...and Justice for all

Bisher hat keiner bewertet.

von Hauptfeldwebel Harry (DOG), Oberfeldwebel Venezia Knurblich (FROG)
Online seit 04. 10. 2001
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 Außerdem kommt vor: Daemon Llanddcairfyn

Immer mehr Anwälte verschwinden spurlos.
Schnell reißt Ihr den Fall an Euch, um Eure Quote zu verbessern.

Dafür vergebene Note: 14

[Fehler beim Parsen der Fußnoten!]
Harry:

Harry wendete den Brief des Kommandeurs jetzt schon zum achten Mal. Vor vier Tagen war er per Rohrpost gekommen, und immer noch konnte der Gnom sich nicht entscheiden. Erneut überflog er Rinces feste, aber ungelenke Handschrift und blieb an dem entscheidenden Absatz hängen:

...Jetzt aber ist die Zeit gekommen Dich für DEINE weitere Karriere zu entscheiden:
- Möchtest Du ein strahlender Offizier werden, mit glänzenden Rangabzeichen und einem vermeintlich wissenden Lächeln auf den Lippen
ODER
- Möchtest Du ein strahlender Unteroffizier werden, mit glänzenden Rangabzeichen und einem wissenden Lächeln auf den Lippen, weil er genau weiß, warum er kein Offizier werden wollte.
Es ist Deine Entscheidung... aber bitte triff sie innerhalb einer Woche und teile sie uns schriftlich mit.

Die eine Woche war bald abgelaufen, aber immer noch war Harry sich nicht sicher. Sicher, es hatte ihm Spaß gemacht, andere Leute herumzukommandieren, und seine "Der Scheff"-Schärpe hing immer noch gut verwahrt in seinem Kleiderschrank, aber Daemon hatte
ihm klar gemacht, dass das Offiziers-Dasein auch etwas namens "Verantwortung" bedeutete - und das war etwas, was Harry bisher nur vom Hörensagen kannte, und was ihm ziemlich unangenehm vorkam. Nachdenklich lehnte er sich zurück.
Er hatte inzwischen sein Büro in der "Puppenstube" bezogen - damals, als dieses Gebäude noch seinem ursprünglichen Zweck diente, war es tatsächlich einmal eine gewesen - die Boucherie Rouge war stolz darauf, auch die ausgefallensten Wünsche der Kundschaft
zufriedenzustellen.
Als Harry den Raum entdeckt hatte, war er vor Freude nicht mehr zu halten gewesen: Er hat die Puppenmöbel umgeräumt, die allzu "exotischen" Utensilien weggeworfen (behauptete er zumindest), und die Kleider der (männlichen) Puppen requiriert.
Inzwischen war eine Ecke des Raumes ein voll funktionsfähiges Gnomenbüro – mit Schreibtisch, Schränken, und allem was dazugehörte.
Jetzt malte er sich in Gedanken aus, was für ein Gefühl es wohl wäre, als Offizier hier zu sitzen - als sich die Tür öffnete und Daemon eintrat.
"Hallo, Harry!" Daemon setzte sich auf den (menschengroßen) Stuhl gegenüber von Harrys Schreibtisch. "Na, hast du dich schon entschieden?"
"Nein, noch nicht. Ich weiß einfach nicht, ob ich gutes Offiziersmaterial bin." Harry deutete einladend auf eine Kaffeekanne und füllte selbst seinen Fingerhut nach.
"Na, dann werde doch einfach Unteroffizier." Daemon füllte sich einen Becher, der für solche Zwecke neben Harrys Schreibtisch auf einem Tisch stand.
"Ich weiß nicht... Spieß? Wie kann man nur so blöd sein, und Dienstgrade 'Spieß' und 'Stabsspieß' nennen? Ich kann mir schon lebhaft die Wortspiele vorstellen, die sich ganz Ankh-Morpork garantiert einfallen lassen wird. Ich würde doch im Boden versinken, wenn ich mich mit 'Spieß Harry' vorstellen müsste."
"Lass dir einfach Zeit. Noch hast du ein paar Tage. Aber erstmal gibt es einen Auftrag: Herr Schräg war gerade hier."
"Herr Schräg? Von der Anwaltsgilde?" Harry setzte sich ruckartig auf - Anwälte bedeuteten nie etwas gutes.
"Ja. Anscheinend sind in den letzten Wochen mehrere Gildenmitglieder verschwunden..."
"Die Anwälte verschwinden? Endlich mal eine gute Nachricht!"
"...und er hat uns beauftragt, sie wiederzufinden."
"Waas? Den Anwälten helfen?" Harry machte ein Gesicht, als hätte Daemon ihm vorgeschlagen, den Patrizier zu küssen.
"Ja, ich weiß. Mir behagt die Idee auch nicht. Aber Rince hat sich schon bei mir beschwert, dass DOG zu wenig Fälle abarbeitet - und außerdem sind wir dazu verpflichtet, *allen* Bürgern Ankh-Morporks zu helfen. Und zu denen gehören nun einmal auch die
Anwälte.
"Und lass mich raten: Ich soll die Gildenmitglieder observieren, um herauszufinden, wohin sie verschwinden?"
"Exakt. Und lass dich nicht von deinen persönlichen Gefühlen beeinflussen - du bist ein Wächter!"

***

Die Gilde der Anwälte zählte zur Zeit dreiundachtzig Mitglieder, davon achtundsechzig untot (offensichtlich hatte das Anwaltsdasein etwas an sich, das Untote - vor allem Vampire - besonders reizte).
Laut Herrn Schrägs Aussage waren davon in den letzten zwei Wochen zwölf verschwunden - und zwar sowohl lebende als auch untote, immer aus ihrer Wohnung, während sie allein waren (und welcher Anwalt hatte schon Familie?), ohne ein Zeichen von Gewalt.
Harry blieb also nichts anderes übrig, als sich einen der übriggebliebenen auszusuchen und seine Wohnung zu observieren, in der Hoffnung, dass er der nächste werden würde.
Sein "Kandidat" hieß Herr Brüsig, war (Überraschung!) ein Vampir und Harry hatte ihn höchst wissenschaftlich aufgrund der Tatsache gewählt, dass er in der kürzesten Entfernung vom DOG-Gebäude lebte.
Dass er als Vampir tagsüber schlief und nachts unterwegs war, kam Harry ebenso gelegen - denn das bedeutete, dass er nachts schlafen konnte, während er am Tag die Wohnung beobachtete.
Herr Brüsig hatte eine ziemlich spartanische Wohnung mit einem schlichten Eichensarg, und Harry konnte von seiner Observierungsposition auf einer Regentonne im Innenhof das Schlaf- (und einzige) Zimmer gut beobachten.
Offensichtlich war der Vampir aufgrund der Ereignisse ziemlich nervös - er versperrte Tür und Fenster mit einer Eisenkette, bevor er schlafen ging, hängte einige heilige Symbole an die Decke und verteilte in den Zimmerecken etwas, was verdächtig nach Knoblauchzwiebeln aussah ("Na so etwas - ein abergläubischer Vampir?" murmelte Harry).
Dann, bei Sonnenaufgang, legte er sich in seinen Sarg und das Observieren begann.

****

Bei Sonnenuntergang verließ er die Wohnung und das Observieren war vorbei.
Und nichts war passiert.
Harry hatte minutiös Buch geführt über jeden Passanten und jede streunende Katze, aber Herr Brüsig war offenbar nicht das Opfer gewesen.
Enttäuscht und müde kehrte Harry zum DOG-Quartier zurück...

...wo die Geräusche einer ziemlich hitzigen Diskussion aus Daemons Büro drangen.
"Was ist denn los?" frage Harry seinen Kollegen Mückensturm, der gerade sein Waffenarsenal putzte.
"Oh, Herr Schräg ist wieder da. Anscheinend ist wieder ein Anwalt verschwunden."
"Ups..."
Harry lauschte in Richtung Bürotür und konnte Sprachfetzen wie "unfähig... Patrizier... Horde Taugenichtse... Nachspiel... juristisch..." hören, unterbrochen von zaghaften ähs, abers und ichs seines Abteilungsleiters.
Kurz darauf öffnete sich die Tür und wurde von einem zornigen Herrn Schräg hinter sich zugeschlagen, der das Gebäude mit großen Schritten verließ.
"Ist Harry schon da?" erklang Daemons gereizte Stimme aus seinem Büro.
"Nein, noch nicht - er braucht noch mindestens so lange, bis du dich wieder beruhigt hast!" rief Harry in einem kläglichen Versuch, Mückensturms Stimme zu imitieren, zurück.
"Ha, ha, sehr witzig. Komm rein, Harry."

"Herr Schräg wollte gerne wissen, wieso schon wieder ein Anwalt verschwunden ist, obwohl wir uns um die Sache kümmern", begrüßte Daemon den Gnom.
"Es sind einfach zu viele! Ich kann ja nicht alle observieren, oder?"
"Klar, ich weiß das. Aber erklär das mal jemandem wie Schräg. Er hat gesagt, in zwei Tagen will er den Täter dingfest und seine Leute zurück haben, oder er redet mit Vetinari."
"Aber wie sollen wir es schaffen, alle Anwälte zu observieren? Selbst wenn wir sämtliche Wächter der Wache mobilisieren, reichen sie nicht aus."
"Stimmt. Deswegen habe ich unsere Nachbarinnen mobilisiert."
"Du hast... waaas?"
"Frau Palm war immer sehr dankbar, dass wir unser Quartier in ihrem 'Herrschaftsbereich' haben. Sie sagt, es hilft, unerwünschte Kundschaft fernzuhalten. Ich habe sie um einen Gefallen gebeten - ihre Mädchen werden diese Nacht die Wohnungen der Anwälte
observieren."
"Meinst du nicht, dass sie... nun ja, auffallen?"
"Natürlich fallen sie auf. Aber eben nicht als Observierer, sondern... na ja, als Näherinnen halt. Auf jeden Fall ist es unsere einzige Chance."

******

Ein Schrei weckte Harry unsanft aus seinem Schlaf. Er hatte es sich hinter seinem Schreibtisch gemütlich gemacht und sich auf eine lange Nacht eingestellt.
Kaum dass er sich aufgesetzt hatte, stürmten Daemon und eine Näherin in sein Büro. "Harry? Es ist soweit! Cindy" - er deutete auf das Mädchen - "hat gesehen, wie ein Anwalt entführt wurde. Hopp!"
Harry kletterte flink auf Daemons Schulter, und die gesamte Abteilung DOG setzte sich in Bewegung.
"Ef war ein Mann mit einer Kapupfe", lispelte Cindy unterwegs. "Und er hat geklopft und waf gefagt, und dann kam der andere Mann auf feiner Wohnung, und er hatte so einen ganf leeren Blick, richtig unheimlich war daf, und dann ift er hinter dem anderen Mann hergegangen, und faft wie ein Fombie, obwohl er ift ja gar kein Fombie, aber er ift trotfdem fo gegangen, und ich bin hinterhergegangen, ganf vorfichtig, und fie find durch die halbe Ftadt marfiert, rüber nach Ankh, und in ein grofes Hauf rein, und dann bin ich fo fnell ich konnte furückgelaufen, wie Frau Palm ef gefagt hat..."
"Ja, danke, Cindy", unterbrach Daemon. "Sag uns doch nur kurz, wo dieses Haus ist, ja? Dann kannst du nach Hause gehen. Und richte Frau Palm unseren Dank aus."
Cindy lispelte eine Wegbeschreibung und verschwand.

Kurz darauf standen die DOG vor dem angegebenen Haus: Es lag in einer feinen Gegend am Ankh, und war von einer hohen Mauer umgeben - mehr war in der Dunkelheit nicht auszumachen.
"Harry", zischte Daemon," sieh mal nach dem rechten, ja?"
Harry nickte und kroch unter dem schmiedeeisernen Tor in der Mauer hindurch.
Auf der anderen Seite brannten mehrere Fackeln in eisernen Halterungen an der Mauer, und in regelmäßigen Abständen standen Männer mit grimmigen Gesichtern, die mit einer Armbrust in der Hand in die Dunkelheit starrten. Harry zählte sieben dieser Leute.
Schnell zog er sich wieder zurück und lief zu seinen Kollegen.
"Das Grundstück ist gut bewacht! Wer auch immer die Anwälte dort gefangen hält, hat sich für alle Eventualitäten gerüstet."
"Alles klar!" flüsterte Daemon. "Also dann: Rückzug - dies sieht mir nach einem Fall für FROG aus."

******

"...deshalb ist der Stand wie folgt: Jemand hüpnoh... hüp... verzaubert die Anwälte, so das sie ihm zu einem Haus folgen das von mehreren Leuten bewacht wird von denen wir nicht wissen was deren Plan oder Motiv ist. Wir brauchen Hilfe von FROG."
Daemon blickte stolz auf seine ausgefüllte A1, und gab sie Harry zum Korrekturlesen, als die Tür aufgerissen wurde und Herr Schräg eintrat.
"Es ist wieder einer meiner Leute verschwunden, Wächter!" (Er betonte das letzte Wort so, dass es wie "Abschaum" klang).
"Das ist uns bereits bekannt, Herr Schräg", entgegnete Daemon so liebenswürdig wie möglich.
Schräg lief rot an. "Ihr habt noch einen Tag, bevor ich dem Patrizier raten werde, eure Abteilung aufzulösen!"
"Natürlich, Sir. Ich kann Ihnen versichern, Sir, wir tun unser bestes."
"Viel scheint dieses 'beste' ja nicht zu sein", schnaubte Schräg und verließ das Büro ohne ein Abschiedswort.
Harry gab Daemon den Brief zurück. "'Motif' schreibt man mit 'f', sonst ist alles richtig, soviel ich sehe." Er lehnte sich zurück. "Also, dann hoffen wir mal, dass FROG das hinkriegt. Und... Daemon?"
"Ja, Harry?"
"Ich glaube, ich habe mich gegen eine Offizierslaufbahn entschieden. Ich kann ja vieles ertragen - aber höflich zu Anwälten zu sein - ich denke, das würde ich nicht schaffen."

[*] Wie inzwischen praktisch jeder wusste, waren die DOG-Räumlichkeiten im Viertel Käuflicher Zuneigung untergebracht - allerdings machte die Tatsache, *dass* es jeder wusste, den ursprünglichen Zweck des ganzen ziemlich hinfällig.
Aber vielleicht sollte man besser sagen "den *vorgeblichen* ursprünglichen Zweck", mit dem Daemon den Ortswechsel bei Rince durchgesetzt hatte. Was der tatsächliche Zweck war, steht auf einem anderen Blatt.

******

Venezia:

Es war ein harter Tag für Oberfeldwebel Venezia Knurblich gewesen, und dieser Tag dachte sehr zu ihrem Verdruss nicht im Geringsten daran mit Untergang der Sonne zu enden, sondern er zog sich noch bis spät in die Nacht hin, zumindest was das Arbeitspensum der Püschologin der Abteilung FROG anging.
Wieder einmal hatte Eowin Schnappschuh gedroht, sich sehr spektakulär zum Zeichen seiner politischen Unabhängigkeit umzubringen und wieder einmal hatte die Gnomin ihn nur mit feinfühliger stundenlanger Überredungskunst davon abbringen können. Dieser Mann hatte sie heute schon zum fünften Mal in dieser Woche viele Stunden Arbeit gekostet, und dass es sich bei ihm um einen Zombie handelte machte die Sache nicht besser... wäre er ein Mensch, müsste die Gnomin nur einmal in ihrer Funktion als Püschologin versagen und das Drama war vorbei, aber so geschah es immer wieder, Tag für Tag, Woche für Woche... der Zombie begann langsam für sie zu einem genauso großen Ärgernis zu werden wie Frau Willichnicht für die Wächter, die Tresendienst hatten.
Müde schleppte die Gnomin sich in das Büro, welches sie sich mit Rascaal teilte und ließ sich auf einen Stapel Zeitungen fallen.
Sie hatte gerade die Augen geschlossen und angefangen, sich mit den Daumen die Schläfen zu massieren, da ließ ein dumpfes „Bumpf“ sie wieder aufschrecken.
Dieses Bumpf war ihr nur allzu bekannt und es verhieß nichts Gutes... es war das Geräusch, welches Nachrichtenrollen machten, wenn sie aus dem Röhrensystem auf den Boden geworfen wurden, und das bedeutete meistens Arbeit.
Seufzend erhob die Gnomin sich und schlurfte unter die Öffnung der Röhren, um die Nachricht in Empfang zu nehmen.
„Na wunderbar, eine A1“, murmelte die Gnomin und zog den kleinen Zettel aus der Röhre. Schnell überflog sie aus Neugierde die Notiz und wollte sie gerade wieder in die Röhre stopfen um sie gut sichtbar auf Rascaals Schreibtisch zu positionieren, da fiel ihr Blick auf den kleinen Nachtrag von Daemon: „Dieser Auftrag ist von höchster Wichtigkeit und SOFORT zu bearbeiten!“
„Mistundverdammt, das ist doch nicht fair! Ich will schlafen... irgendwann in diesem Leben will ich mal wenigstens ein paar Stunden schlafen, ist das denn so viel verlangt?“, jammerte Venezia und erhob sich ächzend. „Warum passiert so etwas eigentlich immer, wenn die anderen FROGs unterwegs sind und ich mich darum kümmern muss.“
Mit dem Gang einer mindestens 80jährigen Frau (menschlich) schlurfte sie in Richtung Ausgang.

******

„Na dann erzähl mir mal die Einzelheiten.“ Venezia hatte es inzwischen ins DOG-Hauptquartier geschafft, saß gemütlich in einem gnomengerechten Sessel in der Puppenstube und trank ziemlich guten heißen Kaffee, den Harry ihr in einem Fingerhut serviert hatte. So langsam begann sie sich wieder wach zu fühlen.
„Naja, groß was zu erzählen gibt es nicht, das Meiste haben wir ja schon in die A1 gepackt... da sind diese Leute und die verzaubern Anwälte um sie zu entführen. Motiv ist unklar. Das Haus ist gut bewacht und es sieht ganz nach Arbeit von Profis aus. Das war eigentlich alles.“ Obwohl Harry sich eigentlich immer über Besuch eines anderen Gnoms freute wollte er Venezia heute ausnahmsweise so schnell wie möglich loswerden, denn das bedeutete, den Fall erfolgreich abgewälzt zu haben und DAS wiederum bedeutete für ihn den seiner Meinung nach wohlverdienten Feierabend.
„Das heißt dann soviel wie alles was ich habe ist der Ort, an dem die Anwälte gefangen genommen wurden, sehe ich das richtig? Ich muss mich da also selber umsehen?“ Venezias Miene verzog sich zu einem Das-finde-ich-aber-nicht-besonders-angenehm-Stirnrunzeln.
Mitleidig nickte Harry, er konnte nur allzu sehr nachvollziehen, wie unfair das war, mitten in der Nacht kleine Gnome auf die Straße zu schicken um zu arbeiten.
„...und ich nehme stark an, der Observierer der Abteilung DOG hat kein gesteigertes Interesse daran mich zu begleiten?“, fuhr die Gnomin fort.
Harry schenkte ihr ein Lächeln welches ziemlich genau seine Meinung darüber zum Ausdruck brachte... sie lautete so viel wie: Bei dir ist wohl irgend eine Sicherung durchgebrannt!
„Tja, das habe ich mir gedacht...“ seufzte Venezia und erhob sich schwerfällig.
„Dann gehe ich jetzt. Raus. In die Kälte. Alleine.“ Langsam tappste die Gnomin zur Tür. Dort drehte sie sich noch einmal um. „Harry, solltest du dich jemals versetzen lassen, dann sieh zu, dass du in deiner neuen Abteilung keine Dinge unterschreibst wie Einsatzbereitschaft rund um die Uhr oder so... du siehst ja, was dabei herauskommt.“ Leise fluchend verschwand sie in der Nacht.

******

Vorsichtig und mit zusammengebissenen Zähnen erklomm die Gnomin die Mauer, welche das Haus umgab und blickte gespannt in den Garten hinunter. An dem, was Harry ihr beschrieben hatte, hatte sich nichts geändert, die Männer waren immer noch in Position, Armbrustbolzen glitzerten im Fackellicht.
Vorsichtig balancierte sie auf der Mauer entlang, um sich ein genaues Bild der Lage zu machen, in Gedanken verfluchte sie die Abteilung DOG und auch sämtliche andere Abteilungen, die offensichtlich der Meinung waren, die FROGs würden Probleme, die ihnen zu viel Arbeit machten schon lösen.
„Öhm, Chef? Was ist das da oben auf der Mauer?“, hörte sie einen der Männer schräg unter ihr sagen, sein Finger deutete genau in ihre Richtung.
„Ähm... miau?“, versuchte sie es und beeilte sich, auf alle Viere herunter zu kommen.
Der Angesprochene der Männer, ein großer Breiter mit Stiernacken und Dreitagebart warf einen kurzen Blick hoch und wandte sich dann wieder ab. „Das ist nur eine Katze, Pietje, kein Grund gleich nervös zu werden.“
„Öhm... Ja, Chef“, antwortete Pietje und wandte sich wieder dem Haus zu. 10 Sekunden später wandte er sich dem Breiten wieder zu. „Öhm, Chef? Ich habe schon viele Katzen Miauen hören, aber noch nie eine, die Miau SAGT.“
Ruckartig wandten sich die Köpfe der beiden Männer dem oberen Rand der Mauer zu... doch Venezia war schon lange verschwunden.
Mit geschlossenen Augen und sich krampfhaft die Schläfen massierend hockte Venezia in einem Busch, in den sie sich mit einem rettenden Sprung gebracht hatte, und welcher sehr zu ihrer Überraschung nicht den bisherigen Regeln eines Scheißtages folge und dornenfrei war.
Naja, immerhin hatte ihr beherzter Sprung den Vorteil, dass sie sich schon einmal im Inneren des Grundstücks befand.
Vorsichtig streckte sie ihren Kopf durch das Gebüsch und spähte in Richtung der Wachen... keine schien gesteigerte Aufmerksamkeit auf ihr Gebüsch zu werfen, eher im Gegenteil, im Moment suchten viele, viele Augenpaare die Mauerkante ab.
„Jetzt oder nie!“, murmelte die Gnomin sich selber zu, rollte sich aus dem Gebüsch und schlich im Schatten von Dingen auf ihrem Weg (was bei einem Gnom so gut wie alles sein konnte, Steine, Wurzeln, Gartenzwerge...) auf das Haus zu.
Finster lag das Gebäude da. Kein Licht schien durch die geschlossenen Läden, und auch der Fackelschein der Wachen drang nicht bis hierher vor.
Die Tür war zwar geschlossen, jedoch sehr gnomengerecht mit einer Katzenklappe ausgestattet, vorsichtig drückte die Gnomin sich ins Innere des Gebäudes und erblickte... nichts als absolute Finsternis. Selbst das Nachtlicht von draußen, hervorgerufen durch (wenn man romantische Gemüter fragte) Mond und Sterne oder (realistisch betrachtet) den über der Stadt hängenden und von den Lichtern in selbiger angestrahlten Smog drang nicht in den Flur des Hauses.
„Mistundverdammt!“, murmelte die Gnomin leise und fing an, sich vorsichtig vorzutasten.
Flurwand... Flurwand... Flurwand... Tür, Zustand geschlossen... Flurwand... Flurwand... Tür, Zustand geschlossen... Flurwand... Zentimeter für Zentimeter tastete die Gnomin sich vorwärts.
„Iiiiiiiiiiiek!“ ...sie hatte eine Treppe gefunden, die in die Tiefe hinabführte!
Der Lärm, den ihr kleiner Körper machte, während er Stufe für Stufe hinunterpurzelte klang in den Ohren der Gnomin wie lautes Donnergrollen, die kleinen Metallbeschläge auf ihrer Rüstung machten das nicht besser.
Doch plötzlich war es vorbei, sie hatte den unteren Treppenabsatz erreicht. Mit geschlossenen Augen setzte sie sich aufrecht, das dumpfe Dröhnen in ihrem Kopf vorerst ignorierend.
„Autsch!“ kommentierte sie diese zwar interessante aber nicht wiederholungswürdige Erfahrung, dann öffnete sie ihre Augen langsam, in fester Erwartung, von miesen grobschlächtigen Schurken umgeben zu sein, die von Lärm angelockt worden waren und gefährliche Waffen in jeder nur erdenklichen Ausführung auf sie richteten.
Sehr zu ihrer Verwunderung war der Gang jedoch hier unten genauso leer wie oben... und leider auch genauso dunkel.
„So, das reicht mir jetzt aber... ich hab’s probiert mit heimlich und so... es kann keiner sagen, ich hätte es nicht wenigstens versucht! Aber genug ist genug! Ich will Licht!“ Leise vor sich hinfluchend kramte die Gnomin in einer kleinen Gürteltasche und zog eine fetttriefende Papiertüte heraus, die im Inneren ungesund grünlich leuchtete.
Mit spitzen Fingern griff sie hinein und zog einen kleinen Wurstzipfel heraus... das grünliche Licht wurde stärker und erhellte leicht den Gang vor der Gnomin.
„Ah ja, schon besser... und da sag noch mal einer, Schnapper würde keine gute Ware anbieten.“
Energisch stapfte sie weiter in die tieferen Kellergewölbe.

******

Immer mehr begann der sich vor der Gnomin erstreckende Gang sie an den Keller der Wache zu erinnern, links und rechts befanden sich inzwischen keine normalen Zimmertüren mehr, sondern schwere Eichentüren, in denen oben ein kleines Gitter eingelassen war, genauso wie im Zellentrakt am Pseudopolisplatz.
Gerne hätte sie einmal einen Blick ins Innere so einer Zelle geworfen, allerdings war ihr der Arbeitsaufwand, eine dieser Türen zu erklimmen, zu hoch dafür, dass sie eventuell doch nur einen staubigen leeren Raum erblicken würde.
Seufzend machte sie sich weiter auf den Weg, den langen Kellergang hinunter. Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen... schnell ließ sie den Wurstzipfel verschwinden (in ihrem Mund), presste sich an die Wand und lauschte.... sie hatte etwas gehört... ein Geräusch, welches verdächtig nach einem manischen Schurkenlachen klang!
Jetzt, wo es um sie herum wieder vollkommen dunkel war, konnte sie auch am Ende des Ganges unter einer geschlossenen Tür schwachen Lichtschein ausmachen. Vorsichtig schlich sie sich näher, begleitet von dem Lachen aus dem Kellerzimmer, welches ab und zu einmal abbrach, da der Lachende wohl irgend etwas sagte, was die Gnomin nicht verstehen konnte.
Langsam und unter leisem Ächzen zog Venezia sich am Türrahmen hoch, sie hatte weiter oben ein Astloch erspäht, durch das sie ins Innere des Raums gucken konnte, und vielleicht konnte sie auch ein wenig lauschen, wenn sie ihr Ohr an das Loch presste.
20 Zentimeter unter dem Loch bohrte sie ihren Säbel fest in das Holz, damit sie etwas zum Abstützen hatte, stellte sich drauf und blickte gespannt in den Raum.
Dieser war erhellt von einigen Kohlebecken in den Ecken, Venezia konnte noch einen Schreibtisch an einer Wand und einen einzelnen Stuhl in der Mitte des Raumes erkennen, auf dem gefesselt und mit leerem Blick eine Person saß. Vor ihm stand eine weitere Person, welche Venezia sofort als Vampir identifizieren konnte, blasse Haut, dürres Gesicht geziert von einer Hakennase, dunkle nach hinten gefettete Haare und schwarz in allen Variationen als Kleidungsstil. Ansonsten war der Raum leer, wenn man von dem manischen Lachen absah, welches die Luft erfüllte.
Der Vampir hob die (natürlich lange, dünne, blasse) Hand und schnippte einmal vor dem Gesicht des Gefesselten mit den Fingern. Dessen Blick klärte sich sofort auf, einen Moment schaute er sich überrascht um, um seine Augen dann wütend auf den Vampir zu heften. „Huberto Hintenrum, was in aller Welt soll das?!?“ schmetterte er lautstark.
Dies war der Moment, an dem Venezia ihr Ohr an dem Loch für sinnvoller hielt als ihre Augen.
„Dasssss, mein Lieberrrrr, werrrrrde ich dirrrrr ssssselbssssstverrrrrrssssständlich errrrrklärrrrren“ antwortete der Angesprochene, gefolgt von einem Lachen, welches Venezia so ganz allmählich zum Hals raushing.
Die Gnomin konnte die charakteristischen Schritte eines Bösewichts hören, der bedeutungsschwanger vor seinem Opfer auf und ab ging... wobei es sich hier um einen Anwalt als Opfer handelte und der Gnomin dementsprechend die Opferrolle nicht ganz so einleuchtend war wie sonst in ähnlichen Fällen.
„Du und auch die anderrrrren Sssssspitzzzzenanwälte, wie ihrrrr euch sssselberrrr nennt, werrrrden nicht mehrrrrr fürrrrr die Gilde arrrrrbeiten. Nie wiederrrrr!“
Die kleine Kunstpause, die der Vampir jetzt machte passte perfekt in Schurkenprofil C, welchem Venezia den Mann bereits zugeordnet hatte.
„Und nie wiederrrrr werrrrrde ich in derrrr Gilde die Rrrrrolle desssss ewig verrrrrlierrrrenden Verrrrteidigerrrrrs überrrrnehmen! Nie wiederrrrr!!!“
Höhnisch lachte der Angesprochene. „Du hast doch nicht etwa vor, Spitzenanwalt zu werden? Du kannst froh sein, dass Schräg dich überhaupt angestellt hat! Sieh doch der Wahrheit einmal ins Gesicht.... du bist ein Nichts, eine Niete, die nur in der Gilde ist, weil Schräg die Minderheitenbestimmung des Patriziers erfüllen muss!“
Ein tiefes Knurren erklang aus der Kehle von Huberto, etwas lauter fuhr er fort: „Das ist nicht wahrrrr, ich hatte nurrr nie die Chance, meine Fähigkeiten zu beweisssssen, weil ich immerrrr nurrrr verrrrteidigt habe, in den unrrrrrettbaren Fällen, immerrrr warrrr ich euerrrr Sssssündenbock, aberrrr dassss issst nun vorrrrbei, ich werrrrrde Sssssspitzenanwalt, weil die Gilde keine anderrrrre Möglichkeit hat, sssssie müsssssen mich nehmen, weil ssssssie bald keine anderrrren Anwälte mehrrrrr haben!“
Grinsend ließ Venezia sich mitsamt ihrem Säbel fallen. Sie hatte genug gehört, der Fall lag bereits so gut wie bei den Akten. Fröhlich pfeifend machte sie sich auf den Rückweg aus dem Keller.

******

„Schon wieder da? Laden gestürmt, Verbrecher gefangen?“ begrüßte Daemon die breit grinsende Gnomin, als sie in die Boucherie Rouge schlenderte.
Wortlos erklomm Venezia den Schreibtisch des Abteilungsleiters, zog ein Berichtsformular aus der Ablage und begann schnell zu schreiben.
„Hallo?!? Ich rede mit dir!“ lamentierte Dae beleidigt, doch die Gnomin winkte nur ab.
Nach wenigen Minuten legte sie den Stift aus der Hand und blickte Daemon an. „Hast du hier auch deine Schulbade, in die du wild irgendwelche Blätter reinstopfst ohne sie jemals zu sortieren?“
Der Abteilungsleiter deutete stumm nach unten an seinen Schreibtisch. Venezia folgte seinem Finger und blickte in das Schlafparadies für Gnome.
„Weck mich bitte, wenn Schräg kommt.“ Bösartig grinsend hüpfte sie in die Schulbade und wühlte sich in den Papierkram ein. „Das will ich nicht verpassen.“
Dann schlief sie ein, begleitet von Daemons gehässigem Lachen, während er ihren Bericht las.

******

Venezia und Harry hatten es sich an der Kaffeekanne auf Daemons Schreibtisch gemütlich gemacht, an dem der Abteilungsleiter saß und die drei diskutierten über alte Zeiten als die Wache noch klein und abteilungslos war, als die Tür aufgerissen wurde und Schräg wie eine Naturgewalt hereinrauschte.
„Eine bodenlose Unverschämtheit ist das!“, donnerte er los. „Schon wieder ist einer meiner Leute verschwunden und Sie machen hier einen faulen Lenz!!!“
Die schauspielerische Leistung Daemons, als er ein unterdrücktes Gähnen imitierte war grandios. Doch auch Schräg, der es wahrscheinlich als erster Zombie der Scheibenwelt schaffte, rot anzulaufen hätte dafür bestimmt einen Oscar bekommen.
„Mag sein, dass wieder einer Ihrer Leute weg ist“, setzte Daemon dann doch irgendwann an. „Aber das interessiert uns ehrlich gesagt einen feuchten Kehricht.“ Freundlich lächelte er Schräg an, dem offensichtlich gerade das Wort im Hals steckengeblieben war und der sinnlos mit dem Finger vor Daemons Nase herumfuchtelte.
„Kaffee?“ fragte Venezia freundlich.
„Ich hole Ihnen eine Tasse“, fügte Harry fröhlich hinzu.
„KAFFEE?!? Ich WILL keinen Kaffee! Ich will, dass Ihre Abteilung aufgelöst wird, und zwar SOFORT!!! Ich werde mich unverzüglich zum Patrizier begeben!“ wütend blickte Schräg in die Runde.
„Das können Sie gerne tun, aber Ihr Wunsch entbehrt jeglicher Grundlage.“
„Entbehrt jeglicher Grundlage??? WAS SOLL DAS HEISSEN, ENTBEHRT JEGLICHER GRUNDLAGE???“
Daemon war inzwischen aufgestanden und hatte dem Gildenoberhaupt die Hand auf die Schulter gelegt. „Hören Sie zu, guter Mann.“ Diesmal klang bei Daemon das „guter Mann“, als wolle er in Wirklichkeit „Abschaum“ sagen. „Tun Sie nicht so, als würden wir unsere Arbeit nicht tun, denn das ist nicht der Fall, und wenn Sie weiter so machen, dann könnte es passieren, dass ICH mich über SIE beim Patrizier beschwere, denn dazu haben Sie nicht das Recht. Wir HABEN uns um Ihr Anliegen gekümmert, und wir WISSEN, wer der Täter ist. Und genau deswegen geht uns dieser Fall nichts mehr an.“
Irritiert schaute Schräg Daemon an, bar jeder Worte.
„Wissen Sie, da es sich bei dem Entführer um ein Mitglied ihrer Gilde handelt und es sich bei dem Entführten ebenfalls um Anwälte handelt, ist dieser Fall laut Paragraph 7, Absatz 3 des Gildengesetzes Gildenangelegenheit, und somit DÜRFEN wir uns nicht einmischen, selbst wenn wir WOLLTEN.“ Daemon grinste. „Was wir selbstverständlich nicht tun.“
Er packte Schrägs Hand und schüttelt diese. „Auf jeden Fall wünsche ich Ihrer Gilde viel Erfolg beim Aufklären ihres Falls. Wenn Sie jetzt bitte gehen würden? Wir haben zu tun.“
Von Venezias und Harrys Lachen begleitet schob er den sprach- und wehrlosen Herrn Schräg aus der Boucherie heraus...



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