Ich glaube nicht, daß Terry Pratchett an Autisten gedacht hatte, als er anfing die Zauberer der Scheibenwelt zu beschreiben, denn damals war noch sehr wenig über dieses Thema bekannt. Und doch zeigen sie genau die Eigenschaften, die auch für Asperger Autisten typisch sind. Sie leben in ihrer eigenen Welt, haben kaum Kontakt zu anderen, befassen sich intensiv mit sehr speziellen Interessen, in denen ihn kaum jemand etwas vormachen kann, und können sich schlecht in andere hineinversetzen.
Auch in unserer Welt leben viele Menschen, deren hochfunktioneller oder auch Asperger-Autismus nie diagnostiziert wurde, weil sie, mit Hilfe ihrer oft überdurchschnittlichen Intelligenz, diese im Grenzbereich zur Normalität angesiedelten Behinderung überspielen können. Sie wissen zwar, daß sie anders sind, als die meisten anderen Menschen, kommen aber nicht darauf, daß es sich um eine Form des Autismus handeln könnte, da dieser meist nur in seinen extremen Formen public gemacht wird. Man muß aber nicht, wie Kim Peak, mit je einem Auge zwei Seiten gleichzeitig lesen können (und sie dann nie wieder vergessen), oder kompexe mathematische Rechnungen schneller lösen, als jeder Taschenrechner, um Autist zu sein. Und vielleicht erkennt ja auch der eine oder andere "Wächter", dass viele der Symptome ihm sehr bekannt vorkommen.
Wer lieber Geschichten ließt und schreibt, als in der Disco abzuhängen, gehört auf jeden Fall schon mal zu den üblichen Verdächtigen.
Es gibt dabei keine klare Grenze zwischen Autismus und Normalität. Die Übergänge sind also fließend. Wer sich auf Asperger hin untersuchen lassen will, sollte dazu aber auf jeden Fall einen Psychologen zu Rate ziehen, der sich mit diesem Gebiet auch gut auskennt, um fatale Fehldiagnosen zu vermeiden.
Um dafür zu sorgen, daß Autisten und Nicht-Autisten sich besser verstehen, und respektieren, hat Nicole Schuster (
http://www.nicole-schuster.de) jetzt schon ihr zweites Buch über Autismus veröffentlicht.
Als ich den Titel des neuen Buches "... bis ich gelernt habe, einen Kußmund zu machen" erfuhr, hatte ich gleich eine Vorstellung, wie das Cover aussehen müßte. Auf dem Cover von "Ein guter Tag ist ein Tag mit Wirsing" sind einige Smilies zu sehen. Auf dem neuen Buch mußten es dann wohl Lippenabdrücke sein, was auch tatsächlich stimmte.
Glücklicher Weise sind sowohl das Schreiben, als auch das Thema Autismus Spezialgebiete von Nicole. Und so fällt ihr das Schreiben über dieses komplexe Thema auch viel leichter, als die im Titel erwähnte Mimik. Trotzdem sind Autisten keineswegs gefühllos! Und obwohl die meisten Autisten ihre Gefühle nicht über die Lippen bringen, schafft Nicole es, ihre Welt so klar und deutlich zu beschreiben, dass vielen vielleicht der Mund dabei offen stehen bleiben wird. Von einer Autistin erwartet man das wohl in etwa genauso sehr, wie von Stephen Hawking, dass er plötzlich einen Stepptanz vorführt! Ihre Art von Barrierefreiheit kostet aber wirklich nicht zu viel, und man bekommt auch nicht nur Lippenbekenntnisse. Ich hoffe, dass dieses Buch bald in aller Munde sein wird.
Pyro
P.S.:
Auch ihr Kriminalroman "MORD im Labor" ist lesenswert