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Ein Informant liefert einen absolut nichtssagenden Bericht ab und wird kurz darauf ermordet aufgefunden. Hat er doch etwas Wichtiges gewusst?
Dafür vergebene Note: 13
Ein seltsamer Bericht
Seufzend betrat Tricia ihr Büro und ließ sich in ihren Schreibtischstuhl fallen. Sie rieb sich müde mit den Händen übers Gesicht und betrachtete dann sorgenvoll den Aktenstapel auf ihrem Schreibtisch. Seit sie die Nachfolge von Lewton als Abteilungsleiterin bei R.U.M. angetreten hatte, war sie hoffnungslos in einem Papierberg gefangen. Nicht genug, dass in letzter Zeit anscheinend raub- und mordtechnisch die Hölle los war, sie hatte auch noch damit zu kämpfen, die letzten Reste von Lewtons Amtszeit aufzuarbeiten. Zwar hatte sie inzwischen in Rina eine zuverlässige Stellvertreterin gefunden, aber ihr Büro war immer noch die erste Sammelstelle für den ganzen Papierkram. Mit zusammengekniffenen Augen beäugte sie misstrauisch den Stapel. Inzwischen konnte sie Lewtons Abneigung gegen die Bürokratie und die Verwaltungsaufgaben einer "Führungsposition" besser nachvollziehen. Mit einem tiefen Einatmen griff sie nach der zuoberst liegenden Akte, schlug mit einem ergebenen Augenaufschlag den Deckel auf und begann zu lesen.
... und dann sagte der, den ich nicht genau sehen konnte, etwas, was ich nicht genau hören konnte.
Honorar: 500 AM-Dollar, gezeichnet Walter Wiejela
"Das gibt's doch nicht! Was soll das denn für ein Schwachsinn sein? Wer hat denn diesen Typen angeworben? Keinen Pfennig sieht der von mir! Rina!", wütend hämmerte Tricia auf ihren Schreibtisch und rammte eine Nachricht in die Dämonenpost. Der Dämon kroch genervt zum Ende der Röhre in Tricias Büro und wollte gerade zu einer bissigen Bemerkung über vertragliche Arbeitszeiten ansetzen, als er den zornsprühenden Blick der Wächterin bemerkte und lieber doch die Klappe hielt.
Nur wenige Minuten später stand Rina außer Atem in Tricias Büro und schaute sie fragend an:
"Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen? Was gibt's denn so Dringendes?"
"Hier, schau dir das bitte mal an! Wer handelt solche Verträge aus? Und warum ist an dem Bericht dieses Informanten kein Hinweis von welchem Wächter er betreut wird? Was ist das hier für eine Schlamperei? Wenn das Rince sieht, wie steht unsere Abteilung dann da?"
Überrascht über den Ausbruch nahm Rina die Akte vorsichtig an sich und las sich den Text durch. Nach einem kurzen Grinsen, das sie sich nach einem Blick auf Tricias Gesicht schnell verkniff, mußte sie aber auch eingestehen, dass diese Informationen wohl kaum 500 Dollar wert waren.
"Hm, aber von diesem Wiejela hab ich auch noch nie was gehört. Und dass kein Hinweis dabei ist, wessen Informant das ist, ist schon auch seltsam. Hast du schon mal nachgeforscht, ob man von dem eine Adresse rauskriegen kann?"
"Ich hab das doch auch erst vor ein paar Minuten gelesen", missmutig starrte Tricia auf den Aktendeckel. Ärgerlich wanderte sie in ihrem Büro auf und ab.
"Wir müssen auf jeden Fall mal rauskriegen, was das für ein Typ ist. Wenn der meint, dass er die Wache verarschen kann, dann hat er sich aber geschnitten", mit einem bekräftigenden Nicken ließ Tricia ihre Faust auf einen Aktenstapel niedersauen. Als sich der Staub verzogen hatte, blickte sie nachdenklich auf die Papierflut auf ihrem Tisch.
"Hm, ich glaub, ich weiß auch schon, wer das übernimmt"
Zufrieden stöberte Tricia in den Weiten des Archivs im Keller. Endlich wieder ein echter Fall, nicht nur immer langweiliger Papierkram oder die Berichte der anderen lesen. Genüsslich kämpfte sie sich durch die Folianten mit den Verzeichnissen der Informanten.
"Wiebern, Wiegand, Wiejela, na da haben wir ihn ja", Tricia schrieb sorgfältig die Adresse ab und stellte das Buch wieder an seinen Platz zurück.
Kurz vergewisserte sie sich, dass Rina ihre Stellvertretertätigkeit ordentlich ausführte, was in diesem speziellen Fall hieß, dass man sie hinter den Stapeln auf ihrem Schreibtisch kaum mehr sehen konnte. Mit einem Grinsen auf den Lippen, machte sich Tricia auf den Weg in die Spiegelsteingasse, wo Wiejela angeblich wohnte.
Der Informant
Leise vor sich hin pfeifend bog Tricia in die Gasse ein und hielt nach dem Haus mit der Nummer 14 Ausschau. Die Gasse machte einen heruntergekommen Eindruck. Mehrere Männer lagen offensichtlich betrunken am Straßenrand und kümmerten sich wenig um die Wächterin. An einem großen Fass, in dem etwas Unidentifizierbares brannte, wärmten sich einige zerlumpt aussehende Gestalten die Hände. Drei kleinere Kinder liefen bettelnd hinter Tricia her und erst nachdem sie ihnen einige kleinere Münzen zugeworfen hatte, verschwanden sie so plötzlich, wie sie aufgetaucht waren. Traurig betrachtete Tricia im Vorübergehen die eingeschlagenen Fensterscheiben und die Abfälle, die am Straßenrand lagen. Aus einigen Häusern hörte man leises und lauteres Weinen von Kindern und manchmal auch Frauen. Mit einem Seufzen ging Tricia weiter bis sie vor dem Haus mit der Nummer 14 stand. Die Hausnummer war eher zu erahnen als zu lesen. Alles, was von den ehemals angeschraubten Ziffern übrig war, war die lose herabhängende eins, die an ihrem unteren Ende baumelte. Von der vier konnte man nur aufgrund der ausgebleichten Farbe drumherum schließen, dass sie hier gehangen hatte. Vorsichtig ging Tricia die drei bröckelnden Stufen zur Haustür hinauf und klopfte an der verwitterten Tür. Wartend stand sie vor dem Haus und schaute erwartungsvoll in Richtung Tür. Als nach mehrerem Klopfen immer noch niemand öffnete, drückte sie probeweise auf die Türklinke. Zu ihrer großen Überraschung war nicht abgeschlossen. Vorsichtig machte sie die Tür einen kleinen Spalt auf und spähte in den Hausflur.
Der kleine Gang war dunkel und am Ende flackerte eine kleine Kerze. Überall lagen Kleider und Kartons herum. Leise betrat Tricia das Haus und versuchte, dem herumliegenden Gerümpel so gut wie möglich auszuweichen. Aufmerksam schaute sie in die Zimmer rechts und links des Ganges, fand aber nur verlassene Räume vor. Keine Möbel, keine Menschen, keine Einrichtung, einfach nur ein leeres Haus. Tricia wollte schon fast enttäuscht aufgeben, als sie aus dem ersten Stock ein leises Geräusch hörte. Vorsichtig kletterte sie über mehrere durchgebrochene Stufen hinauf in den ersten Stock. Nach einander öffnete sie die Türen der Zimmer, bis sie im letzten Raum endlich einen Menschen fand. Ein Mann lag auf einem rostigen Bettgestell, über dem nur eine zerfledderte Decke hing. Er hatte sich mit dem Gesicht zur Wand gedreht und stöhnte von Zeit zu Zeit leise. Leise näherte sie sich und legte dem Mann dann vorsichtig die Hand auf die Schulter.
"Sir? Kann ich ihnen irgendwie helfen?"
Mit einem erschrockenen Aufschrei warf sich der Mann in seinem Bett herum, das unter der Belastung protestierend quietschte. Dann stieß er plötzlich einen kleinen Schrei aus und krümmte sich zusammen. Tricia kniete neben dem Bett nieder und zog die Decke zurück. Was sie sah, ließ sie zurückschrecken. Der Mann hielt seine Hand über einem Durchschussloch. Das ganze Bettlaken war blutbefleckt und sah nicht so aus, als ob die Wunde frisch wäre. Tricia wunderte sich, wie er so lange durchhalten konnte. Vorsichtig zog sie seine Hand weg und schaute sich den Einschuss genauer an. Die Ränder der Wunde sahen entzündet aus und das Ganze verströmte nicht gerade einen einladenden Geruch. Tricia war zwar keine Medizinerin, aber auch ihr war klar, dass dieser Mann das niemals überleben konnte. Sie wunderte sich sowieso, wie er anscheinend mehrere Tage so dahinvegetiert hatte.
"Was ist hier passiert?", auch wenn der Mann fast tot war, kam hier doch wieder die Wächterin in ihr durch.
"Wolf ... warnen", der Mann wurde von einem trockenen Husten geschüttelt und flüsterte kaum verständlich.
"Sind sie Walter Wiejela?"
"Ich ... ja ... Räuber"
"Was denn für Räuber und was sollte überhaupt diese seltsame Geldforderung?"
"Konnte nicht mehr sagen ... haben mich erwischt", der Mann stöhnte laut auf und krümmte sich zusammen. Mit einem letzten Husten drehte er sich wieder um, bäumte sich noch einmal kurz auf und lag dann ganz still.
Mit einer vorsichtigen Bewegung drehte ihn Tricia zu sich herum, aber sogar sie erkannte, dass hier nichts mehr zu machen war. Sie wollte gerade zurück zur Wache gehen und die Leiche abholen lassen, da sah sie einen zusammengeknüllten Zettel in seiner geballten Hand. Neugierig beugte sie sich nochmal über den Mann und öffnete seine Faust. Der Zettel war klein und völlig zerfleddert, man konnte nur mit Mühe überhaupt erkennen, dass etwas darauf geschrieben war.
"Hm, Wort, nee, Woll? Auch nicht ... Wolf vielleicht? Lager, und wie weiter? Seilenweg? Seidenweg!" mit gerunzelter Stirn versuchte Tricia das Geschriebene zu entziffern. Anscheinend war das eine Art Adresse von diesem Wolf. Aber was hatte "Räuber" damit zu tun? Kopfschüttelnd steckte sie den Zettel erstmal ein und machte sich dann auf den Weg ins Wachhaus.
Finde die Zusammenhänge!
"Hm, und hier in diesem Bereich sind in letzter Zeit mehrere Überfälle gemeldet worden?", nachdenklich beugte sich Tricia neben Schmiede in seinem Büro über eine Karte von Ankh-Morpork.
"Naja, gemeldet ist wohl etwas zu viel gesagt, aber letzte Woche wurden zwei Leichen dort gefunden. Da hatte ich dir eigentlich schon einen Bericht geschrieben und drum gebeten, dass sich R.U.M. dort mal umsieht", stirnrunzelnd schaute Schmiede zu Tricia.
"Öhm, ja, klar, hab ich schon gelesen, aber wir haben höllisch viel zu tun momentan", mit Schaudern dachte Tricia an den Papierstapel in ihrem Büro unter dem auch diese Nachricht begraben sein musste. "Hm, alles in der Nähe des Seidenwegs, komisch", leise murmelte sie vor sich hin. "Wenn's da nicht irgendeinen Zusammenhang gibt", grübelnd ging sie in ihr Büro zurück und suchte aus dem Aktenstapel den Bericht heraus, den Schmiede angesprochen hatte.
"Ah hier haben wir's ja", vorsichtig zog sie den dünnen Bericht aus einem schwankenden Turm. Gespannt begann sie zu lesen, nur um die wenigen Seiten nach einigen Minuten enttäuscht zurückzulegen. Zwei Männer waren in der Nähe des Seidenwegs letzte Woche ermordet aufgefunden worden. Beide waren ausgeraubt worden und durch einen Schuss aus einer Armbrust ermordet worden. Interessant war nur die Identität der beiden Männer. In der Akte war nur der Vermerk "aktenkundig", was hieß, dass die beiden zumindest schon einmal mit dem Gesetz oder besser der Wache in Kontakt geraten waren. Nach einem kurzen Aufenthalt im Archiv hatte Tricia mehr herausgefunden. Leif Stendson, einer der beiden Männer, hatte zwar eine relativ kurze, aber doch ausdrucksvolle Vorgeschichte. Nach einem Überfall auf einen Juwelier hatte er mehrere Male bei der verschiedenen Adligen eingebrochen, bis er dann endlich geschnappt wurde. Nach einem unfreiwilligen längeren Aufenthalt in den Zellen, war er vor rund drei Wochen entlassen worden und seitdem nicht mehr aufgefallen. Letzte Woche war dann seine Leiche gefunden worden. Ähnlich schaute es mit der Vorgeschichte von Konrad vanDegen aus. Mehrere Einbrüche, ein kurzes Gastspiel im Gefängnis und danach tot gefunden.
"Irgendwo muss es doch da einen Zusammenhang geben", Tricia grübelte verzweifelt. Gedankenverloren spielte sie mit dem Zettel herum, den sie bei der Leiche des Informanten gefunden hatte. Plötzlich fiel das Licht in einem schrägen Winkel auf das Blatt und Tricia hielt verdutzt inne. Sie hatte doch eindeutig irgendwelche Stiftspuren gesehen, die ihr vorher nicht aufgefallen waren. Argwöhnisch hielt sie das Papier vor eine Lampe und suchte nach Anhaltspunkten. Mit einem kleinen Freudenschrei entdeckte sie schließlich, was sie gesucht hatte. Im durchscheinenden Licht konnte man ganz schwach erkennen, dass unter dem lesbaren Text ursprünglich etwas anderes geschrieben worden war. Angestrengt versuchte sie, das anscheinend schnell Hingekritzelte zu entziffern.
"Und daher bin ich die nächsten Tage verdeckt unterwegs. Ich melde mich täglich gegen Abend per Taube. Schaffst du das allein?" Tricia schaute Rina fragend an.
"Klar doch. Aber wäre es nicht vielleicht besser, wenn du mir wenigstens sagen würdest, wohin du dich verziehst? Was, wenn du Hilfe brauchst?", die stellvertretende Abteilungsleiterin war etwas skeptisch.
"Jaja, ich mach das ja nicht zum ersten Mal", Tricia winkte beiläufig und sprang beinahe fröhlich die Treppen hinunter.
Eine Beobachtung in den Schatten
Auf schnellstem Weg ging sie zurück in ihren Wohnung und begann, sich für den Abend vorzubereiten. Aus ihrem Schrank zog sie die schwärzesten Kleidungsstücke, die sie finden konnte und mit einer stinkenden Creme malte sie sich mit verzogenem Gesicht alle Körperteile schwarz an, die aus der Kleidung herausragten. Als es dann endlich finster wurde draußen, öffnete sie leise ihr Fenster und kletterte hinaus. Vorsichtig huschte sie durch die nächtlichen Gassen Ankh-Morporks in Richtung Seidenweg. Vor einem verfallenen zweistöckigen Haus blieb sie stehen und klettere unter leichten Schnaufen bis zu einem eingestürzten Dachvorsprung. Dort kauerte sie sich in einer dunklen Ecke zusammen und wartete. Tricia döste vor sich hin, als sie auf einmal direkt unter ihrem Versteck Geräusche hörte. Mit angehaltenem Atem kroch sie soweit vor, dass sie auf die Straße sehen konnte. Unter ihr standen sechs Männer und flüsterten halblaut miteinander. Die Männer standen im Schatten und waren auch zu leise, als dass Tricia wirklich etwas verstehen konnte. Als sie sich anscheinend über etwas einig geworden war, teilten sie sich in zwei Gruppen und verließen die Straße. Lautlos ließ sich Tricia aus ihrem Versteck gleiten und folgte einer Gruppe. Die Männer unterhielten sich jetzt etwas lauter, aber Tricia hielt lieber genügend Abstand, um nicht entdeckt zu werden. Nach einigen Straßenzügen hielten die drei an und lehnten sich in einen Hauseingang. In mehreren Metern Entfernung konnte Tricia die zweite Gruppe erkennen. Anscheinend war diese Stelle als Treffpunkt ausgemacht worden. Einer der Männer zündete sich eine Zigarette an und hatte gerade einen tiefen Zug genommen, als ihm der größere der drei einen Kinnhaken versetzten, dass er gegen die Hausmauer taumelte.
"Hey, spinnst du oder was?", wütend starrte er den Mann an, der ihn geschlagen hatte.
"Bist du von allen guten Geistern verlassen? Stell doch gleich ein Schild auf, dass wir hier drin stehen!", zischte ihn der an, der offensichtlich das Sagen hatte.
Mit einem genervten Schulterzucken massierte der Geschlagene sein Kinn und schwieg. Die andere Gruppe machte keine Anstalten sich zu nähern. Tricia vermutete, dass das ganze eine Art Hinterhalt darstellen sollte, da genau zwischen den Wartenden eine Straße in mündete. Die Zeit zog sich ewig hin. Tricia, die sich hinter einem alten Regenfass zusammen kauerte, war schon bald daran, aufzugeben. Sie war sicher, falls es zu einem Vorfall kommen würde, wären ihre Beine soweit eingeschlafen, dass sie beim ersten Versuch auszustehen sofort zusammenbrechen würde. Nach einigen Stunden, kam Bewegung in die Männer, die näher bei Tricia standen. Der Anführer stieß seine beiden Kumpanen an und wies sie mit einer energischen Kopfbewegung auf einen einsamen Mann hin, der sich gerade der Kreuzung näherte. Als er nur noch wenige Schritte entfernt war, ging alles plötzlich blitzschnell. Die Männer sprangen aus ihren Verstecken, umzingelten den Mann, dann hörte Tricia das Geräusch einer Armbrustsehne, die losgelassen wird und als der Kreis der Männer wieder auseinander ging, fiel der Fußgänger wie ein nasser Sack zu Boden. Überrascht sog Tricia die Luft ein. Das war schneller gegangen, als sie gedacht hatte. Nicht auszudenken, wenn sie da unüberlegt dazwischen gesprungen war. Diese Männer waren augenscheinlich Profis oder zumindest gut geübt. Diesem Passanten hätte sie auf diese Entfernung nicht mehr helfen können. Als die Männer die Leiche ausgeraubt hatten, sahen sie sich kurz um, schulterten die Leiche und verschwanden in einer Seitengasse. Vorsichtig folgte sie den Männern bis zu einem alten Lagerhaus. Tricia prägte sich die Adresse ein und machte sich auf den Heimweg.
An diesem Fall war eindeutig mehr dran. Tricia kniete vor ihrem Kleiderschrank und suchte nach ihrem Brustpanzer. Mit diesen Kerlen war nicht zu spaßen, das hatte sie letzte Nacht gesehen und sie wollte ihnen keinesfalls unvorbereitet in die Arme laufen. Mit einigen kurzen Sätzen schrieb sie Rina eine Mitteilung, was sie vorhatte und wo sie sie vermutlich finden konnten. Dann machte sie sich fertig für den heutigen Abend.
Intermezzo im "Rostigen Schwert"
Im "Rostigen Schwert" war Stimmung auf einem Höhepunkt. Schwitzende, schwerbewaffnete Männer schütteten Unmengen von Bier in sich hinein und amüsierten sich prächtig. Zwei grimmig dreinschauende Zwerge sassen sich gegenüber und starrten sich angestrengt in die Augen. Zwischen ihnen türmten sich kleine Schnapsgläser und vor jedem der beiden war eine Reihe vollgefüllter Gläser aufgestellt. Mit einer zitternden Hand ergriff einer der beiden eins der Gläser und kippte sich den Inhalt mit einem todesmutigen Gesichtsausdruck in die Kehle. Dann keuchte er hingebungsvoll und setzte das Glas mit einem harten Krachen wieder auf den Tisch. Die Menge tobte. Sein Gegenüber setzte mit einem angestrengten Grinsen das nächste Glas an seine Lippen. Offensichtlich kostete ihn es eine Menge Überwindung. Gerade als der erste Tropfen beinahe seine Lippen berührte, kippte der erste Mann um und sein Kopf schlug wie in Zeitlupe auf den Tisch auf. Während der zweite mit deutlicher Erleichterung sein Glas wieder abstellte, begannen einige der Zuschauer zu murren. Bevor der Wirt sich versah, klatschten schon die ersten Gläser an die Wand und die Fäuste flogen.
Tricia stand draußen vor der Kneipe und atmete noch einmal tief ein. Dann streckte sie die Hand aus und griff nach der Türklinke. Bevor sie sie noch richtig berührt hatte, wurde sie ihr aus der Hand gerissen und die Tür schlug mit einem gewaltigen Krachen an die Wand. Mit einem todesmutigen Satz zur Seite konnte Tricia sich gerade noch aus der Flugbahn eines Gastes bringen, der gerade recht unsanft hinausbefördert wurde. Tricia schluckte und betrat das "Rostige Schwert". Diese Kneipe war bekannt als Treffpunkt für Söldner, gedungene Mörder und allerlei lichtscheues Gesindel. Hier hoffte Tricia würde sie irgendetwas über diese Bande herausfinden, die sich in der Stadt herumtrieb. Denn wenn auch deren Ruf noch nicht bis zur Wache geeilt war, innerhalb der nicht ganz so ehrenwerten Gesellschaft blieb eine neue Partei nicht lang unentdeckt. Mit einigen Tritten und Stößen bahnte sich die Wächterin einen Weg an die Theke und setzte sich auf einen der ramponierten Hocker. Einige Sekunden später hatte sie ein Glas mit einer halbdurchsichtigen, bräunlichen Flüssigkeit vor sich stehen und nippte mit Todesverachtung daran. Nur mit Mühe konnte sie ein Husten unterdrücken, mit einem derartig hochprozentigen Getränk hatte sie für diesen Preis nicht gerechnet. Sie nahm sich vor, diese Kneipe im Auge zu behalten, wer weiß, wann sie das nächste Mal dringend einen ordentlichen Drink brauchen würde. Sie sass nicht lange, bis der erste Mann neben ihr Platz nahm und sich genötigt fühlte seinen stinkenden Arm um sie zu legen. Mit einer fließenden Bewegung sprang Tricia auf, drehte dem überraschten Mann den Arm auf den Rücken und brachte ihn mit einem Tritt in die Kniekehlen in eine für ihn recht unbequeme Knieposition vor ihr.
"Wenn dir dein Leben lieb ist, dann stehst du jetzt ganz vorsichtig auf und fasst mich auf keine Fall mehr an", zischte sie ihm ins Ohr.
"Hey, Lady, ruhig Blut", der Mann grinste sie verlegen an. "Ich dachte, naja, sie wissen schon, wer konnte denn ahnen, dass sie nicht, naja, sie wissen schon .." er zog vielsagend eine Augenbraue nach oben.
"Soso, naja, ich bin auf jeden Fall nicht ich weiß schon was" Tricia schnaubte verächtlich und setzte sich wieder hin.
Der Mann rieb sich verlegen den Arm und fragte höflich: "Dürfte ich mich dann trotzdem zu ihnen setzen, Lady?"
"Wenn's nicht zu vermeiden ist", grummelte Tricia unhöflich.
"Was macht denn eine Lady wie sie hier so allein?"
Blitzschnell fuhr Tricia herum und ehe der Mann sich versah, blinkte ein kleines Messer an seinem Hals und Tricia beugte sich nah an sein Ohr.
"Warum denkst du, bin ich hier?"
"Äh, hm, kei..keine Ahnung? Ein ...ein Job?", der Mann war nervös und sein Adamsapfel hüpfte nervös auf und ab.
Tricia grinste ihn herablassend an und steckte ihr Messe wieder ein. "Respekt, du bist ja gar nicht so blöd, wie ich erst dachte. Wer braucht hier in dieser Stadt Unterstützung?"
"Also, ich glaube nicht, dass du bei den Einheimischen leicht was finden wirst. Die Zeiten sind schlecht. Du solltest dir einen anderen Beruf suchen. Söldner ist nichts für Frauen".
Genervt verdrehte Tricia die Augen. Sie suchte nach Informationen, nicht nach leerem Geschwätz über die Rolle der Frau in Ankh-Morpork. "Wenn du mir nichts anbieten kannst, dann sorg dafür, dass dein Stuhl bald leer wird, ich hab nicht den ganzen Abend Zeit", mit einer unwilligen Handbewegung scheuchte sie den Mann davon. Mit einem Winken bestellte sie noch einen Whisky.
"Hey Lady, ich hab grad ein bisschen mitgehört", der Wirt wischte vor ihr mit einem dreckigen Lappen den Dreck auf dem Tresen hin und her.
"Und?"
"Nun ja, vielleicht wüsste ich jemand, der noch eine Mitarbeiterin brauchen könnte", der Wirt grinste breit.
"Und?"
"Nichts und. Zwanzig Dollar und es gibt die Adresse", mit einem öligen Lachen beugte er sich über die Theke und streckte ihr auffordernd die Hand entgegen.
How to dress for investigation
Tricia suchte ihre Kleidung diesmal noch sorgfältiger aus als sonst. Bei diesem Fall war es nicht nur wichtig, authentisch auszusehen, sie mußte auch dafür sorgen, dass sie diese Sache mit heiler Haut überstand. Kurz dachte sie daran, Verstärkung zu rufen, aber die Auskunft, die ihr der Wirt nach mehreren Dollar gegeben hatte, war so vage, um dort mit einer mehrere Wächter starken Truppe aufzukreuzen. Das einzige, was diesen Fall lösen konnte, war ein verdeckter Ermittler mitten in dieser undurchsichtigen Gemeinschaft. Mit gerümpfter Nase zog Tricia ihr altes Kettenhemd über ein weiches, wollenes Unterkleid. Sie hatte ganz vergessen, wie schwer die 20 Kilo Eisen auf ihren Schultern lasteten. In den letzten Monaten hatte sie das Hemd nie angehabt, Streife ging sie schon lange nicht mehr und bei den Einsätzen als Ermittler, war es meistens auch nicht gerade unauffällig. Sie stopfte das Unterhemd in eine alte, abgewetzte Lederhose, die an mehreren Stellen schon aufgenähte Flicken hatte und für ihrem Geschmack fast zu sehr nach "lange nicht gewaschen, weil der Besitzer im Auftrag irgendwelcher krummen Unternehmungen unterwegs war" aussah. Mit einem Ächzen beugte sie sich zu ihren ältesten Stiefeln hinunter, die sie sicher schon seit mehreren Jahren nicht mehr getragen hatte, die aber die einzigen wirklich abgenutzten Schuhe in ihrem Besitz waren. Dann streifte sie noch den verbeulten Brustpanzer über, den sie als Rekrutin bei der Wache ausgehändigt bekommen hatte und sah sich zufrieden im Spiegel an. Wenn sie sich selbst so auf der Straße gesehen hätte, hätte sie sich sicher schon mal provisorisch verhaftet, dachte sie mit einem Grinsen. Leute, die so in Ankh-Morpork herumliefen, waren meist für Geld zu allem bereit und nicht nur zur Legalem.
Die Begegnung
Tricia spazierte auffällig durch die Schatten, ihr Schwert hing offen sichtbar an ihrem Gürtel. Was die anderen nicht sahen, waren zwei kleine, aber umso spitzere Messer, die sie innen an den Schäften ihrer Stiefel stecken hatte. Mit Genugtuung fiel ihr auf, dass niemand sie ansprach oder gar Anstalten machte, sie auszurauben. Die Tarnung war zumindest für den ersten Augenblick gut genug. Ihr Weg führte sie diesmal eine der finstersten Straßen der Schatten. In der Munterstraße blieb sie stehen und sah sich aufmerksam um. Der klebrige Gestank des Ankh zog von der Fährenanlegestelle bis zur ihr und waberte wie Nebel um ihre Beine. Die Straße war nicht sehr lang, aber die Häuser, die in ihr standen, waren alle schon mindestens einmal abgebrannt und mehr oder weniger an derselben Stelle wieder aufgebaut worden. Daher ergab sich, wenn man die Straße entlang blickte ein Gemisch von verschiedenen Baustilen, Häusern, die näher oder weiter weg von der Straße standen und solchen, die schon seit vielen Jahren in der nächsten Minute zusammenzubrechen drohten. Während sie ihren Blick über die unregelmäßigen Hauseingänge gleiten ließ, verfluchte sie in Gedanken den Wirt, der ihr versichert hatte, aus "erstklassiger" Quelle zu wissen, dass der, den sie suchte, heute hier sein sollte. Gerade, als sie aufgeben wollte, sah sie einen winzigen, kaum sichtbaren, Lichtreflex des Vollmondes in einem verfallenen Hauseingang. Entweder gab es also seit neuestem Leute, die sich an morschen Türen Spiegel leisten konnten, oder hier stand jemand der nicht sehr viel Acht darauf gab, wohin die blankpolierte Seite seines Schwertes zeigte. Leise zog sie ihr Schwert und verbarg es vorsichtig mit dem anderen Arm, damit ihr nicht derselbe Fehler unterlief. Vorsichtig und äußerst langsam pirschte sich Tricia nah an die Häuserwände gepresst an den Eingang heran. Als sie nur noch wenige Schritte entfernt war, spürte sie plötzlich kaltes Metall an ihrer Kehle und eine Männerstimme sagte: "Sieh an, was haben wir denn da? Eine kleine Spionin?"
Siedendheiß fiel ihr wieder ein, dass es gestern nach ja auch zwei Gruppen gewesen waren. Wütend verfluchte sie sich selbst für diese unentschuldbare Nachlässigkeit. Trotzdem würde sie jetzt nicht aufgeben. Mit einer schnellen Bewegung rammte sie ihren Ellbogen, dem Mann, der genau hinter ihr stand, in die Rippen und wirbelte mit einer fließenden Bewegung herum. Der Mann sackte keuchend zusammen, da kamen auch schon zwei andere mit gezogenen Schwertern auf sie zu. Der erste stürmte mit hocherhobenem Schwert auf sie zu und Tricia brachte sich mit einer Rolle aus der Gefahrenzone. Einer heftiger Fußtritt, brachte den Angreifer ins Stolpern und ein schlag auf den Hinterkopf mit dem Schwertknauf ließ ihn ohnmächtig zusammenbrechen. Inzwischen war der zweite auch nähergekommen und schwang sein Schwert in ihre Richtung. Mit aller Kraft parierte sie den Schlag und holte dann zum Gegenangriff aus. Mehrere schnelle Hiebe später, stand der Mann mit dem Rücken zu einer Wand und Tricias Schwerspitze war nur wenige Millimeter von seinem entsetzt auf und ab hüpfenden Adamsapfel entfernt. Gerade wollte sie mit der anderen Hand zu einem Kinnhaken ansetzen, da hörte sie dicht hinter sich ein sanfte Stimme.
"Das würde ich nicht machen, meine Süße, vielleicht schaust du mal ein bisschen nach links?"
Aus den Augenwinkeln konnte Tricia das kalte Glitzern des Mondlichtes auf einem Armbrustpfeil erkennen, der direkt auf ihren Kopf gerichtet war. Mit einem kleinen Seufzen steckte sie ihr Schwert ein und trat vorsichtig einen Schritt zurück. Resigniert hob sie beide Hände hoch, um zu zeigen, dass sie keine weiteren Waffen in der Hand hielt.
"Ok, Jungs, bleibt ruhig, es ist ja keinem was passiert"
Der Angreifer, den sie zuvor niedergeschlagen hatte, wollte sich mit einem wütenden Schrei auf sie stürzen, aber ein großer Dunkelhaariger hielt ihn zurück.
"Hey John, sei der Lady nicht böse, du bist selber schuld gewesen"; grinste er Tricia zu. "Aber was viel interessanter ist, was machen sie hier?", wollte er dann von ihr wissen.
"Ich suche jemand", antworte sie dem Dunkelhaarigen, der hier anscheinend das Sagen hatte.
"Soso, wen könnten sie denn an einem so unangenehmen Ort suchen?"
"Nun, ich kenne seinen wahren Namen nicht, aber anscheinend nennt sich der, den ich suche, 'Wolf'"
Überrascht sahen sich die Männer an und auch der Dunkelhaarige runzelte kurz die Stirn.
"Wolf. Sieh an. Und was macht sie so sicher, dass sie ihn hier finden?", fragte der Mann leise.
"Informationen"
Mit einem breiten Grinsen wies er den Armbrustschützen an, die Waffe zu senken. "Was wollen sie denn von diesem Wolf?"
"Ich hab gehört, er braucht Leute und ich brauch Geld, das ist doch eine solide Basis für eine gute Zusammenarbeit", Tricia verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich an die Wand.
"Hm, in der Tat"
"Also, Wolf oder wie sie auch heißen mögen, wie sieht das jetzt weiter aus", auffordernd schaute sie den Dunkelhaarigen an.
"So, ich bin also Wolf. Nun ja, nehmen wir mal an, sie haben Recht, was haben sie mir anzubieten?"
"Ich bin besser als ihre lahme Truppe von Halbidioten", mit einer lapidaren Handbewegung wies Tricia auf das Häuflein von Männern, die sich hinter Wolf aufgestellt hatten und bei ihren Worten beleidigt dreinschauten.
Mit einem unterdrückten Grinsen nickte Wolf. "Mag sein, aber meine Männer sind hundertprozentig loyal, wer sagt mir das bei euch, schöne Frau?"
"Ich garantiere dafür", Tricia schaute ihm in die Augen. "Können diese Augen lügen?"
Warten ist langweilig
Seit zwei Tagen wohnte Tricia jetzt bei Wolf und seiner Handvoll Männer in den Schatten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, die einigen Männern blaue Flecken und tiefe Schnittwunden gekostet hatten, konnte Tricia nun unbehelligt schlafen und auch bei der Morgentoilette vor neugierigen Augen sicher sein. Letzte Nacht waren die Männer weg gewesen und hatten Tricia allein zurückgelassen. Zähneknirschen mußte sie sich fügen. Sie solle auf das Lager aufpassen, hatte Wolf ihr gesagt. Insgeheim vermutete sie, dass er ihr nicht genug vertraute und sicherstellen wollte, dass sie ihm nicht bei irgendeiner Aktion dazwischenfunkte. Zuerst hatte sie vorgehabt, den Männern nachzuschleichen, aber gerade, als sie die Tür zum Versteck geöffnet hatte, war ihr der Schein einer Zigarette aus einem verfallenen Haus gegenüber aufgefallen. Einer der Männer war als Wache zurückgeblieben und passte nun anscheinend darauf auf, dass sie keinen Schritt aus dem Haus setzte. Unzufrieden war sie wieder zurück gegangen und hatte gewartet.
"Hör mal, ich suche etwas Abwechslung, ich wollte einen ordentlichen Job, nicht nur blöd rumsitzen", Tricia passte Wolf nach dem Mittagessen auf dem Gang ab.
"Ich brauch loyale Mitarbeiter, solange ich mir da bei dir nicht sicher sein, kann, wirst du hier bleiben müssen, meine Schöne", Wolf wollte sie zur Seite schieben und weiter gehen.
"So haben wir nicht gewettet, mein Lieber. Und außerdem, wie soll ich dir meine Loyalität beweisen, wenn ich dazu keine Gelegenheit bekomme?"
"Hm, ein guter Einwand. Ok, wir verschieben unsere ursprünglichen Pläne und du bekommst deine Chance, heute nacht"
Mit einem etwas mulmigen Gefühl ging Tricia wieder zu den Männern zurück. Fieberhaft überlegte sie, was Wolf wohl als Test aussuchen würde. Und sie war hier immer mit irgend jemand zusammen, keine Chance eine Taube an die Wache zu schicken. Langsam kamen ihr Zweifel, ob dieser Fall nicht doch eine Nummer zu groß wurde für einen einzelnen Wächter.
"Yeah und seht ihr diesen Pfeil hier? Den hab ich erst gestern gekauft", Curly, der Armbrustschütze sass umringt von den anderen Bandenmitgliedern. "Jetzt hab ich endlich genug Kohle zusammengehabt, um alle meine Pfeile versilbern zu lassen"
"Curly, du alter Angsthase, wie groß ist wohl die Chance, hier mitten in der Stadt einem Werwolf oder einem Vampir zu begegnen?", die anderen Männer johlten zustimmend.
"John, du Idiot. Das ist mir egal. Ein normaler Mann stirbt an diesem Pfeil und ein Untoter auch. Ich bin also auf jeden Fall der Gewinner", versuchte Curly seine Logik klarzumachen.
"Ja, da hat er recht", einige der Männer dachten angestrengt darüber nach.
Tricia verdrehte die Augen und setzte sich in eine ruhige Ecke, um ihr Schwert zu schärfen. Was auch immer Wolf heute nacht vorhatte, sie wollte wenigstens gut bewaffnet sein.
Die Prüfung
"Nun, ich denke wir gehen jetzt. Und denk dran, Curly steht oben auf dem Dach und gibt dir Rückendeckung. Wenn du mit dem Wächter nicht zurecht kommst, erledigt er ihn von dort oben. Naja, und natürlich steht er da auch für den Fall, dass du auf dumme Gedanken kommst", Wolf zog vielsagend eine Augenbraue hoch und verneigte sich spöttisch vor Tricia. Dann verschwanden er und seine Männer in einer Seitenstraße.
Entsetzt stand Tricia am Rand der Kreuzung. Dieser Wolf war härter, als sie gedacht hatte. Seine Aufgabe für sie, war eigentlich ganz einfach. Um ihre Loyalität zu beweisen, mußte sie nur eine Sache erledigen. Den nächsten Wächter, der hier vorbeikam, umbringen. Wäre Wolf nicht intelligenter als die meisten Verbrecher gewesen, wäre das nicht weiter schwer gewesen. Sie wäre einfach abgehauen und mit Verstärkung zurückgekommen. Oder sie hätte sich von dem Wächter ordentlich vermöbeln lassen und dann zwar einen schlechten Eindruck bei Wolf gemacht, aber sie hätte es zumindest versucht gehabt. Aber nein, er mußte ja Curly auf dem Dach positionieren. Einer würde hier sterben. Entweder würde Curly den Wächter erledigen, in dem Glauben Tricia zu beschützen oder er würde Tricia erledigen, wenn sie augenscheinlich vorhatte zu fliehen. Die Situation war mehr als unangenehm und Tricia biss nervös auf ihrer Unterlippe herum. Sie dachte verzweifelt nach, aber es schien keinen Ausweg zu geben.
Sid winkte den Tresendienstlern noch aufmuntern zu, dann warf er die Tür des Wachhauses hinter sich zu und machte sich fröhlich pfeifend auf dem Heimweg. Wieder mal war es spät geworden und der Mond stand schon hoch über der Stadt. Beschwingt marschierte er über die Pons-Brücke Richtung Schatten. Am Ende der Glatten Straße wandte er sich nach links und ging weiter zum Ufer des Ankh. Immer am Fluss entlang ging er im Schein des Mondlichts. Tricia hörte das Pfeifen schon von weitem. Sie stand in der Einmündung der Affenstraße, gegenüber der Ankh-Brücke und war nervös. Innerlich betete sie, dass die Geräusche verstummen und in eine andere Richtung gehen würden, aber dieser fröhliche Geselle kam immer näher. Noch hoffte sie, dass es vielleicht nur ein unvorsichtiger Passant wäre und heute nacht womöglich gar kein Wächter in dieser Ecke vorbeikäme. Doch als Sid dann aus der Straße heraustrat, war er sofort an seiner Uniform als Wächter zu erkennen und sein Weg führte direkt an Tricia vorbei. Als Tricia ihn erkannte, blinkte plötzlich ein kleines Freudenlächeln auf ihren Lippen auf. Wenn sie es richtig anpackte, konnte Sid die Rettung in dieser Situation sein.
Mit weitausgreifenden Schritten marschierte Sid durch das Mondlicht. In Gedanken hing er noch dem vergangenen Tag nach und dachte an die zahlreichen ungelösten Fälle, die in seinem Büro warteten. Plötzlich spürte er hinter sich einen Schatten und dann einen Stoß. Instinktiv rollte er sich zusammen, um nicht so hart auf dem Boden aufzuschlagen. Er wollte nach seiner Armbrust greifen, aber der Schatten war schon über ihm. Dann spürte er einen grausamen Schmerz, als er ihm ein Schwert mitten ins Herz gebohrt wurde. Bevor alles um ihn schwarz wurde, dachte er noch überrascht, er hätte Tricias Stimme gehört, wie sie "Sorry, Sid, ich erklär's dir beizeiten", flüsterte.
"Respekt, Lady. Das ging aber fix", zufrieden kam Wolf näher und inspizierte Sid's augenscheinliche Leiche. "Wer hätte das gedacht"
"Wow, Boss, das ging so schnell, ich hab kaum hinterher schauen können", schrie Curly, während er mit der Armbrust wedelnd angelaufen kam.
Die Männer stießen Sid mit den Füßen probeweise an, aber zu Tricias Erleichterung war Sid's Regeneration doch nicht so schnell, dass er sich schon wieder erholt hätte.
"Na, reicht das jetzt als Demonstration?", deutlich wischte Tricia das Blut an ihrem Schwert ab und sah Wolf an.
"Ja, das ist in Ordnung, ich denke wir gehen zurück und bereiten alles für morgen abend vor. Dann geht's nämlich erst richtig los"
Mondscheingeständnisse
Nach der Einsatzbesprechung waren die Männer schlafen gegangen. Tricia hatte sich auf noch hinaus auf den schwankenden Balkon gesetzt und dachte an Sid. Hoffentlich hatte sie sich nicht getäuscht, und es ging ihm gut. Sie würde es sich nie verzeihen können, wenn sie einen Kollegen vorsätzlich ermordet hätte. Nach einiger Zeit hörte sie leise Schritte hinter sich. Als sie aufsah, stand Wolf verlegen hinter ihr und fragte, ob er sich zu ihr setzen dürfte. Mit einer Handbewegung wies sie auf den Platz neben sich. Vorsichtig setzte er sich auf den altersschwachen Balkon und starrte auf das trübe Grau des Ankh.
"Hast du meinen Lieblingsplatz gefunden, hm?"
"Sorry, Wolf, das wusste ich nicht. Mir war nur nach ein wenig Mondschein und da war der Platz hier genau richtig", Tricia schickte sich an, aufzustehen und ihn allein zu lassen.
Mit einem schnellen Griff erwischte er gerade noch Tricias Jackenärmel. "Nein, bleib ruhig hier. Es tut gut, hier mal nicht allein zu sitzen", mit einem verlegenen Lächeln sah er sie an. Tricia ließ sich wieder zurücksinken und schwieg.
"Hast du dich eigentlich nie gefragt, warum ich das alles mache?", fragte Wolf.
"Hör mal, ich bin nur wegen dem Geld hier, der Rest ist deine Sache"
"Das glaub ich dir nicht, dass du so kalt bist. Ich habe dich heute gesehen, es hat dir keine Freude gemacht, zu töten und mir geht es genauso"
"Warum tust du's dann?", gab Tricia zurück.
"Es hat einen Grund. Du machst es, weil du Geld brauchst, ich tu es aus Rache"
"Welche Art von Rache könnte dich denn mit Baron Seldey verbinden?" Tricia horchte überrascht auf. Vielleicht konnte sie ja so herausfinden, welches Motiv hinter dem für morgen geplanten Anschlag auf den Baron steckte.
"Oh, diese Rache verbindet mich mit mehreren Adligen. Und er ist erst der Anfang. Es werden noch eine Reihe mehr sterben müssen", Wolf zögerte kurz, dann fuhr er fort. "Meine Mutter, sie starb, als ich noch ein kleines Kind war. Eigentlich ist mein Name Cedric, aber die Frauen haben gesagt, ich hätte geheult wie ein Wolf, als sie mich neben ihrer Leiche gefunden haben, und daher der Name. Du musst wissen, dass meinen Mutter als, naja, Näherin gearbeitet hat. Sie war lange Jahre die Geliebte eines Fürsten gewesen, bis dieser sie über Nacht hatte fallen lassen. Meine Mutter hatte keinen Beruf gelernt und sie war schwanger von diesem Schwein, mit mir", Wolf ballte die Fäuste vor Wut. "Dann arbeitete sie als Näherin, um mich ernähren zu können. Doch eines Tages stand dieser Fürst Goldstein wieder vor der Tür. Und er war nicht allein. Gott allein weiß, was diese Mörder ihr angetan haben. Aber ich konnte sie schreien hören und als sie das Haus verließen, war meine Mutter tot. Die anderen Frauen kümmerten sich um mich, aber ich war erst vier Jahre alt, als ich mir schwor, dass diese Männer dafür bezahlen müssen, was sie meiner Mutter angetan haben", mit Tränen in den Augen starrte Wolf auf den Fluss. "Und morgend abend beginnt die Abrechnung."
Verblüfft hörte Tricia dem Geständnis zu. Mit allen hätte sie gerechnet, Gier, Neid auf das Vermögen der Adligen, aber damit? Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Nach einer Weile, legte sie ihm vorsichtig die Hand auf die Schulter und sass so noch eine Weile neben ihm. Im Morgengrauen stand sie auf und ging ins Haus, den schlafenden Wolf ließ sie draußen liegen. Tricia war wie hin- und hergerissen. Einerseits war das, was Wolf ihr erzählt hatte, eine wirklich unsaubere Geschichte und diese Leute hätten schon damals zur Verantwortung gezogen werden müssen, aber das änderte nichts daran, dass er schon zwei, wenn man Wiejela dazu nahm, drei Männer für seinen Rache getötet hatte. Die drei Männer waren vermutlich Informanten gewesen, die ihn über die Gewohnheiten der Opfer informiert hatten und derer er sich entledigt hatte, als sie ihre Arbeit getan hatten. Trotzdem, es gab nur eine sinnvolle Möglichkeit diesem Ganzen ein Ende zu bereiten.
Gerechtigkeit?
Nachdem sie sich an den schlafenden Männern vorbei geschlichen hatte, rannte sie so schnell sie konnte zur Wache. Alle verfügbaren Wächter wurden zusammengetrommelt und Tricia führte sie zu dem Versteck der Bande. Die schlaftrunkenen Männer zu überwältigen war nicht weiter schwer und kurz darauf wurden sie in Ketten abgeführt, zu einer wartenden Kutsche. Als Wolf an Tricia vorbeigeführt wurde, die den Abtransport als leitender Ermittler überwachte, wollte ihr fast das Herz zerreißen, als sie seinen anklagenden Blick sah. "Warum du? Warum ausgerechnet du, ich habe dir vertraut, wie noch nie jemand in meinem Leben", flüsterte er immer wieder. Schweren Herzens schloss sie die Kutschentür hinter ihm und gab dem Kutscher Anweisung zur Abfahrt. Dann sicherten sie die Beweise in dem Haus und machten sich auf den Rückweg zur Wache.
Einige Wochen später war die Verhandlung des Falls. Wolf alias Cedric wurde in eine Heim für geistig Verwirrte eingeliefert, seine Helfer bekamen einige Monate Gefängnisaufenthalt. Tricia hatte versucht, den Mordfall an Wolfs Mutter nochmal vor Gericht zu bringen, aber der Einfluss der Adligen war zu groß. Doch Tricia versprach Wolf insgeheim, den Fall nicht aus den Augen zu lassen. Eines Tages würden diese Mörder einen Fehler machen und dann würde sie persönlich dafür sorgen, dass sie ihre Strafe erhielten.
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