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Eine Entführung wird DOG gemeldet. Eigentlich nichts besonderes, doch was Vintongo dabei erlebt ist haarsträubend...
Dafür vergebene Note: 14
PROLOG
Irgendwo in Ankh Morpork, zu später Stunde
Damien Gerald Bleicht, der gerade seine Tagschicht bei den SEALS beendet hatte schlenderte müde nach Hause. Im Dienst war zwar heute nicht sonderlich viel los gewesen, dass ihn ermüdet hatte, aber das ständige Wegrennen vor wütenden Meuten schlauchte mit der Zeit doch ziemlich. Er wollte jetzt einfach nur ins Bett und sich ein wenig ausruhen. Um seinen Weg abzukürzen bog er in eine kleine, dunkle Seitengasse ein und schlurfte hindurch. Als er ungefähr die Hälfte des Gässleins hinter sich gelassen hatte, drangen Worte an seine Ohren.
"Psssst" machte eine verschwörerisch klingende Stimme die sich irgendwo links in den schwarzen Schatten befand. Damien blieb stehen und lauschte. Langsam glitt seine Hand an den Griff seines Schwertes. In Ankh-Morpork durfte man in solchen Situationen keinen netten Smalltalk erwarten.
"Häy, du da!" ertönte die Stimme, die sich anhörte als ob ihr Besitzer sich die Nase zugekniffen hätte.
"Bist wohl grad auf Snäcksuchä, Kind där Nacht, hähähä." intonierte die seltsame Stimme weiter.
Damien seufzte. Es war immer das selbe...
"Ich bin kein V..."
"Hör dir doch ärstmal an, was ich dir zu bieten habä." näselte der Sprecher.
Bevor Damien etwas erwidern konnte, hatte die Person schon eine kleine Laterne hervorgeholt die jetzt ein kleinen Teil der Gasse schwach erhellte. Der Gefreite konnte aber nur den schwarzen Mantel erkennen, den die Gestalt trug. Das Gesicht hüllte sich in Schatten.
"Nänn mich Abe, okäy? Wie ist dein Namä, Kumpäl ?"
"Was willst du von mir??" fuhr der Bleiche ihn gereizt an. Er hatte wirklich keine Lust sich jetzt mit zwielichtigen Typen in dunklen Gassen zu unterhalten.
Damien gab es auf.
"Gute Nacht, ich heiße Damien G. Bleicht. Und ich bin k..." Weiter kam der Wächter nicht, denn in diesem Moment hob sein Gesprächspartner die Laterne an sein Gesicht.
In dem sonst so emotionslosen Gesicht des Gefreiten zeigte sich plötzlich großes Erstaunen. Nun kannte er den Grund für die komische Sprechweise seines Gegenübers. Er hielt sich nicht etwa die Nase zu -dafür waren seine Arme sowieso zu kurz- die Nase war selbst dafür verantwortlich. Und das war bei dieser Nase nicht verwunderlich. Sie war grob geschätzt einen knappen halben Meter lang und knickte in der Mitte in einem stumpfen Winkel nach unten ab. Außerdem war sie komplett grau behaart. Damien starrte die Gestalt weiter an und betrachtete das Gesicht. Es war ebenfalls grau behaart und sehr schmal. Zwei kleine, braune Augen blickten ihn freundlich daraus an. "Aber irgendwas fehlt" dachte er.
"Häy, wassn los?? Noch nie nän Ameisenbär gäsähän odär was??"
Jetzt wusste er was fehlte. Der Mund. Oder besser gesagt: er fehlte nicht, er befand sich nur an einer recht ungewöhnlichen Stelle. Das lange beharrte Ding, das Bleicht anfangs für die Nase gehalten hatte, öffnete beim letzten Satz eine kleine Öffnung am Ende und eine grellrosafarbene Zunge kam zum Vorschein. Und erst jetzt bemerkte er die zwei kleinen Nasenlöcher über dem langen Mund.
"Oh, äh, entschuldige, ich..."
"Ja, ja. Ist schon okay. Schließlich sieht man hier in Ankh-Morpork nicht täglich nän Ameisenbärän, was?" Der Ameisenbär lächelte auf unnachahmliche Weise mit seiner kleinen Mundöffnung und hob den großen Filzhut der auf seinem Kopf saß leicht an.
"Ähm, ja...aber ich dachte Ameisenbären seien Tiere und können nicht sprechen...du hingegen bist so...humanoid."
"Ach, ich würdä dir ja die Gäschichtä ärzählän, abär ich bin jätzt zu müdä dafür." Abe, so hatte sich der Ameisenbär ja vorgestellt, blinzelte im Licht der Laterne und räusperte sich dann. "Warum ich dich eigäntlich angäsprochen habä..."
Er öffnete ruckartig seinen schwarzen Mantel und offenbarte Damien den Inhalt. An den Innenseiten des Mantels hingen unzählige kleine Röhren die teilweise lustig klimperten und im schwachen Licht der Laterne leicht funkelten.
"Hähä, ich weiß was ihr Vampirä gäbrauchän könnt. Hier schau mal," Abe zog eine kleine Kupferröhre aus der Halterung und hielt sie dem Wächter unter die Nase. "Das Modäll ‚Carpä Flautus', aus bästäm Übärwald-Kupfär gäfärtigt. Die idäalä Ärgänzung zu dän Äckzähnän. Hohär Saugkomfort zum günstigän Preis, hähä."
Etwas überrumpelt von der Informationsflut die Abe ihm beschert hatte, klappte Damien seinen Mund auf und zu ohne etwas zu sagen. Doch dann fing er sich wieder. Seine Verdrossenheit half ihm dabei. Warum nur sollte jeder blasse Mensch ein Vampir sein ?! Gerade als er seinem Ärger Luftmachen wollte, holte Abe das nächste Exemplar hervor und pries es an.
"Und dies hier," er zeigte dem Gefreiten ein längeres Bambusröhrchen. "Die neuästä Blutsaugärflötä die ich im Sortimänt habä. Aus original achatänäm Bambus. Pärfäkt für dän kleinen Snäck zwischändurch, hähähä." das Näseln des Ameisenbärs tat Damien langsam in den Ohren weh und er beschloss dem jetzt ein Ende zu setzen, bevor dieser komische Typ weiterreden konnte.
"Durch die sähr gutä Obärflächä..."
"ICH BIN KEIN VAMPIR, HERR!!!" schrie Bleicht plötzlich. Abe verstummte und blickte leicht geschockt und etwas beleidigt in das kreidebleiche Gesicht. Die ganze nähere Umgebung verstummte. Unaufhaltsam hallte das Echo zu beiden Enden aus der Gasse und über die Straße um die nächste Ecke. Ganz langsam vertönte es und völlig geräuschlose Stille trat ein.
Nur ein leises Grollen hörte man. Aber auch nur wenn man sich wirklich Mühe gab und gute Ohren hatte. Aber es schien so weit entfernt, als ob es in einem anderen Land stattfände.
Erst jetzt bemerkte Damien G. Bleicht, dass der Schein der Laterne und mit ihm auch der sprechende Ameisenbär namens Abe verschwunden waren. Während er noch darüber sinnierte wo der Verkäufer sehr zweifelhafter Vampirhilfsmittel so plötzlich hin sei, schwoll im Hintergrund das vormals leise Grollen deutlich an.
‚Ein wirklich seltsamer Kerl. War das vielleicht eine Verkleidung? Aber, es sah so echt aus...ich meine, ein Ameisenbär spaziert doch nicht einfach durch die Stadt und verkauft Kram, oder?' dachte der Gefreite und registrierte nicht wie das Grollen noch lauter wurde und sich gelegentlich Rufe dazumischten. Außerdem war es schon bedeutend näher als vorhin und erinnerte irgendwie an stampfende Füße.
‚Am Besten sage ich morgen mal Cim und den Anderen Bescheid. Man kann ja nie wissen, ob so einer nicht mal ein Verbrechen begeht. Wahrscheinlich ist es sogar wahrscheinlich. Oh, jetzt wiederhole ich mich schon wenn ich in Gedanken spreche. Verdammt.' überlegte er weiter. Das Grollen war inzwischen am Anfang der Gasse angelangt und konnte von jedem nicht Hörgeschädigten nun als Pochen von Füßen und gelegentlichen Zwischenrufen identifiziert werden.
‚Na gut, dann mach ich mich mal auf den Weg. Hm...komisch, ich hab schon lange keine wütende Meute mehr gesehen...'
Ein gellender Schrei und Fackelschein riss Damien plötzlich aus seinen Gedanken und störte die dunkle Idylle des Gässchens.
"Da vorne ist der verdammte Blutsauger!! Schnappt ihn!!!!"
Damien Gerald Bleicht, der vor einer Dreiviertelstunde seine Tagschicht bei den SEALS beendet hatte, seufzte laut, murmelte genervt etwas Unverständliches und rannte dann los.
[Viertel käuflicher Zuneigung, Boucherie Rouge]
Drei Nervöse Tapire Vintongo stand gähnend im Eingangsbereich des Boucherie Rouge und schaute sich müde um. Irgendwie war er heute Morgen müder als sonst. Er stapfte langsam die Treppe in den ersten Stock hoch und wollte sich gerade in Mückensturms Büro begeben als er plötzlich eine kreischende Frauenstimme hörte.
"Aaaaaah!!!"
Besorgt drehte er sich um und rannte die Treppe hinunter. Unten stand eine junge Frau die vermutlich Näherin war. Mit panikerfülltem Blick starrte sie den Lance-Korporal an und stürzte auf ihn zu.
"Ein Monster!!! Ein Monsteeer!! Hilf mir! Es ist da draußen!"
Verdutzt glotzte Vinni sie an und fragte sich warum die Monster nicht bis Mittags warten konnten, wenn er richtig wach war.
"Ähm, ein Monster sagst du? Was für eines denn?"
"Ein ekliges haariges das ganz komisch spricht!" schluchzte die Frau mitleiderweckend.
"Ist es..äh..gefährlich?"
"Ich weiß nicht, ich bin gleich weggelaufen als es mir..." Die junge Frau errötete. "...dieses Ding verkaufen wollte..."
"Was?? es wollte dir etwas verkaufen?"
"Das tut doch nichts zur Sache! Da ist ein Monster! Verhafte es gefälligst!!"
"Nun ja, ich glaube nicht, dass Monster sich so einfach verhaften lassen. Braucht man keine mystische Waffe um es zu besiegen? Oder muss man nicht zufällig ein barbarischer Held sein? Ich weiß wirklich nicht ob ich dazu geeig..."
Die Frau weinte plötzlich lauthals los und jammerte.
"Ach, ist ja schon gut, ich werde mir dieses Monster mal ansehen..."
Mit einem mulmigem Gefühl trat DNT nach draußen und sah sich nach dem Monster um. Mit großen Erwartungen lugte er nach rechts und nach links. Er dachte an ein schuppiges Etwas das mindestens drei Meter groß sein mochte. Mit riesigen, messerscharfen Reißzähnen und einem Chitinpanzer. Und mindestens 10 Tentakeln müssten schon drin sein. Er fürchtete sich davor einem wirklichen Monster zu begegnen. In diesem Fall wäre er einfach zurück in den ersten Stock gerannt und hätte Mückensturm Bescheid gesagt. Der hoffte sowieso immer auf irgendwas an dem er seine neuesten Armbrüste testen konnte. Nun, die Situation machte das alles aber überflüssig. Es war nämlich kein Monster zu sehen. Lediglich im Schatten eines Hauses stand eine mittelgroße Gestalt mit schwarzem Mantel und ebenfalls schwarzem Hut, den sie sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Obwohl man nur die Konturen erkennen konnte, wirkte die Gestalt nicht annähernd so monströs wie der Lance-Korporal es befürchtet hatte.
Langsam schritt er über die Straße zu der Person hin.
"Ähm, entschuldige bitte, bist du ein Monster?" fragte er zögerlich.
Die Person kicherte in einem seltsamen Tonfall und sagte dann "Nein, das bin ich nicht."
"Oh..tut mir Leid. Eine junge Frau kam gerade zu mir und behauptete ein Monster wollte ihr, äh, irgendetwas verkaufen. Naja, so sind die Mädchen halt, wollen sich immer wichtig machen..."
"Hähä, ja. Und an gutän Gäschäftän sind sie auch nicht intärässiert." näselte die Gestalt und hob den Kopf.
Vinni sah das Gesicht und den langen, grau behaarten Mund und hustete als Schockreaktion.
"Ach värdammt! Was is' den so bäsondr'äs an näm Ameisenbär, hm?!"
Vinni kannte Ameisenbären. Er hatte sie eigentlich für recht nette Tierchen gehalten, aber es wunderte ihn doch sehr, dass einer plötzlich durch die Straßen lief und Näherinnen irgendwelche Sachen verkaufen wollte. Das war eines der wenigen Dinge, an die er sich in Ankh-Morpork nie gewöhnen konnte: dauernd liefen irgendwelche verrückten, grotesken oder einfach nur grässlichen Leute herum und machten Ärger. Langsam fing er sich wieder.
"Ääh...also, du bist ein Ameisenbär, was?" Er sagte das mit aufgesetzter Lockerheit um den Kerl nicht zu verärgern, schließlich klang sein letzter Satz ziemlich gereizt.
"Hör mal, wänn du mich väräppäln willst, dann wärd ich dir mal zeigän was wir so alläs drauf habän, klar? Schon mal von ‚Marschäl Arz' gähört,hm?? Ich bähärrsche nicht nur dän Stil däs Ameisenbärän!"
"Hey, ääh...moment...ich wollte dich nicht beleidigen."
"Dann ist ja gut. Ich dachtä schon ich müsstä handgreiflich wärdän. Dabei bin ich ein ärklärtär Gägnär jäglichär Gäwalt, weißt du? Aber häy, was willst du eigäntlich von mir?"
Vinni schluckte. "Nun ja, ich bin Wächter und mir wurde gemeldet, dass du die...ehrbaren...Näherinnen hier belästigst..."
"Bälästigän?! Von Bälästigän kann gar keinä Rädä sein! Ich wolltä ihnän lädiglich ein gutäs Gäschäft anbietän, värstähst du?"
"Ähm...es tut mir wirklich leid, aber ich muss dich leider bitten mit mir in mein Büro zu kommen, Herr. Ich muss dich verhören und so...äh...du weißt schon, sonst heißt es wir gehen den Meldungen nicht nach und so..."
"Na klassä. Abär ich komm' nur mit weil du mir sympathisch bist, Kumpäl. Du kannst mich übrigäns Abe nännän."
Und so gingen Vinni und der alte Bekannte den wir schon im Prolog vor dem Prolog kennenlernten gemeinsam ins Boucherie Rouge damit der eine den anderen verhören konnte.
Beim dem Verhör selbst kam allerdings nicht viel heraus. Es zeigte sich, dass Abe der Näherin lediglich ein etwas zweifelhaftes *hüstel* Werkzeug verkaufen wollte und diese dann panisch vor dem Ameisenbären geflohen war. "Man muss sich schließlich irgändwie übär Wassär haltän, nicht wahr?" hatte er in diesem Moment gesagt. Und Vinni, der ohnehin nichts mit zweifelhaften Frauenwerkzeugen zu tun haben wollte und kein eindeutiges Vergehen feststellen konnte, ließ den guten Abe letztendlich wieder gehen. Natürlich versprach dieser in Zukunft Ähnliches zu unterlassen.
‚Wow, ich wusste gar nicht, dass Ameisenbären so nett sind. Ein wirklich freundlicher Kerl. Wäre schade um ihn, wenn er auf die schiefe Bahn geräte' dachte der Lance-Korporal nachdem Abe gegangen war.
PROLOG ENDE
[‚Die Safarie', Büro von DNT Vinni, einen Tag später]
Es war ein ruhiger Tag. So ruhig wie ein Tag nur sein kann. Gähnende Langeweile schlenderte durch das Boucherie Rouge und schaute in den Büros der DOG-Wächter vorbei. Doch nach einiger Zeit wurde es ihr zu langweilig und sie verzog sich wieder um woanders was zu erleben. Sogar in den Zimmern der Näherinnen im Erdgeschoss ging es den größten Teil des Tages ungewöhnlich ruhig zu. Selten hörte man quietschende Betten und dergleichen. Vintongo erging es auch nicht viel aufregender. Er saß an seinem Schreibtisch in seinem Büro und kritzelte ein bisschen auf einem leeren Blatt Papier herum. Lustlos zeichnete er einen länglich- runden Körper mit vier Beinen und schraffierte ihn etwas dunkler. Danach kam ein Kopf mit zwei Ohren und...ein kleiner Rüssel. Der Lance-Korporal seufzte traurig und erinnerte sich an seine Tapire...
Hier möchte ich kurz anhalten und dem Leser die trübsinnigen Gedanken von Vinni erklären. Am besten geht das mit einer kleinen Rückblende.
Sie legten gerade die letzten Meter über den Platz der Gebrochenen Monde zurück als sie dann vor den Ahppartmänt von Vinni ankamen. Es hatte zwei Eingänge. Eine völlig "normale" Türe und eine andere die mit mehreren Vorhängeschlössern abgeriegelt war.
"Hältst es wohl ziemlich genau mit der Sicherheit. Willst wohl deine Raten an die Diebesgilde nicht bezahlen." prognostizierte Rince.
"Eigentlich.....dienen die Sicherheitsvorkehrungen anderen Zwecken....."
"GROOOOOOOOOOOOOOONF" klang es von innerhalb der verriegelten Tür.
"Was war denn das ?!?"
"Ich muss mal kurz weg......"
Schon war Drei Nervöse Tapire Vintongo im Inneren verschwunden. Die folgenden Szenen lassen sich am besten mit folgenden Zitaten beschreiben:
"GROOOOOOOOOOOOOOOONF"
"Gib Ruhe, sonst stecke ich es dir heute nicht in den Mund und du musst es aus dem Napf nehmen !!!!!!"
"RÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖG"
"Und du da hinten! Ich habe genau gehört wie du mich nachgeäfft hast !!"
"Oiiiiiiiiiiiiiiiii....."
"So! Und jetzt gebt schön Ruhe, sonst wird sich der Herr Kommandeur noch ärgern und auf falsche Gedanken kommen !!!"
DNT kam wieder heraus und verriegelte die Tür schleunigst wieder.
(Entnommen aus der Single "Der unerwartete Besuch".)
Die Geräusche in obiger Szene stammten wie man sich denken kann, von Vinnis Tapiren die er im Erdgeschoss seiner Wohnung hielt. Danach kam die Verhängnisvolle Sache mit den Wappentierentführungen (Siehe Multi "Gewappnet gegen Dämonen"). Dabei wurden die beiden Tapire entführt, konnten jedoch glücklicherweise wieder gerettet werden. Die Ereignisse in diesem Fall führten zu DNTs noch verhängnisvollerem Urlaub, der damit endete, dass er auf einer Insel von gefährlichen Gnomen festgehalten wurden. Seine Tapire, die er in die Obhut einer Nachbarin gegeben hatte, wurden aufgrund seiner langen Abstinenz verkauft und waren weg als er zurückkehrte.
Ende der Rückblende. Wir kehren wieder in die Gegenwart zurück.
Traurig starrte Vintongo auf das Tapir das er gemalt hatte. In diesem Moment schossen ihm alle Erinnerungen an seine beiden Lieblinge in den Kopf und fraßen sich spielend leicht durch die dicke Schicht der Verdrängung, die er über die schmerzliche Erfahrung gelegt hatte. Wie sehr er doch das "Grooooooooonf!!" vermisste, wenn er abends nach dem Dienst nach Hause kam und in den Stall ging. Eine einsame kleine Träne quoll nun aus seinem linken Auge hervor und rollte seine jungenhafte Wange herunter. Es pochte leise, als sie auf das Blatt fiel und einen sich langsam ausbreitenden kleinen Fleck hinterließ. Natürlich hatte er versucht sie wiederzufinden, aber es konnte einfach alles mögliche mit ihnen passiert sein. Theoretisch hätten sie sogar zu irgendeinem Fleischer gelangen können und am Ende in einem von Schnappers Würstchen stecken können. Eine weitere vergnügungssüchtige Träne tapste aus Vinnis Auge heraus und zerplatzte theatralisch auf dem Schreibtisch. Bei diesem Gedanken vergaß er alles was ihn sonst fröhlich stimmte. Seine Arbeit, die netten Kollegen die inzwischen zu Freunden geworden waren und der ganze Rest.
Vinni schniefte und wusch sich die Spuren, welche die Tränen hinterlassen hatten, von der Wange. Er stand auf und ging in die andere Ecke seines Büros. Dort stand ein kleiner Karton in dem einige persönliche Dinge lagen, die er noch nicht in seinem neuen Büro verteilt hatte. Fast ehrfürchtig holte er einen großen Bilderrahmen heraus und hängte ihn an einem Nagel in der Wand auf, der schon seit den Zeiten da war, als hier noch keine Wächterbüros waren. Der Nagel hatte schon viel gesehen, aber noch nie wurde an ihm mit solch großer Sorgfalt und Traurigkeit ein Bild aufgehängt. Vintongo trat zurück und beäugte die Ikonographie. Sie zeigte einen seiner beiden Lieblinge in einer Nahaufnahme.
Drei-Nervöse-Tapire atmete tief durch und verließ dann sein Büro um sich Arbeit zu holen.
[‚Souflehs Bestattungen', Schlummerweg, am späten Nachmittag des selben Tages]
Vinni hatte Arbeit gefunden. Die Gilde der Einbalsamierer hatte eine Entführung gemeldet. Und da die DOG sich nun mal am besten mit dem Ermitteln für und wider Gilden auskannte, hatte man den Fall einfach ihnen zugewiesen. Für den Lance-Korporal war es der Beweis, dass das Schicksal ein verdammter Zyniker war. Erst erinnerte er sich an die traurige Sache mit seinen Tapiren und dann wurde er zu dem Laden eines Bestatters geschickt um dort wegen einer Entführung zu ermitteln.
Der Entführte war ein junges Gildenmitglied namens Elwin Sargnagel das in dem Bestattungsinstitut von Geoffrey Soufleh ausgebildet wurde, welchen der Lance-Korporal gerade ansteuerte. Als er vor dem Gebäude angekommen war, fiel ihm zuerst das große Schild auf. Es war völlig weiß und mit großen, seriös wirkenden Lettern beschrieben.
Er trat in den ‚Laden' ein und schaute sich etwas erstaunt um. Es war sauber. In der Luft schienen kleine Thaumtrupps zu patrouillieren welche die Aufgabe hatten, jedes noch so kleine Staubkorn zu liquidieren. Und diesen Job taten sie wirklich gründlich. Die Luft war für morporkianische Verhältnisse richtig frisch. Außerdem duftete sie angenehm nach Tulpen.
In diesem Moment betrat der Ladeninhaber durch eine Tür auf der anderen Seite den Laden. Es war ein kleingewachsener Mann in den Fünfzigern, dessen Kopf von einem kleinen, ordentlich zurechtgekämmten, weißen Haarkranz geziert wurde. Mit leicht gebeugtem Rücken stolzierte er zu Vinni und verbeugte sich kurz.
"Guten Tag, Sire. Sie müssen der Vertreter unserer hoch geschätzten Stadtwache sein." Die Stimme des Mannes widerlegte die vorher geäußerte Theorie mit den Thaumpatrouillen wieder. Denn so wie er sich anhörte, hatte er den gesamten Staub geschluckt der es jemals gewagt hatte sich in diesem Geschäft niederzulassen. "Mein Name ist Geoffrey Soufleh, Inhaber dieses Geschäftes."
"Hallo, Lance-Korporal DNT Vintongo, Abteilung DOG. Wie ich hörte wurde ein Gildenmitglied entführt?"
"Ja Sire, das ist richtig. Herr Sargnagel war ein sehr ambitionierter Bestatter. Genau wie sein Vater, Sire."
"Wieso sagen sie ‚war' ? Haben sie schon alle Hoffnung aufgegeben, dass wir ihn noch finden ?"
"Verzeihen sie Sire, aber mit zu viel Hoffnung kommt man in diesem Beruf nicht weit."
"Ähm, aha...und nennen sie mich nicht Sire, okay? Dabei komme ich mir so alt vor." der Wächter versuchte zu lächeln.
"Alter ist relativ. Eines der ersten Dinge die man in diesem Beruf lernt. Wir hatten schon Kunden welche die skurrilsten Dinge erlebt haben."
"Mhm...Nun, wann haben sie den Entführten zuletzt gesehen?"
"Gestern Abend. Ich verließ das Geschäft frühzeitig weil ich noch zu einer Gildenbesprechung musste. Heute Morgen fand ich ein Chaos vor. Alles war durcheinander und von Herrn Sargnagel fehlte jede Spur. Ich vermute, dass ein Kampf zwischen ihm und seinem Entführer stattfand."
"Aha, fanden sie irgendwelche Spuren oder andere Indizien? Und wenn ja, wo haben sie die hingebracht? Hier sieht es ganz und gar nicht nach einem Chaos aus..."
"Nein, ich fand nur Dinge die zum Inventar meines Geschäftes gehörten. Tut mir Leid."
Vinni gab es auf. In diesem wie geschleckt aussehenden Geschäft gab es wirklich nichts was an eine gewaltsame Entführung erinnerte.
"Na gut. Wir melden uns, wenn wir Ergebnisse haben. Einen schönen Tag noch."
"Auf Wiedersehen..Sire."
Etwas genervt verließ der Wächter das Bestattungsunternehmen. Diese erdrückende Ruhe mit der Herr Soufleh gesprochen hatte, konnte einem wirklich auf den Geist gehen.
[Wieder im Dog-Hq]
DNT war gerade erst in den ersten Stock gekommen, als Mückensturm schon auf ihn zukam.
"Hey Vinni, schon wieder da? Irgendwas rausbekommen bei der Entführung?"
"Nein, leider nicht. Es scheint ein Kampf stattgefunden zu haben. Der Bestatter wurde an seinem Arbeitsplatz entführt. Mehr weiß ich aber auch nicht."
"Na gut, ich gebe dir einen weiteren Versuch. Die Bettlergilde hat uns vorhin auch eine Entführung gemeldet. Schau dir das bitte mal an." Der Fähnrich reichte Vinni einen Zettel mit einer Adresse und ging dann in sein Büro.
Seufzend drehte sich Vintongo wieder um und verließ das Boucherie Rouge.
[Bei der Adresse die auf Mückensturms Zettel stand]
"Ichhabdochschonallesgesagtwassichweiß" nuschelte der Nervige Nuschler. Er war ein Mitglied der Bettlergilde und hatte beobachtet wie einer seiner Kollegen entführt worden war. Vinni befragte ihn gerade. Das war jedoch nicht besonders leicht, den man musste schon genau hinhören um das Genuschele des Bettlers zu verstehen.
"Könntest du mir das bitte noch mal zusammenfassen? Du hast also gesehen wie -wie hieß er noch gleich?"
"Rülpsenderralf"
"...entführt wurde. Und warum hast du ihm nicht geholfen?"
"Diemännerwarnzustarkaußerdemstankensie"
"Du sagst sie stanken ?! Hör mal, du bist ein Bettler! Du riechst wie ein totes Pferd in der Sonne!!"
"Heywerdmalnichtunverschämthieraußerdemstankendienachtulpen,ichhassetulpen"
"Nach Tulpen, sagst du? Aha..." Vinni dachte nach. Tulpen...irgendwo hatte es auch nach Tulpen gerochen, und zwar ziemlich stark...Natürlich! Im Laden von Herrn Soufleh! Die Entführungen wurden also wahrscheinlich von den selben Kidnappern durchgeführt.
"Und, äh, wie sahen die Entführer aus?"
"Habichnichgesehensiewarnvermummt,hammihnaufoffenerstraßeniedergeschlagenundmitgenommen." sagte der Nervige Nuschler sehr undeutlich.
"Mhm...na gut. Danke für deine Kooperationsbereitschaft."
Noch von seiner Erkenntnis begeistert drehte er sich um und lief er in Richtung der Messingbrücke um zum Pseudopolisplatz zu gelangen. Er wollte eine Taube zu DOG schicken. Eine gute Nase war jetzt gefragt.
Eine halbe Stunde später traf Valeriaa am Pseudopolisplatz ein. Vinni unterrichtete sie kurz über seine Informationen, danach machten sie sich auf den Weg zu Herrn Souflehs Bestattungsinstitut.
Als Werwolf nahm Valeriaa dort ebenfalls den starken Tulpengeruch wahr. Hinter dem Tempel der Geringen Götter, wo Vinni sich mit dem Nervigen Nuschler getroffen hatte, roch sie es ebenfalls. Auf dem Rückweg, bei dem sie an der Vorderseite des riesigen Gebäudes vorbeikamen hielt sie plötzlich inne. Hier war der Geruch so stark genug, dass sie ihn auch in menschlicher Gestalt riechen konnte.
"Hier ist es wieder. Dieser angenehm frühlingshafte Tulpengeruch. Ich schätze einer der Entführer war im Tempel, oder zumindest hier draußen."
"Gut, dann lass uns reingehen."
Der Hausmeister teilte ihnen mit, dass heute erst drei Leute im Tempel gewesen seien. Aus dem Priesterverzeichnis gab er den beiden die Adressen.
Der erste war nur ein kleiner, glatzköpfiger Mann der mit verschränkten Beinen auf einem Kissen saß. Außerdem roch es bei ihm nicht nach Tulpen.
Im Moment näherten sie sich gerade dem Haus des Zweiten. Als sie an der Tür angekommen waren blieb ihr Klopfen jedoch unbeantwortet. Plötzlich kam ein älterer Mann auf sie zu.
"Was wollen sie von mir?" fragte er schroff und übersah vermutlich die Uniformen der beiden Wächter.
"Wir sind von der Stadtwache und wollen ihnen ein paar....Hinterheeeeeeeeeer!!!"
Der Alte war bei dem Wort ‚Stadtwache' weggerannt und eilte nun schnaufend durch die kleine Straße. Sofort nahmen Vintongo und Valeriaa die Verfolgung auf.
Vinni rannte ihm geradewegs hinter und Val bog mit den Worten "Ich versuch ihm den Weg abzuschneiden" in eine Seitenstraße ein.
Der Mann hatte seine besten Jahre schon hinter sich, daher war es kaum verwunderlich, dass Vinni immer näher an ihn heran kam. gerade als er ihn am Kittel packen wollte, schlug der Alte mit verblüffender Agilität einen Hacken und Vinni wäre fast gegen die nächste Wand gerannt. Die Jagd ging weiter, aber der Mann schien jetzt seine letzten Reserven einzusetzen. Er entfernte sich. Von Valeriaa war nichts zu sehen und so sprintete Vinni dem Verdächtigen hinterher und rief immer wieder dass er stehen bleiben solle. Leider hörte er nicht auf den Lance-Korporal und rannte immer weiter. Langsam ging Vinni die Puste aus...und der Abstand wurde immer größer. Doch da ließ der Alte plötzlich etwas fallen. Es sah nach einem kleinen Säckchen aus und er blieb fluchend stehen um es aufzuheben. Das nutzte Vintongo gnadenlos aus und beschleunigte noch ein letztes mal. Mit Schrecken nahm der Mann dies war und versuchte noch zu entkommen, aber plötzlich tauchte Valeriaa aus einer Seitengasse auf und stellte sich ihm drohend in den Weg. Er blieb keuchend stehen und beugte sich schnaufend nach vorne. Aber Vinni registrierte das gar nicht mehr. Er rannte einfach weiter und sprang auf den alten Mann und riss ihn mit wildem Geschrei zu Boden. Er rollte sich mit ihm am Boden herum und kam schließlich in eine gute Position. Er saß auf des Mannes Brust und keuchte nun selbst lautstark.
"Stadt...wache....Ankh....Morpork....du...bist...ver...haftet...trag...ihm....bitte....seine....Rechte...vor...Val..."
[Irgendwo in Ankh Morpork, in einem abgedunkelten Zimmer]
Einige Männer begannen ihre Sitzung. Sie saßen in bequemen Sesseln, rauchten Zigarren und tranken teuren Whiskey. Sie alle freuten sich über die schöne Geheimgesellschaft die sie aufgebaut hatten. Natürlich durfte das traditionelle Eröffnungszeremonial nicht fehlen.
"Mitbrüder?" fragte einer.
"Ja, oh Coryphae, Exponent der verborgenen Rituale?" antworteten die anderen im Chor.
"Lasst uns mit der Zeremonie beginnen. Oh Méchantille, numinoser Potentat des geheimen Wissen, bist du anwesend?"
"Ja...," antwortete dieser mit einer Stimme die es vermochte Dinge zu zerschneiden. Es war der Anführer, das merkte man einfach sofort. "...Ich bin anwesend. Und du, oh Sophalon, Autokrat und Führer untergebener Gesellschaften, bist du anwesend ??"
"Ja, ich bin anwesend," antwortete eine Stimme die viel zu freundlich war, um Mitglied in einer solchen Vereinigung zu sein. "Und du, oh General Hörnchen, Befehliger der Exekutive, bist du denn anwesend?"
"Äh, hihi, natürlich, was denkst du denn, Bruder?" gackerte eine Stimme die gleichzeitig dumm und brutal klang. Eine gefährliche Mischung. "Und du, Herr...äääh...Reisigbündel, Präfekt des Organisatorischen, biste da ? Hahaha!"
"Ja, das bin ich fürwahr," begann eine schüchterne Stimme, wurde aber dann von der schneidenden Schlangenstimme Méchantilles, des numinosen Potentaten des geheimen Wissen unterbrochen, der auch der Anführer der ganzen Geheimgesellschaft war.
"Hast du dir etwa immer noch keinen mystischen Namen ausgedacht?!"
"Nun, ähm...ich..." stotterte die schüchterne Stimme von Herrn Reisigbündel.
"Meine Güte! So schwer ist das doch nicht! Nimm doch einfach irgendnen geheimnisvollen Namen und nenn dich so! Mann, echt..." beschwerte sich Sophalon, Autokrat und Führer untergebener Gesellschaften lautstark.
"Wenn du willst helfe ich dir auch dabei, du kannst einfach nicht bei uns mitmachen wenn du keinen klangvollen Namen hast! Was sollen die Leute denn von dir denken? ‚Herr Reisigbündel' der große Verschwörer'? Wie hört sich das denn an?!" gab Coryphae, Exponent der verborgenen Rituale zum besten.
"Hahahaha, jaja, genau so isses!" gluckste der etwas behämmerte General Hörnchen, Befehliger der Exekutive.
"Ach Freunde, ich weiß es doch...aber mir ist bisher einfach kein guter Name eingefallen....es..tut...mir wirklich....Leid..." Herr Reisigbündel begann nun leise zu weinen und wirklich mitleiderweckend zu schluchzen.
"Ach komm, so war das doch nicht gemeint..." versuchte Sophalon ihn aufzumuntern. "Du machst deinen Tschob wirklich gut. Wir können uns auch einfach zusammen einen Namen für dich überliegen, Willi Reisigbündel."
General Hörnchen kicherte nur glucksend in sich hinein.
"Natürlich machen wir das" sagte Coryphae und klopfte Herrn Reisigbündel, Präfekt des Organisatorischen, aufmunternd auf die Schulter.
"Das...würdet ihr für mich tun??" fragte dieser gerührt.
"Na klar, Willi."
"Ooooh...ihr seid echte Freunde!" Herr Reisigbündel schluchzte nun noch mehr.
"Gruppeeenkuscheeeeln!" rief Sophalon plötzlich und er selbst, Coryphae und Willi Reisigbündel nahmen sich in den Arm. Währenddessen gab General Hörnchen, Befehliger der Exekutive nur ein irres "Ähühaha" von sich und kippte von seinem Sessel.
Und Méchantille, numinoser Potentat des geheimen Wissen lehnte sich nur still in seinem Sessel zurück und paffte an seiner teuren Zigarre.
‚Diese Idioten...meine Güte, nie habe ich einen dümmeren und kindischeren Haufen gesehen. Sie sind einfach nur wertlose Marionetten, wenn ein Faden reißt, dann werfe ich die Puppe weg...so einfach ist das. Ach, und Hörnchen, dieser vertrottelte Kerl...er tut mir fast leid. Es muss wohl an den komischen Pilzen liegen, die er ständig isst...na ja, wie auch immer, diese Truppe ist perfekt für meine Ziele...' Er nahm einen Schluck Whisky und gesellte sich dann der Gruppenumarmung hinzu.
[Mal wieder bei DOG]
"Sag uns jetzt endlich warum du vor uns weggelaufen bist!!" fuhr Vinni den Mann an, den er zusammen mit Valeriaa verhaftet hatte, doch dieser lehnte es ab auch nur ein Wort zu sagen.
"Na gut...dann sag mir wenigstens deinen Namen!" brüllte der Lance-Korporal ihn an. Er hatte bisher sehr wenig Erfahrung im Verhören und Valeriaa war in der Zwischenzeit zu einem anderen Einsatz gerufen worden. Er wusste einfach nicht wie er die gewünschten Informationen aus dem Kerl herauskriegen sollte. DNT atmete tief durch und versuchte es dann noch einmal.
"Hör zu, ich bitte dich jetzt freundlichst mir deinen Namen zu nennen, wenn du das nicht tust, dann werde ich Fähnrich Mückensturm bitten das Verhör zu machen. Und der ist nicht so freundlich wie ich....er hat moderne Armbrüste und dergleichen..." Doch auch diese Drohung half nichts. Der alte Mann saß einfach nur auf dem Stuhl und blickte starr geradeaus. Vinni blickte ihn forschend an.
"..." sagte der Verhörte.
"..." antwortete Vinni.
Langsam wurde das wirklich zu viel für den Wächter. Er schrie normalerweise so gut wie nie jemanden an. Er mochte das einfach nicht. Andere Kollegen machten sich manchmal einen Spaß daraus die Rekruten oder frischgebackenen Gefreiten herumzuscheuchen, aber so etwas war einfach nicht seine Art. Gerade deshalb mochten ihn viele. Aber diese ganze Sache mit den Entführungen wurde mit der Zeit nervenaufreibend und außerdem wollte er seinem Abteilungsleiter auch nicht ohne Ergebnisse gegenübertreten. Und deshalb griff er nun zu einem für ihn ziemlich außergewöhnlichen Mittel.
"SAG MIR JETZT VERDAMMT NOCHMAL ALLES WAS DU WEIßT!!! ANSONSTEN Werde ich...." das Ende des Satzes verlor sich in einem leisen Gemurmel. Vinni hätte sich vorher überlegen sollen was er dann täte, wenn der Mann keine Auskunft gab. So zerstörte das den ganzen dramatischen und autoritären Effekt des Anbrüllens. Aber es schien doch ein wenig geholfen zu haben. Die ausdruckslose Miene des Verhörten verwandelte sich nun in ein selbstgefälliges Lächeln.
"Du wagst es, Ungläubiger?!" Endlich sprach er. "Du wagst es, mir, einem Diener Gottes, zu drohen?!"
"Aha, du bist also Priester. Nun, das hätte ich mir denken können, nachdem wir deinen Geruch vom Tempel der Geringen Götter aus verfolgten."
"Priester! Ha! Nicht irgendein Priester. Ich bin Diakon Melchfried, des großen Gottes TulpTulp dessen Rache fürchterlich sein wird!!" Der Alte machte eine drohende Gebärde und deutete nach oben. Seine Hände formten eine Art Blitz und er ließ sie nach unten sausen und blickte Vinni dabei grimmig an.
"Ja, äh, ich fürchte mich wirklich sehr. Wenn ich sowieso sterben muss, dann kannst mir ja geschwind erzählen was du über die Entführungen weißt, oder?"
"Hah! Glaube nicht du kannst mich täuschen, oh Ketzer! Ich werde vielleicht noch länger von euch festgehalten, aber du kannst sicher sein, dass Leopoldt und der Prophet davon erfahren werden! Sie haben ihre Augen überall...ahaha." Melchfried grinste nun noch selbstgefälliger. Das machte Vinni stutzig, denn laut seinen Worten schien er nur der Diener von irgendwem zu sein. Zudem sah es so aus als ob es um fanatische Kultisten ging. Aber was hatten ein junger Bestatter und ein Bettler damit zu tun? Bestatter müssten doch was Religionen angeht eigentlich neutral sein, wie sonst wollten sie viele Kunden bekommen? Und Bettler schienen eigentlich nicht die gläubigsten Leute zu sein...es war wirklich seltsam.
"Kennst du einen Mann namens Elwin Sargnagel?"
Doch der Diakon schwieg sich nun wieder aus und gab kein weiteres Wort von sich. Nach einigen vergeblichen Versuchen gab Vintongo dann auch auf und ließ den Verdächtigen vom Gefreiten Dyn Amit ins Wachhaus am Pseudopolisplatz überführen, wo sich die Zellen befanden.
[Am selben Abend im Eimer]
Der Lance-Korporal betrat die Kneipe. Sofort wehte ihm der Geruch des Alkohols entgegen, der hier in beträchtlichen Mengen floss. Ganz untypisch für die meisten Kneipen war, dass es hier kaum nach Rauch roch, nur wenige der Wächter frönten dem Genuss des Tabaks. Vinni selbst rauchte auch nicht, bevor er nach Ankh- Morpork gekommen war hatte er neben seinen verehrten Mangos auch Tabak angebaut, er konnte sich jedoch nie dafür begeistern.
Die Tische waren voll besetzt mit scherzenden und lachenden Kollegen, die sich über ihre letzten Fälle ausließen. Ganz im Gegensatz zum sonstigen "Abteilungspatriotismus" waren die Gruppen gut gemischt. Wenn man dieses Bild sah, wusste man wieso es Feierabend hieß.
Zum Gruß nickend trat Vintongo an seinen Kollegen vorbei und steuerte einen der wenigen Tische an, an denen noch Platz war. Freundlich lächelnd setzte er sich auf eine Sitzbank neben den SEALS-Wächter Damien G. Bleicht. Den beiden gegenüber saß Stabsspieß Atera und lallte fröhlich vor sich hin. Damien spielte lächelnd an seinem Glas Mineralwasser herum und beobachtete seine Vorgesetzte belustigt. Vinni bestellte sich ein kleines Bier und begann dann mit dem üblichen Wächter-Smalltalk.
"Na, was war heute los? Hattest du nen besonderen Fall?"
"Ach, nein, eigentlich nicht." antwortete Damien und nahm einen Schluck aus seinem Glas. "Oh warte mal," fuhr er fort, als Vinni gerade etwas sagen wollte. "Gestern Nacht als meine Schicht zu Ende war, da ist mir vielleicht was komisches passiert. Oh Mann, diesen Kerl hättest du sehen sollen." Ein angedeutetes Lächeln umspielte die Lippen des bleichen Gesichts.
"Was für einen Kerl? Erzähl doch."
"Gut. Also ich war gerade auf dem Nachhauseweg und nahm eine Abkürzung durch eine kleine Gasse, als mich plötzlich jemand ansprach. Und - du wirst es nicht glauben..."
"Er dachte nicht, dass du ein Vampir bist?"
"Äh..doch, das tat er sehr wohl," murmelte Damien und überlegte ob das ein dummer Witz von Vintongo gewesen war, oder ob dieser nur geraten hatte. "Jedenfalls," Ein lautes Quoaak unterbrach den Gefreiten. Atera hatte ihren kleinen Liebling, Sir Henry, aus der Tasche geholt und hielt ihn nun in der Hand und versuchte ihn zu streicheln. Sie murmelte irgendetwas wie "Da schind ja schwei" und versuchte es weiter.
"Also," begann Bleicht wieder, etwas genervt von den ganzen Unterbrechungen, "Diese Person, wollte mir Flöten verkaufen. Flöten zum Blutsaugen für Vampire!"
"Äha...das ist in der Tat seltsam." pflichtete ihm DNT bei.
"Du hältst das für seltsam? Das wirklich seltsame kommt erst noch. Diese Gestalt war ein Ameisenbär! Ein sprechender Ameisenbär! Das ist einfach nur grotesk."
Vinni wurde hellhörig. Sprach Damien etwa von Abe?? "Ein Ameisenbär, sagst du?" forschte er nach.
"Ja! Wirklich. Und er sprach ungefähr so:" Damien hielt sich die Nase zu, "Nänn mich Abe, Kumpäl"
"Was!?" Der Lance-Korporal konnte es kaum glauben. Sein Kollege sprach wirklich von Abe.
"Wenn ich es doch sage. Das ist wirklich eine der komischsten Gestalten gewesen die mir in Ankh-Morpork je untergekommen sind."
"Das ist ein interessanter Zufall. Ich habe ihn auch gesehen. Er verkaufte in der Nähe des Buhschrie Ruhsch irgendwelche Sachen an Näherinnen. Aber er hat kein Verbrechen begangen, deshalb ließ ich ihn gehen."
"Oh, das ist wirklich seltsam. Er muss neu in der Stadt sein, sonst hätten wir ihn sicher vorher schon bemerkt. Wir SEALS sehen fast alles was so passiert auf unseren Streifengängen."
In diesem Moment trat der Wirt an den Tisch und brachte Vintongos Bier.
[Am nächsten Morgen]
Kurz nachdem er zum Dienst angetreten war, hatte DNT Vinni eine Nachricht erhalten, dass die SEALS in der vergangenen Nacht jemanden fest genommen hatten. Doch diese Person wollte einfach nicht reden. Allerdings fragte die Person nach Vinni und wollte unbedingt mit ihm reden. In diesem Moment schlenderte der Lance-Korporal über den Pseudopolisplatz Richtung Wachhaus und gähnte herzhaft. Es war doch ein relativ weiter Weg vom Boucherie Rouge bis hierher. Natürlich hatte er eine Vermutung wer es war, den die SEALS festgenommen hatten, aber vielleicht war es auch mehr ein Wunschdenken. Dieser Ameisenbär übte auf Vinni irgendeine unerklärliche Faszination aus. Außerdem fand Vintongo ihn ziemlich sympathisch.
Als er das Wachhaus betreten hatte, kam auch schon Damien G. Bleicht auf ihn zu und begrüßte ihn.
"Unser Freund wartet auf dich" sagte er und führte ihn in ein Büro. Es war also wirklich der gute alte Abe.
"Gutän Morgän, Vinni!" grüßte ihn der Ameisenbär freundlich.
"Ääh...hallo Abe." dann wandte er sich an den gefreiten Bleicht, "was hat er denn schon wieder angestellt?"
"Oh, eigentlich nichts schlimmes. Wir nahmen ihn wegen verdächtigem Herumlungern fest. Außerdem wollte er wieder irgendwelche -vielleicht illegalen- Dinge verkaufen."
"Das ist Värläumdung!" mischte sich Abe ein, der solche Beschuldigungen nicht auf sich sitzen lassen wollte.
"Ruhe," sagte Damien in einem kalten Tonfall zu ihm, den man selbst mit Kursivschrift nicht ausdrücken kann. "Also Vinni, er wollte unbedingt nur mit dir reden. Ich weiß zwar nicht warum, aber ich glaube er mag dich einfach. Du kannst ihn dann übrigens gehen lassen, wenn ihr fertig seid, die Strafe für verdächtiges Herumlungern hat er diese Nacht schon abgesessen. Außer er gesteht dir jetzt noch irgendwas..." Damien nickte Vinni zu und verließ dann den Raum. Sofort nach dem die Tür geschlossen war, lehnte sich Abe zurück und legte seine großen, krallenbewährten Füße auf den Schreibtisch.
"Yo Vinni, schön dich wiedärzusähän." näselte er, wie man es schon von ihm gewohnt war. (Anmerkung des Autors: Warum schreibe ich eigentlich ‚näseln', wenn das lange Ding doch sein Mund ist?! *seufz*)
"Ähm, hallo Abe. Was ist los? Warum wolltest du gerade mit mir reden?"
"Naja, du bist viel fräundlichär als diesä andärän Idiotän. Außärdäm mag ich dich. Bist'n duftär Typ, wie man so sagt, hähä." Der Ameisenbär zwinkerte und lachte leicht.
"Hm, danke. Weswegen haben meine Kollegen dich eigentlich genau festgenommen?"
"Hah! Die Willkür där Äxäkutivä! Ich habä nichts gätan, das schwörä ich."
"Aha, soso..."
"Häy! Ich bin schließlich ein Ähränmann! Niemals würdä ich ätwas Unrächtes tun. Ich muss doch die Qualän där Ungärächtigkeit schon seit Jahrän ärtragän..."
"Wie meinst du das?"
"Oh, willst du das wirklich hörän?"
"Ja, erzähl es mir. Was ‚es' auch immer ist."
"Na gut, pass auf. Mein vollständigär Namä lautet Abraham Barthläy Tikokä. Ich war noch ein jungär Mann als ich von Ankh-Morpork wägging."
"Du bist hier geboren?" fragte Vintongo ungläubig.
"Klar. Also hör zu. Meinä Läbänsgäschichtä ist ächt dramatisch, abär die Klickär-Hochsäson war schon vorbei als ich wiedär zurückgekommän bin. Hättä mit dän Klickärrächten ein Värmögän värdienän könnän..."
"Oh...äh...wieso bist du eigentlich aus Ankh-Morpork weggegangen ?"
"Ist doch klar. Ich suchtä das was allä jungän Männär habän wollän."
Vinni überlegte kurz.
"Mangos und Tapire?" fragte er mit einem strahlenden Lächeln.
"Äääh...ähär nicht. Ich meinä Gold, Frauän und Alkohol!!"
"Oh, achso..."
"Ja, also ich wolltä äbän diesä Dingä. Einäs Abänds hörtä ich dann in einär Kneipä das Gärücht von einär goldänän Stadt. Sie solltä in einäm färnän Land sein und von halbnacktän Amazonän bäwohnt sein, hähä. Da wolltä ich natürlich sofort hin...und nach einigär Zeit schafftä ich äs mit einigän Abentäurärn auch bis ins Täzumanischä Reich. Dort lag angäblich diesä Stadt."
"Wow, du warst im Tezumanischen Reich? Das ist ja auf der anderen Seite der Scheibe!"
"Ja, ich bin äbän viel härumgekommän. Das Probläm war nur, dass diesä Stadt schon langä nicht mähr äxistiertä. Kein Wundär, ohne Männär, was? Hähähä..."
Vinni errötete leicht. Seine Verlegenheit bei solchen Themen hatte er noch immer nicht ganz überwunden.
"Ist ja ägal, jädänfalls fandän wir nur einän verlassänän Tämpäl. Darin fand ich einä Art Urnä. Als ich sie von ihräm Sockäl nahm, erschien plötzlich där värdammte Mistkärl där mir das alles eingäbrockt hat. Är värwandältä allä andärän in Duftsäckchän! In Duftsäckchän! Wie ärniedrigänd..."
"Was?! Wer verwandelte die anderen in Duftsäckchen??"
"Na diesär beschäuärtä Gott. TulpTulp, Gott des angänähmän Raumdufts. Tz!" Abe schüttelte zornig den Kopf.
"Und was ist mit dir? Du siehst nicht wie ein Duftsäckchen aus..."
"Sähr witzig. Mit mir wolltä är einän besondärän Spaß habän. Är sagtä mir, dass är mir meinä Wunschä ärfüllän wolltä."
"Und was hast du dir gewünscht??"
"Na was wohl? Gold, Frauän und äh, keinän Alkohol, sondärn besondärä Kampfkunstä. Das wolltä ich schon immär mal könnän, hähä."
"Und, hast du es bekommen??" Die Geschichte war wirklich sehr unterhaltsam, ob sie nun wahr war oder nicht.
"Gold habä ich bäkommän. Die besondärän Kampfkunstä auch....aber das mit den Frauän wolltä är nicht machän. Är sagtä das värstöhst gägän seinä Räligion. Däshalb värwandältä är mich in einän värdammtän Ameisänbär!!"
"Oh, tut mir Leid..."
"Ja, mir auch. Keinä Frau will jätzt noch mit mir ausgähän...ein värdammtär Ameisenbär....TulpTulp! Allein schon där Namä macht mich richtig wütänd!!"
Ein gedanklicher Fleischbrocken stieg aus der trüben Gulaschsuppe in Drei-Nervöse-Tapires Gehirn an die Oberfläche, doch bevor er ihn greifen konnte versank er wieder. Schnell suchte er nach einer gedanklichen Schöpfkelle. Wo war sie nur? Da! Der Brocken schwamm jetzt wieder an der Oberfläche. Zack! Jetzt hatte Vinni ihn.
TulpTulp! Von diesem Gott hatte auch der verhaftete Melchfried gesprochen!
"Moment!"
"Was is dänn?"
"Der Gott der dich in einen Ameisenbär verwandelt hat, heißt TULPTULP?!"
"Ja, das ist där Namä däs Dräckskärls. Kaum zu glaubän, dass so einär auch hier in Ankh-Morpork värährt wird..."
"Was!?"
"Na klar. Seinä Anhängär habän hier so nä Art Klubhaus. Da mach ich immär nän großän Bogän drum, wär weiß schon, was där dänän übär mich ärzählt hat..."
"Weißt du wo es ist???"
"Yo, in där Nähä vom Grunimarkt."
"Entschuldige, ich habe jetzt keine Zeit mehr. Du kannst gehen."
Bevor Abe noch etwas erwidern konnte, war Vinni schon aufgesprungen und aus dem Zimmer gerannt. Endlich hatte er wieder eine Spur!
[In der Nähe des Grunimarkts, in einer kleinen Seitengasse]
Dieses Haus musste es sein. Es war ein älteres, recht großes Holzhaus, das unheimliche Schatten in die nachmittägliche Gasse warf. Vorsichtig schritt Vintongo zur Tür und versuchte sie zu öffnen. Zu seinem großen Erstaunen war sie nicht verschlossen. So leise wie möglich schlich er sich hinein und versteckte sich in einer Nische. Von irgendwoher konnte er Worte hören. Leider verstand er nichts genaueres, vermutlich befand sich der Sprecher in irgendeinem Raum weiter hinten im Gebäude. Dies war die Chance den Fall zu lösen. Fanatiker hatten offenbar den Bettler und den Bestatter entführt, warum wusste DNT zwar noch nicht, aber das spielte dann auch nicht mehr so eine gewichtige Rolle wenn er die Gekidnappten erst mal befreit und den Entführer verhaftet hatte.
Er ging bedächtig weiter, den langen dunklen Gang entlang der durch das Haus führte. Die Worte wurden immer lauter und langsam konnte er etwas verstehen.
"...der du uns ins Licht führen wirst und den Modergeruch vertreibst, höre uns an..."
Vintongo ging weiter. Nach ein paar Metern gelangte er an eine Tür, die nur angelehnt war. Die Worte kamen direkt aus dem Raum der dahinter lag.
"...denn wir bringen dir hier dieses Opfer, eines lebenden Menschen Körper..."
Schockiert fuhr der Lance-Korporal zusammen. Sie wollten ihre Geiseln also opfern?! Wie abscheulich! Obwohl Vinni in manchen Situation ein Feigling war - das konnte er nicht geschehen lassen. Er hasste Mord und hatte auch noch nie selbst jemanden getötet, nichtmal sein Dienstschwert trug er regelmäßig bei sich. Und deshalb sträubte sich sein Geist einfach dagegen weiterhin dazusitzen und das blutige Ritual zu belauschen. Wütend riss er die Tür auf und stürmte in den Raum. Doch er hielt inne.
Die Kultisten bemerkten ihn gar nicht. Die Gruppe aus fast 20 Männern stand mit dem Rücken zu ihm. In einem Halbkreis umrandeten sie eine Art Altar. Vor diesem stand ein Mann mit einer dunkelgrünen Kutte und leicht angegrauten Haaren, es war der, den Vinni sprechen gehört hatte.
"...gleich werde ich dir das Opfer erbringen, oh TulpTulp, großer Gott des angenehmen Raumdufts..."
Zweifel packten den Wächter. Mit knapp zwanzig Männern konnte er unmöglich alleine fertig werden, er hatte ja nicht mal eine Waffe dabei. Aber andererseits, wenn er jetzt ging um seine Kollegen zu informieren, würde der Mann auf dem Altar sein Leben verlieren. Seine Gedanken rasten. Sein Leben oder das des Opfers??
Der Sprecher, offenbar der Oberpriester, hob langsam das Messer in die Höhe. Er musste laut Melchfrieds Aussagen entweder dieser Leopoldt, oder der Prophet sein, von dem er gesprochen hatte.
"...Mit diesem einen Stich will ich es vollbringen, damit du uns mit der größten aller Gaben beschenkst, oh..."
Was sollte Vinni nur tun?? Das Leben eines Bürgers hing von seiner Entscheidung ab. Es war seine Pflicht als Wächter den Mord zu verhindern, aber wenn er sich diesen Verrückten stellte, würde er womöglich nie wieder die Pflicht eines Wächters erfüllen können.
Die Hand des Oberpriesters ereichte jetzt ihren Höhepunkt und die Klinge des Messer blitzte bedrohlich im Schein der vielen Kerzen, die den Raum erhellten.
Vintongos Augen zuckten zwischen dem Messer und den Kultisten hin und her. Kleine, heiße Schweißperlen begannen wie Miniaturlavaströme über seine Stirn zu rennen und das Herz des Wächters pochte so laut, dass es eigentlich ein Wunder war, dass die Fanatiker es nicht bemerkten.
"Für TulpTulp!" schrie der Oberpriester und sein Arm zuckte nach unten.
"Haaaaaaaalt!!!" brüllte Vinni genau in diesem Moment mit aller Kraft.
Zzzzzzpp Die Hand mit dem Messer verharrte nur ein paar rettende Zentimeter über der Brust des an den Altar gefesselten Opfers. Stille manifestierte sich plötzlich in dem Raum und die Kultisten gaben keinen Mucks von sich. Nur das leise Röcheln des geknebelten Opfers war jetzt zu hören. Der Oberpriester drehte sich ganz langsam mit kalter Gemächlichkeit um. Seine Gläubigen taten es ihm gleich. Jetzt wurde der Lance-Korporal von einer entgeistert und wütend blickenden Meute angestarrt. Er wagte es nicht einmal einen einzigen Muskel zu bewegen. Am schlimmsten waren für ihn die Augen des bewaffneten Klerikers. Sie strahlten das pure Feuer des Fanatismus aus. Keiner der grausamsten Inquisitoren konnte einen angsteinflößenderen Blick besessen haben.
Vinni ließ langsam die angehaltene Luft aus seinen Lungen entweichen. Jetzt war es sowieso egal. Eine Flucht schien unmöglich, außerdem würde das wiederum den Tod des Gefesselten bedeuten. Da es jetzt wirklich keine Rolle mehr spielte sagte Vintongo folgendes:
"Hier spricht die Stadtwache von Ankh-Morpork, hiermit sind sie alle verhaftet!" ein etwas hysterisches Grinsen machte aus seinem Gesicht eine seltsame Fratze. "Wenn sie mich nicht freiwillig zum Wachhaus begleiten, dann muss ich Gewalt anwenden...haha..." Jetzt bemerkte er, dass es wohl besser gewesen wäre, wenn er den Mund gehalten hätte. "Äääh...ich....das war nur Spaß..." der Lance-Korporal schaute verzweifelt.
Die feurigen Augen des Oberpriesters wurden nun zu kalten Polen.
"Er wird das Fünfte Opfer innerhalb von zwei Tagen sein. Gott wird erfreut sein. Ergreift ihn." sagte er mit einer krächzigen Stimme.
Die Kultisten setzten sich abrupt in Bewegung und traten auf Vinni zu. Als der erste nach ihm griff, trat Vinni zu. Der zweite fing sich einen Schlag in den Magen ein, aber es waren einfach zu viele. Nach einem kleinen Gerangel hatten sie den Wächter überwältigt.
"Bindet den jungen Mann los, lasst uns diesen Narren hier zuerst opfern." sprach der Chef der Fanatiker und deutete auf Vinni.
Sofort holten sie den Mann vom Altar der bisher darauf gelegen hatte und fesselten Vinni. Sie banden ihn darauf fest und knebelten ihn, das letzte Stündchen von Drei-Nervöse-Tapire Vintongo hatte geschlagen. Die Situation war aussichtslos, der Tod unvermeidlich.
Langsam stellten sich die Verrückten wieder in der selben Aufstellung wie vorher auf. Der Oberpriester trat an den Altar und sah Vinni mit verachtungsvollem Blick an.
"Nun, da du jetzt sterben wirst, möchte ich dir wenigstens erzählen mit wem du es zu tun hast. Ich Leopoldt, höchster Hohepriester des großen Gottes TulpTulp, Herr des angenehmen Raumdufts. Dies hier," er machte eine ausholende Geste zu den Kultisten, "ist meine Gemeinde, die einzige in Ankh-Morpork bisher, aber das wird sich ändern. Der große Prophet Sophalon steht uns bei, er riet uns auch TulpTulp durch die Opfergaben zu besänftigen. Also, betrachte es ruhig als eine Ehre für ihn zu sterben." Leopoldt lächelte kalt und gab dann ‚seiner Gemeinde' mit einer Geste zu verstehen, dass die Zeremonie beginnen könne.
"TulpTulp, als Rache an ihm und um dir unsere Ehrerbietung zu zeigen, werden wir dir nun den Körper dieses Ketzers zum Geschenk machen..."
Der Hohepriester hob das Messer hoch über Vinni und redete weiter und zitierte aus irgendwelchen heiligen Schriften. Aber DNT hörte schon gar nicht mehr zu. Es war aus für ihn. Im Moment ließ er sein Leben Revue passieren. Das erste Mal, dass er eine Mango gegessen hatte, seine Kindheit im Dorf, das alles huschte relativ schnell an seinem inneren Auge vorbei. Dann kam sein erster Tag in Ankh-Morpork, und daraufhin der Tag an dem er in die Wache aufgenommen wurde. Seine Fälle, der Aufenthalt auf der Gnominsel, einfach alles. Doch jetzt war es vorbei. Nur noch wenige Sekunden und all das war Geschichte. Nur eine kleine Akte im Ordner "Ehemalige" würde von Drei-Nervöse-Tapire übrigbleiben. Vielleicht die Erinnerung von ein paar seiner Kollegen und Freunde, doch spätestens nach zwanzig Jahren würde auch das verblassen.
Feierlich sprach Leopoldt, der Hohepriester von TulpTulp, dem Gott des angenehmen Raumdufts, die letzten Worte der Opferungszeremonie.
Das war mein Leben, dachte Vintongo. Habe ich irgendetwas nützliches vollbracht? Wie ist das Leben nach dem Tod, wenn es existiert? Und wie wird Ex-Kommandeur Tod auf einen Wächter zu sprechen sein??
Langsam glitt das Messer nach unten und wurde dann ruckartig wieder nach oben gerissen.
"Sterbe nun!!" proklamierte Leopoldt.
Jetzt werde ich sterben. Es war eigentlich recht schön auf dieser Welt...ich werde die Scheibe vermissen...
Die Zeit dehnte sich und das Messer näherte sich gähnend langsam Vintongos Brustkorb.
Ein Geräusch schien aus weiter Ferne an Vinnis Ohren zu dringen, aber das war jetzt nicht mehr wichtig.
Unaufhaltsam näherte sich das Messer dem Körper des (ehemaligen) Lance-Korporals.
"Ich rääääääääääätääääääää dich !!!!"
Die Tür flog nach einem harten Tritt in den Raum.
Das Messer stoppte plötzlich in nur einigen gefährlichen Millimetern Entfernung zu Vintongos Brust.
"So ihr Mistkärlä! Ich mach äuch dän Garaus! Wolltät wohl meinäm Kumpäl was antun, abär nich' mit Abe!"
Kurz darauf war ein schmerzerfüllter Schrei zu hören. DNT blinzelte und wunderte sich, dass es nicht sein eigener gewesen war. Das Messer über seiner Brust war verschwunden.
Ein weiterer Schrei.
"Nimm das, Schurkä!"
DNT drehte den Kopf. Das Bild dass sich ihm bot war dermaßen unglaublich, dass er beinahe den Knebel verschluckt hätte. Auf dem Boden lag ein zusammengekrümmter Leopold ohne Messer und etwas weiter entfernt stand der verdammt noch mal großartigste Ameisenbär der ganzen Scheibe!!
So elegant wie es einem Ameisenbären möglich ist hob Abe das Bein und trat dem nächsten Kultisten gegen den Kopf und gleich drauf sprang er in einer fließenden Bewegung in die Luft und versetzte dem anderen, der ihn bedrängte, einen Drehkick.
"Lägt äuch niemals mit näm Ameisänbär an, Läutä!" grölte er und schlug einen weiteren Fanatiker zu Boden.
Der (nicht mehr ehemalige) Lance-Korporal konnte es einfach nicht fassen. Vor ein paar Minuten hatte er sich schon mit seinem Tod abgefunden und jetzt machte Abe gerade einen Kultisten nach dem Anderen zum Märtyrer. "Besondere Kampfkünste" hatte er gesagt. Jetzt merkte Vinni dass (fast)jedes Wort von Abes Geschichte der Wahrheit entsprach. Fasziniert und immer noch nicht ganz von der Realität dieser Szene überzeugt beobachtete Vintongo, wie der Ameisenbär zwei weitere Raumduftanbeter mit Tritten und Schlägen ausschaltete. Es waren seltsamerweise nur noch sehr wenige anwesend, die nicht röchelnd am Boden lagen und stöhnten.
"Na, schon gänug? Odär seid ihr äuch doch nicht mähr so sichär das diesär bäscheuertä Gott äuch hilft?? Hähähä!!" näselte Abe und nahm eine andere Kampfstellung an. Als die letzten beiden Fanatiker das hörten und sahen flohen sie panisch aus dem Haus. Niemand wollte sich weiterhin mit diesem großen Kämpfer anlegen.
Lachend schritt Abe zum Altar und band Vinni los der ihn mit offenem Mund anstarrte.
"Hastä gädacht ich lass dich alleinä bei dän Värrucktän? Häy, värgiss nicht, wir sind Kumpäls!"
Der Wächter nickte langsam und sagte dann nachdenklich "Danke, Abe...".
Ein leises Stöhnen erinnerte ihn an den Mann der vor ihm auf dem Altar gelegen hatte. Schnell trat er zu ihm herüber und befreite ihn von Knebel und Fesseln.
"Uuuhh.." Der Kerl war offenbar schon lange geknebelt gewesen, denn er brachte nur ein Gurgeln hervor. Nach ein paar Sekunden richtete er sich taumelnd auf. "Vielen Dank..." keuchte der Mann und rieb sich die Stellen an denen die Fesseln gesessen hatten.
"Wie ist dein Name?" fragte der Lance-Korporal.
"Elwin...Sargnagel, mein Herr. Ich danke dir wirkl..."
"Hah! Da hab ich ja genau die richtige Spur verfolgt! Ich bin Drei-Nervöse-Tapire Vintongo von der Stadtwache. Könntest du mir einen Gefallen tun?"
"Äh ja...ich möchte dir gerne meine Dankbarkeit beweisen.."
"Sehr gut, geh auf dem schnellsten Weg zum Pseudopolisplatz! Benachrichtige meine Kollegen und schick sie hierher!"
Der Befreite nickte und machte sich, immer noch etwas benommen, auf den Weg.
"So, das wärä nun auch gäklärt, was?"
"Ja..puuh...wie kann ich dir nur jemals danken?? Du hast mein Leben gerettet, Abe.."
"Is schon okäy. Wärd jätzt bloß nich säntimäntal, Mann." Der Ameisenbär sagte das zwar in recht ‚coolem' Tonfall, aber gleichzeitig lächelte er auch warmherzig. Hinter diesem langen Mund und dem dicken grauen Fell steckte wohl ein gutes Herz.
"Steeeerbt Ungläubige!!!!" brüllte plötzlich jemand. Es war der fanatische Hohepriester Leopoldt. Er hatte sich wieder einigermaßen erholt und hatte sich sein Opfermesser zurückgeholt, das in der anderen Ecke des Raumes gelegen hatte. Jetzt rannte er schreiend und mit erhobenem Messer auf Abe zu und versuchte ihn zu erstechen.
Doch die Reaktionsgeschwindigkeit des Ameisenbären war unglaublich. Er fuhr herum, wich geschickt dem Messer aus und packte den Kopf des Verrückten. Wütend zog er sein haariges Knie nach oben und rammte den Kopf des Oberkultisten dagegen, der mit einem schmerzerfüllten Schrei zu Boden fiel.
Sofort stellte sich Abe über ihn und holte zu einem weiteren Schlag aus.
"Halt!!" rief Vintongo plötzlich. "Ich brauche ihn noch! Ich muss ihn verhören!"
Irritiert drehte Abe seinen Kopf und schaute Vinni fragend an. "Abär..."
"Bitte Abe...ich muss einige Dinge von ihm in Erfahrung bringen. Außerdem wird er den Rest seines Lebens sowieso in einem Kerker verbringen."
"Hm...na gut, abär bäschwär dich nachhär nicht, wänn är dich ärsticht, okäy?!"
"Jaja, schon gut..."
Langsam ließ der Ameisenbär seinen Arm sinken und trat einen Schritt zurück.
Vinni ging nun zu Leopoldt heran der am Boden lag und leise wimmerte. DNT packte ihn schroff am Kragen und zog ihn etwas in die Höhe. Ein Auge des Hohepriesters war mittlerweile schon dick zugeschwollen und Blut tropfte aus dessen Nase.
"Sag mir sofort wo der Bettler ist!"
"Nie...mals...Un...gläubig...er" keuchte Leopoldt als Antwort.
"Abe?"
"Was' los?"
"Dieser Mann will mir keine Auskunft geben..."
Der Ameisenbär verstand die Aufforderung.
"Hähä, soll ich ihn zum rädän bringän, Vinni?"
"Es...wird...euch nichts nü...tzen..."
Vintongo nickte Abe auffordernd zu woraufhin dieser Leopoldt packte und die haarige, klauenbewährte Faust drohend über dessen Gesicht hob.
"Dein lätzäs Stündchän hat gäschlagän, du Wurm!" näselte Abe in gefährlichem Tonfall und funkelte den Diener TulpTulps böse an.
"...OhBitteBittetötemichnicht!!" heulte Leopoldt plötzlich und Abe grinste Vinni an.
"Wirst du meinäm Kumpäl alläs erzählän was du weißt??"
"Natürlichnatürlich!! Der Zorn TulpTulps wird ihn ohnehin treffen..."
"Vielen Dank, Abe." sagte DNT und wandte sich wieder Leopoldt zu. "Also, was habt ihr mit dem Bettler gemacht??"
"Wir opferten seinen Körper unserem großen Gott..."
"WAS!? Mörder!!" plötzlich erinnerte Vinni sich auch wieder daran, dass der Hohepriester ihn vorhin als "Fünftes Opfer innerhalb von zwei Tagen" bezeichnet hatte. "Du sprachst von fünf Opfern! Oooh....ihr verrückten...Teufel!!"
"Die..Leichen sind in dem Raum dort...drüben...ächz..."
Angewidert ließ der Lance-Korporal ihn fallen und wandte sich voller Unbehagen einer niedrigen Tür hinter dem Altar zu. Er lief zu ihr und öffnete sie.
Dunkelheit wogte ihm sprichwörtlich entgegen. Doch es roch nicht nach Verwesung, die Leichen mussten also noch nicht sehr lange tot sein. Es roch nur nach Tulpen, wie übrigens im gesamten Haus. Überall war dieser anfangs angenehme, doch nach einigen Minuten richtig penetrante Tulpengeruch.
Da die kleine Kammer völlig dunkel war nahm sich Vintongo einen der großen Kerzenständer, die den Altarraum erhellten, und schritt mit ihm in den Raum. Vorsichtig trat er in den kleinen Raum und hielt den Kerzenständer wie eine Fackel. Das was er sah, war der bisher schlimmste Anblick seines gesamten Lebens.
In dem Raum lag, achtlos in die Ecke geworfen, die Leiche eines Menschen. Seine gesamten Kleider waren entfernt worden. So sah man alle seine Wunden. Ein großer Schnitt verlief quer über den Bauch und ließ einen schrecklichen Blick auf die Organe darin zu. Die Kehle war auch aufgeschlitzt und das Gesicht war völlig zerkratzt. Überall klebte Blut und unzählige kleine Prellungen und Blutergüsse entstellten den Körper.
Die Augen des Wächters weiteten sich und irgendetwas zerschnitt ein psychologisches Band in seinem Kopf. Er stolperte zurück und ließ dabei den Kerzenständer fallen. Blind vor Panik rannte er ohne sich umzusehen aus der Kammer und prallte mit dem Knie gegen den Altar. Er bemerkte den Schmerz in seinem Bein überhaupt nicht. Nur der Schmerz in seinem Herzen und in seiner Seele quälte ihn unbarmherzig. Er stolperte und fiel hin, wobei er einen anderen Kerzenständer mit sich riss.
Langsam traten ihm die Tränen in die Augen und er übergab sich keuchend.
Natürlich hatte er schon des öfteren Leichen gesehen, das gehörte leider nun mal zu der Arbeit eines Wächters dazu, aber noch nie hatte er einen dermaßen gequälten Menschen gesehen den man aufgrund einer religiösen Überzeugung so entstellt hatte.
Natürlich sah Abe das. Er ließ sofort von Leopoldt ab und eilte zu Vinni herüber.
"Häy Vinni, was ist denn los??"
Doch Vintongo antwortete nicht. Er starrte nur mit leeren Augen auf den Boden vor sich.
Voll Mitleid senkte Abe den Kopf und strich Vinni kameradschaftlich über die Schulter.
Plötzlich sprang der Lance-Korporal auf. Er beachtete seine gesamte Umgebung nicht. Er rannte nur wieder in die Kammer und griff sich den Kerzenhalter von vorhin. Er leuchtete damit in die andere Hälfte des Raumes, der grauenhafte Schrecken, den er gesehen hatte, hatte nur die eine Hälfte des Zimmer belegt.
Das, was Drei Nervöse Tapire Vintongo in der anderen Hälfte erblickte ließ ihn tausend Tode sterben. Hätte sein Gehirn schneller reagiert, dann hätte es die Verbindung zu den Augen in diesem Moment gekappt, aber es war zu spät. Vinni hatte es gesehen.
Es waren zwei Kadaver mit der Größe von kleineren Kühen. Beide hatten dunkelbraunes Haar und vier Beine. Am Kopf hatten sie kurze Rüssel.
Sie waren tot. Wie betäubt lief der Wächter rückwärts aus der Schreckenskammer und ließ sich auf den Boden fallen. Sein Gesicht war nur noch eine ausdruckslose Maske. Sein Atem ging nur ganz langsam und kein Ton kam über seine Lippen. Seine Augen sahen und seine Ohren hörten nichts.
Eisige Kälte umschloss sein Herz und Dunkelheit griff nach seiner Seele.
Vor ein paar Tagen hatte er noch geweint und sich gefragt wie es den beiden wohl ergangen war, wer sie besaß und ob sie überhaupt noch am Leben waren. Was er vorher nicht zu ahnen gewagt hatte, traf ihn nun als Gewissheit so hart, dass zuerst etwas in ihm zersplitterte. Doch es war kein Knochen der zersplitterte, kein Muskel der riss, kein Organ das platzte. War es sein Herz? Seine Emotionen? Nicht einmal der Autor dieser Geschichte vermag tief genug in Drei-Nervöse-Tapire Vintongo hineinzusehen um dies festzustellen. Seine Gedanken standen still und gleichzeitig rasten sie hin und her.
Vor Frost klirrende Kältefeuer mit dunklen Brandherden formten sich in ihm.
Ruckartig stand DNT auf. Abe hatte sich inzwischen taktvoll zurückgezogen, er konnte seinem Freund jetzt einfach nicht helfen. Vinni trat vor den mittlerweile gefesselten Leopoldt und schaute ihn an. Der Mann in den mittleren Jahren sah sich den Blick des Wächters an und wimmerte daraufhin angsterfüllt. In diesem Moment führte das Herz einen Militärputsch gegen das Gehirn durch und übernahm die Kontrolle über Vinnis Körper. Ohne ein einziges Wort zu sagen packte er den Mörder der Tapire am Hals und drückte zu.
Leopoldt fühlte wie ihm die kalten, dunkelhäutigen Hände die Luft abschnürten. Er war sich dessen bewusst, dass er jetzt sterben würde. Mehr noch als Vinni, als er auf dem Altar lag. Die Augen des Wächters und die Kälte der Hände bestätigten es ihm.
DNT drückte unbarmherzig weiter zu. Er kniete sich auf die Brust des Hohepriesters würgte ihn weiter.
Aber irgend ein kleiner rebellischer Teil von Vintongos Selbst wehrte sich gegen die Militärdiktatur des Hasses und des Rachewunsches. Aber die Stimme der Vernunft und der Menschlichkeit sprach von so weiter Ferne...es war für ihn unmöglich sie zu hören.
Als Leopoldts Lippen schon bläulich angelaufen waren, ließ der Lance-Korporal los. Sofort begann der Mörder keuchend zu husten. Er lebte noch. Noch.
Nachdem der Fanatiker wieder normal atmete holte Vintongo aus und schmetterte ihm seine Faust mit voller Wucht gegen das Jochbein. Der Aufprall erzeugte einen langen, dumpfen, knackenden Ton. Er war fürchterlich, aber Vinni hörte ihn nicht.
Der Rachewunsch verlegte nun seine gesamten Streitkräfte an die Stellen die für die Ausführung der Vergeltung zuständig waren. Diese Unachtsamkeit nutzten die Rebellen aus und brachen durch die Reihen der spärlichen Verteidigungsposten hindurch.
Mit voller Kraft schlug Drei-Nervöse-Tapire Leopoldt gegen den Unterkiefer. Es knackte auf ekelhafte Weise.
Hass und Rachewunsch wurden größenwahnsinnig und ignorierten die Bedrohung ihrer Herrschaft von innen.
Ohne Mitleid schlug der Lance-Korporal wuchtig gegen den Kopf von Leopoldt, dessen Augen langsam wässrig wurden.
Die Rebellen stürmten das Parlamentsgebäude und bemächtigten sich in diesem Moment des Gehirns.
Leopoldt voller Abscheu anblickend haute Vintongo ihm abermals gegen den Schädel. Wieder ertönte ein grausiges dumpfes Pochen.
Endlich proklamierten die Rebellen die Konterrevulotion vor dem gesamten Volk der Gehirn-Rezeptoren, und Gedanken.
Der Lance-Korporal erstarrte. Entgeistert starrte er auf das zertrümmerte Gesicht des Wesens das unter ihm lag. Erschrocken ließ er Leopoldt los. Er sank tot zu Boden.
Genau in diesem Moment traf die Erkenntnis Vintongo wie ein Schlag mit einem Eisenhandschuh. Sie ohrfeigte ihn und hinterließ einen schmerzhaften Striemen auf seiner Wange. Noch nie in seinem Leben hatte er jemanden umgebracht. Noch nie. Natürlich hatte er früher, als er noch nicht in Ankh-Morpork gelebt hatte, hin und wieder ein Tier erlegt. Aber das bewegte sich im Kreislauf der Natur. Fressen und gefressen werden. Doch was er nun getan hatte war Sünde. Nicht im religiösen oder anzüglichen, sondern im moralisch-menschlichen Sinne. Langsam tauchte ein Gedanke aus den tiefen seiner Seele auf.
Der Gedanke zerfraß den Wächter: Ich bin genau so schlimm wie er...
Vinni kollabierte. Er fiel rücklings von Leopoldts Leichnam herunter und blieb liegen.
Über seinem ehemaligen Körper schwebend, betrachtete Leopoldt Vintongo.
"Hmm...er tut mir fast Leid..."
"DAS WÜRDE ER MIR AUCH WENN ICH EIN MENSCH WÄRE."
"Oh, du bist schon da..."
"ICH BIN IMMER UND ÜBERALL. NIEMAN KANN SICH VOR MIR VERSTECKEN..."
"Oh, so hat TulpTulp dich mir nun geschickt um mich abzuholen!"
"...NICHT EINMAL DEIN GOTT."
"Ääh...wie meinst du das? Er ist doch der Herr über Leben und Tod, also auch über dich."
"NEIN. ICH HABE NUR EINEN HERRN." Es funkelte kurz in Tods leeren Augenhöhlen, dann holte er mit der Sense aus und trennte Leopoldts Seele vollständig von dessen Körper.
Vor einer halben Stunde war Vinni erwacht. Die Konterrevolutionäre hatten den Erinnerungen geraten vorerst unterzutauchen. Eine Konfrontation würde jetzt nur Nachteile nach sich ziehen.
Er hatte sich weiter in dem Haus umgesehen und war in eine Art Arbeitszimmer gekommen. Außer ein paar bedeutungslosen religiösen Büchern hatte er anfangs dort nichts entdeckt. Doch als er die Schubladen durchsucht hatte, fand er einen kleinen Zettel. "Sophalon, Teekuchenstraße 17".
Es war mittlerweile Abend und schon dunkel. Vorsichtig schlich Vinni um das Haus herum, das die Nummer Siebzehn trug. Irgendwo musste es doch einen Eingang geben. Nach einiger Zeit entdeckte er dann eine niedrige Stelle der Mauer, die die große Villa umgab. Zielstrebig kletterte er auf die andere Seite.
Es war ein dunkler Hof. Links von DNT stand die riesige Villa die in unheilvolle Stille gehüllt war. Er lief geduckt über den Hof in Richtung des Hauses als er plötzlich Schritte hinter sich vernahm. Vintongo drehte sich um und erblickte einige dunkle Gestalten mit Prügeln in deren Händen. Als er wendete und wegrennen wollte stieß er gegen einen zweiten Trupp. Eine der Gestalten trat vor.
"Du bist hier nicht erwünscht." sagte sie, woraufhin ein anderer Vinni von hinten niederschlug.
[In einer großen Villa, zufällig Teekuchenstraße Nummer Siebzehn]
"Was sollen mit ihm machen, oh Méchantille, numinoser Potentat des geheimen Wissens?" fragte Coryphae.
"Tötet ihn nicht. Er kann der Organisation unter Umständen noch nützlich sein." antwortete Méchantille, der Meister.
"Na hör mal! Er hat meinen Lieblingskult zerschlagen! So eine Sauerei, dabei hab ich den TulpTulp-Kult so schön aufgebaut. Außerdem mochte ich Leopoldt..." beschwerte sich Sophalon, der innerhalb der Organisation für die verschiedenen Untergruppen zuständig war.
"Sophalon...meinst du nicht, dass das Wohl der G.A.B.A. wichtiger ist, als der TulpTulp-Kult?" erwiderte Méchantille mit scharfer und listiger Stimme.
"Oh, äh..natürlich, Meister..."
"Hihihihi-jojojawoll!" proklamierte General Hörnchen, der gerade mit dem Kopf nach unten in seinem Sessel saß. Er erinnerte Méchantille irgendwie immer an eine Hyäne. Er versuchte ihn zu ignorieren. Dann erinnerte er sich an etwas. "Herr Reisigbündel, hast du dir nun endlich einen Namen ausgedacht?"
"Äh nein..." gab dieser verlegen zurück. "Aber ich habe mir ein Buch darüber besorgt. Spätestens morgen Abend werde ich einen haben..."
"Das will ich hoffen, Herr Reisigbündel..." zischte Méchantille und zerschnitt mit seiner Stimme die stickige Luft.
"Entschuldige," mischte sich Coryphae ein. "Soll ich dem Wächter eine geheimnisvolle Botschaft zukommen lassen?"
"Oh, ja. Schreib ihm das Übliche."
"Sehr wohl, Meister."
Vinni erwachte wieder. Sein Kopf tat weh. Der Schlag mit dem Prügel hatte ihn ohnmächtig werden lassen. Stöhnend rieb er sich die Beule an seinem Kopf und rappelte sich auf. Als er sich umschaute, bemerkte er auf dem Boden einen großen, weißen Umschlag. Er hob ihn auf und brach das wächserne Siegel.
Lieber Wächter,
Wir bitten dich hiermit inständig, jegliche weitere Ermittlung in diesem Fall deiner Gesundheit zu Liebe zu unterlassen. Gib auf dich Acht!
Gez. Coryphae, Exponent der verborgenen Rituale. GABA.
Darunter befand sich ein Symbol. Es war ein Kegel auf dem zentral ein Ohr angebracht war.
Verwirrt steckte Vintongo den Brief ein. Für heute erfüllte er den Wunsch des Schreibers gerne. Er musste sich ausruhen. Müde machte er sich auf den Weg zum Boucherie Rouge, das war näher als seine Wohnung.
Als Vinni in bei DOG angekommen war, übermannte ihn der Schlaf. Er stürzte in sein Büro und ließ sich erschöpft auf den Boden fallen. Er hatte an diesem Tag einfach zu viel hinter sich.
[Am nächsten Morgen]
Vinni stand in Mückensturms Büro. Er gestikulierte aufgeregt mit seinen Händen und versuchte den Abteilungsleiter davon zu überzeugen die Villa in der Teekuchenstraße zu stürmen.
"Versteh es doch, Vinni! Wir können nicht einfach so ein Haus stürmen. Erst recht nicht wenn wir keine Beweise haben, dass dort Verbrecher wohnen. Die Typen die dich niedergeschlagen haben, könnten auch einfach Einbrecher gewesen sein!"
"Aber Fähnrich, wenn ich es dir doch sage! Es muss das Haus sein! Der Bewohner gab den Auftrag zwei Menschen ermorden zu lassen!"
"Das glaubst DU. Übrigens konnten wir noch nicht klären wer die Fanatiker getötet hat, bei denen du die Leiche des Bettlers gefunden hast und Herrn Sargnagel befreit hast. Und du weißt wirklich nicht was geschah?" abschätzend schaute Mückensturm den Lance-Korporal an. Sicher wusste er ganz genau was geschehen war...
"Äh...nein! Sie haben mich überwältigt nachdem ich den Bestatter befreit und zur Wache geschickt habe, ehrlich..."
"Na gut, wir werden ja sehen was sich ergibt, wenn wir die Ergebnisse von SUSI haben."
"Um noch mal auf die Villa zurückzukommen..."
"Lance-Korporal!!" Langsam reichte es Mückensturm. Sie würden sich schon um dieses Haus kümmern, allerdings nicht in FROG Manier. Er wollte jemanden mit der Observation beauftragen um dann herauszufinden ob und was der Bewohner mit dem Mord und der Entführung zu tun hatte. Und das war schon mehr als fair Vinni gegenüber. Schließlich fiel der Fall ab hier eigentlich in den Zuständigkeitsbereich von RUM, aber der Fähnrich gab Vintongo wenigstens die Chance selbst weiter an diesem Fall zu ermitteln.
"Aber Mücke!"
"Es heißt Fähnrich!! Und jetzt raus hier! Ich werde dir ein Memo schicken, sobald ich mich entschieden habe wie es in diesem Fall weitergehen wird."
Grummelnd salutierte Vinni und drehte sich zur Tür.
"Und Vinni?"
"Ja..?"
"Ich hoffe du kommst nicht auf die Idee selbstständig und ohne mein Einverständnis zu ermitteln...das wirst du doch nicht, oder??"
"Natürlich nicht." sagte der Lance-Korporal leise und verließ das Büro.
Mückensturm schüttelte den Kopf und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Natürlich würde Vinni ermitteln, dass war dem Fähnrich klar. Er hatte genug Erfahrung in seinem Beruf gesammelt um so etwas vorhersehen zu können. Er griff sich ein Blatt Papier und schrieb folgendes an den Gefreiten Dyn Amit:
Folge Vinni. Bei Gefahr, melden..
Mit kurzen, präzisen Befehlen wirkte man am autoritärsten, fand Mücke und jagte das Memo durchs Rohrpostsystem ins Büro des Gefreiten.
Flupp. Mückensturms Nachricht war mit eben diesem Geräusch auf Dyn Amits Tisch gelandet. Nachdem der Gefreite das Memo gelesen hatte, stand er auf und verließ sein Büro. Keine Sekunde zu spät; denn er sah gerade noch wie Vinni den zweiten Stock verließ. So unauffällig wie möglich, folgte der Gefreite.
[Haus der G.A.B.A., Teekuchenstraße]
Méchantille, Coryphae und General Hörnchen taten das, was alle großen Verschwörer den ganzen Tag lang tun: Sie sitzen in spärlich beleuchteten Zimmern herum und trinken teuren Alkohol.
"HihihiHooou" gackerte der General, behämmert wie eh und je.
Méchantille seufzte, "Gibt es irgendetwas neues, Coryphae?"
"Nein Meister, alles läuft zu deiner höchsten Zufriedenheit. Unsere Pläne gehen auf und unsere Untergruppen knüpfen immer mehr Kontakte."
"Sehr schön. Was ist mit Sophalon? Ist er immer noch betrübt wegen diesen kleinen Kultisten?"
"Ich fürchte ja, Herr. Er sinnt auf Rache gegen diesen Wächter. Meinst du nicht wir sollten sie ihm gewähren?"
"Meine Güte, wenn er unbedingt will...nach dem was ich über die Wache weiß, wird er sowieso zurückkehren. Gib den Sicherheitsleuten entsprechende Anweisungen...der General scheint hierzu nicht in der Lage zu sein..."
"Yuuuhiii..äh...waswaswas?!"
Coryphae warf Hörnchen einen verächtlichen Blick zu und sagte dann "Sehr wohl, Meister Méchantille."
"Sage ihnen, sie sollen dem Wächter nicht zu sehr weh tun. Ausschalten und gefangen nehmen, klar?"
Coryphae nickte und verließ den Raum während sich General Hörnchen glucksend auf dem Boden wälzte.
Langsam begann diese Sache langweilig zu werden, dachte Méchantille. Ohne einen ebenbürtigen Gegner macht das Intrigieren keinen Spaß.
In diesem Moment öffnete sich die Tür und Willi Reisigbündel betrat den Raum.
"Ah, Guten Tag Herr Reisigbündel."
"Ähüähü....brrrr...HahaHallooho..." begrüßte ihn der General.
"Guten Tag" antwortete Willi verlegen.
"Und, wie geht es bei der Namenssuche? Schon erfolgreich gewesen?"
"Nun äh...weißt du, oh Méchantille numinoser Potentat des geheimen Wissens, es ist..."
Schön, wenn es für Méchantille schon keinen Gegner gab, dann wenigstens ein Opfer. "Wie bitte? Du hast dir also immer noch keinen Namen zugelegt?"
"Weißt du, ich habe den Kreis schon enger geschlossen und ich muss nur noch..."
"Herr Reisigbündel, du wirst spätestens heute Abend einen Namen haben. Ansonsten könnte das unangenehme Konsequenzen nach sich ziehen, verstehst du?"
Willi Reisigbündel zitterte leicht. Der Meister war ihm bisher nie geheuer gewesen und nun fürchtete er sich wirklich vor ihm. Aussteigen konnte er schließlich auch nicht, das hätte Méchantille bestimmt nicht zugelassen. Aber andererseits...Herr Reisigbündel war kein armer Mann. Er könnte auch aus der Stadt verschwinden...
"Hörst du mir überhaupt zu, Herr Reisigbündel?"
"Oh-äh-ja, natürlich. Ich werde mir einen Namen zulegen. Ganz bestimmt! Ich teile ihn dir dann mit."
"Du darfst jetzt gehen."
"Ja Meister, ich gehe, natürlich..."
Nervös verließ Willi Reisigbündel den Raum. Er hatte einen Entschluss gefasst. Viel zu lange schon, hatte er das ständige Mobbing ertragen müssen, viel zu lange. Jetzt reichte es endgültig. Méchantille würde sich noch wundern. Ja, er, Willi Reisigbündel würde die gesamte Organisation auffliegen lassen! Ja, genau! Und dann würde er alleine mit dem Meister abrechnen. Ja, so würde es sein, und nicht anders.
Wütend ging Vinni in Richtung Teekuchenstraße. Was sollte das nur? Was wollte Mücke denn noch alles an Beweisen haben?? Er hatte doch die Entführungen aufgedeckt und den Auftraggeber herausgefunden. Jetzt, am helllichten Tag würden sie es sicher nicht wagen einen Wächter anzugreifen. Er würde hingehen, diesen ‚Propheten', Sophalon oder wie auch immer er hieß, verhaften und ihn zu Mückensturm bringen. Dann würde er ein Geständnis ablegen und der Fall wäre wirklich vorbei.
An die Ereignisse bei der Auseinandersetzung mit dem TulpTulp-Kult dachte er gar nicht mehr. Er hatte es irgendwie geschafft sie vollkommen zu verdrängen.
Er stapfte weiter missmutig durch die Stadt und bemerkte dabei nicht die Person, die ihm folgte.
Vorsichtig schlich Willi Reisigbündel sich aus der Villa und huschte die Straße entlang. Niemand sollte ihn sehen. Bei seinen Recherchen hatte er herausgefunden wo sich das Wachhaus der Abteilung dieses Wächters befand. Es war im Viertel käuflicher Zuneigung, das sagte ja wohl alles...
DNT Vinni schlich leise um die Villa. Als er an der Stelle angekommen war, bei der auch in der vergangenen Nacht über die Mauer geklettert war, blickte er sich kurz um. Es war niemand in der Nähe. Es raschelte zwar verdächtig in einem Busch, aber das bemerkte der Lance-Korporal nicht. Er sprang ab und hielt sich mit beiden Händen an der hier recht niedrigen Mauer fest. Mit großer Anstrengung zog er sich nach oben und ließ sich auf die andere Seite fallen.
Der verdächtig raschelnde Busch stand plötzlich auf, warf seine Blätter und Zweige ab und lief eilig davon. Wieso hatte er sich bei Pigeon bloß keine Taube mitgenommen, jetzt musste er den ganzen Weg zurückjoggen...
Sich immer wieder verstohlen umschauend betrat Willi Reisigbündel das Boucherie Rouge . Dank seinen Nachforschungen wusste er, dass sich DOG im ersten und zweiten Stock befand. Er ignorierte die Näherinnen im Erdgeschoss, die lächelnd auf Kundschaft warteten. Geradewegs stieg er die Treppe nach oben und wandte sich dann nach rechts. Geschäftige Stille und lautes Schnarchen aus einem der kleinen Zimmer waren zu hören. An der zweiten Tür auf der rechten Seite hing ein Namensschild: "Fr Mückensturm, Abteilungsleiter". Herr Reisigbündel hielt darauf zu und klopfte an die Tür.
Mückensturm, der natürlich nicht eingenickt war, sah von dem Bericht auf, den er gerade las, und rief den Anklopfenden zu sich herein.
"Guten Tag, Herr Mückensturm"
"Wer bist du denn?"
"Nun, äh, mein Name ist William Reisigbündel und ich möchte etwas melden..."
"Soso, und wieso teilst du dein Anliegen nicht einem anderen Wächter mit?? Du siehst doch, dass ich viel zu tun habe.." Der Fähnrich machte eine ausladende Geste über seinen Schreibtisch auf dem sich lose Blätter, Armbrustmagazine und verschiedene andere Dinge tummelten.
"Weißt du, äh, es ist ein großer Fall...einer eurer Abteilung ermittelt sogar schon darin."
Jetzt wurde Mücke hellhörig. Sprach dieser Kerl vielleicht von Vinnis Fall? Dyn hatte dazu auch noch keine Meldung erbracht..
"Was meinst du? Aber setz dich lieber erst mal, es könnte vielleicht etwas dauern." Der Abteilungsleiter stand auf und zog etwas, das man bisher für einen Abstelltisch gehalten haben könnte, heran. Mit einem Wisch schob er die Ordner und Papierstapel davon herunter, so dass sie in einem heillosen Durcheinander auf den Boden segelten.
"So," sagte er und deutete auf den nun freien Hocker.
Herr Reisigbündel setzte sich etwas pikiert und blickt dann Mückensturm an. "Ich werde ihnen jetzt alles erzählen was ich weiß, und ich weiß es mehr als gesund ist..."
"Ich wusste gar nicht dass man von zu viel Wissen krank wird..."
"Jaja, mach dich nur lustig über mich, das tut sowieso jeder...übrigens: Der Wächter den du auf die Entführungen angesetzt hast, wird unter Umständen sterben...vielleicht haben sie ihn ja schon.."
"Was!? Woher weißt DU überhaupt von den Entführungen??"
"Das tut jetzt nichts zur Sache. Ihr müsst schnell handeln. Schick alle deine Leute in die Teekuchenstraße Nummer Siebzehn!"
"Moment mal, zuerst erzählst du mir wer du bist und was du weißt."
"Dieser Kult hat zwar die beiden Gildenmitglieder entführt, aber er tat das nicht aus eigenem Antrieb heraus. Es gibt eine Gruppe die ihn kontrolliert. Sie heißt G.A.B.A. Sie haben jemanden als Propheten für den Kult eingesetzt, der die Fanatiker lenkt."
"Äh, was??"
"Ja! Die GABA kontrolliert viele Dinge hier in der Stadt. Zum Beispiel haben sie ihre Finger im Immobilienmarkt. Aber das lukrativste Geschäft ist Spionage!"
"Spionage?!"
"Sie haben Spitzel in allen wichtigen Gilden. Und sie verkaufen Informationen unter den Gilden!"
Mückensturm blickte Herrn Reisigbündel ungläubig an und fragte sich ob der Mann einfach nur verrückt oder sehr gut informiert war.
"Dein Wächter hat seine Nase schon viel zu tief in diesem Sumpf! Du musst ihn rausholen."
"Ääh...ja.."
"Aber ich habe dir schon viel zu viel erzählt. Ich muss jetzt weg."
Bevor der Fähnrich noch etwas sagen konnte, war Willi Reisigbündel aufgestanden und hatte das Büro verlassen. Der Abteilungsleiter war gerade noch dabei die Informationen zu verarbeiten als plötzlich die Tür aufgerissen wurde und ein keuchender Dyn Amit hereingestürmt kam.
"Wa..?!"
"Vinni ist drin! Er ist auf dem Grundstück und..." Der gefreite stützte sich mit beiden Händen auf den Schreibtisch und schnaufte hingebungsvoll.
Jetzt reichte es Mückensturm.
"Ruf die ganze Abteilung zusammen! Wir werden sie hochnehmen!" Zu seinem Bedauern bekam der Fähnrich nur recht selten die Gelegenheit das zu sagen. Umso erfreuter sprach er den Satz jetzt.
Dyn salutierte und verließ das Büro um die anderen zu holen.
Vintongo wunderte sich. Niemand hatte ihn angegriffen oder bedroht seitdem er auf dem Grundstück war. Mittlerweile stand er vor der Türe und begutachtete sie.
Die Villa war ziemlich groß. Im ersten Stock gab es einen Balkon der direkt in den Hof zeigte. Hinter der Villa befand sich ein kleiner, vernachlässigter Garten. Der Lance-Korporal hatte sich schon das gesamte Gelände angeschaut, aber es war niemand gekommen. Was sollte das? Hatte er sich vielleicht doch geirrt? Waren die Leute, die ihn niedergeschlagen hatten, vielleicht doch nur Einbrecher gewesen? Gerade als er sich abgewandt hatte um wieder zu gehen, drang von oben eine Stimme an sein Ohr.
"Hah! Da bist du! Mistkerl!"
Erschrocken drehte sich Vintongo um und sah einen älteren Mann auf dem Balkon stehen der ziemlich wütend zu sein schien.
In diesem Moment öffnete sich auch die Tür des Hauses und eine ganze Horde von Schlägern mit Knüppeln und manche sogar mit Schwertern kam heraus.
Vinni schluckte. Jetzt wusste er zwar, dass er sich nicht geirrt hatte, aber dafür war er nun mal wieder in arge Bedrängnis geraten.
Langsam näherten sich die sadistisch grinsenden Schläger dem Wächter und trieben ihn damit immer weiter zurück. Irgendwann würde er an der Mauer stehen und nicht mehr entkommen können.
Vintongo überlegte fieberhaft, was er nun tun sollte. Sein Schwert hatte er -wie meistens- nicht dabei. Dafür verfluchte er sich. was sollte er denn jetzt machen? Er ging immer weiter rückwärts bis er plötzlich an die Mauer stieß und nicht mehr weiter konnte. Die Schläger bildeten einen Halbkreis um ihn. Doch da rief der alte Mann auf dem Balkon auf einmal etwas: "Behaltet ihn im Auge, ich bin gleich unten und nehm ihn mir selber vor!". Gehorsam hielten sich die Schurken zurück, bis der Alte herausgekommen war. Mit einem Holzstock bewaffnet stellte der Greis sich vor dem Wächter auf.
"Ich bin Sophalon, Autokrat und Führer untergebener Gruppen und außerdem der Prophet des TulpTulp-Kultes!"
"Du bist...?!"
"Jawohl! Das war mein Lieblingskult, verdammt noch mal! Und du hast ihn einfach so zerschlagen...was soll denn so was??"
"Diese Verrückten haben Menschen ermordet!!" schrie ihn Vinni an. Der Kerl schien noch abscheulicher zu sein. Er redete über die gefährlichen Fanatiker wie als ob es seine Spielzeuge wären.
"Ach! Hier und da ein paar kleine Korrekturen in der Gildenpolitik...außerdem handle auch ich nur auf Befehl! Meinen Meister wirst DU sicher niemals kriegen. Was glaubst du eigentlich wer du bist?? Nur ein armseliger Wächter! Ihr habt in dieser Stadt sowieso nichts zu melden!"
Vinni kochte vor Wut. Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, dass dieser Greis einem Menschenleben einen nur geringen Wert anmaßte, jetzt griff er sogar noch die Wache und Vinnis persönliche Ehre an!
"So, jetzt kriegst du alles zurück, nichtsnutziger Wächter!"
Sophalon näherte sich dem Lance-Korporal mit erhobenem Holzprügel und setzte gerade zum Schlag an als...sehr sehr plötzlich sehr viele Dinge auf einmal geschahen.
Erst traf ein Stein Sophalon am Kopf, was ihn zusammenbrechen ließ. Danach hörte man ein "Kyaaaaaaaaah!!!" und über Vinni auf der Mauer erschien plötzlich eine Gestalt die heruntersprang und einen Schläger mit einem Kick niederstreckte.
Die Gestalt ging in Kampfpose. "Hähä! Kommt zu Onkäl Abe, ihr Halunkän!"
Natürlich! Wie hatte Vintongo ihn bloß vergessen können?! Es war Abe!
Sofort stürzte sich der Ameisenbär auf die Schläger und kämpfte mit ihnen. Als der Lance-Korporal sich wieder gefasst hatte, half er seinem Freund.
Willi(am) Reisigbündel war in der Zwischenzeit wieder zur Villa zurückgekehrt. Allerdings nicht durch die Tür, sondern durch den geheimen Ein- und Ausgang den man für Notfälle angelegt hatte.
Jetzt stand er völlig still in einem Zimmer, das mit wertvollen Kunstgegenständen vollgestopft war. Die große Leidenschaft Méchantilles waren wertvolle Waffen. Herr Reisigbündel war aber inzwischen nicht mehr der Alte. Auf dem Weg hierher war ihm etwas eingefallen, außerdem wollte er noch mit Méchantille abrechnen. Rache für die monatelange Terrorisierung. Er hatte wohl frühzeitig erkannt, dass Willi ein leichtes Opfer war. Und das hatte er gnadenlos ausgenutzt. Aber jetzt war Schluss damit! Mit einem irren Blick betrachtete Herr Reisigbündel eine Glasvitrine mit einem edlen, geschwungenen Dolch darin. Die Waffe schien mit ihm zu kommunizieren. Nimm mich, räche dich!. Langsam streckte er seine Hand nach dem Kasten aus. Tu es! Das ist nur gerecht!. Nicht die Waffe sprach zu ihm, sondern irgendetwas in ihm selbst. Vorsichtig hob er den oberen Teil des Glaskastens an und stellte ihn auf den Boden. Der Smaragd der in den Griff des Dolches eingelassen war funkelte gefährlich aber doch anziehend. Fast ehrfurchtsvoll glitt Willis Hand zu der wertvollen Waffe und hob sie aus dem Kasten. Der Griff war kalt und glatt.
Das Geräusch eines aus der Scheide gezogenen Schwertes ertönte auf einmal hinter Herrn Reisigbündel.
"Ein alter Llamedosianischer Zeremoniendolch. Eine gute Wahl, Herr Reisigbündel." zischte Méchantille mit schlangengleicher Stimme.
Aber William drehte sich nicht erschrocken um, wie er es bei normalem Geisteszustand getan hätte. Er grinste nur hysterisch den Dolch an, den er in der Hand hielt.
"Weißt du was? Oh Méchantille, numinoser Potentat des geheimen Wissens? Hihi.." Er kicherte verrückt. "Ich habe mir einen Namen ausgesucht, hihihi"
"Wie schön..." erwiderte Méchantille und legte die Scheide des Schwertes, welches er hielt, zurück in die Vitrine.
"Von nun an, nenne mich Azraelion, den Todbringenden! Hahahhihihi!!" Jetzt drehte er vollkommen durch. Er drehte sich um und blickte seinen Meister mit geisteskrankem Blick an.
Méchantille fixierte Willi mit einem gleichgültigen Blick. In der linken Hand hielt er ein langes, leicht gebogenes, achatenes Schwert. Er lächelte seinen Untergebenen -und das war Herr Reisigbündel sogar in dieser Situation noch- kalt an.
"Stiiiiiiiiiiiiiiirb!!!!!!" schrie Willi und rannte mit hoch erhobenem Dolch auf Méchantille zu.
Dieser nickte nur und ließ Herrn Reisigbündel herankommen. Als dieser zustechen wollte, huschte er ganz plötzlich zur Seite und brachte Willi mit einem Schlag mit dem Schwerheft zu Fall. Der Dolch glitt aus der Hand und flog einige Meter weit. Willi lag jetzt am Boden und rührte sich nicht. Er starrte Méchantille nur mit einer verzogenen Fratze des Wahnsinns an.
Der Meister seufzte, "So ist es wohl besser für dich, armer Teufel." sagte er und beendete mit einem lautlosen Schwertstreich das Leben von William C. Reisigbündel.
Abe und Vintongo kämpften immer noch gegen die Schläger, aber es ging kaum einer zu Boden. Langsam wurde es eng für die Beiden. Es kamen immer mehr Schläger aus dem Haus. Die zwei wackeren Kämpfer waren jetzt eingekreist und mussten sich von allen Seiten angreifen lassen.
"Stadtwache Ankh-Morpork!!" rief plötzlich irgendjemand. Im nächsten Moment zerbarst das Tor zum Hof der Villa und eine Gruppe betrat die Szenerie.
Der Vorderste rollte sich am Boden ab und kam mit zwei geladenen Armbrüsten in den Händen wieder zum stehen.
"Mückensturm!" rief Vintongo der einen Silberstreifen der Hoffnung am dunklen Horizont seiner Zukunft sah.
"Freundä, von dir, was?"
"Ja, Freunde!"
Die gesamte Abteilung DOG rannte nun durch das Tor und begann mit den Schlägern zu kämpfen. Harry stand auf der Mauer und beschoss die Schurken mit kleinen Pfeilen aus seinem Gnomenbogen, der Rest kämpfte mit seinen Dienstschwertern und in Mückes Fall mit Armbrüsten. Die Rettung war da!
Méchantille betrat wieder den Aufenthaltsraum den die GABA für ihre Besprechungen nutzte. Nur General Hörnchen, der sich unruhig in seinem Sessel herumlümmelte, war anwesend.
"Hörnchen!!" fuhr der numinose Potentat des geheimen Wissens ihn an.
"Ähühü...blö-häh? Wasis denn?" sabberte der hyänengleiche General.
"Unten im Hof gibt es Arbeit für dich und deine Leute. Du darfst jetzt hingehen und etwas Spaß haben."
"Spaaaaaß ham?? Hhihii, ja klar! Natürlich! Sofort!" Der General sprang auf und hetzte aus dem Raum.
Méchantille war etwas genervt. Diese ganze Aufregung verstimmte ihn. Er goss sich ein Glas Whisky ein und entzündete sich eine Zigarre.
Der Hof der Villa war inzwischen zu einem regelrechten Schlachtfeld geworden, überall kämpften Wächter (und ein Ameisenbär natürlich) gegen die Schergen der GABA.
Plötzlich kamen weitere aus der Villa. An ihrer Spitze stand ein hochgewachsener Mann mit einem Degen. Speichel lief ihm aus den Mundwinkeln und seine Augen wirkten seltsam verdreht.
"Der General ist da, Ähü!!" grölte dieser und stürzte sich mit seinen Leuten in den Kampf.
Abe bemerkte das natürlich. Wütend rannte er dem Anführer entgegen der ihn mit gezogenem Degen empfing.
Mit einem harten Tritt in die Seite fügte Abe dem Anführer (General Hörnchen, wie der Leser wohl bemerkt haben dürfte) große Schmerzen zu. Doch die Reaktion des Generals war schnell. Er stach dem Ameisenbär mit seinem Degen in den Arm. Abe schrie laut auf und begann zu bluten. Doch er fing sich wieder und konnte mit einem Drehkick treffen. Mit dem nächsten Tritt entschlug er General Hörnchen die Waffe. Jetzt war es nur noch Mann gegen Mann. Faust gegen Faust, Fuß gegen Fuß. Geschickt wehrte das Hörnchen einen Schlag auf sein Gesicht ab und knallte dem Ameisenbär sein Knie in den Magen. Doch dieser gab nicht nach, er wirbelte herum und stand nun hinter dem General und verpasste ihm einen Schlag mit dem Ellenbogen gegen die Wirbelsäule. Hörnchen fiel nach vorne über und Abe stürzte sich sofort auf ihn, doch der wütende General schlug ihm hart ins Gesicht und sprang sogleich wieder auf. Abe taumelte zurück, dies nutzte Hörnchen aus, um ihm gegen das Knie zu treten. Es knackte ekelhaft, aber Abe stieß ihn weg und rannte dann los. Er sprang ab und erreichte eine unglaubliche Höhe. Im Flug fuhr er blitzschnell das Bein aus und traf General Hörnchen mit voller Wucht am Kinn. Bewusstlos oder tot, darauf achtete jetzt niemand, sank der General zu Boden und blieb liegen. Aufgestachelt wandte sich Abe dem nächsten Schläger zu.
Doch plötzlich passierte etwas gänzlich unvorhergesehenes.
Eine grellorange Feuersäule schoss plötzlich aus dem Boden und fügte den am nächsten stehenden Leuten leichte Brandverletzungen zu. Ungläubig starrten alle Kämpfenden das Phänomen an und prügelten sich nicht weiter. Aus der Feuersäule wurde allmählich eine Art Knospe. Wie im Zeitraffer metamorphierte diese zu einer großen Tulpe. Aus deren Körper wuchs plötzlich ein Oberkörper auf dessen Kopf ein Strohhut ruhte. Es wurde völlig still auf dem Kampfplatz. Die Erscheinung begann zu sprechen.
"Eine Frechheit ist das!!"
Jede Person blickte den aus der großen Tulpe ragenden Mann erstaunt an. Der Mann sah eigentlich recht freundlich aus. Er trug eine grüne Schurze und einen Strohhut.
"Sophalon! Tritt vor mich!"
Irritiert trat der Aufgerufene vor die Erscheinung. Alle übriggebliebenen Schergen folgten ihm. Ob aus Angst oder Loyalität sei mal dahingestellt.
"W..w..wer b..bist d..du??" fragte Sophalon zitternd.
"Wer ich bin?? Wer ich bin?! Verdammt noch mal! Du hast mir doch die Anhänger hier verschafft! Andernfalls wäre ich doch gar nicht hier!"
"Nein! Aber das kann doch nicht sein!!"
"Sag mal, willst du mich verarschen?! Mit einem Gott wie mir macht man keine Späße! Das könnt ihr mit Offler oder sonst jemandem machen, aber nicht mit mir, verflucht noch mal!!"
"A..aber..wer bei allen Heiligen bist du?"
"Ich bin TulpTulp, der Gott des angenehmen Raumdufts!!"
Ein metaphorisches "Häh?!?" erschien in blinkenden Großbuchstaben über den Köpfen der Wächter und Schläger. Sophalon starrte den Gott einfach nur entgeistert an.
"Das kann nicht sein! Du lügst! Du bist nur irgendein fauler Zaubertrick!"
Das Gesicht des Gottes wurde hochrot vor Zorn.
"Waaaaaaaas?!!!? Ein fauler Zaubertrick?! Na Warte!!" brüllte er und hob seine Hände gen Himmel.
Plötzlich strömte grünes Feuer aus der riesigen Tulpe und erfasste Sophalon und alle Männer, die hinter ihm standen. Schmerzerfüllte Schreie waren zu hören, aber auf einmal verstummten sie wieder. Der Gott entmaterialisierte und verschwand genau so schnell und überraschend wie er aufgetaucht war.
Aber wo waren Sophalon, seine Schläger und die von General Hörnchen??! An ihrer Stelle lagen jetzt viele kleine Säckchen herum. Es roch penetrant nach Tulpe.
Coryphae stürmte zu Méchantille in den Raum.
"Oh Meister! Oh Meister! Es ist etwas schreckliches passiert!!"
Méchantille schaute von dem Buch auf in dem er geschmökert hatte und blickte Coryphae fragend an.
"Hörnchen ist tot! Und Sophalon wurde in ein Duftsäckchen verwandelt...von einem Gott!! Ich habe ihm immer gesagt, dass man mit Religion nicht herumspielen soll!" jammerte er.
Méchantille nickte. "Dann wird es wohl Zeit für unseren Abgang, Coryphae."
"Unseren Abgang?? Aber was ist mit unseren Projekten??"
"Es wird neue Projekte geben. Vielleicht hier, vielleicht woanders. Die Zukunft ist ungewiss..."
Méchantille erhob sich und verließ den Raum. Coryphae folgte ihm loyal.
"Was zum Henker sollte das?!" fragte Mücke die Allgemeinheit, erhielt aber keine Antwort. Zögerlich sammelten die DOGs die Duftsäckchen ein und legten sie auf einen großen Haufen. Nur ein einziger Körper lag noch da, der von General Hörnchen.
Vinni lief zu Abe der am Boden kniete und sich den blutenden Arm hielt.
"Ist alles in Ordnung mit dir??" fragte der Lance-Korporal besorgt.
"Na klar, ich bin doch ein hartär Kärl. Das weißt du doch, hähähä."
Vinni lächelte und half dem Ameisenbären auf die Beine.
Plötzlich bewegte sich etwas hinter ihm.
"Stirb-Ähüüüüüüü!!!" brüllte eine Stimme. Sie gehörte General Hörnchen. Er war nicht gestorben, sondern nur bewusstlos geworden. Mit gezückten Degen sprintete er auf Abe zu.
"Aaaabbeee!!!" schrie Vintongo, was diesen dazu veranlasste sich umzudrehen.
Aber es war schon zu spät. Der blutüberströmte General Hörnchen hatte Abe schon den Degen in den Bauch gerammt, so dass er hinten wieder hervortrat. Erstarrt blickte Abe auf den Degen in seinem Körper und dann in das verzerrte Gesicht des Generals.
Wütend schlug der Ameisenbär mit aller Kraft, die noch in seinem Körper steckte, gegen den Hals des Generals. Dann brach er zusammen.
Geschockt starrte Vintongo seinen Freund an, der durchbohrt und blutend am Boden lag. Keiner der anderen Wächter brachte ein Wort hervor, niemand achtete auf General Hörnchen, der röchelnd da lag und einen qualvollen Erstickungstod starb.
Vintongo konnte es jetzt nicht mehr zurückhalten, er brach in Tränen aus und kniete sich neben Abe, der mit geschlossenen Augen und von sich gestreckten Gliedern da lag. Er war tot.
Der Lance-Korporal weinte bitterlich.
[Einige Tage später]
Drei-Nervöse-Tapire Vintongo saß in seinem Büro und schrieb seinen Bericht über diesen Fall. Es klopfte an der Tür und Gefreite Hatscha al Nasa trat ein.
"Hier, das hat man für dich abgegeben." sagte sie und legte dem Lance-Korporal einen Brief auf den Schreibtisch.
"Danke," sagte er leise ohne aufzusehen.
Eine halbe Stunde später hielt er es nicht mehr in seinem Büro aus. Der Bericht hatte all die schrecklichen Erinnerungen wieder in ihm geweckt, die von diesem Fall stammten. Traurig betrat er die Außenterrasse des Boucherie Rouge, lehnte sich gegen das Geländer und blickte über die Stadt.
"Vergangenes soll man ruhen lassen" hatte einmal jemand zu Vinni gesagt. Zuerst schaffte er das nicht, doch dann trat ein Vergleich zwischen seine Gedanken. Er half ihm das alles besser zu verarbeiten.
Von weitem gesehen war Ankh-Morpork ein großer Dreckklumpen. Von nahem war es immer noch ein großer Dreckklumpen. Aber kratzte man lange genug an der Kruste herum, so konnte man ein leichtes Schimmern ausmachen. Und machte man sich dann noch die Mühe den Dreck vollends zu entfernen, so offenbarte sich einem eine glitzernde Perle.
Abe, die Tapire, seine Freunde und Kollegen bei der Wache, all das beinhaltete die Perle. Er hatte in der letzten Zeit einfach viel zu viel von dem Dreck abbekommen, der die Perle einhüllte.
"Vergangenes soll man ruhen lassen" hatte einmal jemand zu Vinni gesagt. Vintongo ließ nun Vergangenes ruhen und begab sich wieder in sein Büro. Interessiert öffnete er den Briefumschlag und klappte das Blatt auf.
Hey Vinni! Mach dir keine Sorgen! Du weißt doch, ich bin ein harter Kerl... daneben war ein lachendes Gesicht gemalt. Die Schrift wirkte unförmig, wie als ob der Schreiber irgendetwas an den Händen gehabt hätte...
Vintongo lächelte und steckte den Brief in eine Schublade. Glücklicher und sehr viel reifer als noch vor einer Woche schrieb er das letzte Wort seines Berichts:
Ende
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