Bisher hat keiner bewertet.
Ein Mörder erhält seine Strafe
Dafür vergebene Note: 12
6.30 in the morning
wake up, it's time to go!
A priest, a smile,
names in a file -
last act of the show!
Can you hear them coming?
Keys ring cross the floor.
Don't worry 'bout tomorrow,
'cause you know, what they came for...
Walter Kasmann gähnte verstohlen, als er den Wachraum betrat. Er hatte eine lange Nachtschicht hinter sich. Nur noch die Hinrichtung, dann hatte er Feierabend. Er fragte sich allerdings schon, warum der Patrizier die Hinrichtungen immer so früh ansetzte. Die Kollegen von der Tagschicht konnten das ruhig auch mal übernehmen. Vielleicht wollte Vetinari verhindern, dass der Platz vor dem Galgen vor Schaulustigen nur so überquoll, das würde nur wieder Arbeit verursachen. Aber eigentlich war das Walter egal. Es war ja nicht seine Arbeit. Sein Dschob endete, wenn der Verurteilte am Strick hing. Und das nahm selten länger als ein paar Minuten in Anspruch, danach kehrte wieder der gewohnte Gefängnisalltag ein. Bis zum nächsten Kandidaten... Er stieß seinen Kollegen Jörg an, als sie den omnianischen Priester dabei beobachteten, wie dieser umständlich seine Gewänder ordnete, und rollte mit den Augen. Wenn diese Geistlichen nicht immer so einen Aufwand betreiben würden, wären sie noch schneller fertig.
"Fertig, Hochwürden?"
Der Priester nickte würdevoll und die kleine Prozession setzte sich in Gang. Die Schritte hallten laut von den spärlich durch Fackellicht beleuchteten Wänden wider und das Klingeln der Schlüssel an Walters Gürtel untermalte den Rhythmus.
Das Geräusch, das der gegen die Wand geschlagene Blechlöffel verursachte, war nicht laut, aber beständig. Ohne Unterlass schlug Knut Knackfus auf die Backsteine ein, die ihn gefangen hielten. Er tat dies in keiner besonderen Absicht, schon gar nicht etwa in der Hoffnung, sich dadurch irgendwie befreien zu können. Vielmehr war ihm diese Handlung nicht einmal bewußt und die Hoffnung hatte er schon lange aufgegeben. Lange bevor man ihn hier eingesperrt hatte. Und gefangen war er schon seit Monaten, aber dieses Gefängnis bestand nicht aus Steinen.
Er hatte klare Momente, in denen er sich fragte, was er getan hatte. Und warum es ausgerechnet ihn getroffen hatte. Aber diese Momente waren immer seltener geworden und nun waren sie gar nicht mehr vorhanden.
Nicht mehr lange, und sie würden ihn holen kommen. Er konnte sie schon hören, das Klingeln des Schlüssels und die Schritte...
Schritte... Wie oft hatte er sie gehört? Hinter sich, immer wieder hinter sich. Sie verfolgten ihn, sie erteilten ihm Befehle und sie hatten ihm seine Gedanken gestohlen. Aber er brauchte sich keine Sorgen machen, er hatte getan, was Mutter von ihm verlangt hatte. Er hatte jeden Vollmond mit ihr getanzt, in den Schuhen, die sie so liebte. Trotzdem hatte sie ihm immer wieder Befehle erteilt, in einer Stimme die er nicht kannte. Und er hatte getan, was sie wollte. - Was? Wer hatte das gedacht? Sie dachten sogar seine Gedanken.
Und nun kamen sie, um ihn zu holen. Diese Welt war nicht mehr zu retten. Aber er brauchte sich keine Sorgen machen. Bald war es vorbei.
Er kicherte. Ja, er hatte alles getan...
Trotz der frühen Morgenstunde stand der Platz bereits voller Bürger, sogar der nahe Apothekergarten war in Beschlag genommen worden. Eine Hinrichtung zog immer viele Schaulustige an, egal zu welcher Tageszeit. Über ihnen schien der graue Himmel das Licht nicht hindurchlassen zu wollen. Wolken bildeten eine kompakte Masse, aus der bald auch Regen fallen würde. Auf den umliegenden Dächern und Bäumen hatten sich Raben niedergelassen, die mit ihrem Gekrächze fast die Geräusche der Menge übertönten. Als wüssten die Tiere, das es bald was zu holen geben würde.
Auch Kanndra Mambosamba und einige ihrer Kollegen standen unter den Neugierigen. Die Späherin hatte sich gerade von den Strapazen des Exorzismus erholt, dem sie von Araghast unterzogen worden war.
"Irgendwie ist das doch hart... ich meine der Mann ist krank. Warum hat ihn der Patrizier nicht in eine Klinik geschickt?", wandte sie sich an den Püschologen, der neben ihr stand.
"Ich habe nicht besonders viel Mitleid. Die armen Frauen, die in den verfluchten Schuhen getanzt haben, erholen sich zwar langsam wieder, aber immerhin hat er zwei Wächter getötet." Araghasts Mund verzog sich spöttisch. "Weil er glaubte, sie ständen mit einer dunklen Macht im Bunde, die die Weltherrschaft übernehmen will."
Valdimier van Varwald mischte sich mit einem Grinsen ein."Tu nicht so, als könntest du diese Verschwörungstheorie nicht nachvollziehen. Meiner Meinung nach habt ihr einiges gemeinsam." Hinter seiner Sonnenbrille zwinkerte er Kanndra zu, die den letzten Vorbereitungen am Galgen zusah.
"Ich bin nur froh, dass ich ihm nie erzählt habe, was ich beruflich mache. Sonst würde ich Ortbe und Myra jetzt Gesellschaft leisten." Kanndra schüttelte sich.
"Das würdest du auch, wenn deine Schwester und ihre Freundin nicht gewesen wären", sagte Araghast leise. "Sie haben dir gleich zweimal das Leben gerettet. Hast du schon mit ihnen gesprochen?"
"Ja, ich... sie haben mich besucht im Hospital. Wir... wollen noch einmal von vorne anfangen, sozusagen." Das Gesicht der Wächterin verfärbte sich noch dunkler, als es sowieso schon war. Beim Gedanken an ihr Benehmen als Xnndra machte sich Verlegenheit in ihr breit. Sie hatte eine Menge Leute vor den Kopf gestoßen und war froh, dass sich einige davon als gute Freunde erwiesen hatten. Araghast war vielleicht der einzige von ihnen, der nachvollziehen konnte, wie es einem erging, wenn man die Kontrolle über den eigenen Körper an etwas verlor, was gleichzeitig nicht man selber war und doch Teil des eigenen Wesens.
Two cops you've sent to heaven
and now it's time to follow.
You don't mind, they should have known
a bullet's hard to swallow.
One last wish is granted,
a kind of last romance.
Lock your cell, take off your shoes
and then we start to dance...
"Ist ganz schön kalt geworden, was Walter?" Jörg zog fröstelnd die Schultern hoch. "Dabei war es vor Kurzem doch noch so warm."
"Tja, der Herbst kommt, Jörg. Da kann man nichts machen. Ist jedes Jahr das Gleiche." Kasmann verlangsamte seine Schritte und deutete mit dem Schlüssel auf die Zellentür. "So, da wären wir."
Er erinnerte sich... Er hatte die Armbrust sorgfältig gereinigt und neu gespannt. Das tat er jeden Morgen, denn man konnte nie wissen, wann sie ihn holen wollten. Dann steckte er die kleine, handliche Waffe in das Holster an seinem Gürtel, so daß er sie jederzeit greifen konnte. Er war vorbereitet, sollten sie nur kommen!
Die Schritte... die Schritte! Wo waren seine Gedanken? Wer hatte sie gestohlen? Er klatschte in die Hände.
An jenem Morgen, so erinnerte sich Knut, war er gerade auf dem Weg zu einem Blumenhändler gewesen. Seine Mutter wollte immer frische Blumen auf ihrem Grab und was sie wollte, musste sie bekommen. Da geschah es! Einer von denen kam auf ihn zugerannt! Er hatte eine Waffe in der Hand und schrie: "Halten Sie ihn auf! Er ist ein Dieb!" Knut hatte die Armbrust gezogen und schnell geladen. Nur ganz schemenhaft konnte er sich an einen weiteren rennenden Mann erinnern. Aber der tat nichts zur Sache. Er würde sich nicht einfach mitnehmen lassen. Er hatte geschossen, und der Wächter war gestorben. Später hatten sie Knut gefragt, warum er ihn erschossen hätte. Haben sie geglaubt, er hätte sie nicht durchschaut? Die Stadtwache steckte unter einer Decke mit ihnen! Und der Wächter war direkt auf ihn zugerannt und hatte ihn angeschrieen. Er musste sich verteidigen! Hatten sie geglaubt, er würde einfach mitgehen?
Knut kicherte. Nein, er nicht. Der Wächter hatte verdient, was er bekommen hatte. Genau wie seine Kollegin...
"Ja! Ja! Alles getan!" Nein, nicht die Schritte!
Sie kam und klopfte an seine Tür! Dann hatte sie sogar die Frechheit, ihm ihre Marke unter die Nase zu halten. Als ob er nicht wüsste, daß die Wache als Handlanger für sie arbeitet. Trotzdem war er freundlich geblieben, hatte sie herein gebeten. Mutter hatte ihm eingeschärft, freundlich zu Wächtern zu sein. "Sie tun auch nur ihre Arbeit", hatte sie oft gesagt. Und sie hatte immer recht.
Ja, er hatte getan, was sie wollte. Sie war bestimmt stolz auf ihn. Knut kicherte.
Die Wächterin hatte sich leicht täuschen lassen, auch wenn er vor lauter Nervosität wieder einen seiner Klatschanfälle gehabt hatte. Sie hatte Verständnis geheuchelt und war in seine Falle gelaufen. Aber sie war eine Wächterin. Sie hatte es wissen müssen, worauf sie sich einließ.
"Bist du stolz, Mutter?", fragte der Tanzlehrer die nackten Wände der Zelle. Dann nickte er sich zu und machte summend ein paar Tanzschritte. Mutter hatte gern mit ihm getanzt, oh ja.
Das Geräusch des Schlüssels, der in das Schloß der Zelle geschoben wurde, hallte laut in dieser wieder. Plxanth wusste, daß seine Stunde nun bald gekommen war. Nie wieder würden ihn die anderen Dämonen von oben herab behandeln! Die erste Seele, die er für das Pandämonium rekrutiert hatte, machte sich auf, den langen Weg in die Hölle anzutreten. Dann war der Unterdämon wieder frei, um sich die nächste zu suchen. Und er würde noch einige einsammeln, ehe er zurück ging. Dann mussten sie ihn anerkennen! Und wenn er erst tausende Seelen unter sich hatte, dann war der Weg zum Höllenfürst nicht mehr weit. Oh, wie sie dann vor ihm erzittern würden!
Gut, bisher hatte er viel Glück gehabt. Zuerst war es ihm gelungen, unbemerkt mit Xzzzib auf die Scheibenwelt zu schlüpfen und dann hatte er nur ein paar Stunden danach den idealen Wirt gefunden.Wissend, dass seine dämonische Kraft noch nicht ausreichte, um einen Menschen zu lenken, hatte er diesen Tanzlehrer in Besitz genommen, der am Grab seiner Mutter trauerte. Er hatte gespürt, daß es bei ihm nur eines kleinen Anstoßes bedürfen würde, um diesen rettungslos auf den Weg des Unheils zu führen. Die Krankheit, die tief in dem Mann verwurzelt war, besorgte den Rest. Aber die Lady würde ihn auch in Zukunft sicher nicht verlassen. Vielleicht durfte sie dafür seinen Thron teilen, wenn er erst über die ganze Scheibe herrscht.
Knut Knackfus blickte auf, als die Wärter sein Gefängnis betraten. Er hörte auf zu tanzen, kicherte und klatschte in die Hände.
"Völlig plemplem", flüsterte Walter Kasmann seinem Kollegen zu, dann fragte er laut: "Wollen Sie geistigen Beistand? Leider konnte nur der omnianische Priester kommen."
"Bald tanzt die Schildkröte den dunklen Reigen", antwortete Knut und wich zurück.
"Ich denke, das heisst 'nein'."
"Die Geisteskrankheit ist angeboren, aber richtig ausgebrochen ist sie wahrscheinlich, als seine Mutter gestorben ist", analysierte der Püschologe. "Er hat ihr diese Schuhe geschenkt, die er von Schnapper gekauft hat. Natürlich wusste er nicht, dass sie verflucht waren, wahrscheinlich hat es nicht mal Schnapper gewusst. Zumindest konnten wir es ihm nicht nachweisen."
"Lass mich raten. Sie konnte nicht mehr aufhören zu tanzen?" Die Späherin war schließlich in Gennua aufgewachsen und konnte sich noch gut an die Wetterwachs-Herrschaft erinnern.
"So ähnlich. Die Schuhe entziehen einem jeglichen Antrieb. Die Tänzerin versinkt quasi in einer eigenen Welt, und diese scheint nicht besonders angenehm zu sein. Glücklicherweise scheint der Einfluss nur ein paar Wochen anzuhalten. Frau Knackfus hat es aber leider so aufgeregt, dass sie einen Herzinfarkt hatte. Ansonsten hätte sie es wohl überlebt, so wie die anderen Opfer."
"Aber Knut hat geglaubt, jeden Vollmond müsse seine Mutter in den Schuhen tanzen, damit die Welt nicht untergeht oder so ähnlich", mischte sich Übrigens ein, der bei Valdimier auf der Schulter saß. "Und so hat er jedesmal eine Frau entführt, die er für seine Mutter hielt und noch gedacht, er tut ihr einen Gefallen."
Someone's gonna miss you,
throw flowers on your grave.
Dance your soul out of your body,
smile brother, be brave.
Five steps to the gallow
and a direct slide to hell.
Enjoy your last steps in the light,
before you leave the cell.
Fury in the Slaughterhouse, Dancing in the sunshine of the dark
Trotz aller Vorbehalte gegen Henker mochte Kalle Gründlich seinen Beruf. Er mochte die schwarze Haube, die ihm etwas Geheimnisvolles gab, wie er fand. Und er mochte die Jubelschreie der Menge, wenn ihm mal wieder ein besonders sauberer Schnitt oder ein spektakulärer Genickbruch gelungen war. Doch heute würde er zum ersten Mal froh sein, wenn alles schnell vorüber war. Der Verurteilte hatte ihn mit Augen angesehen, die ihm einen Schauer über den Rücken gejagt hatten. Und dann hatte er gekichert! Kalle hatte schon alles gesehen: Verzweiflung, Arroganz, Teilnahmslosigkeit, bitteren Galgenhumor und sogar eine Art stille Heiterkeit. Aber dem Tod so frech ins Angesicht gelacht hatte noch keiner.
Er legte Knackfus die Schlinge fast schon zärtlich um den Hals und zog den Knoten fester. "Äh... ein paar letzte Worte? Ist so üblich."
"Hihihi, bald tanzt die Schildkröte den dunklen Reigen. Doch ich werde mich in der Dunkelheit sonnen. Hihihi."
Völlig plemplem, dachte Gründlich und zog den Hebel.
Jetzt war es gleich soweit. Gleich wird er von dieser sterblichen Hülle befreit sein und das nächste Spiel beginnen können. Er spürte die Masse, ihre Begierden, ihre Gefühle. Da! Da war Trauer. Seltsamerweise die einzige auf dem ganzen Platz. Trauer war gut, Trauer öffnete ihm einen Weg hinein. Sie wird also die nächste sein. Plxanth malte sich aus, wie sie ihm verfiel, willenlos seinen Befehlen folgte, so wie der Tanzlehrer zuvor. Diesmal war er schon stärker, davon war er überzeugt. Er wird sie ausfüllen, ihr übriges Wesen völlig verdrängen und sie zu Taten treiben, die sie sich in ihren kühnsten Träumen nicht ausgemalt hätte. Und wenn er genug von ihr hatte, wird sie sterben. Und dann wird er sich als nächstes keine schwache Frau mehr aussuchen. Und wenn er erst stark genug ist, wird er die Mächtigen dieser Welt übernehmen. Anfangen könnte er mit diesem Lord Vetinari, von dem alle redeten.
Er spürte den Ruck und dann das Verlöschen der Lebenskraft. Tod stand bereit, um sich um die Seele zu kümmern, doch darum machte er sich keine Sorgen mehr. Das alte Knochengerüst würde nur seine Arbeit machen und die Seele sich auf den Weg in die Hölle, wo Plxanth sie wiedersehen würde. Aber erst, wenn er mächtig genug war, um sich nicht mehr um einzelne Seelen scheren zu müssen. Er würde tausende unter sich haben! Wo war die Quelle der Trauer? Ah, da! Die Frau, die ihr Taschentuch gezückt hatte...
Ein paar Meter davon entfernt stand Priska Entwen-Losbach und hielt mühsam die Tränen zurück, die sich aus ihren Augen stürzen wollten. Sie hatte den unscheinbaren Tanzlehrer geliebt! Niemand konnte ihre Gefühle so aufwühlen wie er, wenn er mit ihr übte. Ihr stockte noch jetzt der Atem, wenn sie daran dachte. Sie hatte extra Einzelstunden genommen. Seltsamerweise hatte er nie etwas gemerkt, er schien wie in einer eigenen Welt zu leben. Nun, anscheinend hatte er das tatsächlich. Priska tupfte mit ihrem Taschentuch über ihre Augen. Sie würde ihn trotz allem in guter Erinnerung behalten, das nahm sie sich vor. Als der Henker den Hebel zog, zuckte sie zusammen und wandte sich von dem grausamen Anblick ab.
Plötzlich zog ein Raunen über den Platz, und als die Wächter genauer hinsahen, sahen sie auch warum. Aus Augen, Ohren und Nase des Gehenkten quoll eine Art grünlich-bläulicher Nebel, der vom Wind über den Platz getrieben wurde, angewiedert einen Bogen um Schnapper machte und sich letztendlich in einer Mülltonne, die vom "Ankh-Morpork-Verschönerungs-Verein" aufgestellt worden war, langsam verdichtete. Die Menge hielt den Atem an und nur der Wind war noch zu hören, der an den Fensterläden, Regenrinnen und anderen losen Teilen zerrte. Was sich schließlich herausbildete war ein Wesen von der halben Größe eines Zwergs und mit der häßlichsten Fratze, die Kanndra je gesehen hatte. Es schimmerte noch immer in der schimmelartigen Färbung, die auch der Nebel gehabt hatte.
"Upps", sagte es.
"Verdammt. Er war besessen!" Kanndra fing an, in ihrem Rucksack zu kramen. "Ich hoffe, ich habe noch ein wenig von dem Zeug..."
"Du meinst das, mit dem die Hexen deinen Vater erledigt haben?" Araghast blickte grimmig zu der Tonne, wo sich der Dämon bereits wieder aufzulösen begann. "Vielleicht solltest du dich ein bisschen beeilen."
"Ich habe eine andere Idee. Wünscht mir Glück." Die Späherin konzentrierte sich kurz, warf sich ihren Rucksack wieder auf den Rücken und begann sich durch die Bürger hindurch zu drängeln.
"Ich glaube, das Licht ist mir heute zu grell." Valdimier blinzelte. "Oder hast du Kanndra auch eben flackern gesehen?"
"Mit deinen Augen ist alles in Ordnung", antwortete der Oberfeldwebel nachdenklich.
Aus der Rauchwolke unter Übrigens Hut ließ sich der Gnom vernehmen. "Ich habe nichts gesehen."
"Du bist ja auch völlig vernebelt." Araghast reckte den Hals. "Und was tut sie jetzt?"
Der um einen Kopf größere Vampir zuckte die Schultern, was Übrigens veranlasste, sich am Kragen des Umhangs festzukrallen, damit er nicht herunterfiel. "Sie scheint auf den Dämon einzureden."
"Wir sollten ihr lieber folgen."
Kanndra holte tief Luft und sagte mit der kräftigsten Stimme, zu der sie fähig war: "Wir äh... suchen dich schon überall. Was äh... erlaubst du dir eigentlich auf der Scheibe herumzu... äh... wallen?" Mist, sehr überzeugend war das wohl nicht gewesen. Trotzdem schien sie den Dämon neugierig gemacht zu haben, denn der Nebel begann sich wieder zu verdichten.
"Ich, Xzzzib, befehle dir, wieder ins Pandämonium zu ... verduften."
Die häßliche Fratze verzog sich zu einem Grinsen. "Du bist Xzzzib? Wer zu allen acht Kreisen soll dir das denn glauben?"
Zum ersten Mal wurde der Feldwebel unsicher. Sie sah sich um und entdeckte in den Mienen der Menschen ringsum nur gespannte Erwartung, Amüsement und einen Wer-ist-denn-die-Verrückte-Ausdruck. Hatte ihre Illusion etwa versagt? Trotzdem wagte sie einen weiteren Versuch.
"Das ist nur eine Tarnung, du Idiot. Und jetzt verschwinde gefälligst." Sie versuchte, möglichst selbstgefällig und autoritär zu klingen.
Das Interesse der Höllenkreatur schien jedoch erschöpft zu sein und er begann bereits wieder durchsichtiger zu werden. "Da musst du dir schon was besseres einfallen lassen, Kleine. Und jetzt muss ich leider gehen, ich habe eine Verabredung."
Ganz unten in ihrer Jackentasche stießen die Finger der Halbdämonin plötzlich auf kaltes, rundes Glas. Das Elixier! Sie warf es mit aller Kraft in die Tonne.
Dann passierten mehrere Dinge gleichzeitig.
Das Glasbehältnis platzte.
Der Dämon ballte sich zu einer Kugel zusammen, die direkt auf Kanndra zuschoss.
Von hinten schrie jemand "Kanndra" und die Späherin erhielt einen Stoß, der sie zu Boden schickte.
Die anderen FROG-Wächter hatten sich bis zu dem Ort des Geschehens durchgedrängelt, als es passierte. Sie sahen gerade noch, wie die Späherin von einem jungen Mann niedergerissen wurde. Im nächsten Augenblick hatte die Dämonenkugel ihr Ziel erreicht und eine Frau am Rande des Zuschauerkreises wurde von dem Nebel völlig eingehüllt. Sie fing an zu schreien und heftige Konvulsionen schüttelten ihren Körper.
Während die Bürger sich diesem neuerlichen Schauspiel hingaben, half Valdimier seiner Kollegin und dem jungen Mann auf die Beine. Ohnmächtig mussten sie mit ansehen, wie die Frau litt. Auch niemand sonst rührte sich vom Fleck. Die Menge schien sogar kollektiv den Atem anzuhalten, so still war es plötzlich. Die Schreie der Frau wurden nur noch untermalt vom Rauschen des Windes und dem Krächzen der Raben. Sie schienen das Denken geradezu zu lähmen.
Doch dann war es plötzlich vorbei. Die Frau sank ohnmächtig zu Boden und neben ihr lag keuchend der häßliche Dämon. Nach einem kurzen Augenblick der Überraschung sahen sich die FROGs an und ein Ausdruck der Entschlossenheit bildete sich auf ihren Gesichtern. Geschlossen traten sie vor.
"Im Auftrag der Stadtwache von Ankh-Morpork bist du hiermit verhaftet wegen unlizensierten Angriff auf einen Bürger." Der Oberfeldwebel zückte seine Marke und sah zu, wie Kanndra und Valdimier den Dämon aufhoben und in ihre Mitte nahmen. "Wir bringen ihn zur Beschwörergilde. Ich bin sicher, die können ihn gebrauchen."
Der Dämon jammerte und stammelte etwas Unverständliches.
Wie hatte ihm das nur passieren können? Die Trauer hatte ausreichen müssen, er war sicher, sie war groß genug. Trotzdem hatte sie ihm widerstanden. Die Sterbliche hatte gegen ihn angekämpft und gewonnen! Er konnte nicht begreifen, wie das möglich war. Er hatte bereits eine Seele eingefangen und sein Weg zur Spitze war nicht mehr aufzuhalten. Er musste stark genug sein!
Und dann noch diese lästigen Wächter oder wie sie sich nannten. Die dunkelhäutige kannte er. Er hatte in ihr eine Dämonin zu erkennen geglaubt, aber sie hatte sich verändert. Nur noch sehr schwach war sie in ihr zu spüren. Aber vielleicht reichte das aus? Plxanth musste grinsen. Er hatte einen neuen Weg gefunden. Er wusste, er würde nicht aufzuhalten sein. Da hörte er eine Stimme. Die Stimme.
"PLXANTH! Wo zur Hölle hast du gesteckt? Was hast du dir dabei gedacht, einfach so deine Pflichten im Stich zu lassen? In der Grausamen Grube Der Schmerzen dulden wir so etwas nicht!"
"B...boss, ich..."
"RUHE! Du kommst sofort zurück, ist das klar? Und mach dich schon mal auf hundert Jahre Blutteichreinigen gefasst!"
Eine Sekunde später waren die Hände der Wächter leer.
Übrigens nahm seinen Hut vom Kopf und kratzte sich mit dem Pfeifenstiel an der Stirn. "Sieht so aus, als könnten wir uns den Weg sparen."
"Das gefällt mir nicht." Kanndra zog die Augenbrauen zusammen.
Der Vampir sah sich um. "Was willst du tun? Er ist weg, wer weiß wohin."
Erst als die umstehenden Bürger applaudierten, um ihrer Zufriedenheit mit dem gebotenen Schauspiel Ausdruck zu verleihen, wurde ihnen bewusst, dass sie im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit standen.
"Ich schlage vor, wir gehen woanders hin. Wie wärs mit dem Eimer?"
Alle signalisierten ihre Zustimmung zu Araghasts Vorschlag und so machte sich die Gruppe auf den Weg.
"Ach ja. Das ist übrigens Julian le Surprise. Ich glaube, ihr kennt ihn noch gar nicht", stellte Kanndra ihren Jugendfreund vor.
"Mit euch wird es wohl nie langweilig, wie?", grinste der Gennuaner und zwickte Kanndra spielerisch in die Seite. "Dich kann man auch keine Sekunde aus den Augen lassen."
Die Voodoo-Priesterin zuckte die Schultern. "Wir sind eben Wächter. Da gehört das zum Berufsrisiko." Sie machte eine kurze Pause, dann sah sie Julian tief in die Augen. "Danke für eben. Ich weiß nicht, ob ich einen weiteren Exorzismus überlebt hätte."
Das Grinsen im Gesicht von Valdimier sah sie nicht.
Er fand sich wieder in einem riesigen Ballsaal, mit Kronleuchtern und einem Fußboden mit Holzintarsien soweit das Auge sehen konnte.
"ICH GLAUBE, DU WIRST SCHON ERWARTET", sagte die Gestalt neben ihm, deren Augen blau unter der dunklen Kapuze hervorleuchteten. Auch die riesige Sense, die er dabei hatte, erstrahlte in diesem seltsamen blauen Leuchten. Doch dann erblickte Knut eine weitere Person in dem Saal und vergaß das Skelett.
"Da bist du ja, mein Junge. Tanzt du mit mir?"
"Ja, Mutter. Das werde ich."
Er umschlang sie und fast war es, als würde er wirklich ihren Körper spüren. Seine Füße fanden die Schritte wie von selbst. Eins, zwei, drei....
Ende
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