Kaum war die Sonne aufgegangen, sprang Rib M'laut, mit zehn Zentimetern die kleinste Mumie der Scheibenwelt, schon aus ihrem Bett.
[1] Der Uhrendämon der Standuhr schlug Sieben A.
"Oh, verdammt. MA? Ich komm zu spät. Ach was - Ich kann nicht warten." Rib kontrollierte die Rangabzeichen und steckte sich die Dienstmarke an. Wenn er sich jetzt nicht ordentlich verabschiedete, würde SIE hinterherkommen. Das war beim letzten Mal wirklich peinlich gewesen. "MA?! Ich geh jetzt! Bis heut Abend!"
Vor Ribs Füßen begann eine Sandwolke Gestalt anzunehmen. Einer Windhose gleich türmte sie sich höher und höher, bis sie einen Menschen in Größe und Form nachahmte. Kleine Blitze zuckten, als eine echte, für M'lauts Proportionen riesige Mumie aus dem körnigen Schatten trat. Mit dem Zeigefinger tätschelte sie den klitzekleinen Kopf.
"Nein, wie sieht er fesch aus. Wenn der PA das nur sehen könnte. Bleib so steh'n. Hach, sein erster Arbeitstag." MA zückte tatsächlich einen kleinen Ikonographiekasten.
"MA... Ich bin seit knapp 30 Monaten dabei. Chief-Korporal. Das ist nur ein Wechsel in der Abteilung. Ich bin doch kein Schulkind." Rib griff nach dem Ranzen, in dem seine Ausrüstung war und schnallte ihn sich um.
"Hach. Der erste Tag. Hast du einen Schal mit? Du erkältest dich doch so leicht in diesen kalten Laboren. Sicherlich hast du Fieber. Vielleicht sollte ich mal mit deinem Kommandanten reden." Die Mumiendame benutzte ihren Daumen, um einen unsichtbaren Fleck von Ribs Wange zu reiben.
"Nein, MA. Mir geht's gut. Na ja, den Umständen entsprechend. Ich bin tot. Ich erkälte mich nicht."
"Trotzdem. Ohne warme Socken kommst du mir nicht aus dem Haus. Hast du dein Pausenbrot mit?"
"Mahaa! Untote Mumien. Wir essen nicht. MA, ich geh jetzt, ich komm sonst zu spät. Tschüß, bis heute Abend!" Rib sprintete los und drehte sich vorsichtshalber gar nicht um. Er sah MA gar nicht die an der Haustür stehen blieb und ihm nachwinkte. Im Gegensatz zu all den anderen Passanten.
"Wenn du später nach Hause kommst, schick einen Nachrichtendämon. Spiel schön... und pass auf deine Sachen auf!"
'Spiel schön.' DAS hatten alle gehört. Ob jeder solche Probleme mit seiner Vermieterin hatte?
Mist, er würde an seinem ersten Arbeitstag zu spät zu SuSi kommen.
Untot zu sein, hat Vorteile. Man kommt nicht in die Gelegenheit, außer Atem zu geraten. Man schwitzt auch nicht. Im Gegensatz zu vielen Menschen, denen man im Alltag begegnet, brauchten die meisten Untoten allerdings auch keinen Schweiß, um zu müffeln.
Lady Rattenklein, Laboratorin der Wache, schnupperte irritiert, als Rib den Raum betrat. Derzeit war sie damit beschäftigt, die Länge eines menschlichen Schwertes durch Abmarschieren zu schätzen.
"Hallo Ausbilderin."
"Ausbilderin?" die Gnomin. "Ich bin nicht deine Ausbilderin."
"Oh doch, euer Ladyschaft" Rib grinste frech unter seinen Binden.
Die Laborantin schnaubte, offenbar wenig besänftig. Anscheinend fand Ribs fast unanständig höfliche Masche nicht mehr den Anklang, den sie früher erlangt hatte. Damals hätte er allerdings auch das "unter ihr ausgebildet zu werden" gerne falsch verstanden. Heute dagegen reizten ihn die wilden Geschichten über die 'Labormaus' nicht mehr auf die selbe Art und Weise wie früher. Die sexuelle Eskapade zwischen ihr und einem Zwerg zum Beispiel: Rib konnte sich kein Bild vor Augen malen, das nicht... peinlich wirkte.
Das sie als Gnomin arbeitete, machte die Sache nicht besser. Es war so...
"Ich kann nicht deine Ausbilderin sein. Allein rangtechnisch nicht."
Das, fand Rib, traf genau sein akutes Problem. Ein Neuer in einer Abteilung zu sein, war niemals einfach. Dumme Streiche, übles Getuschel, tari-tara. Aber für jemanden, der kurz davor stand, Offizierrang zu erwerben, war das Ganze um das Vielfache komplizierter. Man hatte von nichts eine Ahnung, aber niemand konnte einem die notwendigen Befehle geben. Bei Rib kletterte das Problem Sprosse um Sprosse die Rangleiter herauf und hockte sich neben die Stellvertretende Abteilungsleiterin Laiza Harmonie. Die viel zu sehr Ribs Freundin war, als das er ihr Ärger machen wollte. Noch eine Beförderung und er konnte ihr befehlen. Das war wie diese verfluchte Sache, als Cim zu SEALS zurückkehrte, nur umgekehrt.
Das Problem griff sogar in den Betrieb des Labor ein: Sobald Rib die Grundkenntnisse der Kriminaltechnik erlernt hatte, würde sein Anfängerwort mehr gelten als das seiner Lehrerin. Es wäre - Nein, verdammt es war im internen Verständnis schon quasi SEIN Labor. Er war, unausgebildet oder nicht, von heute an der leitende Unteroffizier, egal für wie dumm er das hielt.
Rib erinnerte sich an seine Zeit als Versuchskaninchen unter den Alchimisten. Hierarchien waren banale Fakten. Es kam nicht drauf an, wer "Duckt euch" befiel, wichtig war, jeder wusste, was er tat. Doch wie kommunizierte man das? Wie sagte man beispielsweise Laiza, das sie jederzeit ihm alles befehlen konnte, was sie wollte... solange das Labor hatte, was es brauchte?
M'laut bemerkte, das die Gnomin vor ihm immer noch eine Antwort erwartete.
"Oh doch." Als ehemaliger KommunikationsExperte bekleckerte sich Rib nicht gerade mit dem Ruhm der Schlagfertigkeit. "Hat Humph gesagt, gestern im Bewerbungsgespräch."
"Moment. Das schau ich nach." Die Gnomin verließ, sichtlich nervös den Raum, um in Archiven zu wühlen, die sicherlich noch nicht auf dem neusten Stand waren. Rib kletterte auf den riesigen Analysetisch und ließ die Beine über den Rand baumeln. Ein Neuer zu sein, war für beide Seiten nicht einfach.
[2]Nach einer Weile kam sie wieder, sichtlich verwirrt.
"In Ordnung. Ich weiß noch nicht wie, ich weiß noch nicht was und über das warum will ich lieber nicht nachdenken. Aber vorerst kannst du mir helfen. Einfach zuschauen und lernen. Wir müssen einen Fall eines toten Zwerges untersuchen und einen Vandalismus. Was willst du als erstes?"
Rib überlegte: "Besser mit was Bekanntem anzufangen: Im Vandalismus bin ich Experte."
"Untersuchen, nicht machen."
"Hmm, dann nicht. Was ist mit dem Zwerg?"
"Also, wie ich es sehe, ein typischer Selbstmord eines Barden. Goldie will Beweise gegen den Täter."
"Beweise. Aha. Müsste der Täter nicht tot sein? Wie kann uns da der Fall noch jucken?"
"Das ist nicht der klassische Fall.." meinte die Gnomin. "Aber der Kerl hier hat nicht aufgehört, das Goldlied zu singen. Da gilt vieles als Notwehr.
[3]"
"Alles klar. Was vermutest du?"
"Weiß noch nicht. Vielleicht ist ja Gift auf der Klinge."
Rib kräuselte die Stirn. Alles war ein bisschen schwieriger geworden, seit er Zeug nicht mehr auflecken konnte: "Tja, mischen hast du mir ja beigebracht. Wie weise ich sie nun nach?" Und mit der Erklärung waren sie Stunden beschäftigt.
Rib war gerade dabei, den dreckigen Erlkönigkolben zu reinigen, als schwungvoll die Tür aufgerissen wurde. Die Gnumie musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, was jetzt kam.
Es gibt ein Gesetz im Multiversum, das besagt, das angeblich wichtige, unaufschiebbare Aufgaben meist kurz vor Dienstschluss auftreten. Ein gewisser Herr Murphy hat es bemerkt, kurz bevor er das zehnte Mal versuchte, sein Büro zu verlassen: Egal wie lang ein Verursacher weiß, dass diese oder jene Auskunft heute noch gebraucht wird, dass Ritual erforderte es zu warten, bis der andere seine Jacke anzog. Rib hatte das auch ohne Jacke gelernt. Weder Fallgruben, Giftfallen noch die Aufschrift "Finanzamt, Außenstelle" half dagegen, wie Rib in den letzten Wochen lernen musste. (Das Schild führte sogar zu mehr Arbeit, als Romulus auf Rückzahlung einer fälschlich erhobenen Hundesteuer bestand.)
Überbringer der glücklichen Nachricht war ein ausgesprochener Liebling Ribs, der Gefreite Ruppert. Es war, historisch gesehen, immer schon eine ausgesprochen schlechte Idee gewesen, einen Vorgesetzten 'Feigling' zu nennen. Der Ex-Kobold hatte ihm zwar dafür nicht den Arm gebrochen (zu viele Zeugen), sich aber vorgenommen, den Werwolf auf Herz und Nieren zu prüfen. Wie bildlich er das meinte, da war er sich noch nicht sicher.
"N'abend, Leute. Fred lässt per Brieftaube Bescheid geben, er bringt gleich noch so'n Zeug von so einem Ritualmord. Muss fertig werden, aber pronto." Ruppert drehte sich schwungvoll zum Gehen um.
Die Gnumie fühlte sich verdächtig an ihr Bewerbungsgespräch erinnert. 'Keiner behandelt uns mit Respekt.' hieß es von Laiza da. Der Chief-Korporal beschloss, ihr zu zeigen, dass es auch anders ging. Den Boten zu köpfen hatte schließlich Tradition und der M'laut hatte sich immer schon in solchen Fällen als konservativ gesehen.
"HALT! Gefreiter, dreh dich doch mal um." Sauer begleitete ein bandagierter Finger die Worte mit einer Kreisbewegung. "Jetzt salutieren wir erst freundlich. Na, nicht aufhören. Ein Salut bleibt, bis der Vorgesetzte ihn erwidert. Und das hab ich noch nicht vor, bis einiges klargestellt ist. Notfalls machst du die ganze Nacht hier 'Sitz', bis du das verstanden hast.
So, erstens: Da drüben stelle ich eine Tafel hin. Da kann man Punkte sammeln.
Jeder, der hier patzig oder unhöflich wird, jeder, der drängelnd nervt, den schreib ich hier auf. Revanchierst du dich, wenn man Freizeit für dich opfert, wird das zum Beispiel auch vermerkt. Jedes Mal, wenn ich viel zu tun hab, dann schau ich auf diese Liste. Und die Netten behandle ich zuerst und die Anderen später.
DU bist noch vor dem Staubputzen dran. Also mach's nicht schlimmer, sonst hole ich Akten hervor, die ich seit Jahren bearbeiten wollte. Das gilt für dich, das gilt für Romulus und notfalls sogar für den Kommandanten selbst. Mannschaften haben sogar das Pech, salutierend warten zu müssen.
Ich krieg schon in eure Schädel hinein, das meine Dienstleistung nicht das Wort 'dienen' betont. So, jetzt grüß' ich zurück und du schließt die Tür leise von außen. Sammle doch gleich ein paar Pluspunkte dadurch, dass du meine Worte herumerzählst. Weggetreten."
Ruppert murmelte ein paar Wörter, als er ging. Rib beschloss, sie zu überhören. Diesmal.
Stolz wie Pfau drehte Rib sich um, bis er in Rattis Augen sah. Es zischte, als eine Menge heißer Luft entwich. Was hatte er selbst noch mal über Unterordnen gesagt?
Ratti beobachtete die Gnumie genau. Rib hatte sich kein Stück geändert. Wie immer der alte Haudrauf. Sie hatte eigentlich noch nie Vorgesetzte leiden können und sah keinen Grund, das nun zu ändern. Auch sie konnte Traditionalistin bleiben. Was bildete sich der Kerl ein?
"
Ich glaube ja, solange du ein unausgebildeter Dilletat bist, du gar keinen Fall hast. Das sind meine.
Und ich glaube, dass es wohl meine Sache ist, wann ich was erledige. Aber wenn du soviel Zeit hast, dir über mich Gedanken zu machen, finde ich sicherlich Dinge, die du noch tun kannst." Ihre Augen, die Rib früher mit stillen Wassern verglichen hatte, kochten eine dicke Brühe. "Und wo wir gleich dabei sind, finde ich..."
Ein Klopfen unterbrach sie. Fred Kolumbinis persönlicher Diener steckte den Kopf herein.
"Verzeihung der Herr, stör ich? Mein Herr dachte, das ich die Sachen vorbeibringen könnte."
Rib nickte und sagte sanft: "Danke."
"Er bemerkte, es sei irgendwie ein bisschen dringend, könntet ihr..?"
'Jepp', dachte Rib bei sich, 'so sammelt man Pluspunkte.'
Rattis Augen blitzten immer noch, aber sie schwieg eine Weile, bevor sie einwarf: "Schauen wir uns das Ganze an?"
Dankbar schweigend stimmte M'laut gern zu.
Das Bündel, das nun vor ihnen lag, war das typische Sammelsurium, wenn SuSi zu spät gerufen wurde. Die Akte stöhnte über die üblichen Schaulustigen. Fingerabdrücke, hieß es da, waren zu Hunderten aufzufinden gewesen, Haare für ein ganzes Kopfkissen. Nach Schuhabdrücken suchte man gar nicht erst. Was blieb war das Blut.
Die Laborantin ordnete die ganzen Blutproben dem Fundort nach, während ihr Azubi sich die Ikonographien anschaute. Deutlich sah man einen Gnom in gelber Hose und meergrünem Hemd. Ein Seil war um seinen Fuß geschlungen, damit er kopfüber von einer Tischkante hing. Die Platzwunde am Kopf und die durchgeschnittene Kehle hatten eigene Abbildungen bekommen. Ein kreisrunder Abdruck am Boden unter der Leiter, so vermutete der Ermittler, bildete den Umriss eines Fingerhutes. Das Objekt selbst war nicht auffindbar gewesen.
"Wau." meinte die Lady, als sie über Ribs Schulter schaute. "Den haben sie ja ausbluten lassen, wie eine Opfersau."
"Iih..." Rib schüttelte sich. "Diese fiesen Schweine."
"Daran musst du dich gewöhnen. Man lernt mit der Zeit mit Zeit mit Blut und Eingeweiden zu leben."
"Bah, das mein ich nicht. Wer hat den Burschen nur dazu gezwungen, so etwas anzuziehen?"
Ratti rollte mit den Augen. Jemand, der jahrelang im Rock rumlief, sollte nicht mit Steinen schmeißen: "Lass das mal beiseite, was haben wir?"
"Einen Fingerhutabdruck..."
"Potentiellen. Wir schnappen uns eine Liste und vergleichen Fingerhutgrößen mit dem Maßband auf dem Bild. Weiter."
"Blutspritzer."
"Genau. Ein Blutmuster. Sagt viel darüber aus, was passiert ist. Da nur wenige Flecken neben dem Hut sind, wurde die Kehle durchgeschnitten, nachdem er aufgehangen worden ist."
"Und weil er so wenig rumgesuppt hat", als ehemaliger Sani und Säbelträger kannte Rib sich da aus, "kann die Hauptader erst nach seinem Tod durchgeschnitten worden sein."
"Genau. Du lernst schnell."
"Und was ist mit dem Schlag da am Schädel?"
"Das macht Jack, Gerichtsmedizin. Wir kümmern uns erst mal um das Blut." Eine Geste zeigte über die verschiedenen gläsernen Tiegelchen und holte ein weiteres aus dem Schrank. "Normalerweise reicht es aus, wenn ein Werwolf wie Romulus sagt, das es Blut ist. Aber vor Gericht zählt nur, wenn wir DAS hier machen. Also Blutuntersuchungsmethode Nr.1: Warten. Altes Blut sieht SO aus."
Rib betrachtete das Schälchen: "Da sind zwei Schichten drin. Ein festes Bah unten und ein ekliges oben."
"Genau. Blut nach Stunden verhält sich so. Dann wissen wir 'Aha. Blut.'"
"Super. Dann hol ich mir mal von unten ein gutes Buch."
"Nicht so schnell. Erst stellen wir fest, was für einer Rasse der Besitzer des Bluters hatte."
"Ähm... Gnom? Wenn sie ihn nicht abschnitten haben, fault der Kerl da noch rum."
"Gut, aber wenn der nicht mehr da wäre..."
"Würden wir einen verdammt kleinen Zombie suchen?"
Die Lady atmete ein und wieder aus: "Und woher weißt du, das er so klein war?"
"Weil wir Ikongraphien seiner Leiche haben?"
"Nein, haben wir nicht."
"Doch, klar, da drüben."
"Nein, haben wir nicht."
"Aber ich seh' sie doch."
"Nein. Bleib beim Beispiel. Wir tun so, als wären die Bilder nicht da."
"Beispiel hin oder her. Ich kann doch keine Beweise unterschlagen, was sagt Ras da?"
PAFF. Nur den Binden hatte Rib es zu verdanken, das seine Wange jetzt nicht blau anlief. Für so ein Persönchen hatte die Dame einen harten Schlag, fand er.
"Alles klar. Scheiß auf Ras. Die Bilder sind nicht da. Nie da gewesen."
"Gut. Wie gehen wir vor?" Die Laborantin versuchte sich zu beruhigen.
"Machen wir Feierabend. Bei so einem kleinen Blutstropfen hätte niemand die Wache gerufen. Es sei denn, jemand kannte das Opfer als Gnom."
PAFF. Warum nutzten Frauen eigentlich immer aus, das man nicht zurückschlug?
"OK. Kein Feierabend. Wie gehen wir vor?"
"Also, Trollblut scheidet aus. Erstens haben sie kein Blut und zweitens sieht es anders aus."
Rib nickte. Er hatte da schon die eine oder andere Stichprobe gemacht.
"Elfenblut ist grün. Ebenso wie Halbelfenblut verbrennt es bläulich."
"Muss es sich bei diesem Test außerhalb des Körpers befinden?"
PAFF. Das wurde langsam zur Gewohnheit.
"Gut, Gnomenblut ist was besonderes. Pack eine zweite Blutprobe hinzu und es greift diese an oder flüchtet vor ihr. Da so. Dieses Blut flüchtet. Den Test nennt man die Knurblich-Attacke."
"Veni?"
"Veni."
Rib erinnerte sich an seine erste Abteilungsleiterin. Wahrscheinlich war ihre Blutprobe nach einem grandiosen Sieg brandrodend durch das ganze Labor gezogen.
"Gut, kommen wir zu Zwergen. Zwergenblut will dauerhafte Verbindungen mit Eisen eingehen. Schau mal auf das Schwert da. Wenn ich diesen schweren Magneten auf das Blut dort richte... ARGH!"
"... zieht der Magnet das Schwert an, verursacht aber nur eine kleine Schnittwunde an der Hand. Aha. Soll ich Nadel und Faden holen?"
PAFF.
"Laß das." Rib fand das wirklich nicht mehr witzig. "Du verunreinigst den Boden."
PAFF.
"Das ist nicht mehr witzig."
PAFF
"Wofür war der denn jetzt?"
"Im voraus." Die Lady war sich sicher, noch weitere auszahlen zu können. "Zwergenblut wird vom Magneten angezogen. - Kein WORT! - Werwolfblut erkennt man zudem über einen Wernap-Streifen, der sich blau färbt. Und Vampirblut zerfällt bei Van-Hälschen-Pulver zu Staub. So, hier hast du die Sachen, nimm dir eine andere Tatortprobe und zeig mir mal, was du dir gemerkt hast."
Rib nahm das Zeug und experimentierte. Er teilt die Probe auf, zog mit einem Magneten an, streute Pulver, tauchte Papierstreifen ein und so weiter und so fort.
"He", rief er auf einmal belustig. "Vorhin war das Blut noch echt 'n fieses Stück. Und nun mimt es den Schisser."
Ratti, die kurz eingenickt war, schreckte hoch: "Was?"
"Na, das Gnomenblut flieht."
"Das ist unmöglich."
"Sieh doch selbst."
"Verdammt, du hast Recht. Gib mal das Buch da drüben her."
Das
Kompendium der Kriminaltechnik [4] besagte eindeutig, das Gnomenblut von Geburt an entweder aggressiv oder passiv sein musste. Das aggressive Blut griff immer an, das passive floh. (Und war deshalb am Aussterben. Besonders dort, wo Blutsbrüderschaften in Mode kamen.) Wenn von zwei Blutproben eine angriff und eine floh, waren das mit Sicherheit zwei verschiedene Personen, machte die Gnomin der Mumie klar. Schnell testeten sie die anderen Proben durch.
"Gut, was wir hier haben, ist erstaunlich. Der Aggressive wurde vom Passiven umgebracht." Ratti schien zufrieden. "Was sagt die Akte über Verdächtige?"
"Steht nichts drin. Allerdings muss das Opfer ein Kampfexperte sein. Hier steht was von 'Seit zwei Monaten Sieger des 'K-Massakers'. Hört sich an, "
"Ne, nicht ernsthaft."
"Klar. Wieso, was ist?"
"K steht für Knurblich. Ihren Test fanden einige Leute im Fuchsbau so witzig, das in dem Laden täglich um Mitternacht Blut-Turniere abgehalten werden. Mit dicken Geldpreisen und Wetten. Und bei den Frauen dürfte es auch nicht unbeliebt machen, hört man."
"Wie hab ich mir das vorzustellen, so mit KO-System? Wessen Blutprobe überlebt, kommt einen weiter?"
"Genau." Ratti nickte.
"Gut, und so ein Spitzen-Gewinner wurde heute umgebracht? Und sein Blut wurd' aufgefangen und weggebracht? Wozu?"
Beide sahen sich in die Augen und lösten das Rätsel gleichzeitig: "Um das Turnier zu gewinnen. Einmal ein Held zu sein."
"Kann man das Blut haltbar machen?" fragte Rib, denn der Täter musste das gemacht haben.
"Kaum.. Man müsste dieses Zeug mit Vampirblut mischen, vielleicht würde das helfen. Würde aber bei so einem Turnier auffallen."
"Stark. Also hat der Täter nur heute nacht Zeit. Wir müssen nur alle Turnierproben untersuchen und ZACK, haben wir den Kerl."
Die Laborantin schüttelte den Kopf: "Keine Blutprobe ist individuell zuordbar. Das ist nicht wie Fingerabdrücke, du kannst es nicht vergrößern und sagen: Hoppla, die sehen ja gleich aus. Was wir vielleicht beweisen können, ist das ein Passiver aggressives Blut verwendet. Und ich bin mir nicht sicher, ob wir den Täter dann noch aus dem Laden herausbekommen."
"Manchmal muss man anders denken, um den Täter zu erwischen." Rib griff nach einer weiteren aggressiven Blutprobe.
"Rib, was hast du vor?"
"Wart's ab."
"Rib!"
"Um Mitternacht erfährst du's."
Kurz nach Mitternacht saßen die beiden auf einer Tribüne. Wer noch stehen oder wenigstens krakeelen konnte feuerte seinen Favoriten an. Irgendwo lief eine Frau mit nachgemachten Fuchsohren und Schwänzchen rum und verkaufte Bier und Wettscheine. Zigarrenrauch aus gedrehtem Kuhmist lag in der Luft.
"Bei Sankt Tobsucht, ich konnte den Fuchsbau noch nie leiden." murmelte Rib. Heute Abend wirkte der Laden noch schäbiger als sonst. Blutkämpfe... Rib hatte sich irgendwie etwas besseres vorgestellt. Wahrscheinlich wurden zur Vorbereitung Blutgrätschen geübt.
"Also, Rib, Mitternacht ist vorbei und wir sind hier. Nichts passiert bisher, also was hattest du vor?"
Rib zeigte auf die Arenafläche, einem großen Tisch, dessen Platte die Basisseite eines hohlen Glaswürfels bildete. Rattis Augen wurden groß.
"Das ist ja Gefreiter Übrigens. Ich wüsste gar nicht, das der hier mitmacht."
"Er vor einer Stunde auch nicht."
"Darf ich winken und ihm Glück wünschen?" fragte Ratti leise.
"Na, klar, warum nicht."
"VIEL GLÜCK; GEFREITER."
Mehrere Mafiosi blickten in Übrigens Richtung. Einige Flaschenböden wurden abgeschlagen.
"Sehr glücklich wirkt er ja nicht. Diese Burschen von heute können sich einfach nicht entspannen. Oh, schau!" merkte Rib an, als eine spärlich bekleidete Koboldin ein Schild hoch hielt. "Der Kampf beginnt auch gleich. Entweder klappt das jetzt, oder ich bin in Schwierigkeiten. Dann werde ich nämlich den Don um Entschuldigung bitten müssen, sein Turnier gestört zu haben. Und niemand bittet den Paten gern um etwas."
Ratti wollte noch etwas erwidern, als der Kampfansager sie übertönte: "Kommen wir nun zum Kampf des Tages. Heute haben wir ungewöhnlicherweise zwei unbekannte Größen im Endkampf zu bewundern. Wir haben mit ihnen gebangt, uns mit ihnen gefreut. Zeit, ihrem Favoriten Mut durch einen kleinen Geldeinsatz zu machen. Wer hier gewinnt, da bin ich sicher, wird zur Legende des Blutes werden. Meine Damen und Herren, riskieren sie, gewinnen sie. Selten waren die Quoten so ausgewogen, das Risiko so gering. Ich bekomme das Signal, das alle Wetten angenommen wurden... Und in der blauen Öffnung, mit einem Gewicht von 370 Gramm, der Herausforderer, Übrigens Gernegroß. Und in der roten Öffnung, ebenfalls Herausforderer, Calvin Willnochmehr. Beides Athleten, wie es im Buche steht... oh Tschuldigung... kann jemand den Herrn Kobold da drüben beruhigen? Freunde, Sportsgenossen, macht eure Proben bereit. FERTIG ? Und LOS."
Beide Kontrahenten öffneten farbige Verschlüsse und schütteten roten Phioleninhalt in die gläserne Kammer. Nichts geschah. Beide Tropfen blieben in ihrer Ecke. Die johlende Menge verstummte. Einige Pfiffe wurden laut.
"Was ist?" murmelte Ratti. "Haben die da nur rote Farbe reingekippt? Das ist doch kein Gnomenblut."
Rib lächelte in sich hinein: "Doch. Sieh nur."
Der Kommentator, Ansager und Schiedsrichter in einem, schnitt sich in den Finger und hielt seinen Arm in den Kasten. Und plötzlich kam Bewegung ins Spiel. Von beiden Seiten glitschte etwas auf den Finger zu. Schnell, hastig und rot. Man vermeinte ein Knurren zu hören. Hastig versuchte der Ansager seine Hand zurück zuziehen, doch die beiden Proben nahmen den letzten Rest im Sprung. Beide Turnierproben stürzten sich auf den Finger, ohne sich um einander zu kümmern. Der Kommentator fing zu schreien an.
"Ah, verdammt. Ein Defensiver. Igitt." Ratti kniff die Augen zu. "Dem kann keiner mehr helfen. Wie ich schon sagte, Aussterben durch Blutsbrüderschaft."
"Was passiert da?" Rib war entsetzt.
"Schätze, er hat Richtig Aggressives Blut nun in seiner eigenen Blutbahn. Aber so was von extrem."
"Ja und?"
"Und der Rest versucht grad zu fliehen. Über den üblichen Weg. Auge, Mund, Nase."
"Ihh. Und diesmal mein ich's auch so. Wirklich hässlich Sache, das."
Das hatte Rib bestimmt nicht gewollt. Der Kommentator wahrscheinlich auch nicht. "Kannst die Augen aufmachen. Der Kerl hat zu Zucken aufgehört."
"Wolltest du mir das zeigen? Einen toten Täter?"
Rib schüttelte den Kopf.
"Was dann?"
"Einen Lebenden." Die Gnumie zeigte auf Calvin, den Kämpfer, der nicht zur Wache gehörte. "Der war's. Und ich hab's bewiesen."
"Wie das?" Ratti wirkte verwirrt.
"Gnomenblut greift alles an oder flüchtet vor allem. Hat man ja grad gesehen."
"Nur die beiden Turnierproben griffen einander nicht an."
"Eben, hier nicht. Und dafür kann es nur eine Antwort geben, wenn dein Kompendium Recht hat."
"Ach ja, welche?"
"Nun ja. Wenn es vom selben Gnom ist. Sonst würd' sich ja der Körper selbst bekämpfen. Und ich weiß schon, wie ich den Test nenne." Rib hatte Venis ständige Droh- und Zitierattacken wieder vor Augen.
"Hmm?"
"Das MacLaut-Patt. Und jetzt..." Rib deutete auf den Kommentator. "...wartet wohl Arbeit auf uns."
Entschuldigt. Im Laufe der Zeit bemerkte ich, dass der dunkle, schwermütige Rib mir die Lust am Schreiben nahm. Deshalb jetzt gibt's die Gnumie jetzt wieder naiver und unbefleckter, wie ich ihn halt mag. Mit den bewährten drei P's: Posend, Prollig, Peinlich. Ich hoffe es gefällt.
Das Gespräch fand wirklich so statt. Danke an Ratti. Es war so schöne Reaktion, das ich den alten Absatz dafür wegschmiss.
Ich sag nur: Wachetreffen. Die da waren wissen, was ich meine.
Zu finden auf den SuSi-Seiten.