Reden ist Silber, Schweigen ist Gold, Waffen sind doof

Bisher hat keiner bewertet.

von Gefreite Lilli Baum (RUM)
Online seit 09. 03. 2006
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 Außerdem kommt vor: Carisa v. Schloss Escrow

Der Kaffeedämon macht sich über Lillis Kariere Gedanken. Darum will er sie in Waffengebrauch schulen - mitten in der Nacht. Doch das Gesetz schläft nie - genauso wie das Verbrechen. (Diese Mission spielt noch zu Lillis Rekrutenzeit und vor der Strafsingle, deshalb nicht bewertet)

Für diese Mission wurde keine Note vergeben.

Wächter. Sie sind das Herz und die Seele, die Ankh-Morpork am laufen halten. Das Immunsystem der Stadt, das Verbrecher mit Antikörpern fesselt und anschließend wie eine gewaltige, große Makrophage phagozytiert. Die Leute, zu denen kleine, idealistische Kinder aufschauen, bis diese sich einreden, dass sie auch Helden des Alltags werden wollen.
Rekruten. Das Endprodukt dieser verhängnisvollen Assoziation. Kleinkriminelle, die eigentlich schon durch ihre reine Existenz die städtische Ordnung bedrohen. Sie stehlen und morden zwar nicht, aber dafür ist ihr Weg von einem Pfad der Verwüstung gekennzeichnet. Sie tun es zwar nie absichtlich, denn sie haben gute Absichten, dennoch sind sie destruktiver als ein mittelgroßer Tornado, besonders wenn sie sich zu Horden zusammenschließen.
Nur ein paar Exemplare scheinen keine guten Absichten zu hegen. Nicht einmal irgendwelche Absichten. Beziehungsweise hegen sie Absichten, die keiner nachvollziehen konnte. Wie zum Beispiel Rekrutin Lilli.

"Also", sagte der Kaffeedämon und kratzte sich dann am Kopf: "Also... äh..."
Lilli hob eine Augenbraue, drehte sich dann um und wollte gehen. Sie hatte von Anfang an nicht verstanden, warum der Kaffeedämon sich auf den Übungsplatz hatte bringen und anschließend ein altes Holzfass, auf dass ein paar konzentrische Kreise in Kniehöhe [1] aufgemalt waren, hatte setzen lassen wollen.
Und das auch noch um drei Uhr nachts.
"Hey, bleib da!", rief der Kaffeedämon und stemmte die kleinen Kaffeedämonenfäustchen in seine Seiten: "Ich will dir doch helfen!"
Lilli schaute zurück: "?"
"Ja, ich wollte dir helfen. Die ganzen anderen Rekruten wurden kürzlich befördert, nur du nicht! Ergo muss du irgendwo noch Lücken haben. Außerdem habe ich neulich ein Gespräch zwischen den Ausbildern mitbekommen, und da habe ich gehört, wie die eine sich beschwert hat, dass du zu gar nichts taugst. Ha! Der werden wir es zeigen. Hier und jetzt werde ich dich den Umgang wenigstens einer Waffe lehren! Ich werden dein Trainer und Mentor sein!"
Der Rekrutin schwante Übles. Sie bedachte den Kaffeedämonen mit einem skeptischen Blick.
Er winkte ab: "Nun gut, ich selbst habe zwar nie eine Waffe in Händen gehalten, aber das heißt nicht, das ich keine Ahnung hätte. Ich bin nämlich jedes Mal, wenn die Rekruten hier unten trainiert haben von meinem Arbeitsplatz bis zum Fenster gelaufen und habe zugeschaut! Ich weiß alles über Waffen! Ich bin ein wahrer Meister. Du wirst noch sehen, irgendwann wird die Stadt in allergrößter Not sein und dann wird der Chef zu mir kommen und sagen: 'Paul, du bist unsere einzige Rettung! Hilf uns!'"
Lilli kritzelte eilig etwas auf ein Kärtchen, während der Kaffeedämon sein Heroenepos weiterspann: "Und dann werde ich Ha! Und Ho!", der Kaffeedämon begann auf der Stelle zu tänzeln und gegen einen unsichtbaren Gegner zu kämpfen, " Und He! Und wieder Ha! Und der Feind wird dann zu meinen Füßen kriechen und um Gnade winseln! Aber ich, ich werde hart bleiben! Und dann wird mir eine Medaille verliehen, so groß wie mein Kopf, nein so groß wie meine komplette Person und man wird mir einen besseren Posten anbieten, aber ich werde pflichtbewusst und bescheiden ablehnen und sagen: 'Nein! Ich will so bleiben, wie ich bin!' Und dann werden sie mir zu ehren eine riesige Parade abhalten und jeder Kaffeedämon und Kaputtschinodämon und jede Kaffeedämonin und Kaputtschinodämonin wird nur bei dem Gedanken an mich voll Stolz erfüllt sein! Und dann..."
Die Rekrutin reichte dem Kaffeedämonen das endlich fertig beschriebene Kärtchen: "Paul? Wer ist eigentlich Paul?"
"Na ich", sagte der Kaffeedämon verdutzt und rieb sich am Kopf. "Habe ich dir etwa noch nie verraten, wie mein Vorname lautet? Da kennen wir uns schon so lange, und du weißt nicht einmal meinen kompletten Namen. So eine Schande! Warum hast du nicht einfach 'mal gefragt?!"
Lillis Augen verengten sich zu Schlitzen.
"Oh", sagte der Kaffeedämon: "Ach so, ich vergaß... War keine Absicht... Weißt du was, ich mache das wieder gut! Indem ich dich um Umgang mit Waffen schule!"
Und schon hatte es der Kaffeedämon geschafft, zum ursprünglichen Thema zurückzukehren.
Sehr zu Lillis Leidwesen. Es war ja nicht so, dass sie Waffen hasste, sie verstand sie einfach nicht. Warum zum Teufel sollte man mit einem Holzbolzen auf harmlose Zielscheiben schießen? Wozu sollte das gut sein, mit einem stumpfen Stück Stahl arme Strohpuppen zu verstümmeln? Wenn sie irgendwelche Verbrecherische Subjekte hätte traktieren sollen, ja dann hätte sie es verstanden, dann wäre es logisch gewesen. Aber warum zur Hölle ging man im Unterricht ständig auf unschuldiges, pflanzliches Material los? Das war einfach unmen... unbäumisch! Sie verstand diese ganze verdammte Organisation nicht.
"Wir sollten also gleich beginnen Lilli! Am besten holst du gleich mal alles, was du an Waffen finden kannst!"
Lilli schaute sich auf dem Übungsplatz um. In einer Ecke standen einige schon sehr lädierte Übungspuppen, in einer anderen ein alter Holzschuppen, an einer Mauer waren mehrere Zielscheiben platziert, ansonsten war der Übungsplatz leer. Und schlampig gepflastert. Hier und da wuchs ein Büschelchen Gras, und ein gebrauchtes Ohnesorge lag herum. Ein Rechteck hatten die Pflasterer sogar komplett ausgespart, aber statt mit üppigen Grün überwuchert zu ein, war da nur der jämmerliche Rest zertrampelten Grases zu sehen. Lilli wusste auch warum, denn das war die Stelle, an der sie Nahkampf trainierten, weil Erde ja weicher war als Stein (aber nur unwesentlich, denn sie war durch Generationen von Rekruten (zu denen ja auch ab und an Trolle zählten) zu einer kompakten, beinahe unzerstörbaren Masse geworden, so fest wie ein Zwergesbrötchen. Warum dennoch darin etwas Gras wuchs? Nun, Pflanzen waren zäh.)
Den unbewaffneten Kampf verstand Lilli auch nicht. Warum sollte sie ihre Kollegen und Ausbilder den schlagen? Solange niemand mit einer Axt oder Säge kam, war in Lillis Welt alles in Ordnung, schließlich würde doch nur ein Idiot einen Baum attackieren. [2]
Sie fand generell die Vorstellung, sich gegenseitig zu verletzen, idiotisch.
Ein Baum würde nie einem anderen angreifen, nie nach ihm schlagen, oder treten. Nein, als Pflanze hatte man viel elegantere Methoden. Man wuchs einfach schnell genug, das der andere statt Sonnenlicht nur noch mageren Schatten bekam. Oder man stahl ihm das Wasser. Oder war einfach widerstandsfähiger und ließ den anderen vom Ungeziefer fressen, während man selbst seelenruhig zuschaute. Aber man durfte nie zu gut aussehen. Sonst kamen diese idiotischen Menschen mit einer Säge und entfernten einem von seinem angestammten Standort. Um... unsägliche Dinge mit einem anzustellen. Lilli erschauderte. Sie hatte einmal vor geraumer Zeit versehentlich die Werkstadt eines Geigenbauers betreten. Selbst jetzt noch hatte sie Rekrutin immer noch Albträume, in denen Bratschen versuchten, die Welt zu erobern.
Aber auf jeden Fall waren am Übungsplatz keinerlei Waffen zu sehen, sah man einmal von einer Fackel ab, die an der Wand befestigt war. Aber der Kaffeedämon würde nicht auf die dämliche Idee kommen und verlangen, dass sie die Fackel zweckefremden soll. Schließlich hätten sie dann kein Licht mehr. Außerdem würde sich die Rekrutin dann wohl auch standhaft weigern. Sie mochte Feuer ganz und gar nicht.
Lilli grinste und zeigte dem Dämonen die leeren Handflächen.
Dieser schaute verärgert zurück: "Lilli, ich weiß, dass du weißt, dass die Waffen nicht am Übungsplatz aufbewahrt werden! Abmarsch! Zur Waffenkammer, aber zack zack!"
Lilli salutierte, wie sie es immer tat, wenn jemand so einen Tonfall anschlug (denn das mit dem Salutieren hatte sie auch noch nicht wirklich durchschaut, eigentlich salutierte sie fast ständig), und machte sich dann in Richtung Waffenarsenal auf, das eigentlich nur der schon erwähnte, alte Holzschuppen in der drehwärtigen Ecke des Übungsplatzes war.
Dann tat sich aber ein großes Problem vor Lilli auf. Das darin bestand, das der Schuppen zu war, und mit einem Schloss gesichert. Die Rekrutin rüttelte probeweise an der Tür und als diese nicht aufging, warf sie einen flehentlichen Blick zu Paul. In der Hoffnung, dass er endlich seine komische Idee aufgeben würde und dass sie beide wieder auf einen gemütlichen, wenn auch recht einseitigen, Plausch in die Kantine gingen.
Ihr lag wirklich viel an der Freundschaft zum Kaffeedämonen, und das nicht nur, weil sie so garantiert an Kaputtschino herankam, aber wenn er noch so weitermachte, dann war das irgendwann der Tropfen, der das Kaffeefass zum Überlaufen brachte.
"Los, Lilli lass dich nicht unterkriegen! Du willst dich doch wohl nicht von einem popeligen Schloss aufhalten lassen!"
Dies war einer der wenigen Momente, in denen es Lilli allzu verlockend erschien zu sprechen; sie hätte dann gesagt: "Doch, ich werde mich von einem popeligen Schloss unterkriegen lassen!"
Aber sie hätte nicht schon seit Jahren geschwiegen, wenn da kein triftiger Grund gewesen wäre. Und sie ließ sich sicher nicht dazu hinreißen, alles nur aus einer Laune heraus zunichte zu machen. Es war ihr sonnenklar: Wenn sie beim ersten Mal nicht durchhielt, dann würde sie es auch beim zweiten Male nicht schaffen. Lilli hatte nur eine einzige Chance...
Schulterhängend wandte sich die Rekrutin wieder dem Waffenschuppen zu. Sie rüttelte an dem Schloss, in zweigespaltener Hoffnung, dass es hielt und zugleich, dass es nicht hielt. Beide Optionen schienen ihr zugleich verlockend und abstoßend.
"Fester, Lilli, fester! Streng dich an!", feuerte Paul sie an.
Lilli begann am Schloss zu ziehen. Als das nichts brachte, stemmte sie einen Fuß gegen die Brettertür und hängte sich mit ihrem ganzen Gewicht daran.
Doch jenes Exemplar blieb unbeeindruckt und bewachte weiterhin eisern die Tür. Wie es sich für ein gutes Schloss gehörte.
Die Rekrutin gab auch diese Idee auf.
"Lilli!", kam es tadelnd aus rückwärtiger Richtung.
Blöder Kaffeedämon! Blödes Schloss! Genervt trat Lilli gegen die Tür.
Trockenes Holz splitterte. Irgendwo in einem der Gebäude, die den Übungsplatz einschlossen ging ein Licht an. Atemlos verharrten Lilli und der Dämon. Dann ging das Licht wieder aus.
Mit zusammengebissenen Zähnen zog Lilli ihr Bein aus der Tür und machte sich daran, die Holzsplitter aus ihrem Schienbein und der Wade heraus zu zupfen. Rotes Blut tropfte auf den Pflasterstein, manche Splitter waren groß gewesen und hatten sich tief in ihr Fleisch gebohrt. Es tat ganz schön weh, aber man merkte ihr nichts an. Es müssten schon wirklich schlimme Wunden sein, bevor sie zeigte, dass sie Schmerzen hatte. Bäume kannten keinen Schmerz, also durfte Lilli auch keinen kennen.
Dann besah sie sich das Loch näher. Das Holz war offensichtlich sehr alt und morsch. Eigentlich hätte ihr das schon früher auffallen müssen. Sie hätte sich nicht diesem dämlichen Schloss widmen sollen, sondern gleich dem alten Schuppen selbst.
Vorsichtig begann die Rekrutin das Loch zu vergrößern, was nicht sonderlich schwer war, denn kaum hatte sie ein Stück aus der Tür gebrochen, kamen zwei weitere von alleine nach. Binnen Augenblicken war das Loch groß genug, dass sie bequem hindurchsteigen konnte.
Es schepperte leise im Waffenschuppen und der Kaffeedämon musste schon sehr angestrengt in das dunkle Loch starren, wollte er Lillis Schemen erkennen.
Dann kam sie wieder heraus. Beziehungsweise der Stil einer Waffe. Dann kam der Rest, zusammen mit Lilli. Schwer beladen humpelte sie auf den Kaffeedämon zu und ließ ihre kleine Auswahl zu den Füßen des Kaffeedämons fallen. Metall schepperte auf Stein.
Irgendwo begann ein Hund zu bellen. Irgendwo anders schrie jemand aus dem Fenster: "RUHE!!! Verdammt noch mal, ich will SCHLAFEN!"
Ansonsten war es still.
Skeptisch betrachtete der Kaffeedämon Lillis lädiertes Bein, aber da sie keiner Anzeichen von Schmerz zeigte, sprach er sie nicht darauf an. Interessiert begann er die Ausbeute zu betrachteten und klatschte in die Hände: "Damit lässt sich doch arbeiten! Lilli, nimm dir 'mal die Armbrust, ganz unten, siehst du sie?"
Lilli nickte und griff danach, doch zuckte dann zurück. Sie hatte sich versehentlich an einem Schwert an der rechten Hand geschnitten. Automatisch wanderte die Hand zum Mund und Lilli begann an der Stelle zu lutschen.
Vorsichtig begann sie die Waffen mit dem Stiefel auseinander zu schieben, und achtete dabei sehr darauf, dass das Schwert möglichst weit über den Steinboden wegschlitterte. Als die Armbrust frei zugänglich war, griff sie mit der Linken danach.
"Du willst doch nicht mit links eine Armbrust bedienen?", fragte Paul besorgt. Der Schnitt sah übel aus. Sie musste nur aufhören wollen, dann würde er auch aufhören. Er war kein Sadist, schließlich wollte er nur ihr Bestes.
Lilli schaute ihn durchdringend an und nahm dann die Armbrust ohne mit der Wimper zu zucken in die Rechte. Innerlich verspürte sie Lust im Dreieck zu hüpfen, sosehr schmerzten ihre Verletzungen. Aber sie durfte keinen Schmerz zeigen, denn sie war ein Baum. Und wenn die anderen Bäume von so etwas hören würden, dann wäre sie in der ankh-morpikinischen Gesellschaft unten durch. Und Lilli wollte sich nicht mit dem Abschaum der Pflanzenwelt, dem Gemüse abgeben. So viel Stolz hatte sie noch. Also hieß es Zähne zusammenbeißen und sich nichts anmerken lassen. Indianer... ähm Bäume kennen keinen Schmerz!
"Nun... machen wir weiter. Eine Zielübung. Ist überhaupt ein Bolzen in der Armbrust?"
Lilli besah sich die Waffe und sah ein metallisches Glänzen an entsprechender Stelle. Komisch, eigentlich waren die Trainingsbolzen doch aus Sicherheitsgründen aus Holz. Aber die Waffe stammte ja aus dem Übungsarsenal; vielleicht hatte jemand nur den Bolzen irgendwie angemalt... Sie nickte.
"Nun, dann wollen wir es doch einfach 'mal probieren", sagte Paul: "Ziel einfach 'mal auf die Scheibe dahinten!"
Lilli spähte durch das Halbdunkel. Sie packte die Armbrust mit beiden Händen und zielte auf die Scheibe, kniff dabei ein Auge zu, um besser abzuschätzen. Dann betätigte sie den Abzug. Der Bolzen sirrte durch die Luft, verfehlte die Scheibe, prallte an der Mauer ab und streifte Lillis linken Oberarm, so das ihr Hemd an der Stelle zerrissen wurde.
"Lilli! Ist dir was passiert?!", rief der Kaffeedämon entsetzt.
Langsam schüttelte die Rekrutin den Kopf, während warmes Blut ihren Arm herabrann.
Nur nichts anmerken lassen, nur nichts anmerken lassen...
"Vielleicht war das doch keine so guter Idee mit dem Training.... Wir sollten besser aufhören!"
Lilli schüttelte heftig den Kopf. So weit käme es noch! Jetzt würde sie nicht mehr aufhören, was sollte ihr schließlich noch passieren? Schlimmer konnte es nicht mehr kommen, bestimmt.
Sie wandte sich Paul zu und schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln und schüttelte den Kopf abermals.
"Nun... ich weiß nicht recht... aber wenn du darauf bestehst..."
Lilli legte die Armbrust auf den Boden.
"Ähm... ja... besser wir nehmen eine andere Waffe... wie wäre mit dem Bogen da?"
Die Rekrutin griff nach dem Bogen, schaute sich um, konnte aber keinen Köcher entdecken. Langsam humpelte sie zu Schuppen, kletterte durchs Loch hinein. Drinnen brauchte sie einen Moment, bis sie einen Köcher fand. Was daran lag, dass sie einen Augenblick lang innehielt und ihrem Gesicht gestattete sich schmerzgeplagt zu verzerren.
Verdammt! Wenn das hier vorbei war, dann würde sie erst einmal ein paar Liter Bier auf Ex trinken. Alkohohl trinken war zum Glück nicht so schlimm wie Schmerzen empfinden, denn Bäume tranken zwar normalerweise keinen, aber das Zeug konnte immerhin als nähstoffhaltige Lösung durchgehen. Und damit war es legitim, man konnte immer noch den anderen Bäumen in die Augen... ähm Astlöcher schauen.
Langsam kehrte sie zum Kaffeedämon zurück und nahm neben ihm Aufstellung. Sie nahm einen Pfeil aus dem Köcher und stach sich dabei unversehens an der Spitze eines anderen. Aber diese Verletzung war im Vergleich zu den anderen so lächerlich, dass Lilli sie einfach ignorierte. Aber seltsam fand sie es schon, dass die Pfeile alle Eisenspitzen hatten. Normalerweise waren die Übungspfeile doch nur angespitzte Stöcke? Auch der Bogen erschein Lilli mit einem Male besser gearbeitet, als die lädierten und abgenutzten Dinger, die sie sonst benutzten...
Benebelt schüttelte sie den Kopf. Ihr war leicht schummrig.
Langsam legte sie den Pfeil in den Bogen ein und begann zu zielen.
"Nein Lilli, doch nicht so, höher! Und mehr links! Aber nicht zu sehr! Jetzt gib dir doch endlich 'mal etwas Mühe, selbst meine kranke Großmutter zielt besser."
Lilli ließ den Bogen sinken und funkelte den Kaffeedämonen zornig an.
"Oh... entschuldige, ich wollte dich nicht bei deiner Konzentration stören... aber du bist wirklich eine absolute Niete, wenn es das Zielen angeht!" Der Kaffeedämon hat kurzeitig alle Bedenken vergessen und war in seine Lehrmeisterrolle zurückgefallen.
"!", entgegnete Lilli und dann "?!!"
Der Pfeil hatte sich gelöst und hatte sich mit einem leisen Fmph! in den Stiefel ihres unverletzten Beines gebohrt. Lilli atmete scharf ein, packte den Pfeil und versuchte ihn herauszuziehen, aber er brach ab.
"O, mein Gott! Lilli! Schnell, das muss behandelt werden!"
Die Rekrutin wankte und winkte ab. Sie schleuderte den Bogen fort und setzte sich auf den Boden. Dann holte sie ihr Schreibzeug heraus und schrieb. Sie hielt immer wieder inne und blinzelte. Die Schmerzen summierten sich zu etwas, was ihr die Tränen in die Augen trieb. Aber sie würde sich zusammenreißen, schließlich war sie kein Mensch, sie war ein Baum! Schmerz, was war das schon! Obwohl es sehr schwer ist, Schmerzen zu ignorieren, die einem den Atem raubten.
Nach einer Weile rappelte sie sich auf und reichte dem Kaffeedämon ein Kärtchen: "Der Pfeil steckt nur im Leder fest. Sehr dickem Leder!"
Das Pochen und Ziehen strafte ihrer Worte Lügen. Billige Stiefel, wie sie Lilli trug, hatten dünnes Leder. Viel zu dünnes Leder.
Der Kaffeedämon schüttelte energisch den Kopf: "Nein, Lilli wir hören jetzt auf, das war eine schlechte Idee von mir. Komm, bitte, lass uns wieder reingehen!"
Paul begann zu flehen, denn allmählich zerfraßen ihn die Sorgen und Schuldgefühle.
Lilli schüttelte sich, und taumelte dann einige Schritte weg, um eine weitere Waffe aufzuheben.
Paul kletterte mühsam vom Fass: "Nein, Lilli, ich meine es ernst! Hören wir auf, es ist spät und genau genommen auch nicht erlaubt, komm schon, gehen wir wieder rein!"
Er klammerte sich an eines von Lillis Beinen und wurde weinerlich
"Komm schon Lilli, lass die dumme Axt fallen! Wir hören auf! Bitte!"
Lilli blinzelte und warf die Axt angewidert weg. Äxte waren nicht gut, Äxte waren böse, mit Äxten fällte man Bäume...
"Gut Lilli, lass uns gehen, ja?!"
Den Kaffeedämon hatte die leise Hoffnung erfasst, dass Lilli doch noch zur Vernunft gekommen war.
Doch diese hörte nicht mehr wirklich hin. Sie taumelte ein wenig und griff sich dann einen langen Stiel.
"Aber Lilli, leg die Hellebarde weg! Hellebarden taugen nichts!", Paul versuchte es nun, da es mit Flehen nicht zu klappen schien, mit Logik:" Hellebarden sind unpraktisch. Sie sind unhandlich, lassen sich kaum verbergen und sind ständig im Weg! Jeder Wächter weiß, dass Hellebarden eigentlich nur Dekoration sind."
Bis zu Lilli drang nur noch das Wort Hellebarde hindurch. Gut. Solange es keine Axt war, war alles in Ordnung. Sie konnte den langen Holzstiel fühlen, der schon oft erprobt und abgegriffen war. Sie konnte fühlen, wie das Holz von Begegnungen mit Hunderten von Rekruten erzählte, die sich mit ihm abgemüht hatten, ohne wirklich zu begreifen.
Lilli schwankte.

Derweil fiel auf einer Hofseite ein Seilende herab und zwei Gestalten kamen im Dunkel herabgeklettert. Sie waren vollkommen in ein Gespräch vertieft und hatten deshalb das Chaos im Übungshof nicht bemerkt.
"Chef, ich bin so froh, das wir endlich die Waffen wieder zurück holen. Ich hatte echt ein schlechtes Gefühl, denn geklaute Waffen in einem Waffenschrank der Waffe... ähm Wache zu verstecken erschien mir eigentlich viel zu gefährlich. Aber wenn das hinhaut, dann ähm... haut das voll hin! Niemand anderes würde uns glauben, das uns beiden Anfängern so ein Coup gelungen ist! Ich bin wahnsinnig beeindruckt."
Der Redende war klein und wirkte irgendwie... kartoffelähnlich.
Der größere von beiden, der, der Chef genannt worden war, war groß schlank und gutaussehend. So wie verklärte Gestalten sich vielleicht Assassinen vorstellten, denn er trug elegante schwarze Kleidung und bewegte sich geschmeidig, wie eine Katze. Tja, der Chef von den beiden legte wirklich großen Wert auf ein gepflegtes Äußeres. Aber er war nicht gerade mit Intelligenz gesegnet. Sonst hätte er vorher nach untern gesehen, bevor er in den Hof geklettert war.

Lilli konnte das Holz fühlen. In gewisser Weise war sie das Holz. Sie war ein Baum und das Ding in ihren Händen war mal Teil eines Baumes gewesen. Die Hellebarde war genau ihr Ding. Sie nahm sie in die rechte Hand und schwang sie probeweise durch die Luft. Sie spürte die volle Kontrolle über die Waffe. Unpraktisch? Von wegen!

Das Wimmern von Paul war nur ein zu vernachlässigendes Nebengeräusch.

Mittlerweile waren die beiden Nachwuchsgauner unten angekommen. Dort offenbarte sich ihnen ein wahres Schlachtfeld. Überall lagen Waffen verstreut und mitten in einem Haufen davon stand ein Baum?.... nein, ein Blinzeln später erkannten sie eine junge Frau, die aus allen erdenklichen Wunden zu bluten schien, und an der sich ein Kobold oder so zu klammern schien. Außerdem schwang sie eine Hellebarde herum.
"HEY!", rief der kleine Gauner mit lauter Stimme: "Das sind unsere Waffen!"
In einem Fenster oben ging ein Licht an.
Der Größere nahm sich wortlos das Schwert und starrte auf getrocknetes Blut darauf: "Unser Diebesgut ist besudelt. Der werden wir es zeigen!"
"Genau!", meinte der Andere und schaute sich um, um nach der Axt zu greifen. Beide teilten sich auf, umkreisten Lilli und wollten sie von zwei Seiten aus angreifen.
Oben im Fenster erschien eine Gestalt. "LILLI!", rief sie erbost. Dann wurde ihr die Situation klar: "Lilli?!!"

Die Rekrutin befand sich in einem Nebelgebilde aus Schmerz. Vor ihr tauchte ein Schemen auf. Sie schlug mit der Hellebarde nach ihm.
"Hey!", rief der kleinere und wich in letzter Sekunde der Hellebarde aus. Einen Moment später sollte es sich als fatal herausstellen, dass Lilli sich unter den ganzen fabrikneuen Waffen ausgerechnet ein altes Wachemodel gegriffen hatte.
Der Kleine schlug mit der Axt nach dem vorderen Teil der Hellebarde, der daraufhin zersplitterte. Lilli konnte fühlen, wie sich das Gewicht veränderte. Sie taumelte und ließ die nutzlosen Überreste fallen.
Instinktiv wich sie einen Schritt zurück, spürte plötzlich einen Widerstand und stolperte rückwärts über die Waffen am Boden. Sie schlug mit dem Hinterkopf auf.
Ihr wurde schwarz vor Augen, doch intuitiv tastete ihre rechte Hand nach etwas. Es fand einen Gegenstand, nicht groß, brötchenförmig. Ja, Brötchen waren gut, Brötchen stammten von Getreidepflanzen. Mit letzter Kraft warf Lilli das Wurfgeschoss in Richtung des Schemen.

Donk! Der kleinere Gauner fühlte wie ein steinharter Gegenstand an seine Stirn klatschte und kippte einen Moment später bewusstlos um.

Lilli atmete schwer, denn sie ganzen Schmerzen hatten beschlossen sich von mehreren kleinen Schmerzen zu einem großen universellen und verdammt schwer zu ignorierenden Schmerz zu vereinen. Unter all den Gedanken, die man in so einem Augenblick denken konnte, dachte Lilli den idiotischsten. Tu einfach so, als ob nichts sein. Bäume kennen keinen Schmerz!
Langsam öffnete sie die Augen und konnte irgendetwas vor sich blitzen sehen.
Der große Gauner hielt ihr das Schwert an die Kehle und zischte: "Es wird mir ein Vergnügen sein dich zu beseitigen..."

Da erklang noch eine andere Stimme: "Wenn du auch nur versuchst, das zu tun, dann wird es die letzte Tat in deinem Leben gewesen sein."
Hinter ihm hatte sich die Wasserspeierin, verdeckte Ermittlerin und Rekrutenausbilderin Lance-Korporal Carisa von Schloss Escrow angeschlichen und hatte blitzschnell eines ihre Messer gezückt, dass sie nun dem Gauner an der Kehle hielt.

Es gab nur wenige, die so dumm gewesen wären, sich mit einem zweimetergroßen Gargoyle anzulegen. Dieser Gauner gehörte nicht zu dieser Sorte Dummköpfe.
Er warf das Schwert bei Seite und hob langsam die Hände.
Langsam wich er von Lilli zurück und ging auf eine der Mauern zu und legte die Hände darauf. Das war leider nicht seine erste Verhaftung.
Mit geübten Griff schaute Carisa nach einer versteckten Waffe, fand einen Dolch, den sie an sich nahm und verschnürte den Übeltäter dann hastig an Händen und Beinen zu einem handlichen Paket. Zum Glück hatte sie schnell geschaltet und ein Seil mitgenommen, ehe sie aus dem Fenster geklettert war.
Dann lief sie zu Lilli: "Mein Gott, wie siehst du den aus, was ist passiert?!"
"Lilli! Lilli!", rief der Kaffeedämon, der zeitweilig unter ihr begraben gewesen war und sich mühsam unter ihr hervorgewunden hatte, während er mit tränenüberströmtem Gesicht an ihr rüttelte: "Bitte wach wieder auf!"
Die Rekrutin schlug die Augen auf und brachte sich langsam in eine halbwegs sitzende Position. Das Bild, das ihr ihre Augen lieferten war unscharf und flimmerte.
Betäubt schüttelte sie den Kopf, um wieder einen klaren Gedanken zu bekommen. Schmerz war nichts als eine Einbildung. Bäume kannten keine Schmerzen.
Lilli kippte nach vorne und mit dem Gesicht auf das Pflaster. Sie war ohnmächtig.
"Na wartet!", rief Carisa zu dem Gauner, der wach war: "Damit habt ihr euch eine Menge Ärger eingehandelt! Wir dulden keine Körperverletzung!"
"Hey!", antwortete dieser: "Die war schon in dem Zustand, als wir gekommen sind!"
"Das glaubst du doch selber nicht. Niemand, der noch alle Tassen im Schrank hat, würde sich selbst dermaßen verstümmeln! Außerdem hätte sie der Kaffeedämon sicher abgehalten, schließlich sind die beiden befreundet."
Das eben noch vom weinen gerötete Gesicht Pauls wurde mit einem Male bleich.
"Zudem brauchst du es gar nicht erst zu versuchen, dich mit Lügen heraus zu reden, schließlich steht das Wort... ähm Schweigen einer Wächterin und das Ehrenwort eines langjährig treu gedienten Gerätedämons gegen euch. Apropos Kaffeedämon, du rennst jetzt sofort zum Rohpostdämonen, und lässt eine Nachricht an Rogi Feinstich schicken, dass wir sie sofort hier brauchen. Am besten gestern schon. Und sie soll was zum zusammenflicken mitbringen! Und dann mein Lieber..."
Der Kaffeedämon zuckte zusammen.
"...bringst du mir eine Tasse schwarzen Kaffee. Das wird noch eine lange Nacht..."
Seufzend hob Carisa Lilli mit beiden Armen auf, betrachtete skeptisch die Nase, aus der Blut lief, die aber nicht gebrochen schien, und ging Richtung Tür.

Als alle Wachemitglieder verschwunden waren und Ruhe auf dem Hof einkehrte, zischte der Gauner: "Keiner, und auch keine bringt mich hinter Gittern, für etwas, das ich nicht getan habe. Die Rache ist mein..."

Einige Tage später besuchte Paul Lilli bei Rogi. Diese war gerade dabei Lilli zu untersuchen. "Tut daf weh?", fragte die Igorina und drückte auf den Fuß, in den sich der Pfeil gebohrt hatte.
Lill biss die Zähne zusammen, bis diese sprichwörtlich knirschten. Dann schüttelte sie den Kopf.
"Interefant...", stellte Rogi fest und fügte hinzu: "Alfo, die anderen Verletzungen find nicht fo flimm, nur oberflächlich, aber dein Fuf hat waf abgekriegt. Du wirft eine Weile nicht richtig gehen können."
Ein Paradies eröffnete sich vor Lillis imaginären Augen: Wenn sie nicht gehen konnte musste sie auch nicht am Waffentraining teilnehmen! Hurrah!
"Ich muf dann mal weiter, auferdem haft du Befuch.", meinte Rogi, schüttelte Lilli die Hand und hob dann noch freundlicherweise Paul auf das Krankenbett.
"Ich habe dir was mitgebracht!", meinte dieser: "Einen Becher Kaffee!"
Lilli schwelgte immer noch in seligen Phantasien.
Paul wartete einen Moment, bis Rogi das Zimmer verlassen hatte und setzte dann ein dämonisches Grinsen auf: "Also so im Nachhinein ist das Ganze ganz schön witzig."
Lilli bedachte ihn mit einem ungläubigen Blick. Witzig?! Behauptete der allen Ernstes, dass es witzig gewesen sei?!!
"Du hast wirklich einen Hang zur Selbstverstümmelung." Paul begann zu kichern.
Lillis Blick wurde eiskalt. Sie nahm Paul den Becher aus der Hand, dann griff sie mit der anderen Hand nach einem Kissen und warf.
Mit einem befriedigenden Gefühl hörte sie von unten ein "Autsch! Hey, was sollte das?!"
Selbst Lilli traf manchmal das Ziel.

[1] damit die Gnomen nicht mehr ständig Leute die Kniescheiben zertrümmerten - leider hatte diese Anti-Agression-Therapie nur den gegenteiligen Effekt gehabt - die Gnome trafen besser als jemals zuvor. Die Therapie war daraufhin abgebrochen worden, doch jemand hatte vergessen dem Fass-Lieferanten zu sagen, das die Bemalung nicht mehr notwendig war.

[2] Außer vielleicht, wenn es um Schirme ging. Und Anbrüllen. Wenn beides zusammen kam, konnte selbst dem stoischsten Baum mal der Geduldsfaden reißen. Und dann entwickelten die Äste zuweilen ein erstaunliches Eigenleben. Aber mehr Will Ich Nicht dazu sagen.




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