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Rabbe Schraubenndrehr

01. 11. 2023 19: 54

Es wurde kälter.

Der Zug rollte durch die Landschaft, pflügte seinen Weg über Felder, durch Wälder, vorbei an Flüssen und kleineren Ortschaften…

Der Himmel war grau.

Die Tage zogen dahin und die Wachsamkeit der Wächter ließ mit jedem Tag nach. Nach Silberrückens Tod waren sie sicher gewesen, das weitere Angriffe kommen würden, das der Zug überfallen würde, Witwenmacher erneut angegriffen werden würde, die Berge für einen Hinterhalt genutzt werden würden…

Der Zug rollte stetig auf Überwald zu. Alkohol wurde serviert, die Passagiere beruhigten sich nach und nach und Bedzos grausiges Ende wurde zu einer weiteren Geschichte während einer langen Zugfahrt in einer interessanten Welt…


Rabbe klebte den Umschlag zu und legte ihn in eine Mappe. Im Grunde hatte sie Wilhelm aus reiner Langeweile geschrieben. Es war schwierig, die ganze Zeit die Verantwortung über so eine Mission zu haben, wenn ein Notfall den anderen jagte, doch es war noch schwieriger wenn gar nichts passierte.
Sie blickte aus dem Fenster.
Dicke Flocken fielen vom nächtlichen Himmel. Vor wenigen Stunden hatten sie durch Zweihemden gefahren und natürlich hieß Überwald sie mit Schnee willkommen.

Sie stand auf um sich einen Kaffee zu holen als sie plötzlich quer durch den Raum geworfen wurde und der Zug ein gewaltiges Pfeifen ertönen ließ.

Es war als wären alle Sorgen auf einen Schlag in plötzliches, dringendes Handlungsmomentum umgeschlagen. Rabbe rannte durch den Zug, vorbei an panischen Leuten, mit zunehmender Schwierigkeit über herunter gefallene Gepäckstücke und zunehmenden Ärger vorbei an jenen besser betuchten die sich in dieser Situation über mangelnden Service beschwerten…
Rabbe sprang aus dem Zug. Jargon hatte sich ihr in Werwolfgestalt angeschlossen und sie rannten an die Nase des Metall-Umgetüms-
Wo die Schaffner auf einen großen Troll einredeten. „Nein! Wollen wir nicht! Bitte gehen Sie endlich vom Gleis runter! Sie befinden sich auf Gelände der Hygienischen Eisenbahn, das ist strafbar!“
Der Troll grummelte unverständliche Dinge, bis Rabbe endlich in Hörweite war. Als sie näher kam, blickte er erfreut zu ihr herab. „Ah! Mensch! Wolle Rose kaufen?!“

Rach Flanellfuß

27. 01. 2024 19: 30

Igor wurde unsanft aus seinem Mittagsschlaf geweckt, als der Zug mit einer ziemlichen Vollbremsung zum Stehen kam und seine Kiste regelrecht auf den Boden krachte. Nun lag er zusammengestaucht in der Box und fluchte ausgiebig.
"Wiffen nicht mal wie man einen richtig fichert!"
Gedanklich zählte er die Tage, die sie schon unterwegs waren, schmatzte kurz an einem seiner Finger und steckte diesen aus einem der Luftlöcher der Holzkiste. Es war deutlich kälter geworden und seine Nähte sagten ihm, dass es nicht mehr weit war. Er hatte genug Unannehmlichkeiten durchgemacht und an der Zeit nach Hause zu gehen. Kurzentschlossen packte er sein Brecheisen und hebelte die Kiste von innen auf. Der Igor streckte sich ausgiebig, bevor er sich im Halbdunkel des Gepäckwagens umsah.
Seine Kiste war von einer größeren Box gerutscht und allgemein herrschte einiges an durcheinander.
"Nicht ein Feil wurde hier benutzt, unfaffbar!"
Er verschloss seine Kiste wieder mit seinem restlichen Hab und Gut und benutze das Brecheisen als Hammer. Die Kiste war noch gut und das Porto schließlich bezahlt, also sollte diese auch zu Wir sind Igors geliefert werden.

Als der Zug ein weiteres Mal ungeplant stoppte, hatte Rach kein gutes Gefühl. Er war zu der Zeit mit Ophelia im Salon gewesen und froh, dass die Sessel so gut gepolstert waren, sonst hätte er sich vermutlich die nächste Kopfverletzung zugezogen. Kurz darauf war Rabbe oder "Nean Garruk" korrigierte er sich an ihnen vorbeigerannt und nun stapfte er ebenfalls durch den Schnee. Mit jedem Schritt merkte Rach, wie Wasser in seine Schuhe drang und seine Füße zu regelrechten Eisklumpen wurden.
"Da geht das paar Schuhe dahin", seufzte er und kickte den Schnee vor sich her.
Als er wieder aufsah, konnte er langsam erkennen, was bei der Lok los war. Rabbe diskutierte mit einem riesigen Troll, der einen großen Strauß roter Rosen in der Pranke hielt. Der Troll hatte eine dunkle Färbung mit hellen Einschlüssen, die fast wie glitzernde Knoten aussahen. Neben ihr saß Jargon in seiner Wolfsgestalt. Die beiden Lokführer hingegen waren in der Lok am warmen Feuer und rauchten.
"Was ist los?", fragte Rach nur als er zur Gruppe aufgeschlossen hatte, und Rabbe drehte sich zu ihm um.
"Der Troll hier, Knotenschiefer, sieht nicht ein, die Gleise zu verlassen."
"Wolle Rose kaufen?", fragte der Troll und blickte nun ihn, als potenziellen neuen Kunden an.
"Da so geht das schon die ganze Zeit! Man könnte meinen, bei der Kälte wäre die Kommunikation mit einem Troll leichter." Bei ihren Worten umarmte Rabbe sich selbst und rieb ihre Oberarme, um wieder warmzuwerden.
"Wolle Rose kaufen?"
"Es ist schon beachtlich, dass du seinen Namen bekommen hast."
"Ich Knotenschiefer! Wolle Rose Kaufen?!"
"Find wir fon an Bad Fchüfchheim vorbei?", fragte jemand hinter ihm die Lokführer, denen kurz ein Schrei entfuhr.
"Uff nur ein Igor", sagte einer von ihnen.
"Wo kommt der auf einmal her?", fragte der Andere.
"Ich war im Gepäckwagen", sagte der Igor nur, "Und find wir fon an Bad Fchüfchheim vorbei?"
"Verstehst du, was er sagt, Erik?"
"Bad Schüschein sein viele viele viele eins Kilometer von hier", antworte der Troll zur Überraschung aller anwesenden.
"Sieh an, er kann doch noch mehr sagen", sagte Rach amüsiert, doch Rabbe fluchte nur und warf die Arme nach oben. Jargon neben ihr knurrte zustimmend.
"Alfo etwa fehn Kilometer?", fragte nun der Igor direkt den Troll.
Knotenschiefer schien kurz nachzudenken und nickte langsam, bevor wieder seine altbewährte Frage stellte: "Wolle Rose kaufen?"
Rach sah wie Rabbe mit den Zähnen knirschte und er kannte den Anblick nur zu gut, denn dieser Blick galt oft genug ihm.
Der Igor achtete nicht auf die Frage, sondern deutete nur mit seiner Hand wage in die Richtung, aus der der Troll gekommen war und als Knotenschiefer ein weiteres Mal nickte, setzte der Igor sich in Bewegung.
"Nun, was kostet denn der ganze Strauß?", fragte Rach an den Troll gewandt und erntete ein breites funkelndes Lächeln.

Jargon Schneidgut

17. 03. 2024 13: 46

Nach und nach wurde Jargon bewusst, dass es vielleicht nicht die beste Idee gewesen war, sich direkt in seinen speziellen Pelzmantel zu werfen.
Klar, eine Vollbremsung des Zuges stellte ja eine Ausnahmesituation dar - und klar, er war jetzt seit Tagen quasi in seiner Kabine und seiner dummen dummen dummen nervigen aaaargh Rolle gefangen - und klar, er war jetzt in Überwald, einem Land dass nicht nur durch die eigene Geografie- und Ökologie an seinen Werwolfhaaren zerrte, sondern auch durch seine persönliche Geschichte - und klar, Vollmond war nur wenige Tage hin - und klar, es war mittlerweile unerträglich geworden jeden Tag den unglaublich nervigen Gesprächen seiner Mitfahrenden Erste-Klasse-Fahrgästen zu lauschen- äh-
Aber.
Aber?
Der Troll sagte: "Einhunderttausend Ankh-Morpork-Dollar in bar."
Jargon entfuhr ein Bellen.
Dann herrschte kurz bedröppeltes Schweigen.
"Einhunderttausend Dollar?" fragte Rach dann und leckte sich die Lippen. Wie tötet man am schnellsten einen Troll-, dachte er.
"Ist guter Strauß!", sagte der Troll und hielt ihn hoch. Bei genauerer Betrachtung (und, in Jargons Fall, Beriechung) stellte sich der Strauß als ein grün-rot-bemalter Knüppel aus Holz heraus. Die Farbe war an einigen Stellen abgeplatzt. War das rote Farbe? Alle Beteiligten hofften es.
"Soviel Geld haben wir nicht", sagte Rach schlicht, in der Hoffnung dass dies den Troll dazu bewegen würde seinen Posten aufzugeben. "Wenn du nun also bitte Platz machen würdest für den Zug..."
"Muss aber Rose verkaufen!", beharrte der Troll, "Ist einzige Einkommensquelle, ich haben Familie und Energiekosten für Firma immer teurer werden, du wissen schon."
Rabbe wandte sich an die Lokführer. "Wie weit ist der nächste Sicherheitsposten weg?"
"Der Klacker funktioniert nicht", sagte Krumbeil kopfschüttelnd, und deutete auf den in weiter Ferne zwischen den Bäumen herausragenden Turm. "Ich hab's schon versucht." Er kratzte sich am Kopf. "Äh, vielleicht könnten wir eine Art Kollekte von den Fahrgästen sammeln und-"
Erik, sein Kollege, musste lachen. "Das wär' dann ja wie'n Überfall!"
Knotenschiefer hatte das wohl gehört, wie auswendig gelernt begann er zu rezitieren: "Nein, kein Überfall oder Raub. Ich nur verkaufen. Ich niemanden überfallen, nie, ich nur verkaufen meine Rose. Ich kein Verbrecher, ich nur Verkäufer. Ich nie nichts getan, niemals. Kein Überfall. Nur Verkaufen."
Rach und Rabbe und Jargon sahen sich an und erkannten überdeutlich eine klassische Ankh-Morpork-Straßenräuber-Strategie. Jargon winselte, dann knurrte er leise.
Knotenschiefer spürte eine subtile atmosphärische Veränderung. Er fügte hinzu: "Also du jetzt bezahlen, sonst ich muss mündliche Abmachung einfordern per, äh." Das Gesicht des Trolls verzog sich in angestrengter Nachdenklichkeit. Er sah sich um, sah die vielen Bäume. "Wald." Er hielt kurz inne. "Gewalt!"

Rabbe Schraubenndrehr

17. 03. 2024 15: 06

„Was ist hier los?“
Jargon blickte zu dem Neuankömmling auf, welcher eben wohl von Rabbe hergeholt worden war. Groß, roch nach Fisch und billigem Tabak. Sein schlecht sitzender beiger Mantel war muffig und hatte Senfflecken. In seiner Hand glänzte eine Dienstmarke.
„Wolle Rose kaufen?“
Jargon kämpfte gegen den Drang, dem Troll ins Bein zu beißen. Es könnte ihn die Zähne kosten wenn er dem nachhinge und würde den Troll nicht im geringsten Interessieren. Der Geschmack wäre wahrscheinlich auch nicht angenehm…
„Rosen? Nein! Herr Troll, du stehst diesem Zug unrechtmäßig im Weg! Nach Besitzrechten der Hygienischen Eisenbahn und überländlichen Passierrechten großer Eisenrösser und deren Fahrgäste ist dein Verhalten als Wegelagerei anzusehen!“
Jargon hörte sich selbst leise Jaulen. Überländische Passierrechte großer Eisenrösser? Was?
„Ich keine Wege verkaufe mit Lager nich’, verkaufe Rosen! Ihr nur Rosen kaufen, ich gehen. Mein Verkaufsstand war vor euch auf diesem Gleis.“
Marschall Samtpfote stemmte seine Hand in die Hüfte was einen merkwürdigen Influx an Fischbrötchengeruch hervorrief. „Herr Troll, du bist ausdrücklich aufgefordert das Gelände der Eisenbahn zu räumen, dies ist Privatbesitz. Wenn du dich dem widersetzt werde ich dich festnehmen!“
Der Troll ließ ein dröhnendes Lachen ertönen. „Du zeigen Gesetz das ich nicht können verkaufen Dinge in meinem Garten. Mein Garten vor Eisenbahn hier war. Und wer wollen mich verhaften? Ihr kleinen Kiesel gegen richtigen Troll?“

Rach beobachtete die Situation angespannt.
Der Zug musste weiter. Aber Marschall Samtpfotes Bemühungen schienen ihm, als würden sie die Situation nur verschlimmern. Er wechselte dazwischen, wahllos regionale, dubios klingende Gesetzte aufzuzählen („Paragraph 3 der Bad Schüscheiner Platzverordnung verweist Steine von der Fähigkeit, Eigentum zu besitzen“ oder auch „Nach dem Pakt der Sto Ebene mit Überwald 1837 dürfen wandernde Händler bestehende Handelsrouten nur dann selbst überfallen wenn alle Beteiligten Teil der internationalen Handelsgilde sind und dadurch keine Fischwaren verzögert werden…“), und dem Troll unsinnig zu drohen, wenn dieser seine Aussagen entwertete, ignorierte oder auslachte. Indes war Jargon noch immer in Wolfsgestalt zwischen ihnen, abwechselnd knurrend und wimmernd, und inzwischen so schien, als wollte der den Wächter aus Zemphis selbst angreifen um seiner Litanei ein Ende zu machen. Von Rabbe war keine Spur mehr zu sehen und Rach sah sich erneut in der Position, mental durchzugehen, welche Gifte er dabei hatte und welche davon eventuell einen Troll ausschalten könnten…

Jargon merkte auf und lief auf einmal hinter den Zug. Rach folgte ihm mit den Augen und wenige Minuten später trat er wieder hervor, menschlich, in eher schlampig wirkenden, losen Klamotten die eher hastig angezogen schienen. Er schritt zügig und offensichtlich verärgert auf die streitenden zu.
„So! Erstens! Die Bad Schüschein Verordnung hat allen Silizium-basierten Lebensformen das Recht EINGERÄUMT Besitz zu haben! Zweitens, geht es beim Überfall der Handelsrouten um FRISCHWAREN, zu denen Fische zwar zweifelsfrei gehören, die aber auf der Ebene eher selten Transportgut sind! Und drittens, Herr Troll, über sämtliche Rechte mit dir können wir nur verhandeln wenn du im Zentrum deines Eigentums bist. Wir wollen deine Rechte respektieren, stelle dich also bitte im Wald auf das Zentrum deines Landes. Wir fahren dir dann mit dem Zug hinterher damit wir eine faire Abmachung treffen können, einverstanden?“
Der Troll starrte einen Moment nachdenklich und nickte dann zustimmend. „Das richtig klingt. Ich immer ge-wald bereit bin. Und dann ihr kaufen Rosen!“
„Genau, Herr Troll. Bis gleich, wir machen uns sofort bereit.“
„Moment, ihr könnt doch nicht-“
Rabbe packte den Marschall von hinten und hielt ihm den Mund zu während sie den protestierenden fortzog. „Bis gleich Herr Troll!“

Jargon Schneidgut

13. 07. 2024 17: 45

Nach dem erfolgreichen Trolltäuschungsmanöver mittels absichtlich ungenau formulierter Gesetzestexte - worin sich Jargon scheinbar besser auskannte als Dirk Samtpfote - konnte der Zug die Fahrt nach Bums erfolgreich fortsetzen. Zu sagen dass die Fahrt ereignislos, also glatt, verlief, wäre eine glatte Lüge. Aber tatsächlich fand der Gennua-Express seinen Weg durch die (Über-)Wälder und die zunehmend verschneiten Gegenden, ohne dass ein weiterer Halt nötig wurde.
Sehr zum Leidwesen Jargons, der mittlerweile angefangen hatte im Abteil Liegestütze zu machen und es nur noch verließ wenn unbedingt nötig. Die Vollmondnacht verbrachte er unter dem Abteil-Bett, zusammengerollt und an Knochen nagend, die ihm Sebulon dankenswerterweise besorgen konnte. Viele Fahrgäste hatten bereits Verdacht geschöpft dass Nol Hirahaha und Gon Furikusu ein ungewöhnlich vertrautes Verhältnis pflegten, und Jargon war davon überzeugt dass ihnen dies im Sinne der Tarnung mehr entgegenkam als dass es ein Risiko darstellte. Um ehrlich zu sein war es ihm mittlerweile ziemlich egal, er wollte nur noch -
"In wenigen Minuten erreichen wir Bums!", rief die allzu vertraute Stimme des Zugbegleiters vom Gang. Jargon schreckte von seinem Buch auf und stürzte zum Fenster. Tatsächlich sah die Welt da draußen allmählich stärker bevölkert aus, die Bäume wurden lichter, es mehrten sich Scheunen, Häuser und Stadtausläufer je länger er zusah.
Sebulon kehrte ins Abteil zurück, in den Armen zwei abgedeckte Schüsseln tragend und stellte sie gewohnheitsmäßig auf den kleinen Tisch im Abteil.
"Wir kommen an! Endlich!", entfuhr es Jargon und er versuchte krampfhaft, sich nicht nervös über die Arme zu kratzen. "Ich muss in der Zeit wo wir in Bums sind dringend einmal groß laufen gehen!"
"Ja, ich auch", sagte Sebulon leise. Auch er fühlte sich aufgeregt. Trotz dass Beide mit Überwald eher unangenehme Erinnerungen verbanden, spürten sie ein starkes Bedürfnis danach zumindest kurzfristig so viel Raum wie möglich zwischen sich und den Zug zu kriegen.
"Ich glaube ich werde versuchen ein paar Kleider zu kaufen." Er hatte zu seiner Dieneruniform mittlerweile eine ziemlich große Abneigung entwickelt. Hier in Bums würde es bestimmt ein gutes Kettenhemd zu kaufen geben...!
Sie erreichten allmählich den Bahnhof, der in Bums eine spezielle Konstruktion darstellte. Die Tiefener die hier noch lebten stellten eine eher progressive Teilgruppe dar, die den Nutzen der Eisenbahn allmählich zu schätzen wussten.
Deshalb befand sich das Gleis, auf dem sie nun einfuhren, unterirdisch. Zumindest teilweise jedenfalls - die Konstruktion war noch nicht fertiggestellt. Der vordere Teil der Waggons versank allmählich unter gepflasterten Steinen und Säulenkonstruktionen, während die hinteren Abteile auf einem angeschrägten, aber noch überirdischem Gleis halten würden. Durch die komplizierten Beziehungen zwischen den modernen Zwergen und den Tiefenern, und den ebenso komplizierten Beziehungen zwischen diesen und der hygienischen Eisenbahn, dürfte sich die Fertigstellung des unterirdischen Bahnhofs noch eine ganze Weile hinziehen...[1].
Die Reste in den Suppenterrinen in Sebulons und Jargons Abteil standen in merkwürdigen Winkeln, als der Zug schließlich mit gewohnt sanftem Ruck zum Halten kam.
"Bums! Aufenthalt bis morgen vormittag, elf Uhr!"
Jargon packte seine kleine Tasche zusammen und machte sich auf.

Rabbe Schraubenndrehr

13. 07. 2024 20: 15

Die Dunkelheit kroch durch ihre Knochen.
Sie siechte in ihren Zehen, schien sich in ihre Adern zu graben, um tiefer in sie einzudringen...
Die Kälte war unerträglich...
Sie war so allein...
"Tseses... Wie schwächlich du geworden bist." Raculs höhnende Stimme kam von überall und nirgendwo zugleich. Sie wollte den Kopf heben doch ihr Körper hatte sich unter dem Schrecken wieder hier zu sein zusammen gezogen. Es war kalt. Es war Dunkel. Der endlose Abgrund...
Plötzlich erschien er in ihrem Sichtfeld, so eitel und selbstgefällig wie immer. Wie hatte er sie wieder gefangen? Wie-
Hat er nicht.
Die Realität begann von ihr abzufallen.
Er hat mich nicht gefangen. Minas Schutz...
Sie hob die Augen, die Kälte wegschiebend. Wie tief war sie in den Traum gefallen? Wie hatten ihre Mauern ihn so weit durchgelassen können?
Racul lachte höhnisch. "Ah, du merkst es ja doch noch." Er schritt um sie herum, laute Schritte auf nicht-existentem Steinboden-
Sie zog die Mauern hoch, spürte wie diese Welt immer mehr auseinander faserte, spürte nun deutlich seinen siechenden Einfluss in ihr selbst...
"Lächerlich. Du magst es dieses Mal gemerkt haben, aber du warst töricht nach Überwald zu...", seine Stimme wurde leiser und leiser. Sie begann das Bett um sich herum zu spüren, zog ihre eigene Stärke mit jedem Atemzug tiefer zusammen, spürte ihre eigene Macht und die Disziplin. Er sprach noch immer. Sie spürte seine Abscheu, sein Missfallen...
Und ein Quäntchen seiner Angst...
Angst?
Ophelia schlug die Augen auf.
Das Abteil war erhellt und ihr Ehepartner sah besorgt auf sie herab. Sie seufzte leise, lächelte ihn an und drückte seine Hand die ihre hielt. "...guten Morgen."
Rach küsste sachte ihren Handrücken. "Guten Morgen, meine Liebe. Ist alles in Ordnung?"
Opehlia drückte Raculs Finger weiter aus ihrem Kopf. Langsam drangen Geräusche aus dem Zug wieder zu ihr. Aufregung, Fußgetrappel. Waren sie angekommen? Das vergiftende Gefühl Raculs Gegenwart fiel nur langsam von ihr ab. "Ja." Sie strich Rach über die Wange und versucht sich auf ihn zu konzentrieren. Das hier und jetzt. "Nur ein schlechter Traum. Nichts weiter."

Rach Flanellfuß

13. 07. 2024 23: 52

Rach hatte sich geschworen, den Zug in Überwald nicht zu verlassen und Ophelia nicht aus den Augen zu lassen. Doch nun war er mit den meisten anderen Passagieren auf dem Bahnhofsgelände, weil durch die Umbauten des Bahnhofs die Lok gewechselt werden musste und der Zug nun in umgekehrter Reihenfolge weiterfahren würde. Der Bahnhof war vielleicht zwei Jahre alt und war als Sackbahnhof gebaut worden und jetzt durch den Umbau bekamen die Tieferen ihren Willen für einen Tiefbahnhof. Noch dazu die tiefergelegten Gleise, damit auch wirklich alle Zwerge in den Genuss der Zugfahrt kamen. Rach schnaubte bei dem Gedanken. Vetinari hätte so etwas nicht zugelassen.
"Alles in Ordnung?", fragte Ophelia, die sich bei ihm eingehakt, hatte und das Prozedere ebenfalls begutachtete.
"Ach ich wünschte nur, die Aktion hätte nach dem Frühstück gestartet, aber nein während dem Lokwechsel steht das Bordbistro und Bordpersonal nicht zur Verfügung"
Bei den letzten Worten ahmte er die Durchsage nach und Ophelia musste lachen.
"Wir finden sicher auch in der Stadt etwas, meinst du nicht?"
Rachs Magen verkrampfte sich regelrecht bei dem Gedanken und am liebsten würde er jetzt eine Rauchen, doch auch das Zigarettenetui war noch im Zug. Das Etui, von dem Ophelia nichts wusste oder vielleicht wusste sie es und hatte nur nichts gesagt, da war er sich bei seiner Frau in letzter Zeit immer öfter unsicher. Aber wenn man so große Geheimnisse wie seine Tätigkeiten als dunkler Sekretär hütete, war es ganz nett, wenn es so kleines Geheimnis wie das Zigarettenetui gab. Er hatte ihr vor der Fahrt noch versprochen, das Rauchen aufzugeben und bis jetzt hatte er es ausgehalten, auch wenn er bei dem Troll Wegelagerer sehr versucht war, sich eine Zigarette bei den Lokführern zu schnorren.
"Rach?", holte Ophelia ihn wieder zurück aus den Gedanken und er blinzelte kurz.
"Verzeihung, aber du solltest wissen, wie ich dazu stehe, das Bahnhofsgelände zu verlassen. Ich bin nur hier draußen mit dir, weil du dir die Beine vertreten wolltest. Ich konnte nicht ahnen, dass wir ausgesperrt werden." Sein Tonfall war ruhig und gelassen, doch eine gewisse Anspannung konnte er nicht verbergen und Ophelia hob nur eine Augenbraue, als sie ihn in den Arm kniff.
"Da braucht jemand ganz dringend einen Kaffee", sagte sie amüsiert, "Aber wir müssen ja auch nicht allein gehen."
"Hm, guter Punkt, aber nach deinem Traum heute Morgen", sagte er und drückte kurz ihre Hand, ehe er fortfuhr, "bist du sicher?"
Ophelia nickte nur kurz bestimmt, also wäre die dunkle Gewitterwolke in Form von Racul nur ein laues Lüftchen.
"Schau Ava und ihr bekannter können uns doch sicher begleiten."
Rach blickte kurz in die von ihrer angedeuteten Richtung und erblickte das so ungleiche Paar. Er war durchaus neugierig, was es mit dem Unbekannten auf sich hatte…
Er stoppte sich bei seinen weiteren Gedanken und gab sich schließlich geschlagen. Sie war sicherlich ebenso neugierig wie er, Avas Begleiter kennenzulernen, allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass seine Frau ihn so mit der Nase drauf stupste.
"Also gut", antworte er schließlich und sie schlenderten gemeinsam zu der Zwergin und der mysteriösen Gestalt.
Kurz bevor sie ankamen, löste sich Ophelia von ihm und ging etwas schneller voran und Rach nutzte die Gelegenheit, um sich noch mal genauer umzusehen.
"…klar gerne begleiten wir euch.", hörte er Ava sagen, als er näherkam.
"Hörst du Schatz, Ava und Bendschi würden mitkommen, ich habe ihnen gesagt, dass du einen guten Platz kennst."
Und schon haben wir einen Namen.
"Hallo", entgegnete Rach und deutete eine leichte Verbeugung an, "Flanellfuß mein Name, Rach Flanellfuß. Freut mich, euch kennenzulernen."
Avas Tarnung sollte schließlich nicht auffliegen und bisher schien die Zwergin ihre ungewohnte Aufgabe ganz gut zu meistern, doch ihr Auge zuckte kurz nervös, als er sich vorstellte.
"Die Freude ist ganz meinerseits", entgegnete die Zwergin schließlich.
"Und wo geht es hin?", fragte Bendschi, der es anscheinend eilig hatte vom Bahnsteig wegzukommen oder von gewissen Personen in der Nähe?
"Ah ja, ich hatte mir Notizen zu jedem Stopp gemacht, falls das Essen im Zug nicht genießbar wäre", improvisierte Rach und tastete seinen Anzug nach den nicht existenten Notizen ab.
"Oh, diese Statur, die Größe! Diese Ausstrahlung", erklang Madame Sharns Stimme und Rach wurde hellhörig. Der dunkle Sekretär richtete seine Krawatte, als die Modeikone schnurstracks auf ihn Zugstiefel kam.
"Oh wie wundervoll, der Bart!"
Rach blinzelte verwundert, "Bart?", und fuhr sich dabei über das noch frisch rasierte Kinn.
"An dir wird Pepe’s neues Designerstück richtig zur Geltung kommen!", redete Madame Sharn begeistert weiter und zwängte sich zwischen ihn und Ava. Ophelia hielt sich die Hand vor den Mund, um ihr Schmunzeln etwas zu verbergen, während Bendschi unsicher einen Schritt zurücktrat.
Seine Kollegin sah die so gegensätzliche Zwergin entgeistert an: "Meinst du mich?"
"Liebes, hast du schon über eine Modelkarriere nachgedacht? Ich habe diesen Abend meine große Eröffnung meiner Filiale hier in Bums. Das Schissa, du hast sicher davon gehört, oder?"
Eine rhetorische Frage, keiner hatte Gelegenheit zu Wort zu kommen, während Madama Sharn weiter sprach: "Pepe wäre hin und weg, wenn er dich sehen könnte, ich muss ihm das unbedingt mitteilen! Renn mir nicht davon, ich habe Großes mit dir vor!"
Rach sah der Zwergin nach und bemerkte Avas entsetzten Blick, als Madame Sharn den nächsten Klackerturm ansteuerte.
"Was war DAS?!", platzte es aus Ava raus.

Avalania von Gilgory

22. 09. 2024 15: 47

Bendschi nahm Avas Hand und drückte sie aufmunternd.
"Hey Ava, das klingt doch nach einer schönen Urlaubserinnerung. Das macht bestimmt Spaß."
sichtlich überfordert, nickte die Zwergin leicht.
Ophelia amüsierte sich: "Wie aufregend, aber mit leerem Magen kippst du uns noch vom Laufsteg." sagte sie kichernd und hakte sich in Avas anderen Arm ein und zog beide mit.
"Herr Flanelfuß, sie wollten vor der Unterbrechung noch ihre Notizen hervorholen. Wo soll es denn hingehen?"
"Ja, stimmt. Danke Bendschi fürs Erinnern … aber wo … ach wisst ihr was. Lasst uns doch schauen, wo uns die Schuhe hintragen." antwortete Rach.
"Ja, warum nicht." stimmten die anderen zu.
Und sie machten sich auf den Weg zum großen Stadttor.
Kurz nach dem Tor warf Ophelia ein, "schaut mal, das sieht doch nett aus" und ohne auf eine Antwort zu warten, zog sie Ava mit Bendschi Richtung Bäckerei.
Auf dem glänzenden Schild über dem Schaufenster stand mit großen Buchstaben "Café der königliche Backwaren- und Prüfanstalt".
Ava rollte mit den Augen und murmelte in ihren Bart: "Wenns denn sein muss". Und ließ sich mitschleifen.
Kaum waren sie durch die Eingangstür, wurden sie von dem Duft von frisch gebackenen Kuchen/ Brot und Keksen mit einer talgigen Note schier erschlagen.
Ophelia hatte bereits einen Tisch für 4 Personen entdeckt und steuerte direkt darauf zu.
Das Café war schon recht gut besucht und der Raum war erfüllt von vielen Gesprächen und Gelächter der Gäste.
Kaum hatten Sie sich hingesetzt, kam auch schon ein Zwerg mit gezückten Diktiergerät auf sie zu.
"Was solls denn sein, die Herrschaften?" brummelte er zwischen dem Bart.
"Hier hat sich nichts verändert …" gab Ava verärgert auf Zwergisch zurück und fixierte ihn böse.
Verdutzt sah der Zwerg zu Ava, der sie jetzt erst bemerkt hatte.
Sichtlich änderte sich seine Haltung und Ausstrahlung leicht.
"Heute hätten wir im Angebot eine Kanne erstklassigen Kaffee aus dem Schmalzberg. Dazu 4 Zwer … *räuspern* Brötchen und einem Gebäck ihrer Wahl, dass ihr mit frischem Talg oder Konfitüre bestreichen könnt."
"Das klingt doch nach einem guten Angebot." übernahm Bendschi die Zügel und der Zwerg nahm von jedem das Wunschgebäck auf.
Kurz darauf klappte sein Diktiergerät auf, ein Dämon mit einer zusammengerollten Schriftrolle, die er sich mit einem Faden über die Schulter warf, hüpfe heraus und rannte zielstrebig zurück an den Tresen. Dort waren in einer Vertiefung 4 Röhrchen zusehen, die im Boden verschwanden.
Der Dämon sprang an eines der Röhrchen und rutschte nach unten.
"Bis der Kaffee kommt, gehe ich mal ..." setzte Ava an.
"... die Nase pudern? Gute Idee, ich komme mit." unterbrach Ophelia sie und stand mit ihr auf.
Mit einem entschuldigen Blick zu Rach drehte sich um und ging mit Ava Richtung den ausgeschilderten Toiletten.
Rach hatte die Andeutung mehr als verstanden und wendete sich Bendschi zu, der etwas nervös wirkte und immer noch Ava hinterherschaute.
"So Bendschi … "

Während dessen hatten Ava und Ophelia die Toiletten im Untergeschoss erreicht.
Ava ging zielstrebig ans Waschbecken und benetzte ihre Hände und Gesicht mit kühlem Wasser.
"Kannst du das glauben, ich auf dem Laufsteg? Oh Gott...." sagte sie laut und vergrub ihr Gesicht in ihre Hände.
Ophelia stellte sich neben sie ans Waschbecken und öffnete ihre Handtasche.
"Das wird schon. Aber mal eine andere Frage. Verzeih, falls ich zu aufdringlich wirken sollte. Aber wie hast du Bendschi kennengelernt? Ist es was Ernstes? Woher kommt er?"
Ava drehte sich etwas überrascht zu Ophelia um.
"Ähm … nein, wir haben uns erst bei der Sightseeing-Tour kennengelernt. Und seit dem öfters auch im Zug zum Essen verabredet. Er scheint sehr nett zusein. Oder?"

Rach Flanellfuß

25. 09. 2024 22: 38

Bendschi sah kurz nervös auf die Tischdecke, um dem Blick seines Gegenübers zu entgehen, als Ava und Ophelia nicht mehr zu sehen waren. Als er wieder aufsah, um sich nichts anmerken zu lassen, hatte Rach ein freundliches Lächeln auf dem Gesicht.
"Na, machst du auch Urlaub in Gennua oder was führt dich in den Gennua-Express?"
"Urlaub wäre schön, aber ich bin leider auf der Handelskonferenz zum Arbeiten", entgegnete Bendschi so gelassen er konnte und hoffte Ava würde bald wieder kommen. In der Nähe der Zwergin fühlte er sich sicher. Ob sie ihn wohl verstehen würde, ob sie ihm glauben und vertrauen würde, wenn es drauf ankam? Er hatte sich ganz schön in Scheiße geritten und er war sich nicht Sicher ob er das ganze noch durchziehen konnte, aber seine Leute zählten auf ihn und er musste seine Botschaft unbedingt auf der größten Handelskonferenz mitteilen, doch machte dies überhaupt noch einen Sinn nach allem was passiert war?
"Oh was, wenn man fragen darf? Du siehst nicht wie ein typischer Handelsvertreter aus."
Bendschi musste kurz lachen. Er und Handelsvertreter, der erklärte Feind.
"Ich bin mehr oder weniger im organisatorischen Bereich tätig." Eine weitere kleine Lüge und doch kannte er die Pläne der Handelskonferenz vermutlich besser, als die meisten der Angestellten vor Ort. "Passe auf das der Zeitplan der Agenda eingehalten wird oder das auch immer was zu trinken für die Redner da ist. So Sachen halt."
"Verstehe, das Mädchen für alles", witzelte Rach und Bendschi nickte mit einem Grinsen.
Er hatte für Tedzos gearbeitet und die Bedingungen waren so katastrophal gewesen, dass man als Sklave in Ephebe besser dran war und Goblins sah man unter den arbeitern ebenfalls selten. Er war sich ziemlich sicher, dass es noch nicht freie Golems bei Beff Tedzos gab und er war kurz davor gewesen es herauszufinden, als man ihn erwischt hatte. Im Büro des Chefs einzubrechen, war im Nachhinein nicht die beste Idee gewesen und sein Gesicht war noch immer gezeichnet, als Tedzos Handlanger ihn mehr als nur verprügelt hatten. Bendschis Mitbewohner wollte das ganze bei der Stadtwache melden und musste dabei feststellen, dass Tedzos seine Anzeige wegen Einbruch zuerst gemacht hatte. Zur Wache gehen war keine Option, aber auf der Handelskonferenz in Genua der ganzen Scheibe mitteilen wie Beff Tedzos seine Arbeiter behandelte, dass konnte vielleicht etwas bewirken. Aber war das überhaupt noch relevant, jetzt wo Beff Tedzos tot war? Er musste es versuchen, viele seiner ehemaligen Kollegen waren noch in diesen Knebelverträgen.
"Alles in Ordnung?", hörte er nun Rach der ihn eindringlich ansah und Bendschi bemerkte erst jetzt, dass ihm das Grinsen eingefroren war und er mit den Zähnen knirschte.
"Ah Verzeihung, ich bin wohl wirklich Urlaubsreif. Du bist wirklich zu beneiden."

Rach lehnte sich wieder zurück, nachdem er genug Gelegenheit hatte, sein Gegenüber zu studieren. Und alles sagte ihm, dass der Kerl was zu verbergen hatte. Noch dazu war sein Aufzug so schrill, mit dem grünen Hemd und silbernen Nadelstreifenanzug, war er recht auffällig, allerdings so auffällig, dass man nicht so sehr auf das Gesicht achtete und die vielen Narben erinnerten Rach sehr an seinen Großvater Zlorf. Er hatte ihn nie kennengelernt, aber das Porträt des ehemaligen Assassinenoberhauptes vergaß man nicht, wenn man es einmal gesehen hatte. Die Frage war nur, war Bendschi Täter oder Opfer? Zeit, ihn etwas aus der Reserve zu locken.
"Sag das nicht zu laut. Ich fürchte, mein Urlaub hängt am seidenen Faden. Um ehrlich zu sein, rechne ich jeden Auggenblick mit einer Klackernachricht in der es heißt ich soll die Ermittlungen unterstützen.", während Rach sprach, machte Bendschi große Augen. "Und dann heißt es Obergefreiter Flanellfuß meldet sich zum Dienst."
Bendschi zuckte kurz zusammen und schien gerade so noch den Impuls aufzustehen zu unterdrücken.
"Du bist Wächter? S-siehst gar nicht so aus", stotterte Bendschi und zupfte kurz an seinem Hemdkragen.
"Lange Geschichte", sagte Rach nur und nahm entspannt einen Schluck aus seiner Kaffeetasse, um sein Gegenüber nicht weiter zu alarmieren. Bendschi trommelte leicht mit den Fingern auf dem Tisch und hielt vermutlich nach Ava Ausschau. Dem Inspektor behagte nicht, dass er Ophelia nicht mehr im Blick hatte, aber er beruhigte sich, damit, dass Ava eher jedem die Knie abhackte, der ihr zu nah kam und Ophelia war durchaus imstande sich zu verteidigen. Bendschi jedenfalls schien auf der Flucht, doch die Stadtwache war wohl das kleinere Übel.

Rabbe Schraubenndrehr

20. 10. 2024 11: 47

Rabbe lag auf dem Dach des Bahnhofs und rauchte.
Sie konnte nicht abschalten.
Wieder und wieder rannten die Sicherheitsvorkehrungen durch ihren Kopf.
Nach Absprache mit der örtlichen Wache und der Hygienischen Eisenbahn stand der Zug für den Tag unter besonderer Bewachung. Eine gute Gelegenheit für ihre Einsatztruppe, sich ein wenig die Füße zu vertreten. Den Kopf frei zu bekommen. Neue Informationen würde es hier nicht zuhauf geben und inzwischen waren sie nach dem wochenlangen permanenten Einsatz alle so ausgelaugt das es unsinnig wäre, auch heute volle Bereitschaft zu fordern.
Nein.
Alle brauchten eine Pause…
Daemon und Dirk Samtpfote waren zur Hunderennbahn gegangen. Kanndra zu den heißen Quellen. Sebulon wollte ins Brauhaus. Jargon war einfach gegangen und Cim machte irgendeinen geheimnisvollen Unsinn. Wie immer.
Eigentlich sollte sie auch den Bahnhof verlassen. Einen Spaziergang machen. Etwas ordentliches Essen. In den Wald gehen. Weg von all diesen Leuten. Vielleicht ein paar lokale Distillate verkosten.
Aber irgendwie. War sie immer noch hier.
Sie sog erneut an der Zigarre und richtete sich auf.
Alles war ruhig. Die Wächter standen an den Türen bereit. Die Passagiere hatten, bis auf wenige kleine Gruppen, den Bahnsteig verlassen. Sie konnte nichts Verdächtiges wahrnehmen.
Sie atmete lange aus.
Vielleicht sollte sie sich zwingen, sich zu entspannen.
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Das Frühstück neigte sich dem Ende zu. Ophelia versuchte die Atmosphäre zu Genießen. Es war schön, in einer fremden Stadt zu sein, ein Stück Kultur zu erleben. Aber sie konnte sich nicht wirklich entspannen. Auch wenn sie den Traum im Wesentlichen abgeschüttelt hatte…
Sie spürte Racul. Seine Präsenz wurde schwächer oder stärker, von Moment zu Moment, aber sie war die ganze Zeit da. Als ob er nur ein Zimmer von ihr entfernt wäre. Als ob sie jeden Moment seine Stimme hören würde…
Sie lächelte dankbar als Rach ihr noch etwas von dem exzellenten Tee anbot. Sie sah in seinen Augen das er ihre Bürde wahrnahm. Es war sowohl tröstlich als auch ein klein wenig ärgerlich. Nicht weil sie dem Mitgefühl ihres Mannes nicht dankbar war oder weil sie glaubte, er hielte sie nicht für fähig, damit umzugehen. Vielmehr war es der alte Ärger mit dem sie sich abzufinden suchte. Das sie ihren Urlaub, ihr Leben, nicht einfach mit ihrem Partner Genießen konnte wie sie es wollte. Ohne ihre Barrieren stets aufrecht halten zu müssen. Einfach…entspannen…
Sie konzentrierte sich auf das hier und jetzt. In diesem netten kleinen Kaffee mit den zwar harten, aber durchaus wohlschmeckenden Brötchen. Sie lächelte Ava und Bendschi wohlwollend zu. „Habt ihr schon eine Idee wie ihr den weiteren Tag bis zur Modeschau herumbringen wollt? Wir könnten ja noch etwas durch die Stadt schlendern…“
Bendschi verzog ein wenig das Gesicht, lächelte gequält und neigte sich leicht in Avas Richtung. „Eigentlich, ähm.. würde ich den restlichen Tag gerne allein mit Ava verbringen. Sofern das denn deinen Wünschen entspräche, heißt das.“ Beim letzten Teil blickte er fragend und ein wenig nervös zu er Zwergin.
„Ich. Ähm. Ich… das…klingt nett. Ja. Warum nicht.“ Sie lächelte etwas unsicher.
Rach warf ihr einen langen Blick zu und ihr war sofort klar, was er von ihrem Vorschlag hielt.
Ophelia legte ihm sacht die Hand auf den Arm und ihr Partner seufzte kaum hörbar.
Er hatte ohnehin noch beim Uhrenmacher vorbeigehen wollen.

Avalania von Gilgory

20. 10. 2024 17: 48

Ava entging nicht, dass Rach wenig begeistert wirkte.
Aber alleine mit Bendschi? Auch wenn sie die Zeit bisher mit ihm genoss und er nett und aufmerksam war. Wollte sich ein ungutes Gefühl in ihrem Bauch nicht lösen?
Bisher konnte sie das ganz gut ignorieren, denn sie mochte Bendschi.
Nein, das drückt es nicht ganz aus.... Sie mochte Bendschi sogar sehr.
Aber das ging ihr alles zu schnell. Und einfach in das Gefühlschaos hineinstürzen, war nicht so ihr Ding. Ganz anders, wenn es um Äxte oder Wachekram ging.

„Ava … über was denkst du nach?“, fragt Bendschi leise, als er ihre Hand hielt.
Die Zwergin zuckte zusammen und lief rot an, als sie bemerkte, dass sie in ihren Gedanken versunken war. Wie peinlich, wie unhöflich.
„Ähm … so gerne ich Zeit alleine mit dir verbringe, Ben.“ Sie lächelte ihn aufmunternd an,
„Stimme ich doch Ophelias Vorschlag zu; zusammen, macht es doch viel mehr Spaß, die Stadt zu erkunden. Was sich seit meinem Weggang hier alles verändert hat.“




[1]  Böse Zungen behaupten, bis zu 21 Jahre lang.