle drei Gefreiten, um ihren Anweisungen zu folgen.

***

Es war Tussnelda anzusehen, dass sie beim Anblick des Tatortes mit ihrem Würgereflex rang. Sie war blass geworden und schluckte übertrieben häufig. Auch Kathiopeja ging es nicht viel anders. Schnell nahm sie einen großen Schluck Kaffee, der sie hoffentlich ein bisschen beruhigte und gleichzeitig verhinderte, dass sie sich übergab. Kolumbini hingegen schien die Umgebung nichts auszumachen.
Das Opfer lag in einem kleinen Raum. Nein.. man sollte eher sagen, das Opfer war in diesem kleinen Raum verteilt worden. Kathi und ihre Freundin umgingen es, den seltsam verdrehten und an einigen Stellen nur noch knapp zusammen haltenden Körper anzublicken. Sie sahen sich die mit Blut beschmierten Wände an. Es war die selbe Schrift, wie auf den drei Zetteln, die sie bereits erhalten hatten.
"Also wirklich wieder einer dieser Serienmorde..", murmelte die Ermittlerin und holte ihren Notizblock hervor.
SUSI hatte bestimmt schon Ikonographien von diesem Ort gemacht. Trotzdem schrieb sie sich den Wortlaut der Nachricht auf.
HAHA!!! Ier beckommt mich nih! Aber meihne Vorderungen sollten besser erfüllt wehrden! Sonnst stehrben meer Menschen als nöhtig! Ich vordere eine Patrihzierin!
Kathiopeja fielen fast die Augen aus den Höhlen. Und auch Tussi schien an dieser Stelle angelangt zu sein, denn sie schnappte nach Luft.
Kolumbini war plötzlich hinter ihnen und betrachtete nun ebenfalls die Wand.
"Eine Patrizierin..?" war alles was er sagte. Allerdings ließen Betonung und Tonfall keinen Zweifel daran, was er von dieser Idee hielt. Schließlich murmelte er noch ein leises "Die Leute werden auch immer verrückter" vor sich hin und wand sich wieder der Leiche zu.
Die Klatschianerin stierte ihm böse hinterher und flüsterte dann ihrer Kollegin zu: "Verrückt.. soso.. das sagt ja der richtige."
"Kathi! Er ist ein ausgezeichneter Ermittler!"
"Ja.. aber das heißt nicht, dass er ein ausgezeichneter Mensch ist", grummelte sie zurück und verließ dann den Raum. Sie konnte auch die Ikonographien von SUSI benutzen. Das war wenigstens etwas besser, als sich dieses Blutbad in echt weiter anzusehen.
Draußen lehnte sie sich gegen die Wand. Kurz darauf leistete ihr Tussnelda, die bleicher als die Wand selbst war, Gesellschaft.
"Jetzt wissen wir zumindest, warum es hieß, dass sei die Spitze der Mordkette.. Eine Patrizierin! Es kann keine Steigerung mehr geben. Und dann das Opfer. Wie es..."
An dieser Stelle brach Kathiopeja aufgrund eines eindeutigen Zeichens ihrer Kollegin ab.
"Ich weiß..", brachte sie hervor.
Die Klatschianerin nickte. Sie war auch nicht wild darauf, das Gesehene in Worte zu fassen.

***

Zurück in der Wache, sah Kathi praktisch ganz RUM alarmiert. Alle liefen durch die Gänge wie die Ameisen. Und allen sah man an, dass sie nicht wirklich wussten, was sie tun sollten. Kanndra schien es auszureichen, ihre Mannschaft in Bewegung zu sehen.
Wenn ich von Rascaal zu hören gekriegt hätte, dass der Patrizier sich für einen der Fälle interessiert, den meine Abteilung bearbeiten muss, in dem es aber kein vorwärts kommen gibt, ginge es mir wohl auch nicht anders, dachte sich die Ermittlerin.
Plötzlich drang ein seltsam gedämpftes Gemurmel an ihre Ohren. Es kam von der Eingangshalle, da war sie sicher. Sie blickte die Treppe hinab und traute ihren Augen kaum. Dort stand ganz eindeutig einer von Vetinaris Sekretären. Diese Menschen konnte man mit niemand anderem verwechseln. Und, was noch schlimmer war, er kam die Treppe hinauf und verschwand dann mit Kanndra und dem Kommandeur persönlich in einem Raum.
Die Klatschianerin sah sich nach ihrer Freundin Tussnelda um. Sie war nirgends zu sehen. So beschloss Kathiopeja, sich mit einem Kaffee zu beruhigen. Denn wenn es einen Grund gab, dass sich ein Vertreter des Patriziers, ihre Abteilungsleiterin und der Kommandeur in einem Raum berieten, dann fiel ihr nur der Fall ein, an dem sie mit Doris und Tussi arbeitete und an dem Vetinari angeblich Interesse hatte. Panik stieg in ihr auf. Würde man es ihnen anhängen, dass es kein vorwärts kommen gab? Das konnten sie doch nicht.. aber.. Warum mischte er sich überhaupt in die Angelegenheiten der Wache ein?
Die RUM-Abteilungsleiterin rauschte an ihr vorbei und brachte nur ein kurzes 'Mitkommen' heraus.

***

Was dem folgte, ist in wenigen Worten zu sagen. Einige Wächter wurden zu Vetinari persönlich bestellt und sogar mit der Kutsche gefahren. Es schien dem Patrizier recht ernst zu sein.
Der Rest der Wache, der von diesem Fall wusste, verpflichtete sich dazu [2], kein einziges Wort darüber zu sagen.
Neben Kathi, dem Kommandeur und dem Patrizier befanden sich nun noch Tussnelda und Doris im Raum, da sie von Anfang an mit dem Fall zu tun hatten, Kanndra, die ihre Abteilungsleiterin war, Ophelia Ziegenberger, da eine verdeckte Ermittlerin gebraucht wurde und ein Sekretär Vetinaris.
"Ich habe euch herbringen lassen, da ich beschlossen habe, mich persönlich um diesen Fall zu kümmern. Oder, wie einige es vielleicht sehen werden, um mich in die Angelegenheiten der Wache einzumischen.", begann der Herrscher Ankh-Morporks zu sprechen.
Kathiopeja versuchte das Rotwerden zu unterdrücken, doch es klappte nicht ganz. Der Patrizier sah sie an, ließ aber nicht bemerken, ob er Notiz davon genommen hatte.
"Ich kann nicht zulassen, dass ein Mann durch meine Stadt zieht, wahllos Menschen umbringt und Forderungen stellt. Auch nicht, wenn er vermutlich ehemaliger Fischer ist und irgendein naher Verwandter in Ankh-Morpork gestorben ist."
Durchdringend blickte er zu den Püschologinnen. "Das war doch in etwa das Profil für ihn, nicht wahr? Ich bin natürlich nicht ganz auf dem Laufenden."
Die beiden nickte hektisch.
"Folgendes wird passieren: wir geben der Forderung nach der Patrizierin nach."
Überraschtes Aufkeuchen war die Antwort.
"Selbstverständlich nur zum Schein. Wie die hervorragend ausgebildeten Püschologinnen der Wache sicherlich wissen werden, lebt dieser Mann wohl in seiner eigenen kleinen Welt, die eine für Außenstehende kaum nachvollziehbare Logik besitzen dürfte. Ich gehe davon aus, dass er sich nicht mit einer Patrizierin zufrieden gibt, sondern mit ihr sprechen will oder sie vielleicht sogar umbringen. Jedenfalls wird er Kontakt zu ihr suchen. Und den möchten wir ihm natürlich ermöglichen."
Auf einen Wink Vetinaris betraten drei Frauen den Raum.
"Diese Damen sind so freundlich, die verdeckte Ermittlerin, um die ich bescheiden gebeten habe, in die Patrizierin zu verwandeln. Wir sollten sie schließlich den Leuten zeigen. Ich bin sicher, dass sie mir mit ihrer Neugier sonst die Türen einschlagen würden, haben sie erst einmal davon gehört."
Wortlos ließ Ophelia sich in den Nebenraum geleiten.
"Und während deine Wächterin in meine Patrizierin umgewandelt wird, sollten wir uns überlegen, was wir der Times sagen wollen. Selbstverständlich muss sie eine Ikonographie der Frau bringen. Allerdings rate ich von sonstigen genaueren Informationen ab", wandte er sich an Rascaal.
Es klang bei Vetinari, als sei es die Entscheidung des Kommandeurs, was der Zeitung bekannt wurde. Dabei war allen im Raum klar, dass es der Plan des Patriziers war. Und genauso klar war, dass er bereits alle Schritte durchdacht hatte. Die Frage war nur, wann sie davon erfuhren.

Wenige Minuten später öffnete sich die Tür zum Nebenzimmer und herein trat eine hübsche junge Adlige. Erst die Tatsache, dass sie ein wenig unsicher wirkte und sich an eine Dienstmarke der Stadtwache klammerte, ließ Kathiopeja halbwegs erkennen, um wen es sich handelte.
Die Ermittlerin wusste, wie Ophelia aussah. Trotzdem erkannte sie die Frau, die nun vor ihr stand nicht wieder.
Sie trug eine Menge Farbe im Gesicht. Doch gleichzeitig sah es nicht so übertrieben aus, wie bei einigen der Näherinnen, sondern betonte nur die grauen Augen. Ihr Kleid war mindestens so prächtig wie das einer Königin und in Rot- und Gelbtönen gehalten. Die Haare mussten eine Perücke sein, denn es waren recht kurze, blonde Locken. An jeder Seite hingen Strähnen heraus, die zu kleinen Zöpfen geflochten waren. Einige davon waren hinten zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammen gebunden worden. Dazu hatte sie eine runde Brille, die das Bild einer perfekten Frau nicht minderte, sie aber trotzdem genug verändert, um von der ursprünglichen Ophelia kaum noch etwas entdecken zu können. Alles in allem war es ein bunter Stilmix, der jeden glauben machen würde, sie käme aus dem Ausland. Und so verkleidet würden sie vermutlich nicht einmal ihre Eltern wieder erkennen.
"Darf ich vorstellen", sagte der Patrizier, der von Ophelias Verwandlung in keinster Weise beeindruckt schien. "Margaret Hätcher, die neue Patrizierin." Bei den letzten Worten lächelte er das Lächeln eines Schachspielers, der seinen Gegenspieler bereits einen falschen Zug machen sah.

***

Patrizierin ernannt!
Der Patrizier hat soeben mitteilen lassen, dass er sich zurückziehen wird. Statt dessen soll Margaret Hätcher (siehe Ikonographie), eine junge Frau aus Quirm, sein Amt weiter führen. Bisher waren weder der ehemalige Patrizier, noch die neue Patrizierin zu einer weiteren Stellungnahme bereit.
Was die Gilden dazu sagen, wie es soweit kommen konnte, warum eine Frau diese Stadt niemals leiten können wird und was die Anwaltsgilde dagegen unternehmen will folgt in einer späteren Sonderausgabe.


***

Eine Menge hatte sich vor dem Palast angesammelt. Das war nicht weiter verwunderlich, bei dem letzten großen Artikel der Times. Trotzdem war sich der Mann sicher, einen Weg hinein finden zu können. Er musste zu der Patrizierin. Er musste einfach. Vielleicht gab es einen Weg unter der Erde. Einen Versuch war es wert.

Während sich die Menschen noch weiterhin vorm Patrizierpalast sammelten, wartete Ophelia, die nun Margaret Hätcher war, im viereckigen Büro. Sie wusste, in den Nebenräumen waren ihre Kollegen von RUM, der Kommandeur und Angestellte Vetinaris.
Trotzdem wünschte sie sich die FROG herbei. Der Patrizier jedoch hatte gemeint, dass dieses vorgehen zu auffällig war, jetzt, wo die ganze Stadt nur auf ein einziges Haus achtete. Sie fragte sich noch immer, wie der Mörder, sollte er denn wirklich auf die Idee kommen zu ihr zu wollen, in den Palast eindringen sollte. Doch diesen Teil des Planes hatte Vetinari ausgelassen. Eigentlich hatte er einen Großteil seines Plans ausgelassen. Und niemand schien den Mut gehabt zu haben, nachzufragen. So saß sie da und wartete auf das, was ihr nun noch bevor stand, wobei sie den Anschein erwecken sollte zu arbeiten.
"Nur wenn er wirklich glaubt, es gibt eine Patrizierin, kann der Plan funktionieren." Das waren die exakten Worte Havelock Vetinaris gewesen.

Ha! Und es heißt immer, der Palast sei gut geschützt.
Er war bereits in den Kellergewölben. Wo er lang gehen musste wusste er. Man konnte eine Menge erfahren, wenn man in den richtigen Kreisen verkehrte. Vermutlich war die neue Herrscherin der Stadt bereits im Büro des ehemaligen Patriziers zu finden. Eine Frau würde Ankh-Morpork ändern. Ja.. eine Frau würde nicht zulassen, dass so etwas wie mit Denny noch einmal passiert. Sie würde die Gilden verbieten. Und endlich Ordnung in das Leben der Städter bringen. Ganz zu schweigen von Dingen wie der Zeitung. Niemals ließe eine Frau solche Sachen weiter bestehen. Außerdem würde sie ihn rächen. Seinen Sohn. Er war sich sicher, dass sie seine Mörder nicht ungeschoren davon kommen ließ.
Paul Duna war dem Weg gefolgt, wie er ihn beschrieben bekommen hatte. Nun stand er vor einer großen Holztür.
Das muss sie sein.
Er trat ein in einen großen Raum, der spärlich möbiliert war, einen guten Ausblick auf die Stadt bot und in dem an einem Schreibtisch die Patrizierin saß.
"Margaret Hätcher", brachte er heiser hervor und streckte die Hand nach ihr aus, obwohl sie ganz klar zu weit entfernt war, um sie zu erreichen.
Die junge Frau sah ihn entsetzt an.
Er wollte beginnen ihr von sich zu erzählen, da brach plötzlich Chaos aus. Durch Seitentüren kamen Menschen herein gerannt. Sie trugen Schwerter und Dolche.
Paul blickte sich hektisch um.
"Verrat", sagte er. Und obwohl er nicht schrie, war seine Stimme nun durchdringend.
Schnell zog er einen Fischerhaken. An ihm klebte noch Blut. Der Mann hatte nicht eingesehen, warum er ihn putzen sollte.
Er versuchte die Leute, die Dinge riefen wie 'Stadtwache Ankh-Morpork' und 'Lassen Sie die Waffe fallen' auf Abstand zu halten.
"Ich muss mit der Patrizierin reden! Sie wird es ändern! SIE WIRD ALLES ÄNDERN!"
Der Wahnsinn glitzerte nun offen in seinen Augen, während er verzweifelt nach einem Ausweg suchte.

"Vorsicht!", warnte Rascaal seine Wächter. Der Vampir hatte nicht viele zur Auswahl. Drei Gefreite, die nicht an den Kampf gewöhnt waren, Feldwebel Kanndra, die zumindest ein wenig Erfahrung in so etwas hatte und eine Obergefreite, die in Anbetracht ihrer Bekleidung unmöglich helfen konnte. Hinzu kamen die Angestellten des Palastes, die mehr im Weg standen als halfen.
Er hätte sie in diesem Moment alle samt gegen einen einzelnen wirklich erfahrenen FROG eingetauscht.
Der Irre vor ihnen fuchtelte wild mit einem blutigen Haken. Ihre einzige Hoffnung war, dass es jemanden gab, der ihn von hinten überwältigte.
"Ihr habt ihn umgebracht!", schrie der braungebrannte Eindringling. "Ihr habt ihn umgebracht und es zugelassen, dass sich diese.. diese.. Zeitung über ihn lustig macht! Ihr werdet alle büßen!"
Seine Sätze ergaben keinen Sinn. Aus den Augenwinkeln konnte er trotzdem sehen, wie der Patrizier zu nicken schien.
Die Situation steckte fest, als sich die Tür öffnete und drei Sekretäre eintraten. Nun.. zumindest waren sie wie Sekretäre gekleidet. Doch sie stürzten sich sofort auf den Mann und überwältigten ihn problemlos.
Vetinari nahm das alles nicht sonderlich mit, wie die Wächter mit Verwunderung bemerkten.
Der Serienmörder war kaum von den drei Männern aus dem Raum gebracht worden, da setzte er sich auch schon wieder an seinen Tisch und sah an, als sei er überrascht sie hier zu sehen.
"Ihr könnt dann gehen", sagte der Patrizier. Danach wandte er sich an Drumknott und schien die Wächter nicht mehr zu bemerken. "So.. und nun schicken wir der Times ein paar Informationen. Wir wollen die Bürger schließlich nicht im Ungewissen lassen."
Nein.. aber mit der Wache kannst du das machen..., dachte sich Kathiopeja und verließ mit den anderen den Raum.

***

Am nächsten Morgen erschien auf der Titelseite der Times ein großer Artikel:
Patrizierin nur ernannt, um Mörder zu fangen
Soeben wurde uns mitgeteilt, dass die Ernennung Margaret Hätchers zur Patrizierin nur ein genialer Streich Havelock Vetinaris war, um einen hochgefährlichen Mörder zu fassen. Die Wache stand ihm dabei laut Patrizierpalast zur Seite. Wie genau wurde nicht weiter erklärt.
Der offensichtlich Wahnsinnige wollte sich mit wahllosen Morden und sinnlosen Forderungen an der gesamten Stadt rächen. (So wollte er zum Beispiel die Times verbieten lassen!!!)
Sein Sohn war bei einem selbstverschuldeten Unfall (die Times berichtete) ums Leben gekommen. Der Seemann wollte das nicht wahr haben und gab unserem geliebten Ankh-Morpork die Schuld. Er hörte mit dem Hochseefischen auf und zog hier her, in der Hoffnung, unbestraft Rache nehmen zu können. Wie nicht anders zu erwarten, ließ sich das die Stadt nicht gefallen. Der Patrizier nahm den Irren in Zusammenarbeit mit der Wache gestern Abend fest. Den Gefassten erwartet nun ein schneller Prozess.
Eine genaue Beschreibung der Bluttaten und wie dieser Mann aufgehalten werden konnte, erwarten Sie in einer Sonderausgabe.

[1] Und Ankh-Morpork wimmelt von ehrbaren Bürgern!

[2] eher wurde er verpflichtet. Allerdings macht das bei solchen Dingen keinen Unterschied.

Zählt als Patch-Mission.



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Feedback:

Von Tussnelda von Grantick

01.05.2006 16:36

Sooo, Du kriegst auch so einen Kommentar aus meinen Notizen, mit denen ich nicht mehr viel anfangen kann*gg*.

"Die Tätermotive hätte ich woanders hingepackt aber ansonsten besser als ihre früheren fälle."

Von Ophelia Ziegenberger

01.05.2006 16:53

Du hattest mich ja gleich im Anschluss ans Lesen um Kritik gebeten. Logischerweise hat sich seit dem nichts an ihr geändert. ;)

Lob: Die Einstiegsszene, in der dein Charakter rennt, war ganz gut dazu geeignet, Spannung aufzubauen, da ich nach den ersten Sätzen automatisch von einer Verfolgungsjagd oder einer Fluchtszene ausgegangen bin. Dass dieser Eindruck mich auf eine falsche Fährte geführt hatte, ließ mich kurz darauf schmunzeln. Spannung und Humor ziehen mich schnell in eine Geschichte mit rein. Was mir gut gefiel, dass war die kurze Szene, in der Kathie das Auf und Ab erlebt, in der sie erst auf eine Standpauke gefasst ist und dann fast euphorisch davonkommt. Das hat mir gefallen, weil es genau entgegengesetzt zu der (statistischen) Erzählertendenz steht, wie ich sie kenne, die Figur durch Autoritäten und deren Auftritt zu demotivieren oder einschüchtern zu lassen. Was mir auch immer wieder gut gefällt, ist das konsequente Einbringen von Kollegen in den Erzählstrang, erst recht, wenn eine bunte Mischung entsteht, die auch Wächterkollegen aus anderen Abteilungen einschließt. Die Mühe, die das beim Vorab-Recherchieren und beim anschließenden Schreiben bedeutet, schätze ich sehr. Die Idee, aus püschologischer Sicht mitzuverfolgen, wie das Täterprofil Schritt für Schritt erweitert wird, gefiel mir ebenfalls. Die vielen kleinen Vermutungen fügten sich schnell aufeinander folgend zu einem Bild. Der kurze Wechsel der entsprechenden Szenen vermittelte das Gefühl, sehr schnell in der Geschichte voranzuschreiten und verhinderte wiederum Ungeduld. Die ständigen, stichelnden Anspielungen auf die Abteilung S.U.S. I. stärkten das Gefühl, die Wache habe so viel Hintergrundgeschichte zu bieten, dass diese Figuren leben müssten, anstatt nur aus Tinte auf dem Papier zu bestehen! Zu Ophelias Auftritt brauche ich vermutlich nicht viel zu schreiben? *g* Es hat mich natürlich an sich schon mal mächtig gefreut, sie mal wieder in Aktion erleben zu dürfen. Die ihr zugeschobene Rolle machte das alles dann aber zu einem Schmankerl für mich, bei dem es mich gar zu sehr in den Fingern juckt, dieses einschneidende Erlebnis in Ophelias Wache-Lebenslauf zu integrieren. Die beiden eingestreuten Zeitungsartikel machten mit ihren sensationsheischenden Schlagzeilen Lust auf mehr, da ich automatisch ironisch gefärbte Parallelen zu realen Überschriften einiger Tageszeitungen ziehen musste.

Kritik: Marven, der Gnom, war an manchen Stellen ein eher störendes Element. Er scheint keine eigenen Ziele zu verfolgen und dient lediglich als kommentierendes Beiwerk. Mir fehlt bei ihm so etwas wie eine Existenzberechtigung. Der Mörder lief relativ steril durch die Geschichte. Bis auf den kurzen Moment, in dem er wirklich, im Büro des Patriziers, zu Wort kommt und etwas sagt, wirkt er zwar brutal aber auch farblos. Das Mordmotiv ist ein extrem abgenutztes Klischee. Der enttäuschte Freund/Verwandte etc. verfällt dem mörderischen Wahnsinn, weswegen die Intensität seiner Gefühle im Grunde zur Nebensächlichkeit degradiert wird – denn immerhin ist es ja klar, dass Verrückte eben verrückt sind und ihre Taten logischerweise in Folge davon nicht mehr emotional ausgelotet werden müssen. Es scheint mir immer so, als wenn "Verrückte" als Täter, erst recht als Serienmörder, automatisch als "böse" im Sinne von derart extrem angesehen werden, dass sie fast zwangsläufig in einen Wachehinterhalt geraten müssen. Dabei könnte doch erst recht auch eine solche Figur sich widersprüchlichen Gefühlen ausgesetzt sehen. Als sie in der Geschichte in jedem Fall nach dem Schema F vorging (Opfer entdecken, Opfer umbringen, Nachricht übergeben), da fehlte das entscheidende Element, welches eine Art feinen Bruch in dem Bild erzeugt hätte. Irgend etwas, dass dazu geführt hätte, den Täter aus dem Konzept zu bringen. Etwas Unvorhergesehenes, dass ihn dazu genötigt hätte darauf zu reagieren. Den Patrizier auftreten zu lassen finde ich immer etwas gewagt. Ich habe ein sehr detailliertes Bild zu dieser Figur verinnerlicht und werde immer eine Szene, in der er auftritt, besonders kritisch lesen. Teilweise konnten die Aussagen, die Du ihm in den Mund legtest oder die Nuancen seiner Reaktionen, dann auch logischerweise nicht an mein hohes Ideal heranreichen. Besonders kritisch fand ich, dass seine Motivation zum Handeln in diesem Fall nicht wirklich ersichtlich wurde. Immerhin lässt er eine ganze Gilde von Mördern "einfach so" durch seine Stadt ziehen! Insgesamt fand ich die Geschichte daher durchwachsen. Sie hatte einen guten Start, dümpelte dann ein Wenig in Gesprächen und wurde gegen Ende wieder interessant.

Aus meiner persönlichen Sicht hat die Single die Pokalanforderungen gut erfüllt.

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