Verflixte Bolzen!

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von Wächter Romulus von Grauhaar (GRUND)
Online seit 23. 01. 2003
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 Außerdem kommt vor: Tricia McMillan

Für Rekruten (erste Mission):
Auf dem heutigen Ausbildungsplan steht "Umgang mit der Armbrust".
Wenn das mal nicht ins Auge geht.

Dafür vergebene Note: 10

"Neue Rekruten, aaaaaaufsteeeeehen!"
Die Stimme der Ausbildungsleiterin Leutnant Irina Lanfear hallte durch das Wachhaus an der Kröselstraße. Romulus von Grauhaar streckte sich auf seinem Nachtlager und hielt sich den Schmerzenden Rücken. Den Rekruten wurde es bei der Wache nicht gerade leicht gemacht, befand er. Sogar bei seiner verhassten Familie in Überwald hatte er einen bequemeren Schlafplatz gehabt. Dafür war die Art, am Morgen geweckt zu werden, wesentlich angenehmer als zuhause, wo er meistens mit einer saftigen Ohrfeige und einigen feindseligen Worten geweckt wurde [1]. Seine Gedanken schweiften zurück zu den Ereignissen der letzten Tage.
Nachdem er von daheim davongelaufen war, hatte er den langen, beschwerlichen Weg von Überwald nach Ankh-Morpork in erstaunlich schneller Zeit zurückgelegt und kam schließlich völlig übermüdet am Ziel seiner Reise an. Er hatte gehört, daß Ankh-Morpork ein freies Leben für jeden versprach, egal welcher Spezies er angehörte. Der Ausspruch "Stadtluft macht frei" kam ihm in den Sinn. Nach seiner Ankunft mußte er als erstes feststellen, daß diese bekannte Redewendung im Laufe des langen Weges nach Überwald verdreht worden sein mußte. In Ankh-Morpork hieß sie "Stadtluft macht Magenbeschwerden" und das traf weit eher zu. Daß es mit der sprichwörtlichen Freiheit der Stadt auch nicht so weit her war, merkte Romulus auf der Suche nach einer Bleibe. Sobald er das Wort "Werwolf" erwähnte, lief man vor ihm davon. Er konnte es den Leuten nicht verübeln, wenn er an seine Familie dachte. Vor lauter Erschöpfung fiel er irgendwann in einen Rinnstein in der Nähe der Schatten. Das nächste an das er sich erinnerte waren drei uniformierte Gestalten, die ihn an den Armen hochzogen und auszufragen begannen. Es waren drei Wächter, wie sich herausstellte, die vor noch nicht allzu langer Zeit ihren Dienst in der Wache angetreten hatten. Als sie von Romulus' Herkunft erfuhren, waren sie begeistert und er nahm erstaunt zur Kenntnis, daß zwei von ihnen ebenfalls Werwölfe waren, der dritte ein Vampir.
"Wenn du den ganzen Weg von Überwald hierher zu Fuß zurückgelegt hast, mußt du ja hart im Nehmen sein," meinte die Werwölfin, die sich als Mefarina vorgestellt hatte.
Der Vampir namens Leopold ermunterte Romulus, sich ihnen anzuschließen: "Wieso kommst du nicht auch die Wache? Bei uns wird es dir sicher gefallen!"
"Ja, das wird es bestimmt! Außerdem hat man ein Dach über dem Kopf und verdient Geld indem man für das Wohl der Menschen dieser Stadt sorgt. Außerdem sind wir schon einige Werwölfe, so daß du dich wie zuhause fühlen kannst," ereiferte sich der dritte, ein Werwolf namens Dunkler Wolf.
"Oh entschuldige, das war nicht so gemeint," beeilte er sich hastig zu sagen, als er Romulus' verstörten Gesichtsausdruck bemerkte.
So kam es also, daß sich Romulus von Grauhaar, der flüchtige Werwolf aus Überwald, bei der Stadtwache von Ankh-Morpork meldete.


Abrupt riß die Stimme seiner Ausbilderin Tricia McMillan Romulus aus seinen Gedanken.
"Romulus, brauchst du eine Sondereinladung? Die anderen Rekruten haben schon alle gefrühstückt, und der Herr liegt immer noch in den Federn!"
"Von wegen Federn", dachte er, vermied es aber, es laut auszusprechen, um seine Ausbilderin nicht noch wütender zu machen.
"Heute werden wir Übungen im Armbrustschießen machen. Aber zuerst gibt es eine theoretische Ausbildung, wie die Waffe zu handhaben ist. Melde dich in zehn Minuten in ordnungsgemäßer Uniform auf dem Ausbildungsplatz!"
"Ja, gut!"
"Das heißt 'Jawohl Ma'am!"
"Jawoll Mäm!"
"Gut. Warum nicht gleich so?"
Tricia verschwand zur Tür heraus und Romulus begann damit, in seine Wächteruniform zu schlüpfen, was ihm nicht gerade leicht fiel. "Wozu brauchen Wächter eine derartig unpraktische Uniform?" dachte er. "Ein einfaches Lederwams hätte es sicherlich genauso getan und wäre obendrein noch viel bequemer."
Nachdem auch der Brustpanzer halbwegs saß, begab er sich gähnend in Richtung Ausbildungsplatz. Auf dem Weg traf er einige anderen neuen Rekruten, die mit ihm die G.R.U.N.D.-Ausbildung zu absolvieren hatten und auch an der Waffenausbildung teilnehmen sollten: Mefarina, genannt Meffi, die er schon am ersten Tag kennen gelernt hatte, Yeri, ein junges Mädchen, das ständig ein viel zu groß anmutendes Breitschwert mit sich herumtrug, Syphar, ein weiterer Werwolf, der am gleichen Tag in die Wache gekommen war, wie Romulus [2],die Mumie Lan Gsam und die Vampirin Nachtrose.
Auf dem Ausbildungsplatz wartete Tricia schon auf die Gruppe und stellte mit Zufriedenheit fest, daß Romulus sich schon ganz gut in der Wache eingefunden hatte [3]. Als die Rekruten die Ausbilderin entdeckten, verstummten die Gespräche.
"So, da sich die Herrschaften jetzt endlich dazu bequemt haben, mir zuzuhören, können wir mit der Ausbildung beginnen. Hier seht ihr die Standard-Armbrust der Stadtwache, die 'Zuferlässige Armbrust Tühp 6" von Burlich & Starkimarm. Sie besteht aus dem Bogen, der Sehne, dem Griffstück mit Abzugsvorrichtung sowie der Zielvorrichtung für genaues Schießen. Yeri, aus welchen Teilen besteht die 'Zuferlässige Armbrust Tühp 6'?"
Yeri Mye hatte gelangweilt an ihrem Schwert herumgespielt und schrak auf:
"Dem Griff und ... und ... dem Rest!"
"Nächstens hörst du besser zu! Im Moment geht es um Armbrüste und nicht um Schwerter!"
"Jawohl, Mäm."
"Die Waffe wird folgendermaßen gehalten."
Tricia griff nach der Armbrust und führte den Rekruten vor, an welcher Stelle die Hände die Waffe halten sollten, um möglichst zielsicher damit schießen zu können.
Dann durfte jeder der Rekruten die Waffe einmal in die Hand nehmen. Hier und da mußte Tricia die Haltung der Waffe korrigieren, aber im großen und ganzen war sie zufrieden.

Nach einigen weiteren Belehrungen über Flugphysik des Bolzens, das korrekte Auseinandernehmen und Zusammensetzen der Waffe. [4] sowie die Benutzung der Zielvorrichtung. Dann war es endlich soweit: Die Rekruten durften zum ertsen mal ihr Können an der Schießbahn, die auf dem Ausbildungsplatz aufgebaut worden war, demonstrieren.

Tricia erklärte ihnen die Beschaffenheit der Zielscheibe: "Ihr seht hier ziemlich viele Kreise. Je weiter in die Mitte ihr trefft, desto besser. Ihr schießt erst, wenn ich 'Feuer frei' gerufen habe. Noch Fragen? Keine. Dann beginnt Wächter Schwarzpelz."
Syphar nahm die 'Zuferlässige Armbrust Tühp 6" entgegen, spannte sie und zielte sorgfältig.
"Feuer frei!" ertönte Tricias Ruf.
Syphar drückte ab.
"Eine acht. Wirklich sehr gut für den ersten Schuß," lobte die Ausbilderin. "Als nächstes schießt Wächterin Mye."
Yeri erzielte eine neun.
Der Reihe nach wurden die Rekruten aufgerufen und alle trafen gute Ergebnisse Lanny erreichte 7 Punkte, Nachtrose traf eine 8.
"Hast du schonmal mit einer Armbrust geschossen?" fragte Romulus die neben ihm stehende Mefarina.
"Nein, du?"
"Wächterin Mefarina! Du bist die nächste!"
Meffi traf eine glatte 10.
"Wächter von Grauhaar!"
Romulus wußte schon vorher, daß er jetzt aufgerufen werden würde. Alle anderen hatten nämlich bereits geschossen. Er ging zögernd zur Markierung und nahm die Armbrust entgegen. Hatte sie sich vorhin bei der theoretischen Ausbildung genauso schwer und unhandlich angefühlt? Er blickte durch die Zielvorrichtung und versuchte, sich auf die Zielscheibe zu konzentrieren. Irgendwie sah die Scheibe durch das Zielrohr noch kleiner aus, als sie ohnehin schon war.
"Feuer frei!"
Erschrocken drückte Romulus ab und traf ... den Karren, der zehn Meter rechts von der Zielscheibe stand.
"Fahrkarte!" rief Tricia. "Romulus, was ist mit dir los?"
"Ich weiß es nicht, Mäm, ich hatte plötzlich das Gefühl, daß die Zielscheibe viel kleiner geworden ist."
Die übrigen Rekruten lachten.
"Weshalb haben Sie übrigens Fahrkarte gesagt? Der Karren ist doch gar nicht bespannt? Da kann man doch im Moment gar nicht mit fahren!"
Tricia überlegte.
"Das sagt man halt so, wenn ein Schuß danebenging. Wenn du dich in einem Schußgefecht mit einem Verbrecher befindest und ihn nicht triffst, dann kommt wahrscheinlich eine Postkutsche... ähhmm ... dann wirst du wahrscheinlich niemandem mehr berichten können, was dann passiert."
Traurig wandte Romulus den Blick nach unten. Er hatte den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden. Tricia ließ ihn gleich nochmal schießen, weil er es "am nötigsten hätte".
Romulus schöpfte neuen Mut. Diesmal würde er nicht versagen. Die anderen Rekruten gingen lachend symbolisch in Deckung, was ihnen einen bösen Blick der Ausbilderin einbrachte. Romulus zielte mit zitternden Händen und wartete geduldig auf Tricia's "Feuer frei!". Dann zielte er nochmal und drückte ab. Eine vier. Na wenigstens hatte er die Scheibe getroffen.
"Na siehst, du es wird doch schon besser," ermunterte ihn Tricia. Und laut rief sie: So, zweiter Versuch für alle! Syphar schaffte diesmal eine neun. Meffi auch. Yeri schoss diesmal eine 7, Lanny kam auf 8 Punkte und Nachtrose traf die 6.
Schließlich kam die Reihe wieder an Romulus. Er legte einen neuen Bolzen ein, spannte die Armbrust, zielte wartete auf das "Feuer frei!" Doch wo zielte er hin? Zwölf Augen folgten der imaginären Linie, die der Bolzen nehmen mußte. Er zielte genau auf den Karren, den er beim ersten Schuß erwischt hatte. Dann drückte Romulus die Armbrust ab und riß dabei den Arm nach links. Der Bolzen vollführte einen rasanten Flug in Richtung des Karrens, prallte an eine Metallverstrebung ab und durchschlug die Zielscheibe von hinten durch die Mitte und fiel kurz vor der Scheibe auf den Boden. Ungläubig blickte Romulus die Scheibe an. Eine zum Zerreissen gespannte Stille machte sich breit.
"Dabei habe ich doch gar nicht auf den Eselkarren gezielt, sondern auf die Scheibe" platzte es aus ihm heraus. Da fing Tricia laut an zu lachen und einer nach dem anderen fielen die Rekruten in das Lachen ein. Schließlich konnte Romulus gar nicht anders als mitzulachen.
"Die Armbrustausbildung ist für heute beendet," sagte Tricia. "Da ihr alle so eifrig dabei wart, bekommt ihr den Rest des Tages frei."
Keine drei Sekunden später stand sie alleine auf dem Ausbildungsplatz und lächelte.
"Romulus muß noch viel lernen, bis er sich an die Stadt gewöhnt hat, aber immerhin hat er sich schon gut an die Wache angepasst," dachte sie bei sich und begab sich in ihr Büro.


[1] Oder durch ein feindeseliges Knurren, je nachdem, ob gerade Vollmond war

[2] Was Irina zu der Äußerung: "Gibt's die im Rudel billiger?" geführt haben soll

[3] Sie erkannte das hauptsächlich daran, daß er sich lautstark mit seinen Mitrekruten über die unbequemen Schlafplätze unterhielt

[4]  Die seltsame Vorliebe der Ausbilder für das Zerlegen von Waffen ist in jeder Grundausbildung militärischer und polizeilicher Institutionen des gesamten Multiversums stark ausgeprägt. Die Rekruten fragten sich zurecht, wozu man eine Waffe auseinander nehmen muß, denn schließlich sind Einzelteile nicht sonderlich Effektiv im Kampf.




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