Flyhead - Willkommen im Speck

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von Obergefreiter Tyros y Graco (FROG)
Online seit 31. 01. 2006
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Ankh-Morpork steht vor einer großen Grippewelle, und keiner scheint es zu bemerken. Ist die Stadt noch zu retten?

Dafür vergebene Note: 11

Weißt du, daß bereits zwei Fliegen
oftmals so viel Junge kriegen,
daß in nicht einmal zwölf Wochen
zwei Millionen ausgekrochen?
Die legen wieder ihre Eier
auf Speisen welche rar und teuer.
Und aus den Eiern kriechen Maden,
die ihrerseits erheblich schaden.
Auch schleppt behaartes Fliegenbein
mitunter manche Krankheit ein.
Drum helft die Schädlinge bekriegen.
Verwahrt die Speisen,
KAMPF DEN FLIEGEN!


"Tsssssss?"
"Tsssssss!"
"Tss, Tsss tss tssss?"
"TSSSS TTSSSSSSTS TSSSSS!!!"
"Tss..."

Tyros y Graco, GiGa, Wächter und Schläfer erwachte von seltsamen Geräuschen, die er nach einiger Zeit des verdutzten Lauschens als das Summen zweier Fliegen identifizieren konnte. Allerdings...summte im Moment nur noch eine Fliege. Die andere lag tot auf dem Fensterbrett seines Zimmers.
Fluchend stand der Obergefreite auf, streckte sich, ging auf die Tür zu und fiel über einen umgestoßenen Stuhl. Im Stillen verfluchte er den Teilzeitdämon, den er erst vor kurzem zum Saubermachen eingestellt hatte. Der Dämon war Mitglied der erst vor kurzem gegründeten Dämonengewerkschaft[1] und hatte auf seinem Recht als Teilzeitdämon bestanden. Dies machte Tyros jedoch nicht sonderlich viel aus, da er sowieso nur jeden zweiten Tag zu Hause war, während er die restliche Zeit Dienst schieben musste. Allerdings machte es ihm etwas aus, wenn der Dämon seine Arbeit nicht ordentlich erledigte. Gewerkschaft hin oder her, der Kurze musste diese Woche wohl auf sein Bier verzichten.
Immer noch grummelnd zog sich der Wächter an, goss sich seinen morgendlichen Eimer Wasser über den Kopf, stopfte ein trockenes Brot mit angeschimmeltem Käse in sich hinein und machte sich auf den Weg.
Heute also war der Tag, auf den die Stadt schon seit ewigen Zeiten, genauer gesagt seit zwei Wochen, gewartet hatte. Heute sollte sich die Sonne für eine Stunde in die Waschanlage begeben, um die nächsten drei Jahre wieder schön glänzen zu können. So zumindest die Legende. Die Legende unter hunderten, die dem Obergefreiten am Wahrscheinlichsten erschien.
Er beschloss Nyvania und Sallien, seine beiden Mitbewohnerrinnen, schlafen zu lassen, er freute sich jetzt schon über ihre Gesichter, wenn sie erfuhren, dass sie alles verschlafen hatten. Tyros verließ das neu renovierte Haus in den Schatten und machte sich auf zum Wachehaus, wo die dienstfreien FROG's sich zum gemeinschaftlichen Hingehen verabredet hatten. Unterwegs nahm er vom nahen Bäcker noch ein paar Brötchen mit, die er auf den Hügeln vor der Stadt verzehren wollte.
Am Wachehaus angekommen, musste er feststellen, dass zwei hämisch grinsende Wasserspeier bereits auf ihn warteten, sie waren mit dem gleichen Gedanken wie er losgezogen, nur bedeutend früher.
"So so, ihr seit also auch hier. Warum habt ihr mich denn nicht geweckt?"
"Mhm, Giga. An deiner überraschten Miene erkenne ich, dass DU ebenfalls nicht auf den Gedanken gekommen bist, UNS zu wecken. Es ist also ausgeglichen, oder?", geiferte Sallien ihn spöttisch an.
Tyros wollte erst zu einer Antwort ansetzen, bemerkte dann aber Nyvanias Blick und beließ es bei einem arroganten Grinsen, das er in den Wochen zuvor so lange geübt hatte. Er wusste sehr genau, dass seine Freundin unter den Streitereien zwischen ihm und Sallien litt, wenn diese auch eher stichelnd als wirklich ernst gemeint waren. Da die beiden aber oft kein vernünftiges Wort miteinander wechseln konnten, fühlte sich Nyvania oft genervt und versuchte vehement die Streitereien der beiden zu unterbinden, was ihr jedoch nur äußerst selten gelang. Und außerdem, überlegte Tyros sich, lagen sie beide sich ja auch öfters in den Haaren, und wenn es nur um die elenden Tauben der Püschologin ging, auf die der Obergefreite es schon seit ihrer ersten Begegnung abgesehen hatte (wie im übrigen auch Sallien, was er sich aber nur sehr ungern eingestand.)
Oberfeldwebel Araghast Breguyar, Abteilungsleiter von FROG und so eine Art Reiseleiter wider Willen zur Sonnenfinsternis, zählte seine Frösche durch und befahl dann den Aufbruch. In einer langen Dreierreihe zogen die Wächter langsam zu den Toren der Stadt, dies war der erste Ausflug dieser Art, seit Tyros in der Abteilung war. Grinsend sah er sich um, seine Kollegen betrachtend, die alle mit etwas anderem beschäftigt schienen und die unterschiedlichsten Vorbereitungen auf das Mega-Ievänt getroffen hatten. Übrigens Gernegroß, Tyros' Azubi, z.B. war in schähmikalischen Büchern vertieft, die er zur Prüfungsvorbereitung nutzte. Feldwebel Kanndra befingerte ein kleines goldmeliertes Fernrohr, dessen Linse sie mit Farbe beschmiert hatte, um ihre Augen gegen die Sonne zu schützen, Breguyar nahm dann und wann einen verstohlenen Schluck aus einem auffällig unauffälligen Riesenflachmann und Sallien und Nyvania waren in Wasserspeiergespräche vertieft. Gnom Harry hüpfte von Schulter zu Schulter, versuchte dann und wann Übrigens von seinem derzeitigen Platz zu schubsen und zeigte sonst alle Anzeichen von chronischem Übermut. Die vielen Fliegen, die überall herumflogen, bemerkte keiner der Wächter. Jeder von ihnen war viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

***Die Kneipe 'Hier wirft ein Igor ein Auge auf Sie' im dunklen Überwald***


So ruhig war es hier schon lange nicht mehr gewesen. Klaus Würzdenbecher, der Wirt der kleinen Spelunke, warf gelangweilt einen Blick auf seinen Zeitdämonen, der ihm nun schon zum dritten Mal in dieser Stunde die Uhrzeit herauskrähen musste. Dies waren schlechte Zeiten für einen (für Überwaldverhältnisse) ehrlichen Wirt. Viele seiner Kollegen hatten schon damit begonnen, die Gäste mit Knüppeln in ihre Wirtschaften zu treiben, allerdings hatten sie das nicht lange versucht. Sie hatten gar nicht die Zeit dazu gehabt.
Schon überlegte Würzdenbecher, ob er den letzten verbliebenen Trunkenbold wecken und verjagen sollte, als die schwere Eichentür aufgestoßen wurde und einige in dunkles braun gehüllte Männer die Schankstube betraten. Als der letzte den Blick nach draußen freigegeben hatte, bemerkte er, dass es draußen in Strömen regnete. Die Nacht war schon vor Stunden angebrochen und das Wetter schlug schnell um dieser Tage, ungeachtet der Tatsache, dass viele der Überwäldler dies nicht gerade willkommen hießen. Wenn es nach ihnen ging, sollte es entweder dauerhaft regnen oder es sollte dauerhaft die Sonne scheinen. Aber nicht so etwas. Bis jetzt hatte man sich wenigstens auf das Wetter verlassen können, doch wenn nun sogar dies nicht mehr möglich war, dann konnte man gleich nach Ankh-Morpork ziehen.
Ärgerlich warf der Wirt die Tür ins Schloss und wandte sich dann seinen Gästen zu, um sie zu bewirten. Sie alle hatten sich in ihren Mänteln niedergelassen, keiner von ihnen hatte auch nur die Kapuze abgezogen. Nun, dies an sich war hierzulande nicht unüblich, in Würzdenbechers Kaschemme kehrten oft zwielichtige Gestalten ein, die es nicht für nötig hielten, sich zu erkennen zu geben. Das merkwürdige an dieser Gesellschaft war allerdings, das bis jetzt keiner von ihnen auch nur ein Wort von sich gegeben hatte. Sie alle schienen Kommunikation für eine unterentwickelte Form des Gemeinschaftslebens zu halten. Wobei das Wort Gemeinschaftsleben in dieser Gesellschaft wohl auch schon wieder seine Fragen aufwerfen dürfte.
"Guten Abend, die Herren. Was darfs denn sein?" Keine Antwort durchbrach den Eintopf der Stille. "Nun...darf ich vielleicht für jeden ein wenig Knieweich bereitstellen? Dies wird hier sehr häufig getr..." Einer der Fremden hatte den Kopf gehoben und blickte den Gastwirt nun unverwandt an. Dann senkte er seinen Kopf wieder. "G...gut. Dann...dann komme ich in 5 Minuten noch mal wieder."
Als Würzdenbecher seinen Gästen den Rücken zuwandte, hörte eine stechend kalte Stimme. "Honig." Überrascht drehte er sich um, doch keiner der Neuankömmlinge sah ihn an. "Ihr wollt Honig?", vergewisserte er sich. Eine Antwort erhielt er nicht. Schließlich zuckte er mit den Schultern und ging in die Küche, wo er aus dem Topf mit dem flüssigen Honig ein Glas abfüllte. Dies brachte er nun zu dem Tisch der Fremden, stellte es hin und wollte so schnell wie möglich wieder verschwinden. Kaum hatte er seinen Gästen jedoch seinen Rücken zugedreht, als er die kalte Stimme erneut hörte. "Mehr!" Erstaunt drehte er sich um und hätte vor Erstaunen beinahe laut aufgeschrieen. Das Glas, das gerade eben noch randvoll mit einer zähen goldenen Flüssigkeit ausgefüllt gewesen war, glänzte nun spiegelblank. Es war so sauber, wie es seit seiner Inbetriebnahme nie wieder geworden war.

***Ankh Morpork, Tag der Sonnenfinsternis***


In seine Gedanken vertieft lief Tyros neben Nyvania her, die in ein Gespräch mit Sallien vertieft war. Aus Langeweile und ein Wenig Boshaftigkeit beschloss er schließlich doch einen Kommentar abzugeben, der ihm schon den ganzen Morgen auf der Zunge gelegen hatte: "Du, Nyva. Sag mal...warum ist Sallien, ich meine eine SEAL, eigentlich bei einem Betriebsausflug der FROG's dabei? Hat sie keine eigenen Freunde?"
"Du, Nyva, sag mal, wie konnte dein Freund mit dem nullwertigen IQ eigentlich reden und laufen lernen?", war die bissige Entgegnung Salliens.
"Moment, Leute. EINES will ich von Anfang an klarstellen: Heute wird sich hier nicht gestritten, sonst seht ihr mich nur noch von hinten", unterbrach Nyvania das im Entstehen begriffene Streitgespräch der beiden. Wegen ihrem gereizten Untertons schluckte der GiGa die Bemerkung über den unschönen Hinteranblick der Wasserspeier im Allgemeinen herunter und beschränkte sich darauf, laut und falsch ein Lied zu pfeifen, von dem es mehr als nur einen Text gab. Wenn einer der Wasserspeier dort etwas hineininterpretierte, so sollte dies nicht sein Problem sein.
Nach einiger Zeit schließlich kamen die Wächter an dem Ort an, der ihnen heute als Aussichtswarte dienen sollte. Die kleine Plattform, die irgendwann vor hunderten von Jahren, wohl während der dritten oder vierten Schicht Ankh-Morpork, errichtet worden war, zeichnete sich jedoch bereits durch eine akute Überfüllung aus. Achselzuckend brummte Breguyar eine Verwünschung und drehte sich dann seinen Fröschen zu. "Also, was machen wir? Gehen wir wieder heim?" Als ihm ein Wall aus Protestschreien entgegenschoss, musste er wider Willen grinsen. "Schon gut, schon gut, war nicht so gemeint. Also was dann? Die Ebene?" Zustimmendes Gemurmel wertete er als einstimmiges 'Ja' und setzte sich langsam in Bewegung. Der Flachmann wanderte von der einen Jackentasche in die andere, wobei er einen Umweg über das mundförmige Loch in Breguyars Gesicht machte.
Etwas enttäuscht von der verpassten Chance folgten ihm die Wächter und auch einige Zivilisten hatten sich ihnen angeschlossen, sie wollten sich das Schauspiel nicht entgehen lassen, dass das überhöhte Wächteraufkommen ohne Zweifel provozieren würde.

Klaus Würzdenbecher, der es bis heute noch nicht bereut hatte Wirt geworden zu sein, [2] musste schwer schlucken, als er sich umdrehte. Rasend schnell spielte er im Kopf diverse Szenarien durch, wie sich seine Zukunft entwickeln konnte. Möglichkeit eins war, er konnte schreiend aus der Wirtschaft rennen und die Nacht im Wald verbringen. Möglichkeit zwei, den Fremden den kompletten Eimer zu überlassen, zog unweigerlich Möglichkeit drei mit sich, die vorsah, dass ihm der Kopf abgerissen wurde, weil er nicht mehr Honig hatte. Und trotzdem...er brachte es nicht übers Herz, sein eigenes Haus eine ganze Nacht lang unbeaufsichtigt zu lassen. Also holte er am ganzen Leib schlotternd den Eimer und brachte ihn den Fremden.
"Dies ist leider der letzte Tropfen Honig, den ich auftreiben konnte. Wenn ich euch vielleicht etwas anderes..."
"Nein!" war das Einzige, was er als Antwort zu hören bekam.
Immer noch nervös drehte er sich um. Da glaubte er, aus den Augenwinkeln ein langes, dünnes, schwarzes Bein zu sehen, das unter der Kutte verschwand. Er beschloss, dass es für Möglichkeit zwei seiner Zukunft besser war, diesen Umstand zu ignorieren.

***Das Achatene Reich***


Schon seit Monaten kursierte im Achatenen Reich die Hundegrippe. Sie schien sich in konzentrischen Kreisen um Hungh Hungh herum zu verbreiten, die Hauptstadt selbst jedoch war davon nicht betroffen. Die Behörden hatten beschlossen, das gemeine Volk von der Lage nicht zu informieren. Es reichte, wenn sie es wussten.
Das Problem jedoch war, dass sich die Grippe nicht wirklich eindämmen ließ, da sie von Fliegen übertragen wurde, die sich in dieser Jahreszeit immer explosionsartig vermehrten. Derzeit war den Hofsehern noch keine Nachricht von Menschen gekommen, die sich infiziert hatten, allerdings hatte die Vergangenheit gezeigt, dass dies nicht immer repräsentativ war. Vor allem deshalb, da diejenigen, die schlechte Nachrichten überbrachten, anschließend oft längere Zeit darauf verwenden mussten, ihren eigenen Kopf zu suchen.

Die Wächter ließen sich in das dichte Gras fallen, das die Ebene bewuchs. Irgendwann in den nächsten Stunden musste das große Ereignis stattfinden, es wusste jedoch keiner so genau wann, da sich zu viele selbsternannte Astronomen mit der Problematik befasst hatten. Auch ob es wirklich heute geschehen sollte war nicht wirklich gewiss, man hatte den Tag deshalb ausgewählt, da er genau in der Mitte der Tage lag, die von den Forschern errechnet worden waren. Die ersten Errechnungen hatten sich nun schon als falsch herausgestellt (Die dafür verantwortlichen Forscher hatten sich umgehend beim Patrizier beschwert, dass sie nicht alle zur korrekten Berechnung erforderlichen Variablen erhalten hätten), weitere würden ihnen folgen. Da nun der Tag also das genaue Mittelmaß aller berechneten Termine darstellte, war die Chance bedeutend größer als 1:1 000 000, und wir wissen ja, was das bedeutete...
Mit einem genussvollen Stöhnen warf sich nun auch Tyros in den Schatten eines verkrüppelten Baumes und packte eines seiner Brötchen aus, in das er nun leidenschaftlich hineinbeißen wollte. In dem Moment jedoch kam Nyvania von hinten und sagte: "Du, sag mal, hast du vielleicht noch eins dabei? Die Sache ist nämlich ...vor lauter Eifer rechtzeitig zu kommen und dich schlafen zu lassen, haben Sallien und ich heute morgen vergessen zu frühstücken. Wenn du vielleicht..." Genussvoll grinsend drehte Tyros sich um. "Soso...Madam haben also Hunger? Nun, das Brötchen hat natürlich einiges gekostet. Und es schmeckt auch noch so gut...was könntest du mir denn im Gegenzug anbieten?"
"Tss....so nicht. Ich habe vorhin Schnapper gesehen. Dann hole ich mir eben von ihm einen Heißen Hund."
"So? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du so etwas einem lecker riechenden goldbraunen Brötchen vorziehst. Das widerspricht selbst deinen Vorstellungen von Esskultur. Und du frisst Tauben!" Die Fähigkeit kursiv zu sprechen, hatte der Obergefreite Monate lang nur für Nyvania und Sallien geübt. Nun bereitete es ihm Genuss, bei Bedarf diese Fähigkeit auszupacken und seine Umwelt damit zu nerven.
"Pht...wenn du meinst mich ärgern zu können, dann vergiss es. Dafür bin ich einfach zu gut gelaunt." Mit diesen Worten drehte sich die Obergefreite um und verschwand im Gedränge der immer größer werdenden Menge. Kein Mensch, bzw. kein Wesen, das die Metropole am Ankh bewohnte, schien das Ereignis aus der Stadt heraus beobachten zu wollen. Und auch die Fliegen waren mitgekommen, vielleicht erhofften sie sich ein Festmahl bei diesem Masseniehvänt. Dass die meisten sich auf den Hunden niedergelassen hatten, war eine Tatsache, die noch vernachlässigt wurde. Noch.
Klaus Würzdenbecher sah keinen Ausweg für seine derzeitige Situation. Er hatte keinen Honig mehr, und würde um diese Uhrzeit auch keinen mehr bekommen. Normalerweise holte er sich alle zwei Monate einen neuen Eimer im etwa drei Meilen entfernten Ort, doch nun hatte er keine Zeit, die Strecke zurückzulegen um sich Nachschub zu holen. Außerdem würde ihm um diese Zeit ohnehin keiner mehr aufmachen, der Imker könnte höchstens seine Armbrust unter dem Bett hervorholen um zu sehen, ob sein Pfeil schneller als das alte Pferd des Wirtes sein würde.
Händeringend lief Würzdenbecher nun hinter der schmuddeligen Theke entlang, während er angespannt darauf wartete, was als nächstes kommen würde. Er hatte sich bis jetzt immer gegen billige Honigersätze gewehrt, die ihm von fahrenden Händlern angeboten worden waren. Nun war er heilfroh darum, denn er konnte sich ausmahlen, was ihm geblüht hätte, wenn er damit vor seinen Gästen erschienen wäre.
Als er das gepresst gerufene Wort "Wirt!" hörte, bekam er fast einen Nervenzusammenbruch. Sein letztes Stündlein schien geschlagen.

***


Tyros lag in der Sonne, die ein schöner Sommertag hervorgebracht hatte. So ließ er sich sein Wächterleben gefallen. Gediegen, entspannt und mit gefülltem Magen konnte man so manche Schwierigkeiten überstehen. Die Fliegen, die er sich ziemlich oft aus dem erhitzten Gesicht wedeln musste, konnten ihn in seinem Wohlbefinden kaum beeinträchtigen. Und auch die kläffenden Köter, die heute wie bei jeder Massenveranstaltung bellend und scheinbar planlos zwischen den Beinen ihrer Frauchen und Herrchen herumliefen, störten ihn nicht weiter. Und da der Wächter noch nie Angst vor etwas gehabt hatte, das ihm nicht über die Kniekehlen hinauslugen konnte, wäre er beinahe eingeschlafen, hätte sich nicht plötzlich etwas in seiner direkten Umgebung veränderte...
"Ja?"
"Nun, wir hätten gerne ein Zimmer", sagte die Gestalt im Kapuzenmantel.
"Kk...keinen Honig mehr?", fragte der Wirt, der nun wieder etwas Hoffnung schöpfte, die nächste Stunde doch zu überleben.
"Morgen wieder. Jetzt brauchen wir nur ein Zimmer."
"Ein Zimmer? Ihr wollt doch sicher..."
"Ein Zimmer reicht", unterbrach ihn der Fremde.
"Sicher. Ein Zimmer." Grummelnd lief der Wirt nach oben, um ein Zimmer herzurichten. Erst machten sich diese... diese Personen über seinen kompletten Monatsvorrat an Honig her, und jetzt wollten sie sich zu...vielen ein Zimmer teilen. Merkwürdig, sinnierte er, ihm war gar nicht bewusst aufgefallen, wie viele jetzt eigentlich an diesem Tisch gesessen hatten.
Den Kopf schüttelnd erinnerte er sich wieder an seinen alten, im Überwald so überlebenswichtigen Grundsatz, den er einmal in einem rot befleckten Buch gelesen hatte: 'Mische dich nie in die Angelegenheiten deiner Gäste ein. Es könnte das letzte sein, was du...Argh!!.' Niemand wusste, was das Argh!! am Ende der Weisheit zu suchen hatte, und keiner wollte es herausfinden. Das Prinzip war klar.
Im Zimmer angekommen, schlug er das Bett auf [3], öffnete das Fenster, fuhr mit seiner Schürze noch mal über alle Einrichtungsgegenstände, um sie zumindest ein Wenig vom Staub zu befreien und überprüfte den Zustand des kleinen Hockers. Dann, als er es nicht mehr herauszögern konnte, ging er schließlich wieder nach unten, um seinen Gästen ihren Weg nach oben zu zeigen. Als er jedoch in der Schankstube angekommen war, waren sie verschwunden. Leise fluchend, aber doch erleichtert, räumte Klaus Stürzdenbecher den Tisch ab. Er war froh, diese Gäste endlich los zu sein. Er wäre jedoch kein echter Wirt, hätte er sich nicht über die Zechprelle geärgert.

Erschrocken öffnete der Obergefreite die Augen, erkannte dann jedoch den Umstand, der sein Unterbewusstsein so in Schrecken versetzt hatte: Das Schauspiel hatte begonnen, die Sonne begann sich zu verdunkeln. Ein Raunen ging durch die staunende Menge, die Köter verstummten, die Fliegen flogen der Sonne hinterher und Araghast Breguyar, Gelangweilter aus Leidenschaft, lag mit einem Strohhalm im Mundwinkel auf der Erde, sein eines Auge konnte jedoch ein gewisses Interesse auch seinerseits am Spektakel nicht leugnen. Nun, vielleicht war er auch nur überrascht, dass die Berechnungen der Forscher so genau gewesen waren, dass ihr Mittelwert genau den richtigen Tag bezeichnete.
Als Tyros nun die Sonnenfinsternis beobachtete, beschloss er, die Idee mit der Waschanlage zu verwerfen. Die Sonne erschien so glänzend und sauber, da hatte sie eine Wäsche sicherlich nicht nötig. Und dennoch, solange er keine andere Erklärung parat hatte, hielt er sicherheitshalber mal an dieser fest.
Die FROGs hatten sich mittlerweile in einer Gruppe zusammengefunden, denn bei diesen Lichtverhältnissen wusste man ja nie...bzw. in Ankh-Morpork wusste man nie, aber das tut ja nichts zur Sache. Nyvania und Sallien hatten sich wieder zu Tyros gesellt, der auf friedlich machte, um keinen unnötigen Ärger provozieren. Und dann starb der erste Hund.
Ja, er starb tatsächlich. Und zwar direkt neben Tyros, der gerade als richtiger Schaulustiger in seine Stulle beißen wollte. Zuerst dachte der Obergefreite, dass der Hund einen Hitzeschlag erlitten haben könnte, doch da die Sonne gerade in der Waschanlage war, konnte dies wohl kaum der Grund sein, zumal es gerade empfindlich kalt geworden war. Da sich jedoch außer ihm keiner um den Hund zu scheren schien, zuckte Tyros nur mit den Achseln und wandte sich wieder weitaus interessanteren Dingen, wie zum Beispiel einem dunklen Himmel, zu. Man sieht, er hatte gelernt.
Nach einigen Minuten schließlich war das Schauspiel vorbei. Etwas enttäuscht von der akuten Langweiligkeit des ganzen Spektakels machte sich die Bevölkerung Ankh-Morporks zurück in die Stadt, um wieder ihrem Tagewerk nachgehen zu können. Viele von ihnen hatten sich mehr erwartet, einzig T.m.s.i.d.R. Schnapper war zufrieden, so gut wie heute waren seine legendären Würstchen schon lange nicht mehr gelaufen. Nur die Wächter der Abteilung FROG lagen noch verstreut im Gras, denn so oft kamen sie nicht aus der Stadt heraus, und da musste man schon mal die gute Luft genießen, die in den engen Gassen der Ankhmetropole äußerst rar war. Nach einiger Zeit jedoch, als es langsam regulär dunkel wurde, machten auch sie sich auf den Heimweg.

***


Als Klaus am nächsten Morgen erwachte, goss er sich kurzerhand den Inhalt eines Wassereimers über den Kopf, fluchte hingebungsvoll über die Kälte des Wassers und ging dann in die Schankstube, um für das Frühstück alles vorzubereiten. Als er die Tür zu ihr öffnete, überkam ihn ein Schreck: Die seltsamen Gestalten vom gestrigen Abend saßen wieder an ihrem Tisch und schienen auf ihn zu warten.
"G...Guten Morgen, die Herren. Ich dachte ihr seid abgereist, weil ich am Abend nichts mehr von euch gehört habe."
"Bring uns Honig!", wieder war es der Mann dort am Fenster. Aber war es wirklich der gleiche? Würzdenbecher wusste es nicht. Diese Herren, noch immer weigerte sich sein Inneres, dieses Wort bei diesen Gästen zu denken, sahen ja doch alle gleich aus.
"Aber...ihr habt gestern Abend den ganzen Honig verschl...gegessen. Und ich bin noch nicht dazu gekommen, neuen zu besorgen", entgegnete der Wirt, dessen Zukunftspläne in diesem Moment wie ein Kartenhäuschen im Erdbebengebiet zusammenzufallen schienen. Plötzlich erinnerte er sich wieder an die Gerüchte, die er in den letzten Wochen öfter gehört hatte. In Überwald sollten sich seit einiger Zeit Kannibalenstämme herumtreiben. Konnte man ohne Gliedmaße nach Klatsch reisen?
"Nun, wir haben noch etwas Zeit. In einer halben Stunde erwarten wir das Frühstück. Danach gehen wir."
Würzdenbecher wischte sich die schweißnasse Stirn. "Eine halbe Stunde? Aber..."
"Bis dann."
Der Wirt fühlte förmlich, wie seine Beine dem ungeheuren Drang nachgingen, die Schankstube zu verlassen und sich auf dem schnellsten Weg zum Imker zu machen. Nun, wenn er sich nicht beeilte, war dies wohl der letzte Weg, den er zusammen mit seinen Beinen unternahm. Aber eine halbe Stunde? Dies war nicht zu schaffen.

***


Als Tyros sein Büro betrat, ein Labor gab es immer noch nicht, obwohl Übrigens, der neueste GiGa-Azubi, schon vor vielen Monaten versprochen hatte, sich darum zu kümmern, lag bei ihm auf dem Schreibtisch ein toter Hund. Zuerst hielt er dies für einen schlechten Scherz seiner Kollegen, doch in diesem Moment trat auch schon Hauptfeldwebel Araghast Breguyar, frisch befördert und mit neuer Augenklappe, ein.
"Moin Tyros. Vielleicht hast du schon davon gehört. Ein Haufen Hunde sind draufgegangen in den letzten Tagen. Vermute die ham irgendwas von Schnapper gefressen oder so. Sieht eben nach Vergiftung aus. Auf jeden Fall sollst du das jetzt mal untersuchen", brummte Bregs, der wohl schon länger hier war.
"Argh! Wieso ich? Ich kann die Biester sowieso nicht leiden," entgegnete Tyros, der sich schon auf einen stinknormalen Arbeitstag gefreut hatte.
"Nun, du bist der GiGa. Du hast dir den Tschob selbst ausgesucht. Jetzt musst du halt mal was tun für dein Geld. Ich habe mich sowieso schon gefragt, warum die Wache euch überhaupt noch beschäftigt."
"So? Nun... dann lass mich mal schauen. Sag mal, wie viel Geld wird es jetzt eigentlich für das neue Labor geben? Ich meine nicht, dass ich damit nicht klarkäme, aber ich würde so Fälle wie unseren Bello hier doch lieber in einer anderen Räumlichkeit behandeln." Der Obergefreite wusste, was nun kommen würde.
Breguyar drehte sich um, brummte "du machst das schon" und schloss die Tür hinter sich.
Seufzend warf Tyros seine Uniformjacke auf den durchgesessenen Sessel in der Ecke, zog sich dann die 'Extra dünne Schweinelederhandschuhe'-Packung herüber und nahm sich ein Paar der Einwegbegleiter heraus. Zuerst öffnete er dem Hund die Schnauze, als ihm dann jedoch ein beißender Geruch entgegenkam, nahm er sich doch lieber noch etwas von der grünen Kräutersalbe, die auch Gerichtsmediziner verwendeten, um sich vor üblen Gerüchen zu schützen. Als er im Gebiss des Hundes nichts verdächtiges finden konnte, außer Gelbem, das sich bei solchen Gelegenheiten immer einfand, beschloss er den Köter aufzuschneiden, um im Inneren nach Vergiftungserscheinungen zu suchen. Übrigens Gernegroß kam in diesem Zusammenhang wie gerufen, den konnte er die nötigen Instrumente holen schicken. Da die Sezierinstrumente mit dem alten Labor in Flammen aufgegangen waren, und bis jetzt die finanziellen Zuwendungen zu seiner überaus wertvollen Arbeit eher gering verlaufen waren, musste er sich, wenn er e!
s benötigte, das Sezierbesteck von Rea Dubiata ausleihen, die es ihm widerwillig aushändigte, wenn sie es gerade nicht brauchte.
Also wurde der Azubi zu Rea geschickt, das Zeug zu holen. Derweil konnte Tyros sich einen Kaffee kochen, der bei dieser Art von Arbeiten unabdingbar war.
Als der Kurze wiederkam, und die benötigten Bestecke, die ihn fast um Haupteslänge überragten, mitbrachte, hatte der Obergefreite schon weitere Untersuchungen an dem Kadaver vorgenommen. Außer einem leichten roten Schimmer in den Augen und etwas hellbraunem ehemals flüssigem am Hinterausgang war ihm jedoch nichts außergewöhnliches aufgefallen, das ihn auf eine Vergiftung aufmerksam machen wollte. Allerdings war er auch kein Hundeexperte.
Tyros begann langsam den Brustkorb des Körpers aufzutrennen, verfluchte seinen Schäff und sein Schicksal, hatte er es doch bewusst vermieden Gerichtsmediziner zu werden. Und jetzt musste er diesen Kram doch erledigen. Warum konnte das nicht Rea oder sonst wer erledigen? Aber nein, ER musste mal wieder die Drecksarbeit verrichten. In Selbstmitleid versunken dachte er mal wieder an den Plan, den er bereits seit geraumer Zeit immer wieder durchwälzte. Es musste doch irgendwie möglich sein, allein am Geruch eines Kadavers festzustellen, ob die Todesursachen auf Gift zurückzuführen war oder nicht. Es hatten doch viele Gifte ihren eigenen Geruch. Und konnte man dann nicht einfach eine Schähmikalie erfinden, die dann den Rest für einen erledigte?
Tyros stellte sich seine Zukunft so einfach vor. Er saß gemütlich pfeiferauchend in einem alten Schaukelstuhl, während sich eine grüne Flüssigkeit durch einen vor ihm liegenden Kadaver wälzte, dort ihre Arbeit verrichtete und ihm dann anhand irgendeiner Veränderung verriet, ob die Todesursache Gift war, oder nicht.
Bei diesem Gedankengang schlug plötzlich die Tür auf und Breguyar stürmte, im Gegensatz zu seiner sonstigen Gewohnheit in das kleine Büro des GiGas. Vor Schreck schnitt Tyros sich in den Finger. Fluchend schnappte er sich die Flasche Bärdrückers und goss sich einen guten Schluck über die Wunde. Man wusste ja nie.
"Was neues? Du musst dich beeilen. Es liegen immer mehr Köter auf den Straßen rum. Wenn wir uns nicht bald was einfallen lassen, sind wir bald eine hundefreie Stadt. Und du weißt ja, was das bedeutet. Das ist der Anfang vom Ende. Vielleicht wird die Stadt sogar sauberer. Grauselige Vorstellung." Gespielt angewidert schüttelte der Hauptfeldwebel den Kopf, doch der Kern seiner Aussage war klar. Tyros musste sich beeilen.
"Ist in Ordnung. Ich mache so schnell ich kann."
"Gut. Ich muss mich jetzt um was anderes kümmern. Auf der Straße wurde ich von einem, nun, Bürger angesprochen, der meinte, dass unten am Ankh ein Affenzirkus gastiere. Die Biester seien so verlaust, dass ernsthaft zu befürchten sei, dass sie unseren heimischen Läusen Konkurrenz machen könnten. Deswegen hat sich die Organisation für die Erhaltung der heimischen Artenvielfalt mit Schlagstöcken bewaffnet, um die Leute aus der Stadt zu vertreiben. Dies hat die Bruderschaft der Geheimen Auslandswanzen auf den Plan gerufen, die schon seit langem für einen ständigen Wechsel der hier beheimateten Kleintiere kämpfen. Die haben sich mit Steinen bewaffnet. Ich muss jetzt gucken, ob sich jemand findet, der die schaulustige Menge, die sich zweifelsohne bilden wird, vertreibt."
"Ist gut. Ich beeil mich." Kopfschüttelnd brach der GiGa dieses Gespräch ab, und wandte sich wieder seinen Tieren zu. Nun, ER wollte nicht in der Haut der Wächter stecken, die jetzt für die Zerstreuung einer schaulustigen Menge sorgen mussten.. Denn wenn eine Schaulustige Menge vor der Auflösung stand, konnte sie sich ganz leicht in eine wütende Menge verwandeln. Und wenn es Wächter mit einer wütenden Menge zu tun bekam, war die Ankh Morpork Times am nächsten Tag immer mit Stellenausschreibungen gefüllt.
Als Tyros sich der Lunge des Kadavers chirurgisch näherte, fiel ihm plötzlich etwas merkwürdiges auf: Von der Front des rechten Lungenflügels aus schienen sich konzentrische Kreise hin zu einem roten Strich zu bewegen. Und irgendwo, war er sich sicher, hatte er dies schon einmal gesehen. Er wusste nur nicht mehr wo. Da er sich sicher war, dass er, bis er das Rätsel gelöst hatte, sowieso nicht mehr anständig arbeiten konnte, entschied er sich zu einem Spaziergang entlang des Ankhs. Dies half in den meisten Fällen. Wenn er sich an etwas nicht mehr erinnern konnte, ging er zum Fluss und blieb dort so lange, bis er sich wieder erinnerte. Der immense Gestank, der ihn einnebelte, beflügelte die Geschwindigkeit seiner Gedankenprozesse, da sein Körper diese Geruchskulisse auf dem schnellsten Wege verlassen wollte.
Als Klaus Würzdenbecher den kleinen Ort verließ, er hatte sich ein Pferd von einem Nachbarn besorgt, wusste er, dass er sich beeilen musste. Und irgendwie schaffte er die Strecke, für die er normalerweise 30 Minuten brauchte, in 10. Als er bei dem Imker ankam, ließ das Pferd, nun, diese Bezeichnung verdiente wohl nur noch der Schwanz, den Kopf so tief wie möglich in den benachbarten Weier gleiten, um ihn abzukühlen.
Schnell kaufte er einen Eimer Honig und sprang sofort wieder auf sein Pferd, das den Heimritt mit einem erschrockenen Satz nach vorne begann. Richtig, dort war der See.

***


Tyros rannte durch die Straßen der Ankhmetropole, auf der Suche nach einem ganz bestimmten Buchladen. Hier hatte er sich zum ersten Mal während seiner Zeit als GiGa-Azubi hinverirrt. Mittlerweile hatte er zu dem Inhaber einen ziemlich guten Kontakt und durfte auch 'einfach mal so' in die Bücher reinschnuppern, wusste der Alte doch, dass schon seine Taschenbücher die finanziellen Mittel der Wächter im niedrigen Dienstgrad überstiegen.
Als der Obergefreite die Tür zu dem Antiquariat öffnete, verlangsamte sich seine Herzfrequenz gleich ein ganzes Stück. In so einer Atmosphäre musste man sich einfach ruhig und, nun, gesittet benehmen.
"Ah, der Herr Experte. Was kann ich dir heute gutes tun?", fragte der Antiquar.
"Hallo, Norton. Sag mal...ich habe bei dir vor längerer Zeit mal in einem Buch geblättert, und bin dabei über eine recht merkwürdige Art der Grippe gestoßen. Sagt dir das was?"
" Ja nun, wenn du nicht mehr weißt, in welchen Büchern du herumblätterst, kann ich dir auch nicht weiterhelfen. Aber Moment, Grippe sagst du? Ich glaube...ja, ich hab da was für dich", murmelte Norton und wandte sich um. Schlurfend passierte er die vollgestellten Regale, während er ab und zu einen prüfenden Blick auf dir Buchrücken warf. Nach einiger Zeit kam er zurück, ein altes Buch in der Hand.
"Hier. Ein Kurzexkurs über Grippe. Machs dir gemütlich, vielleicht findest du ja was. Derweil suche ich noch mal ein bisschen." Tyros nahm dem Alten das Buch aus der Hand und ließ sich in einen verstaubten Sessel fallen. Er begann zu blättern, war sich jedoch nicht wirklich sicher, ob er das, was er suchte, hier überhaupt finden würde. Und außerdem...wer sagte ihm denn, dass er mit seiner Annahme überhaupt recht hatte?
Der Tag neigte sich schon dem Ende zu, und der Obergefreite hatte schon einen ganzen Stapel Bücher durchblättert, als ihm wieder einfiel, in welchem Buch er die Krankheit gefunden hatte. Mit einem Satz war er an dem entsprechenden Regal, und fischte in der obersten Reihe herum. Dann hielt er das gesuchte Buch in den Händen. Aber wenn die Krankheit in diesem Buch tatsächlich auftauchen würde, dann würde das heißen, dass Ankh-Morpork vor einem gewaltig großen Problem stand.
Als Klaus Würzdenbecher durchnässt und durchfroren bei seiner Wirtschaft ankam, war er bereits einige Minuten zu spät. Nun, er wusste nicht, was diese seltsamen Kreaturen jetzt mit ihm vorhatten, aber dafür wusste er, dass er sein bestes gegeben hatte. Und mehr konnte keiner von ihm erwarten.
Doch als er den Schankraum betrat, schien sich keine der Gestalten für sein Zuspätkommen zu interessieren. Erschöpft stellte der Wirt den Eimer Honig auf den Tisch, murmelte 'Guten Appetit' und ging nach oben, um sich umzuziehen. Da er nichts anderes hatte, zog er sein Festtagsgewand an. 'Passend', dachte er. 'Dann muss ich zu meiner Beerdigung gar nicht mehr umgekleidet werden.'
Als er nach unten kam, schienen seine Gäste schon aufbruchsbereit. "Wir möchten zahlen, Wirt."
Erstaunt ob der trügerischen Gelassenheit der Fremden, nannte Würzdenbecher seinen Preis für das Zimmer, zwei Eimer Honig und, kühn geworden, einen Eilritt zum Nachbarort, den er jedoch nicht ausdrücklich erwähnte. Von irgendwo, er wusste nicht woher, nahm der Fremde einen kleinen schwarzen Lederbeutel, ließ einige Münzen in seine handschuhbedeckte Kralle, nein, Hand, verbesserte irgendetwas in Klaus' Kopf seinen Gedanken, fallen und legte sie auf den Tisch.
Ohne ein Wort zu sagen verließen die Fremden die Schenke, der letzte schloss die Tür achtsam hinter sich. Erschöpft ließ Würzdenbecher sich auf eine roh behauene Bank fallen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er würde jetzt wohl eine Weile brauchen, sein Überleben zu verarbeiten.
"Historische Seuchen und Äpiedähmien auf morporkianischem Grund und Boden. Dritte Auflage und vervollständikt, von Dr. Sepestian Süphilio", las Tyros.
"Was willst du denn damit, Freund? Hast du vor Arzt zu werden?", fragte der Antiquar, der plötzlich am Fuße der Leiter stand.
"Nun, nein. Ich weiß aber jetzt wieder, dass ich die betreffenden Symptome erst vor kurzem in diesem Buch gesehen habe." Stirnrunzelnd begann der GiGa, noch auf der Leiter, in dem Band zu blättern. Plötzlich stutzte er, pfiff anerkennend durch die Zähne und stieg die Leiter, ohne auf seine Tritte zu achten, wieder herunter. "Ich glaube, ich habe da was. Was willst du für das Buch haben?"
"Nun, es ist sowieso..."
"Danke, wusste ich doch, dass ich mich auf dich verlassen konnte. Bis dann." Mit diesen Worten war Tyros schon durch die Tür und um die Ecke verschwunden. Zuerst wollte der Antiquar dem Wächter nachlaufen, machte sich dann jedoch seufzend an die Arbeit. Musste er ihm das Buch eben beim nächsten Mal berechnen.
Zwar hatte der Eimer Honig zum Frühstück nicht gereicht, aber die Fremden hatten keine Zeit, sich nach einer neuen Quelle umzusehen. Sie mussten auf dem schnellsten Wege nach Ankh Morpork. Wenn sie das Schiff verpassten, würde dies die ganze Mission gefährden. Als ließen sie den Imker, den sie sahen, links liegen und verließen Überwald. Dass sie damit ein Gebiet betraten, auf dessen Strecke bis zur Ankhmetropole hin kein Imker mehr anzufinden war, da Honig hier als unrein galt, konnten sie nicht wissen.
Wieder zurück in seinem Büro warf Tyros sich auf die schmale harte Pritsche, auf der er die Dienstnächte verbrachte, und begann zu suchen. Dies nahm seine Zeit in Anspruch, konnte er sich doch nicht mehr daran erinnern, was für eine Art von Krankheit er gesehen hatte. Als er schließlich auf die kleine, unscheinbare Zeichnung traf, war es fast schon dunkel. Langsam begann er zu lesen, vertiefte sich immer mehr in den Stoff, bis er schließlich über der Lektüre einschlief. Seine Haare waren grau geworden.
Als der Obergefreite am nächsten Morgen von dem Gezeter seines Azubis erwachte, wanderte sein Blick schuldbewusst zu dem Zeitdämonen, der schon seit einigen Wochen auf dem einzigen Regalbrett dieses Raumes hier verstaubte. Er hatte eine ganze Nacht vertan! Verschlafen schlug er das Buch auf, und als er bemerkte, dass er das, was er am Abend zuvor gelesen hatte, doch nicht vergessen hatte, wandelte sich seine Haarfarbe vor Freude in ein tiefes lila um. Er hatte nur noch sechs Seiten vor sich. Dann würde er zumindest wissen, was es mit der Hundegrippe auf sich hatte. Merkwürdiger Name das, dachte der Obergefreite. Man hatte zwar schon Hunde niesen hören, aber dass es auch Grippen für diese Spezies gab, die von Fliegen übertr...
Vor Schreck saß Tyros mit einem Mal kerzengerade auf seiner Pritsche. Wie hieß das Buch? Seuchen und Äpiedähmien? Er hatte die Symptome bei einem Hund gefunden. Derzeit gab es hierzulande erstaunlich viele Fliegen. Und damals hatte die Hundegrippe viele tausend Menschen dahingerafft. Und wenn seine Vermutung stimmte, stand ihnen nun eine erneute Epidemie bevor.
Mit einem Satz war Tyros an der Tyros an der Tür und stürmte in das Büro seines Abteilungsleiters, dem er keine Zeit zum Protest gab. Jetzt galt es, keine Minute zu verlieren.
Mit steifer Miene hörte Breguyar sich den Bericht des Obergefreiten an.
"Bist du ganz sicher?", fragt er dann bevor er zu Papier und Feder griff und anfing zu schreiben.
Einige Minuten lang saß Tyros vor dem Tisch seines Schäffs und sah diesem beim Schreiben zu. Als er sich sicher war, dass dieser ihn einfach vergessen haben musste, räusperte er sich vernehmlich, wurde jedoch immer noch nicht weiter beachtet. Dann schließlich faltete Breguyar das Papier zusammen, versiegelte es und reichte es Tyros. "Mach, dass das zum Palast kommt. Ich rede derweil mit dem Kommandeur."
Etwas verwirrt verließ der Obergefreite das Büro des Hauptfeldwebels und entschied sich schließlich dafür, den Brief selbst zum Patrizier zu bringen. Wenn es etwas für ihn zu tun gab, hätte das der Hauptfeldwebel schon gesagt. Soweit zur Gewissensberuhigung. Jetzt konnte gehandelt werden. Nur was? Nun, er konnte das tun, was Wächter in solchen Fällen üblicherweise zu tun pflegten, nämlich nichts. Er konnte aber auch mit T.m.s.i.d.R. Schnapper reden. Ihm sagen, dass das, was er ihm jetzt sagte, streng vertraulich sei. Dieses System funktionierte bedeutend besser als die Semaph...Setafor...Nachrichtenmasten. Schneller, zuverlässiger, und mit mehr Bewohnern als Ziel. Aber was ihm sagen? Alles was Panik, wütende Mengen und Schaulistige provozieren würde? Nun, zugegeben, diese Idee war nicht ganz so gut.
Auf dem Weg zum Palast des Patriziers machte der Obergefreite sich weiter Gedanken, bis er fast in eine Bude gestoßen währe, die am Tage zuvor sicher, nun, ziemlich sicher, also wahrscheinlich noch nicht dagewesen war. Etwas verwundert betrachtete sich Tyros das Schild, das wohl von dem Inhalt der Bude erzählen sollte.

Ausflüge mit dem Geisterfahrer
Erstaunliches und kurioses rund um die Geister Ankh-Morporks
Mit ähchten Spuhkgestalten
Leiter: T.m.s.i.d.R. Schnapper


Verblüfft mussterte der GiGa das Schild, bis er schallend anfing zu lachen, sich ausmalend, wie Schnappers "ähschte Spuhkgestalten" wohl aussahen. Kurz überlegte er, ob er nicht doch von seiner ursprünglichen Idee gebrauch machen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. Schnell ging er weiter, um die Menge herum, die sich schon vor Schnappers neuester Einnahmequelle versammelt hatte. Als er den Palast des Patriziers erreichte, und nachdem er sich mit den Palastwächtern auseinandergesetzt hatte, die den Brief lesen wollten, obwohl er sich sicher war, dass sie nicht mal ihren eigenen Namen lesen konnten, wenn er in Großschrift auf der gegenüberliegenden Wand erscheinen würde, konnte Tyros schließlich in die geheiligten Hallen der Ankhmetropole vordringen. Das heißt bis zur Amtsstube des Vetinarischen Sekretärs. Dort ging es wirklich nicht weiter, aber der Sekretär reichte den Brief sofort weiter. Er versprach es zumindest.
Etwas enttäuscht ging der Obergefreite wieder zurück zur Wache. Aber was hatte er sich erwartet? Dass er bis zum Patrizier vorgelassen werden würde? Nun, die Abfuhr war ja vorhersehbar gewesen. Aber trotzdem...hatte er mit mehr Wichtigkeit behandelt werden wollen? Ja, das musste es sein. Jetzt musste er wohl auf Instruktionen vom Schäff warten, etwas besseres fiel ihm nicht ein.
Die Fremden waren nun weniger geworden, allerdings schien es, als seien diejenigen, die gerade die Berge hinter sich gelassen hatten, größer und breiter als bei ihrem Aufenthalt in der Schenke. Allein- es gab keinen Beobachter, der dies hätte feststellen können. Und so konnte dieser Beobachter auch nicht wissen, was nur die Fremden wissen konnten: Sie brauchten unbedingt Honig. Und sie mussten nach Ankh Morpork, schneller, als dies unter den gegebenen Umständen wohl möglich war. Die einzige Möglichkeit, noch pünktlich anzukommen, war damit verbunden, die Tarnung aufzugeben. Aber dann mussten sie, wenn sie die Stadt erreicht hatten, irgendwo Honig herbekommen, und zwar dringender, als es so der Fall sein würde. Und sie würden Kutten benötigen. Lange, schwarze. Solche mit Kapuzen.
Kaum war Tyros in seinem Büro angelangt, als auch schon Breguyar kam. "Obergefreiter, ich sehe nur eine Möglichkeit."
"Ja?", fragte der GiGa, der schon wusste, dass das, was jetzt folgen würde, keine angenehmen Neuigkeiten bergen würde.
"Nun, ich denke, wir werden die Seuche..."
"Grippe. Tschuldigung."
"...nur dann eindämmen können, wenn wir zuerst damit beginnen, alle Tierkadaver, die herumliegen, einsammeln. Dabei müssen wir natürlich auf die Mithilfe der Bürger setzen."
"Natürlich. Ist klar. Schäff, weißt du eigentlich, wie groß diese verdammte Stadt ist? Und wen oder was meinst du eigentlich mit wir?", fragte Tyros, dessen Vorstellungskraft von der seines Vorgesetzten um einiges übertroffen wurde.
"Nun, ich weiß sehr wohl, wie groß die Stadt ist. Und mit 'wir' meine ich vor allem dich. Du kannst dir ein paar Wächter aussuchen, mit denen du sofort anfangen wirst die Stadt von Tierkadavern zu säubern. Außerdem müssen Plakate verteilt werden, auf denen steht, was los ist, und die..."
"...sowieso keiner lesen wird?", unterbrach Tyros mal wieder seinen Vorgesetzten.
"Weil ihn so gut wie keiner lesen kann. Aber du weißt doch wie das in dieser Stadt läuft. Ein Gerücht gekonnt plaziert, und die Sache ist geritzt. Wenn nur 5 Leute in der Stadt die Plakate lesen, so können wir davon ausgehen, dass Morgen die gesamte Bevölkerung bescheid weiß."
"Aber wird die ganze Geschichte dadurch nicht nur aufgebauscht?", fragte Tyros, der sich der Parallele zu seinem ersten Gedankengang bewusst war.
"Nun, was willst du an der Situation noch aufbauschen? Der Stadt steht vermutlich eine tödliche Epidemie bevor. Die Bürger müssen gewarnt werden", erwiderte Breguyar, für den das Gespräch damit beendet war.Eine Erwiderung herunterschluckend nickte der Obergefreite und verließ das Schäffbüro. Jetzt durfte er also als erstes Plakate entwerfen. Und damit kostbare Zeit vergeuden, die er besser für...für...gar nichts verwenden konnte. Was konnte er schon tun?
Gedankenverloren wandte sich der GiGa seinen Buntstiften zu und begann zu malen. Erst ein kleines Haus mit einem roten Dach, dann einen blauen Fluss, Kinder, die an seinen Ufern spielen und zum Schluss einen Hund. Einen Terrier. Selig lächelnd lehnte er sich zurück und entspannte sich. Dies tat ja so gut. Endlich mal das sein, was er schon immer hatte sein wollen: Ein glücklicher Mensch...

***


Die Anzahl der Fremden belief sich mittlerweile nur noch auf drei Personen, die jedoch eine Größe und Breite erreicht hatten, die einem Baum Konkurrenz machte. Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit, bevor sie zusammenfallen würden. Doch solange es die Hoffnung gab, dass sie noch eine Honigquelle finden konnten, würden sie versuchen, durchzuhalten. Zu groß war die Gefahr, alles damit zu gefährden. Und zu groß währe der Aufwand, den sie dann in Ankh-Morpork zu betreiben hätten.
Erschrocken erwachte der Obergefreite aus seinem Tagtraum, erinnerte sich an seine Pflicht und fing nervös an, ein Plakat zu entwerfen:
"Bürger Ankh Morporks, die Wache, wir, wolligen eure Hilfe. Entfernet alles Tier und dievärses andere von den Straßen, und vernichtet es. Ansonstigen drohigt euch ernste Gefahr. Wir brauchigen euch, helft uns. Die Lage ist ährnst!!
Wache, Eurige"


Zufrieden betrachtete der Obergefreite sein Werk. Mhm...wenn er vielleicht noch ein paar Hunde dazu malen würde, und einen Postkutscher, vielleicht konnte ja... Aber nein. Der Postkutscher konnte als Aufruf zur Flucht verstanden werden. Und die Plakate mussten ja gedruckt werden, schließlich konnte keiner von ihm erwarten, dass er alles mit der Hand schrieb, oder? Also brachte er, stolz ob seines Meisterwerks, das Plakat zur Druckwerkstatt der Ankh Morpork Times. Hier klopfte er nicht lange, sondern trat nach dem dritten "Tock" in das Büro des Verlegers ein.
"Tag, Auftrag von der Wache. Dieses Plakat hier brauchen wir, sagen wir zweihundert Mal. Außerdem muss der Text unbedingt in der nächsten Ausgabe der Times veröffentlicht werden," sagte Tyros zu dem verdutzten Verleger.
"Nun mal langsam mit den jungen Pferden, mein Herr. Kannst du das denn bezahlen?", erwiderte der gelassene Brillenträger, der sich auf der anderen Seite des Schreibtisches befand.
"Wie? Äh...nun ja. Ich gehe davon aus, dass..."
"Also ist nichts abgeklärt, ja? Nun, dann strecke es mir doch vor oder komm einfach noch mal wieder, wenn du das Geld zusammen hast. Auf Wiedersehen", wies ihn der Verleger mit freundlicher Miene zurück.
"Aber..."
"Auf Wiedersehen", diesmal wurde die Miene schon etwas steifer.
"Ich...Auf Wiedersehen." Der Obergefreite drehte sich um und verließ verwirrt das Büro. Warum hatte er nicht eindeutig abgeklärt, ob er drucken durfte oder nicht? Hätte der Zeitungsmann nicht nachgefragt, wäre sicherlich wieder einiges an Ärger auf den Obergefreiten zugekommen.
Auf dem Rückweg zur Wache, beschloss Tyros, noch einen Umweg über die Unsichtbare Universität zu machen. Vielleicht traf er ja zufällig einen der Zauberer, und konnte vielleicht erfahren, ob es aus thaumaturgischer Sicht etwas gegen Epidemien zu unternehmen gibt.
Wie auf ein Stichwort hin bemerkte der Obergefreite plötzlich das, was ihm schon viel früher hätte auffallen müssen: Kein Hund war auf der Straße zu sehen! Verwirrt blickte Tyros sich um und rannte schließlich auf einen Gemüsehändler zu, der seinen Stand am Ende der großen Straße aufgebaut hatte.
"Hey! Du! Hast du heute schon Hunde gesehen?", fragte er den Mann.
"Was? Sicherlich, ich..." Verwirrung machte sich auf dem Gesicht des Händlers breit. "Warum...warum willst du das wissen?" Misstrauisch sah er den Wächter an.
"Also nicht", nickte Tyros. "Merkwürdig. Wirklich merkwürdig." Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand in der Menge, ohne auf das Rufen des Händlers zu achten.
Als der Obergefreite noch etwa vier Blöcke von der Unsichtbaren Universität entfernt war, und um eine Ecke bog, schrak er zusammen: Vor sich, in einer von Menschen leer gefegten Gasse, fand ein Hundekampf statt. Kein normaler, wie es häufiger vorkommt, sondern fast ein Bandenkrieg. Hunderte von Hunden standen sich gegenüber oder hatten sich schon ineinander verbissen. Und alles in einer gespenstischen Lautlosigkeit, wie es eigentlich nicht möglich sein dürfte. Nicht mal das Jaulen eines gebissenen Köters drang an das Ohr des Wächters, der vom Schock getroffen an der Ecke stand. Langsam erholte er sich wieder. Als er sich seiner Situation vollends bewusst war, versuchte sich der Obergefreite sich so leise wie möglich umzudrehen, um dann zu verschwinden. Wahrscheinlich hatte er es nur der allgemeinen Duftnote der Hundemenge zu verdanken, dass noch keines der Viecher ihn gerochen hatte. Wenn er jetzt ganz leise verschwand...KRACH
Als die Wolken am Himmel aufzogen, wussten die Fremden, dass es nun wohl zu spät war. Und dennoch gaben sie es noch nicht verloren, hatten sie doch so viel Arbeit hinein gesteckt. Jetzt gab es nur noch eine Hoffnung...
Fast synkron sanken die schwarzen Mäntel nach unten, und ein gigantischer Fliegenschwarm verdunkelte den Himmel. Milliarden kleiner Fliegen stiegen empor, und flogen in Richtung Ankh Morpork. Sie mussten sich beeilen.
Tyros fluchte jeden Fluch, den er zu fluchen vermochte. Zumindest innerlich. Äußerlich kam es jetzt auf etwas anderes an. Er hatte sich umgedreht und war über einen Kessel gefallen, den jemand dort zurückgelassen hatte. Aber dies war wohl eher nebensächlich. Viel größere Kopfschmerzen bereiteten dem GiGa jetzt jedoch, dass die Hunde auf ihn aufmerksam geworden waren. Wenn dies möglich war, so war es nun noch stiller, als es vor dem Krach ohnehin schon gewesen war. Jeder einzelne der Hunde schien Tyros zu mustern, jeder schien zu erwägen, ob er eine Gefahr war.
Zitternd richtete der Obergefreite sich auf, kam auf die Beine und hob beschwichtigend die Hände.
"Braaaaaaves Hündchen. Braaaaaaaa..."
"GROOOOAAAAAAAAAAR", schallte ihm entgegen. Beziehungsweise es schallte dorthin, wo der GiGa eben noch gestanden hatte. Jetzt war er schon etwa 20 Meter weiter vorne, auf dem Weg zur Unsichtbaren Universität. Aber er wusste, dass etwa 200 Hunde kein Problem damit haben sollten, einen träge gewordenen Menschen einzufangen. Was dann mit diesem Menschen geschehen würde, nun, wenn Tyros sich nicht beeilte, würde er es bald erfahren.
Für die Fliegen war es ein Wettlauf mit den Wolken. Sie konnten ihn nicht gewinnen. Noch waren sie zwar etwas schneller waren als die Wolken, doch konnten sie das Tempo nicht lange beibehalten. Und bis zur Ankhmetropole waren es noch etwa 100 Meilen. Sie konnten nicht wissen, dass sich auf der anderen Seite der Stadt schon eine zweite Wolkenfront aufgebaut hatte. Und diese Wolkenfront war bedeutend näher zur Stadt, als die der Fliegen.
Der Obergefreite brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass er verfolgt wurde. Das Kratzen von hunderten von Pfoten auf Untergrund bestehend aus Dingen war nicht zu überhören, auch wenn er sich noch so viel Mühe gab. Doch zwei Straßenzüge und weiter wartete die Sicherheit der Unsichtbaren Universität auf ihn.
Tyros rannte durch die immer noch erschreckend leeren Straßen, als er den ersten Donner hörte. Auch das noch! Schon vor Tagen hatte er den Aushang am schwarzen Brett der Wache gelesen, dass diese Woche wieder der berüchtigte Froschregen bevorstand. Nun, im Allgemeinen hielt der Obergefreite dies für keine schlechte Idee, doch heute war das letzte, was er gebrauchen konnte, von einem herumfliegenden Frosch erschlagen zu werden. Was ist wohl das kleinere Übel, sinierte der GiGa, von einem Frosch erschlagen, oder von einer Hundemeute zerfleischt zu werden. Obwohl er sich fest vorgenommen hatte, nie in einer paradoxen Sitution ums Leben zu kommen, so entschied sich der Obergefreite doch für den Tod durch den Frosch. Schnell, schmerzlos, effizient. Solang er wirklich starb, und nicht mit einer Beule davonkam.
Als Tyros die Straße erreichte, die entlang der Zaubererfakultät führte, überkam in eine Welle der Erleichterung. Ein Blick über seine Schulter bestätigte ihn in seiner Annahme: Er war gerettet. Die Hundemeute war langsamer geworden, sie bog gerade erst um die Ecke. Und die Universität war zum Greifen nahe. Allerdings...irgendetwas störte ihn am Anblick der Straße. Etwas stimmte nicht, das wusste er genau. Und dennoch hatte sein Bewusstsein eine Blockade errichtet, durch die er erst hindurchdringen musste. Als er es geschafft hatte, wünschte er sich, er wäre auf der anderen Seite geblieben. Am anderen Ende der Straße nämlich stand eine zweite Hundemenge. Und diese Menge war bedeutend größer. UND sie würde sich bestimmt nicht zurückfallen lassen. Nun jetzt lief die Meute los. Und die, die hinter ihm stand, beschleunigte ebenfalls. Das Festessen wollte sich keiner entgehen lassen.
Schreiend rannte Tyros der Meute entgegen. Vielleicht würde er doch noch das Tor erreichen? Nein? Aber wenn er...Nein. Noch ca. 20 Meter trennten die beiden Meuten voneinander. Und in der Mitte stand ein einsamer Wächter, der an seine Familie dachte. Er hatte in den letzten Monaten zwar keinen Gedanken an sie verschwendet, aber dennoch, früher oder später hatte er sie noch einmal besuchen wollen. Doch nun war es zu spät.
Die Meuten kamen immer näher. Von einem Donnern und von Hagelschauern begleitet wurde der Abstand zwischen ihnen immer geringer, bis der Hagel überhand nahm. Der Hagel bestand aus kleinen grünen Dingern, die den Hunden auf die Köpfe fielen. Wütend schnappten die Hunde nach ihnen, wer eines erwischte, der fraß es auf. Dann sahen sie sich verwirrt um, sie schienen nicht zu wissen, was sie hier taten. Und dann wurde Tyros von einem kleinen grünen Ding an der Schläfe getroffen. Es wurde scharz um ihn.
Als Tyros erwachte, und Stimmen hörte, war er sich sicher, im Jenseits aufgewacht zu sein. Zwar hatte er nie einem bestimmten Gott gehuldigt, eher hatte er sich den jeweiligen Stadtgottheiten angepasst, die dort, wo er vorbeizog, gerade verehrt wurden, aber er war sich sicher, dass ihn nun einer von diesen erhört haben musste. Denn er hörte Stimmen, und kein Hundegebell. Kein wütendes Knurren störte seine persönliche Idylle. Doch dann...war dies normal? Der Obergefreite hörte zwar die Stimmen, und es hatte auch den Anschein, dass er sie verstand, allerdings verstand er sie nicht. Oder sein Bewusstsein weigerte sich, sie zu verstehen.
"NEIN Quästor. Nein, du darfst das nicht essen. Und nein, auch das nicht. Und NEIN du kannst nicht fliegen."
Verwirrt blinzelte Tyros und versuchte etwas zu erkennen. Dies konnte doch unmöglich...doch, das war es. Er war noch immer in Ankh-Morpork, der letzte Monolog war ein eindeutiger Beleg dafür. Im Jenseits hätte Gott, welcher auch immer, sicherlich so etwas unterbunden. Dies musste noch die Scheibe sein.
"Oh, sieh da. Der Wächter erwacht!", sagte eine Stimme, die Tyros mit Mühe als die von Ridcully, dem Erzkanzler der Unsichtbaren Universität, entziffern konnte.
"Was ist passiert?", fragte er, sich plötzlich seiner Pflicht als eben erwachter erinnernd.
"Ja nun. Du bist plötzlich ohnmächtig geworden," war die geistreiche Entgegnung Ridcullys.
"Aber, warum bin ich nicht tot? Und wo sind die Hunde?", fragte der immer noch verwirrte Obergefreite.
"Gerade, als die Hunde dich eigentlich hätten überrennen sollen, wurden sie von den Fröschen abgelenkt, die hier überall herumgesprungen sind. Die haben sie gefangen und gefressen, ein Fehler wie sich herausgestellt hat. Hier in dieser Straße kommt immer, im Gegenteil zum restlichen Ankh-Morpork, eine bestimmte Gattung von Baumfröschen herunter. Die sondern eines der scheußlichsten Gifte der ganzen Scheibe ab.[4] Dies scheint den Hunden nicht so bekommen zu haben, sie wurden auf einmal ganz friedlich, die meisten schienen die Orientierung verloren zu haben. Auf jeden Fall sind sie alle friedlich abgezogen, kaum dass der letzte Frosch vom Himmel gefallen war." Mit diesen Worten stopfte der Erzkanzler einen Frosch in einen schon hoch gefüllten Eimer und wollte zurück zum Universitätstor, als Tyros' Gehirnzellen das gehörte zu verarbeiten begannen.
"Aber...Halt! Weißt du denn nicht, was das bedeutet? Wenn es stimmt, was du gerade gesagt hast, so haben wir das Gegenmittel zur Hundegrippe gefunden. Dann wäre ein Blutbad verhindert!" Ungläubing blickte der Obergefreite auf die unscheinbaren Geschöpfe, die betäubt in Ridcullys Eimer lagen.
"So? Nun, dann ist doch alles in Ordnung, oder?", fragte der Erzkanzler, drehte sich um und verschwand.
Ungläubig blickte der Obergefreite ihm nach, schluckte den Protest jedoch hinunter. Im Prinzip hatte der Zauberer ja recht. In gewisser Weise hatte er seinen Beitrag zur Rettung der Stadt geleistet, alles weitere würde die Aufgabe der Stadtwache sein. Schnell sammelte er so viele Frösche ein, wie er in seine Taschen und in seinen Beutel stopfen konnte und machte sich dann auf dem schnellsten Weg zurück in die Wache. Wenn alle mit anpacken würden, konnte die Grippe sicherlich in einigen Tagen im Griff sein. Die Stadt war gerettet.

***ENDE***


Nachtrag, 3 Tage nach dem Froschregen: 50 Meilen mittwärts von Ankh Morpork war eine Kleinstadt einer Fliegenplage anheim gefallen. Sämtliche Honigvorräte waren schon geplündert worden, die Häuser waren von schwarzen Trauben umgeben und die Kammerjäger verbuchten eine Umsatzsteigerung von mehreren hundert Prozent. Doch wurden auch sie die Fliegen nicht los. Es schien fast, als hätten die kleinen Tiere ihre Orientierung verloren, als hätten sie keinen Grund mehr sich zu bewegen. Ihnen schien der Antrieb zu fehlen, weiterzufliegen. Sie hatten keinen Grund mehr dazu...

[1] Siehe Multi: Die Fänge des Farns. Teil 1

[2] Was ihn ohne Zweifel zum Unikat in Überwald machte

[3] Spezialbehandlung für... spezielle Gäste

[4] Aus diesem Gift werden die berühmten Pillen hergestellt, die den Quästor bei geistiger Gesundheit erhalten

Zählt als Patch-Mission.



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Feedback:

Von Ophelia Ziegenberger

01.03.2006 19:58

Lob: Was immer wieder von Neuem mein Interesse an den Vorgängen weckte, waren die verschiedenen Schauplätze, die Du in den Plot eingearbeitet hattest.

Kritik: Ich habe verstanden, dass es in der Geschichte um die Hundegrippe ging und um Tyros' Versuch, dieser entgegen zu arbeiten. Ich habe aber weder verstanden, was die Sonnenfinsternis, noch was die Fliegenwolken damit zu tun gehabt haben sollen. Und das, obwohl der Spannungsbogen klar darauf aufbaute! Die Lösung, bei der nicht nur die Hunde, sondern auch Tyros, die Frösche und genau die "richtigen" Zauberer an einem zufälligen Fleck aufeinandertreffen um das Gegenmittel zu "entdecken" ist dermaßen konstruiert, dass die gesamte Single, die ja darin gipfelte, enttäuschte. Von Alldem abgesehen stellt die einzige Art, in der die Abteilung eingebracht wurde, einen absurden "Wandertag" dar, wie ich ihn mir in der Wache nicht vorzustellen vermag.

Aus meiner persönlichen Sicht hat die Single die Pokalanforderungen nicht vollständig erfüllt.

Von Tyros y Graco

12.03.2006 20:36

Okay...ich habe zwar gehofft noch ein paar Kritiken mehr zu bekommen....aber bitte.

Wie an anderer Stelle schon erwähnt, musste ich große Teile meiner Pokey streichen, da ich zu viele Wörter hatte. Dies soll keine Entschuldigung sein, da das Reglement klar und lange bekannt ist, aber eine Erklärung. Dass dadurch die ganze Geschichte vor den Hund ging ist mir auch klar, aber ich bin blöderweise erst zu spät auf die Idee gekommen, die Wörter nachzuzählen und hatte so keine Zeit mehr, die Geschichte dementsprechend umzustellen.
Dadurch, dass ich ca. 5000 Wörter gestrichen habe, ist ein kompletter Handlungsstrang und einiges Zeug dazwischen rausgefallen, deswegen war die Geschichte so verrupft.
Wie gesagt...nur eine Erklärung...keine Entschuldigung. Ja, ich habe die Regeln frühzeitig gelesen :D

Achja, noch was: [quote:0da47d6f49="Regelwerk"]In der Story muss die Abteilung zumindest teilweise eine Rolle spielen. [/quote:0da47d6f49] Was in diesem Zusammenhang "Teilweise" heißt, ist meiner Meinung nach dem Autor überlassen. Und da ich die Abteilung im ersten Teil ziemlich ausführlich mit einbezogen habe, kann ich deine Kritik nicht ganz nachvollziehen.

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