Bisher hat keiner bewertet.
Ein Ende
Dafür vergebene Note: 12
Für meinen persönlichen Motivator, der mich im Gegensatz zu dieser Geschichte, immer wieder aufhält wenn ich 'springen' will..... uvvvvvm ;o)!!!
Sterben kann gar nicht so schwer sein - bisher hat es noch jeder geschafft.
(Norman Mailer, amerikan. Schriftsteller, *1923)
***
Auf einer Brücke ziemlich hoch
Hält ein Mann die Arme auf
Da steht er nun und zögert noch
Die Menschen strömen gleich zuhauf
Auch ich lass mir das nicht entgehen
Das will ich aus der Nähe sehen
Ich stell mich in die erste Reihe
und schreie
***
Die späte Nachmittagssonne wärmte sanft mein Gesicht.
Nur spärlich zogen vereinzelte Wolken am blauen Himmel langsam vorüber.
Ich wartete nur auf das magische Stichwort....
"Hey!!! Seht mal da!", oder den magischen Satz.
Wie erwartet formierte sich ein unorganisierte Mob fix an der Pons-Brücke.
Es ging immer schnell.
Zügiger sogar als sich Schmeißfliegen auf einem frischen Hundehaufen versammelten; die Insekten würden bei einen metaphorischen Vergleich den kürzeren gegenüber der ankh-morporkianischen Bevölkerung ziehen.
Auch ich gesellte mich zu der wogenden Menschenmasse und zwängte mich zwischen die nicht immer gut riechenden Leiber.
Es war egal, was zu sehen war. Die Tatsache, dass es etwas zu beobachten gab, genügte dem spektakelsüchtigen Volk der größten Metropole der Scheibenwelt.
Ein zahnloses altes Weib, mit Kleidung die aussah als ob sie diese seit ihrer Geburt trug, stand neben mir und ihr säuerlicher Geruch belastete meinen Geruchsinn aufs Schärfste.
Manchmal konnte ich Gerüchen Farben zuordnen - dieser erinnerte mich an ein eitriges Gelb.
Schwitzende Leiber rieben sich an mir und trugen nur wenig zu meinem Wohlbefinden bei.
Am meisten Sorgen machte ich mir über meinen neuen mitternachtsblauen Umhang.
In so einer Menge zu stehen, war gleichbedeutend mit einem guten Geschäft für Rei-Nig Ung, dem achatischen Inhaber meiner bevorzugten Wäscherei.
Die Achaten hatten einfach ein Händchen für Wäsche!
Ich ließ meinen Blick über die Köpfe der Menge schweifen und erkannte zufrieden das alles wie geplant zu verlaufen schien.
Mit viel Ellbogeneinsatz schaffte ich es bis in die erste Reihe.
Mir waren die rüden Beschimpfungen der Umstehenden ziemlich egal und beantwortet sie, wenn überhaupt, mit einem unfreundlichem Grunzen.
Der Grund für die Aufregung war ein junger Mann, der auf die Brüstung der alten Brücke geklettert war.
Es schien, als das er noch mit seinem Schicksal haderte.
Ich erkannte feine Schweißperlen auf seiner Stirn, die langsam, der Scheibenanziehung trotzend, sich mit anderen verbanden, um dann einen kleinen Sieg zu feiern und in einem größeren Tropfen zäh ihren Weg die Schläfen hinab zu bahnen.
Die Gesichtsfarbe des jungen Kletterers hob sich so sehr von denen der Umstehenden ab, dass er obwohl erhöht stehend, deutlich aus der Menge hervorstach.
Langsam breitete er seine Arme aus und glich einen Moment einen Vogel der zum Starten bereit seine Schwingen ausbreitete.
Ein leichtes Zittern seiner Hände war zu erkennen.
Wie in Zeitlupe senkte der Bursche wieder seine Arme.
Der Druck der Gaffer brandete gegen meinen Rücken und schob mich Zentimeter für Zentimeter weiter vor.
Das Zögern des graugekleideten Mannes spannte meine Nerven bis zum Zerreißen.
"SPRING!!!", entwich ein einzelnes Wort meinem Mund.
Es war wie eine Befreiung!
***
Der Mann will von der Brücke steigen
Die Menschen fangen an zu hassen
Bilden einen dichten Reigen
Und wollen ihn nicht nach unten lassen
So steigt er noch mal nach oben
Und der Mob fängt an zu toben
Sie wollen seine Innereien
Und schreien
Spring
***
Ein kleines Fünkchen Klarheit war in den Augen des vermeintlichen Selbstmörder zu erkennen.
Mit einer Hand wischte er sich den salzigen Schweiß aus dem Gesicht und drehte sich unsicher zu der hinter ihm stehenden Menge um.
Wie Meerswellen brandeten die Leiber des versammelten Pöbels gegen meinen Körper und brachen sich an meinem Rücken.
Die Enge und die körperliche Nähe zu dem niederen Volk wurde mir beinahe unerträglich, aber ich hatte einen Auftrag zu vollenden.
Ich spürte schlaffe Brüste und alte Hände an meiner Kleidung wie zufällig vorbeistreifen.
Kurze scheue Berührungen ohne Sinn und Zweck ließen mich innerlich zusammenzucken.
Die Erkenntnis schien nun ganz die Oberhand über den Springer gewonnen zu haben und zaghaft wollte er sich mit seinem Fuß einen Weg zurück auf den sicheren Boden ertasten.
Ich lächelte.
In einer Stadt wie Ankh-Morpork musste man den Leuten etwas bieten.
Ein Rückzieher wurde nicht zugelassen, so ein Mob bildete sich ja auch nicht umsonst.
Im Laufe der Jahre schien das evolutionäre Gedächtnis der Stadt und das der Bewohner ganze Arbeit geleistet zu haben. Am Ende eines Volksauflaufes musste einfach etwas passieren - es wurde zu einem unabdingbaren Muss!
Vielfältige Hände drückten den Mann unsanft wieder auf die Brüstung hoch.
Ich war ihm so nahe, dass ich seine Angst inzwischen förmlich riechen konnte.
Ein eindeutiges Zeichen für die Furcht waren aber auch das Zittern seiner Knie sowie die Tatsache das sich ein nasser Fleck auf seinem Beinkleid langsam auszubreiten schein.
Der Geschmack von Angst war ein ganz spezielles Aroma.
Jäger wie ich konnte in ihm deuten wie ein alte Vettel, die aus ihren übriggebliebenen Bodensatz des Tees die Zukunft voraussagte.
Dieser Duft verriet einem Raubtier sofort, ob sich sein Opfer seinem unvermeidlichen Schicksal ergeben würde oder man sich auf einen kurz und hässlichen Kampf einlassen müsste.
Hier schien mir und dem Graugekleideten die Menschenmenge alle Entscheidungen abzunehmen.
"Jetzt spring schon!!", kreischte eine Frau in mittleren Jahren, nach deren Kleidung zu schließen, sie augenscheinlich als erfolglose Näherin, wahrscheinlich sogar unlizenziert, tätig war.
Die schwarze Stummel in ihrem Mund, die vor Jahren wohl einmal funktionstüchtige Zähne gewesen waren, widerten mich an und waren wohl der Grund dafür, dass ihre Geschäfte nicht so liefen, wie sie es sich vorstellte.
"Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!!", schrie ein feistes Mitglied der Fleischergilde.
Sein Kopf wurde beim Brüllen puterrot und es traten, ob der unmenschlichen Anstrengung des Schreien, blassviolette Adern unter seiner weißen Haut hervor.
So einer sollte eigentlich mein nächster Kunde sein.
Es würde vieles erleichtern.
Die Eigendynamik der Menge wurde beinahe fassbar.
Der Mob bekam Blutdurst...und ich lächelte sanft und begann zu schreien.
"SPRING für mich!!!"
***
Jetzt fängt der Mann zu weinen an
Heimlich schiebt sich eine Wolke
fragt sich Was hab ich getan
vor die Sonne es wird kalt
Ich wollte nur zur Aussicht gehen
die Menschen laufen aus den Reihen
und in den Abendhimmel sehen
Und sie schreien
Spring
***
Noch einmal drehte sich der Mann zu der Menge um, während silbern wirkende Tränen seine Wangen benetzten.
Ich konnte das leichte verzweifelte Beben seiner Lippen erkennen.
Kurz trafen sich unsere Blicke.
Es war nur ein Streifen.
Die rehbraunen Augen schienen zu schreien: "Bitte nicht!!!!"
Sein Atem ging stoßweise und ließ seinen Brustkorb sich unregelmäßig heben und senken.
Er machte es sich schwer.
Eindeutig zu schwer.
Mit einem Gefühl der Zufriedenheit stellte ich fest, dass die angeblichen Hüter des Gesetzes nun auch endlich den Schauplatz des Geschehens erreichten.
Es war immer so.
Entweder kamen sie zu spät oder gar nicht.
Die Stadtwächter prallten an der Menschenmenge ab wie Pfeile an einer Phalanx und sie versuchten mit jeder Sekunde die verstrich, immer verzweifelter sich einen Weg durch die Leiber zu bahnen.
Der Kreis um den Bedauernswerten schloss sich immer enger, gleich dem Strick eines Henkers um den Hals eines Verurteilten.
Ich bin dem Mann nun schon so nahe, dass ich ihn mühelos berühren könnte.
Mein Blick schweift noch einmal zum Himmel und ich stelle fest, dass es tatsächlich ein guter Tag zum Sterben ist.
Eine Wolke schien trotzdem der Kraft der Sonne zu die Stirn bieten und begann sich langsam vor sie zu schieben.
Den warmen Strahlen des heißen Planeten trotzend, nahm das kleine unscheinbare Wetterphänomen den Kampf auf.
Nur ein Detail, aber Einzelheiten zu erkennen ist in meinem Beruf überlebenswichtig.
Ich blickte wieder zu dem Mann, der sich krampfhaft an dem rauen Stein festhielt, so sehr, dass bereits das Weiße seiner Knöcheln unter seiner Haut hervortrat.
In mir kam die Erinnerung an verkrampfte Muskeln auf.
Der stechende Schmerz der sich langsam aufzubauen scheint, um dann in einem Schlag der Erlösung zu enden, wenn man loslässt.
Einer der intelligenteren Wächter schien erkannt zu haben, dass sie mit normalen, menschlichen Anstrengungen, nicht gegen die menschliche Barriere ankommen würden.
Kurze Zeit später sah ich von weitem einen massigen steinernen Leib sich der Brücke nähern.
Ideenlosigkeit konnte man den trägen Bütteln zumindest nicht vorwerfen.
Mit gemessenen Schritten näherte sich der Troll dem Mob.
Irgend jemand hatte dem steineren Wesen die Dienstmarke mit billiger Farbe auf den Brustkorb gemalt.
Ein dumpfes felsiges Brummen ließ den Großteil der Menge zu dem Urheber des Geräusches herumfahren.
Es hörte sich an, als ob man zwei Schiefertafeln unter Wasser langsam aneinander rieb.
So stellte man sich wohl die langsamen Laute der Plattentektonik vor.
Ich würdigte das Ganze nur mit einem Seitenblick.
Viel interessanter als der Troll war das hektische Gebaren des Glatzköpfigen, offensichtlich der Verantwortliche, der eindringlich auf den Steinwächter einzureden schien.
Ein noch dumpferes Grollen des Trolles war die Bestätigung der erhaltenen Befehle.
Die Menge begann sich wie auf ein Kommando langsam zu teilen.
***
Heimlich schiebt sich eine Wolke
vor die Sonne es wird kalt
Doch tausend Sonnen brennen nur für dich
Ich schleich mich heimlich auf die Brücke
Tret ihm von hinten in den Rücken
Erlöse ihn von dieser Schmach
und schrei ihm nach
Spring
***
Wieder hob ich meinen Kopf und bemerkte, dass die Wolke sehr gut stand hielt in dem Kampf mit dem heißen Planten. Die Luft begann merklich kühler zu werden und eine frische Brise ließ die Härchen in meinem Nacken stehen.
Natürlich gestand ich auch Wächtern einen gewissen Grad an Intelligenz und Kreativität zu, aber ein wenig mehr Zeit hätten die Hüter von Recht und Gesetz mir schon zugestehen können.
Immer schneller teilte sich die Menge und der Graue machte immer noch keine Anstalten seinem Leben durch einen erlösenden Sprung ein Ende zu setzen.
Langsam griff ich in meine Tasche. Der feine Stoff meiner Hose schmeichelte meiner Haut und ohne viel kramen hielt ich die Quittung in meinen Händen.
Das Pergament fühlte sich rau im Gegensatz zum feinen Stoff meiner Hose an und bildete einen drastischen Gegensatz mit dem mein Tastsinn kurzzeitig konfrontiert war.
Es hätte alles leicht und sauber ablaufen können.
Die Droge die ich dem Mann vor zwei Stunden verabreicht hatte, hätte schneller und vor allem stärker wirken müssen.
Wie eine lebende Walze bahnte sich der Troll seinen Weg durch die Menge.
Bürger die nicht aus freien Stücken aus dem Weg gingen, wurden wie Straßenstaub von den mächtigen Pranken des Wesens beiseite gewischt.
Eile war geboten.
Ich nutze die Ablenkung eines kleinen Aufruhrs um den Troll, der kurzzeitig alle Augen der Zuschauer auf sich zog.
Es war immer so.
Aufmerksamkeit war eine tückische Geliebte, die sich schneller als einem lieb war abwandte.
Mit einer fließenden Bewegung stecke ich dem Mann die Quittung in die Tasche.
Solche Bestätigungen waren wichtig in dieser Stadt und entschieden über die Legalität von ansonsten gesetzwidrigen Handlungen.
Mein Opfer drehte leicht seinen Kopf zu mir.
Unsere Blicke begegneten sich wieder für den Bruchteil einer Sekunde und dann traf ihn die Erkenntnis mit gnadenloser Härte.
Ich erkannte in seinen traurig wirkenden Augen, dass er verstanden hatte.
Ich lächelte ihn kurz an und dann beendete ich mein Werk, dass eigentlich hätte anders enden sollen.
Mein kurzer Tritt traf ihn ansatzlos hart im Rücken.
Wie in Zeitlupe begann der Körper des Mannes der Schwerkraft zu entsagen und seine Füße lösten sich von dem kalten Stein der Brücke.
Noch einmal breitete er seine Arme gleich Schwingen aus und begann zu fallen.
"Spring!!!!"
***
Entsetzt entwich der Menge ein gemeinschaftliches Aufstöhnen.
Fast allen war der eigentliche Anlass für den schnell gebildeten Blitzmob entgangen und umso enttäuschter war die brodelnde Menge.
Nur mit sehr gutem und vor allem handfesten Zureden der SEALS-Wächter konnte die Menschenmenge aufgelöst werden.
Zwei Gestalten lösten sich aus dem sich zerstreuenden Mob.
"Walum hat el es nicht auf die tralditionelle Weise eledigt?", fragte die Lance-Korporal und schaute zu dem Mann in dem dunklen Ulmhang der neben ihr stand.
"Das wissen die Götter!", antwortete Robin Picardo und schlug die Kapuze seine Umhanges nach hinten.
"Ich meine, ilgendetwas kann doch da nicht stimmen!!", beharrte die stellvertretende Abteilungsleiterin der D.O.G. .
"Das hat uns aber nicht zu interessieren!", entgegnete der Fähnrich sanft. "Wir gehen jetzt runter zur Kruste und prüfen, ob das eine ordnungsgemäße Quittung war, was er ihm zugesteckt hat...und wenn sie nicht zu beanstanden ist, dann ist unsere Arbeit hier erledigt!."
"Abel...", begann Drei. "Ist das lichtig?"
"Das haben wir leider nicht zu beurteilen, Drei!"
ENDE
Lyrics by Rammstein
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