Bisher hat keiner bewertet.
Für Rekruten (erste Mission):
Auf dem heutigen Ausbildungsplan steht "Umgang mit der Armbrust".
Wenn das mal nicht ins Auge gehen kann.
Dafür vergebene Note: 8
Doris von Zitti schreckte auf, als sie bemerkte, dass die warmen Sonnenstrahlen des Morgens schon sanft ihre Nasenspitze kitzelten. Sie hatte verschlafen! Schnell zwängte sie sich in ihre Uniform, stürzte hastig einen Kaffee hinunter, rief ihren Eltern einen "Guten Morgen!" zu und rannte aus dem Haus.
Was wohl ihre Ausbilderin Carisa sagen würde, dachte sie, zu spät gekommen! Schon am ersten Tag! Raus werfen würden sie sie! Hochkant! So etwas Ungehöriges, von einer rekrutin der Stadtwache, was sie sich da nur erlaubte! Was würden nur ihre Eltern sagen? Sie waren so stolz gewesen, als sie erfahren hatten, dass Doris, ihre kleine Doris, bei der berühmten Stadtwache angenommen wurde!
Stolz hatte sich Doris vor dem Spiegel in ihrer neuen Uniform gedreht und gewendet und sich immer wieder betrachtet. Die Zwergin fand sich sehr schick und Respekt einflößend. Aber nun hatte sie einen Kaffeefleck auf der Uniform und kam obendrein zu spät.
Ihre Ausbilderin stand schon mit den anderen Rekruten auf dem Übungsplatz, denn heute war Armbrusttraining angesagt.
Doris hastete auf den Übungsplatz.
"Tut... tut... tut... tut mir leid!" stotterte Doris und sah betreten zu Boden.
"Warum bist du denn zu spät gekommen?" fragte Carisa. Doris wurde rot. "Über eine halbe Stunde..."
"Ich weiß... verschlafen... " murmelte Doris.
"Na gut, nächstes Mal bist du aber pünktlicher!" sagte Carisa.
Doris nickte, sie schwor sich, sie würde ab sofort pünktlicher sein.
Carisa griff indessen zu einer Armbrust.
"Hat jemand von euch schon mal mit einer Armbrust geschossen?" fragte sie die anderen Rekruten.
Doris erschrak. Mit einer Armbrust hatte sie sich noch nie befasst! Was sollte sie jetzt nur tun? Bestimmt war sie die einzige, die wirklich noch nie mit einer Armbrust zu tun hatte!
Carisa zeigte auf eine Zielscheibe, die in einiger Entfernung an der Mauer stand.
"Irgendwann werdet ihr auch aus dieser Entfernung genau ins Schwarze treffen, wenn ihr lange genug geübt habt."
Nun begann sie, allen zu erläutern, wie man denn eine Armbrust genau bediente. Bei Carisa sah es kinderleicht aus, wie sie mit der Armbrust umging. Doris fragte sich, ob sie das auch einmal so hin bekommen würde, wie Carisa jetzt. Am Ende ihres Vortrages schoss Carisa noch elegant einen Apfel vom Baum.
Danach drückte sie Doris die Waffe in die Hand.
"Jetzt du!" sagte sie so, als ob Doris nur eben mal was vom Bäcker holen sollen würde.
Mit zitternden Händen nahm Doris die Armbrust entgegen, doch nichts geschah weiter. Doris hatte sich so in ihren Gedanken verstrickt, dass sie gar nicht darauf geachtet hatte, was Carisa eigentlich genau erklärt hatte. Sie spürte, wie alle sie in freudiger Erwartung anstarrten.
Na toll, dachte sie.
Schließlich überwand sie sich, es doch einmal zu probieren. Sie ahmte die Schritte nach, die ihnen Carisa gezeigt hatte, an die sie sich noch vage erinnern konnte. Schließlich kam sie zum Schuss. Sie merkte, wie der Pfeil sich aus der Armbrust löste, sah sich um, doch sie sah nirgendwo einen Pfeil fliegen. Wo war er denn gelandet? Hatte sie wirklich so weit daneben geschossen? Dann hörte sie, wie plötzlich alle anfingen zu lachen. Doris sah an sich herunter und wusste plötzlich den Grund ihrer Heiterkeit:
Der Pfeil hatte sich in Doris' Bart verfangen!
Verzweifelt rannte sie umher und zog und zerrte, doch der Pfeil wollte einfach nicht aus ihrem Bart heraus!
Carisa staunte auch nicht schlecht und konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen.
"Wir werden deinen Bart wohl etwas stutzen müssen!" sagte sie.
"Mein schöner Bart?! Nein! Nie und nimmer!" brüllte Doris, denn ihr Bart war ihr allerheiligstes.
Manchmal bewahrte sie darin ihre Notration an Schokolade oder ihr Pausenbrot auf. Und wenn dies nicht der Fall war, war das Doris' Geldversteck. Wie könnte sie nur jemals ohne ihren Bart auskommen? Das ging auf keinen Fall. Oder? Vielleicht war das ja wirklich der einzige Weg... So langsam bekam Doris doch Angst und stimmte schließlich zu, dass Carisa ihren Bart abschneiden durfte. Vorher musste sie nur noch ihren Bart ausräumen.
Es war erstaunlich, was Doris dabei alles zu Tage förderte:
Eine alte Baumwollschnur, eine Packung Schokolade, ein altes vergammeltes Pausenbrot, ein Teddy der schon ganz mottenzerfressen war, fünf Dollar in kleinen Münzen, ein kleines Holzpferd und ein Buch. Als Doris aus ihrem Bart schließlich noch ein paar Haselmäuse herausholte, war sogar sie selbst ein wenig erstaunt. Wo kamen die denn her?
Dann begann Carisa, Doris' Bart zu kürzen. Der Zwergin war dabei ganz schön mulmig und sie dachte, dass wohl auch ihre Ausbilderin solche Fälle nur sehr selten erlebte. Als die Wasserspeierin fertig war, trat sie einen Schritt zurück und betrachtete ihre Rekrutin. Das Ergebnis war recht ordentlich und der Pfeil rutschte ohne weiteres Nachhelfen direkt in Doris' Hände.
Nun wiederholte die Ausbilderin noch einmal für Doris die einzelnen Schritte. Als sie schoss, wurde die Zielscheibe genau in der Mitte getroffen.
Nun, da Doris gesehen hatte, wie es funktionierte, konnte sie es kaum erwarten, es noch einmal selbst zu versuchen. Sie wiederholte alles, was Carisa ihr gezeigt hatte und der Pfeil landete schließlich mit einem dumpfen Plop! am Rande der Zielscheibe.
Doris freute sich so sehr, dass sie getroffen hatte, dass sie umherhopste, Luftsprünge machte und vor Freude jauchzte und schrie. Die anderen Rekruten sahen Doris, wie immer inzwischen, leicht schockiert, aber auch sehr verwirrt an.
Inzwischen war es Mittag geworden und die Sonne stand im Zenit über Ankh-Morpork. Die heutige Ausbildungsstunde war zu Ende. Es würden am Nachmittag nur noch Theoriestunden folgen, diese waren nichts Besonderes für Doris, da sie keine Probleme mit dem Lernen hatte. Sie verabschiedete sich von ihrer Ausbilderin und den anderen Rekruten und ging zum Mittagessen nach Hause.
Auf ihrem Weg dachte Doris die ganze Zeit über ihre heutige Ausbildungsstunde nach. Als sie zu Hause angekommen war, kamen Doris' Eltern ihr stürmisch entgegen.
"Und, wie war es?" fragte ihre Mutter.
"Du hast da ja einen Kaffeefleck auf deiner schönen neuen Uniform! Und wie sieht dein Bart überhaupt aus? Kind, was hast du nur wieder angestellt?!"
Doris war derartige Phrasen ihrer Mutter gewöhnt und reagierte nur mit einem Schulterzucken.
Stolz erzählte sie beim Mittagessen, was sie so erlebt hatte und als sie bei ihrem Treffer war, freuten sich auch ihre Eltern und grinsten.
Am Abend, nachdem Doris die Theoriestunden erfolgreich absolviert hatte, dachte Doris noch lange über ihre Erlebnisse am Tag nach. Was würde sie besser machen können? Würde sie morgen pünktlicher sein? Da fiel ihr etwas ein.
Sie stand noch einmal auf und ging hinaus in den Garten. Dort holte sie den Hahn aus seinem Stall und band ihm eine Flüstertüte um, damit er sie am nächsten Tag auch ja rechtzeitig wecken würde.
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