Gerade dann, wenn man mit dem Leben nicht mehr zu Rande kommt, wirft einen das Schicksal gänzlich aus der Bahn. Oder wieder dorthin zurück?
Dafür vergebene Note: 12
Der Punkt an der Wand schien das gesamte Universum zu enthalten. Überhaupt war die Idee faszinierend, dass sich alles in diesem einen, lächerlich bedeutungslosen Punkt abspielen könnte.
Welche Rückschlüsse konnte man daraus fürs tägliche Leben ziehen.
"Verdammter Dreck!", schimpfte die Prostituierte
[1], als sie über meine ausgestreckten Füße stolperte und riss mich aus meinen tiefgehenden Überlegungen, in die ich nach dem übermäßigen Genuss der neuen Droge gestolpert war. Was war gestern passiert? Ich konnte mich gerade noch daran erinnern, dass ich mit den anderen Wächtern der Farn-Ermittlungsgruppe im Eimer gesessen, und die Rechnung wirklich teuer geworden war.
Vor allem Damien war hinterher sehr hartnäckig gewesen und ich brauchte beinahe eine halbe Stunde bis ich ihn soweit beleidigt hatte, dass er Leine zog. Ich hatte vor eine andere Art von Party zu feiern, ebenfalls eine teure, aber wesentlich intimer als im Kollegenkreis möglich.
"Wo hast Du Deine Kohle, Spinner?" Aus den Augenwinkeln sah ich, dass Sanara - welch ein hochtrabender Name für eine illegale Straßenhure - meine Taschen durchstöbert hatte, und nun bei den Schubladen angekommen war.
"WnfnKle?" Meine kognitiven Fähigkeiten waren bereits wesentlich nüchterner als meine artikulativen und ich kicherte blöd in mich hinein. Das war allerdings mehr Bewegung als in diesem Moment gut für mich war, und sofort begannen rote Bälle vor mir in schwarzem Licht zu explodieren. Meine Wahrnehmung wurde wieder zurück an den Start geschickt.
"DAS GELD! Glaubst Du die letzten 4 Stunden war ich zum Spaß hier? Ich habe eine Familie zu ernähren!", mit diesen Worten trat sie zornig auf mich ein, und sank schließlich weinend auf ihre Knie.
"Schwert!", stammelte ich. Sie sollte endlich weg gehen, koste es was es wolle.
"Nimmirs Schwert unau ab!"
Die Waffe war ein Geschenk von Timara gewesen, ein Zeuge aus einer glücklicheren Zeit die seit einem 3/4 Jahr endgültig vorbei war. Elegant leuchtete der Perlmutgriff von der Wand, in der Scheide waren mit Silber meine Initialen "C.B" und das Wappen der Stadtwache eingraviert.
Ungläubig sah mich die Hure an, und ich nickte nur "Nimm es dir! Geh."
Und mit einer Geistesgegenwart die mich selbst überraschte, murmelte ich noch "Merk Dir wem Du das Ding verkaufst!", bevor ich endlich einschlief.
Ein Gnom riss sein stinkendes Maul weit auf, und kaute auf mir herum, während die Lady lachte und "Vielleicht bis Du mit Deiner Aufgabe etwas überfordert" sagte.
Schließlich wurde ich angewidert ausgespuckt und landete neben einer riesigen Pflanze die ihre Ranken direkt in mein Rückgrat rammte.
Verschwitzt und unkontrolliert zitternd wachte ich endlich auf, sah aber den Farn immer noch vor mir.
"Geh weg", meine fahrigen Hände wollten die bedrohlich aufgebäumten Ranken ergreifen, doch natürlich waren sie nicht stofflich und ich fiel seitlich aufs Gesicht. Ein Krampf erfasste meinen Körper, und mir blieb noch der letzte Rest an gesunden Menschenverstand die Zunge nach hinten zu schieben, damit meine knirschenden Zähne sie nicht durchtrennen konnten. Mein Herz raste dahin, ganz als wäre ich auf einer Verfolgungsjagd nach mir selbst. Da traf mich der Schlag einer Ranke, zerschmetterte meinen Kopf .Verteilte mein Gehirn über den Boden. Löschte mich gnädig aus.
Ein Riese donnerte gegen die Tore von Ankh-Morpork und schrie dabei immer wieder mit dumpfer Stimme "DSCHÜÜÜÜÜMM". Ich schlug die Augen auf, und fand mich zwischen Wand und Kleiderschrank sitzend - die Knie an die Brust gezogen und vor und zurück wippend. Schlagartig wurde ich mir meiner selbst bewusst, und das Gefühl eines großen Unglücks beschlich mich. Sicher wollte mich der Kerl da draußen töten
"DSCHHIIIIM", es klang gar nicht mehr nach Riese, eher nach einer brüchigen, kraftlosen Stimme die mir bekannt vorkam und beharrlich durch den Nebel und die Düsterkeit zu mir durchdringen wollte.
"Cim, mach endlich die verdammte Tür auf, oder ich hole Scoglio. Dann kannst Du Dir eine neue kaufen!"
"Damien?", fragte ich unsicher. Konnte es so einfach sein? Wollte er mir nichts Böses?
"Nein, ich bin die Zahnfee du Knalltüte! Langsam werde ich echt sauer!"
"Ist außer Dir noch jemand da?", vorsichtig richtete ich mich auf, und lugte von unten durchs Fenster an der Straßenseite. Man sah sehr schlecht zur Tür und deshalb konnte ich mich auch nicht überzeugen.
"Nein, ich bin alleine! Könntest Du jetzt...". Ich schloss die Tür auf, und äugte vorsichtig durch den Türspalt - ich wagte die Tür nicht weiter zu öffnen - doch da stand tatsächlich nur der Hauptgefreite Bleicht, der mich erschrocken ansah.
"Was bei allen Göttern, ist Dir denn passiert? Hast Du Dich mit jemand Größeren angelegt? Mit Jerakeen
[2] zum Beispiel?"
Ich konnte mir lebhaft vorstellen, welches Bild ich abgab. Die Augenringe waren trotz meines braunen Teints übermächtig und schon beinahe als Säcke ausgebildet. Die Uniform hatte ich in der letzten Woche nur ausgezogen, um irgendwelche Bedürfnisse zu stillen.
Ich zog ihn nur wortlos in das Haus und versperrte nach ihm gleich wieder die Tür.
Damien hatte die Augenbrauen hochgezogen, und sein Mund stand weit offen, als er sah wie es in dem Haus aussah. Der Boden war etwa einen 20 Zentimeter hoch mit Müll bedeckt, es stank fast überall nach Verwesung, Alkohol und Erbrochenem - an manchen Stellen war es nur noch schlimmer.
"Hast Du eine Wette verloren?", der Szenekenner war sichtlich erschüttert in welchen Verhältnissen ich da hauste. Langsam beruhigte sich mein Herzschlag, meine Psychosen wurden mir als Folgen der ausklingenden Entzugserscheinungen bewusster und mein Kopf tat weh.
"Was willst Du, mein Freund?", versuchte ich ein paar Punkte wieder gut zu machen, aber Damien stieg nicht darauf ein.
"Agroth hat einen Behördenweg, und ich bin nur für ihn eingesprungen- vor allem weil der zweite Schichthabende unentschuldigt fern geblieben ist. Da dachte ich mir ich bringe Dir Deine Post lieber persönlich vorbei .
Sein Blick rief mir sehr deutlich in Erinnerung, wer der zweite Schichthabende gewesen wäre. Er hielt mir ein Briefkuvert vor die Nase, auf dem "CK Cim Bürstenkinn" stand. Offenbar stammte das Ding von jemanden der meine letzten beiden Beförderungen nicht mitbekommen hatte.
Neugierig zog ich eine einfaches Blatt Papier aus dem Kuvert und las
Bürstenkinn L. 10.12. 12:15 Uhr , 4,3 kg. Ich schüttelte verwirrt den Kopf, denn ich war definitiv nicht in der Verfassung jetzt Rätsel zu lösen. "Was soll der Käse. Der 10.12. war gestern", sagte ich, zerknüllte das Papier und warf es achtlos zum anderen Müll am Boden.
"Spinnst Du?", fuhr Damien mich an. "Das ist vielleicht ein Hinweis." Er fischte den kleinen Papierball zwischen dem Unrat hervor und strich ihn wieder glatt.
"Dein Problem ist, dass Du völlig von der Rolle bist. Du liest nicht mal mehr interne Memos"
Damit griff er in die Brusttasche und zog ein weiteres Schriftstück hervor.
"Info an alle Wächter!
Am 10.12. sind in der Nähe des Schlegel umfangreiche unlizenzierte Drogengeschäfte gelaufen. Es kamen dabei mehrere Kilogramm der gefährlichen Droge "Lava" in Umlauf. Trotz des sofortigen Einsatzes einiger SEALS-Kollegen konnte der illegale Handel nicht erfolgreich unterbunden werden. Jede sachdienliche Information muss unverzüglich auch dem interimistischen Leiter der Ermittlungsgruppe, Obergefreiten Tyros y Graco gemeldet werden.
Hauptmann Rascaal Ohnedurst, Kommandör""Na dämmerts jetzt?", fragte Damien und schnippte mit dem Zeigefinger gegen das Schriftstück.
"L für
Lava, 4,3 kg!! Jemand hätte Dir einen Hinweis geben wollen, aber Du hast ihn ja verpennen müssen."
Oder jemand wollte es mir anbieten, dachte ich mir. Immerhin hatte ich die letzten Entzugserscheinungen des Zeugs eben erst abgeschüttelt.
"Also gut", sagte ich endlich, "lass mir noch Zeit einen Kaffee zu trinken, und dann gehen wir zum "interimistischen Leiter der Ermittlungsgruppe". Als ich nach 10 Minuten Suche noch keinen Topf gefunden hatte, beschloss ich , dass es auch ohne Kaffee gehen musste.
_ _ _Als wir Tyros Büro am Pseudopolisplatz erreichten, war dort gerade heller Aufruhr.
Laiza Harmonie, der es gar nicht schmeckte, dass der FROG-Wächter Leiter der Gruppe war, wedelte aufgeregt mit Rea Dubiatas Bericht über die Opfer, die an einer Überdosis gestorben waren.
Michael Machwas lehnte ruhig in einer Ecke und schüttelte den Kopf - nicht ohne Worte des Trostes und der Aufmunterung zu verlieren. "Sei nicht so hektisch, Tyros" und "So wird das nie was" oder "Du musst den Überblick bewahren" waren typische Sätze die er scheinbar zusammenhanglos von sich gab, und damit Tyros noch nervöser machte.
Romulus von Grauhaar, erläuterte gerade den Bericht von RUM, der sich im Wesentlichen auf Übergriffe von Drogensüchtigen bezog, die Geld für ihre nächste Pille haben wollten.
Zu guter letzt waren da noch Robin Picardo und der Vorgesetzte von Tyros, Araghast Breguyar. Die beiden waren - gar nicht sachdienlich - in einem Streitgespräch über eine beinahe erfolgte Inhumierung von Breguyar vertieft, und der arme GiGa war natürlich nicht in der Lage zu vermitteln.
Dennoch: Inmitten all dieses Horrors stand Tyros und versuchte zu beschwichtigen, zu erklären, zuzuhören und zu schlichten. Nichts davon gelang.
"Lass mich zufrieden, Michael! Natürlich nehme ich das Laborergebnis ernst! Was soll die Frage? Könntet ihr bitte aufhören hier zu streiten? Kannst du das bitte wiederholen Romulus, es ist soooo laut hier?"
Der als hyperaktiv bekannte Gift-Gas-Experte war knapp daran weinend aus dem Raum zu laufen, als wir dazukamen.
Mir war klar, dass jeder Versuch die Lage zu beruhigen fehlschlagen musste, also gab es nur eine Chance.
"Du links ich rechts!", sagte ich zu Damien, und wir schnappten uns Tyros, zogen ihn recht unzeremoniell über den Tisch und trugen ihn aus dem Büro.
"Was tut ihr??", protestierte der junge Wächter. "Ich muss arbeiten! Nein"
In der Cafeteria durfte er wieder auf seine Beine zurück.
Ich sah nach oben, in seine Augen und wartete.
"Was?", Tyros war irritiert.
"Wie ist der Status der Lava-Sache?"
"Warum fragst Du?"
"Tyros!", ich sah ihn genervt und mit der Miene
du willst doch wieder in dein Büro und Ermittlungsleiter spielen, oder an, bis er endlich
"Ok", sagte. "Wir haben eine ziemlich heiße Spur! Die Freundin, von so einem der Typen der sich die goldene Dosis genehmigt hat.. Wir kennen den Dealer. Eigentlich sind wir gerade dabei die letzten Details abzustimmen, und dann nehmen wir sie hopps.
"Wunderbar! Gib mir die Adresse!", sagte ich fröhlich und sah ihn mit großen, freundlichen Augen an.
Erschrocken kam die Antwort "Bist Du wahnsinnig? Niemals!"
_ _ _Damien und ich standen mit gezogenen Schwertern
[3] vor der Tür und ich zählte mit den Fingern von drei runter.
Als hätten wir das schon unser Leben lang gemacht, traten wir simultan die Tür auf, und ich stürmte hinein - Damien genau hinter mir.
Und er hatte dementsprechend große Probleme stehen zu bleiben, als ich unvermittelt erstarrte und die Hände hob. Die Tatsache, dass die Klinge des Szenekenners mich verfehlte, war reiner Zufall.
"Sieh mal an! Wächter kommen zu uns! Wie nett!" Die drei Kerle mit der Armbrust hatten den mittleren offenbar als Redner auserkoren, denn sie begnügten sich damit zu lachen und zu nicken.
"Niederknien!", forderte der Sprecher - ein unangenehmer Kerl mit unsympathisch nach unten gezogenem Bart und nach kurzem Nachdenken fand ich den Zeitpunkt für Diskussionen nicht gekommen. Mit dem Versuch einen betont "lässigen" Gesichtsausdruck zu bewahren, leistete ich der Aufforderung Folge. Damien kniete da bereits lange am Boden.
"Aus uns kriegt ihr nichts raus!" sagte ich mürrisch, was auf den Knien natürlich nicht so überzeugend war.
Dementsprechend gut gelaunt kam der bärtige Sprecher auf mich zu und sagte kichernd. "Wir wollen ja gar nichts von euch wissen!". Mit diesen Worten schlug er mir sehr unfair den Kolben der Armbrust an die Schläfe und ich fiel um wie ein Stück Holz.
_ _ _Ich erwachte halb ertrinkend, weil irgendjemand
[4] die gute Idee gehabt hatte mich mit einigen Eimern Wasser zu wecken.
Das erste was ich sah, war Tyros Gesicht in dem leise Verzweiflung zu lesen war.
"Ich hoffe es freut Dich, dass du die erste wirklich verantwortungsvolle Aufgabe , die ich bisher in der Wache übernehmen durfte in eine absolute Katastrophe verwandelt hast."
"Tyros", ich rappelte mich auf und sah den FROG abfällig an, "sei doch so gut, und bleib mir etwas vom Leibe. Du stinkst nach Angst."
Damit hatte ich wohl einen Tropfen in ein Fass fallen lassen das nur auf das Überlaufen gewartet hatte. Er katapultierte sich in meine Richtung und begann wie wahnsinnig auf mich einzuschlagen.
"DU VERDAMMTES SCHWEIN!", schrie er immer wieder bis ihn Rogi und Romulus endlich von mir wegzogen.
"Siehst Du", ich spuckte etwas Blut und ein Stück von einem Zahn aus, "jetzt geht's Dir doch schon viel besser, oder?" Na gut, sagen wir es war nicht ganz meine Absicht verprügelt zu werden. Aber Tyros hatte jetzt was zum Nachdenken.
"Warum wolltet ihr eigentlich unbedingt alf erfte hier fein?", fragte Rogi.
Breit grinsend sah ich den Igor an. "Ich denke, wir wollten einfach berühmt werden!". Ich dachte nicht im Traum daran ihr etwas zu erzählen.
"Cim hat einen Hinweis erhalten!", sagte Damien ohne Zögern und zog zu allem Überdruss auch noch den Brief aus meiner Jackentasche.
"Damien!", zischte ich den Szenekenner an, doch er sah mich nur gleichmütig an, während die FROG-Sanitäterin bereits meinen Brief beäugte.
"Hmm, keine Ahnung waf die Zahlen und Worte auf dem Brief bedeuten", erklärte sie, und ich wollte ihr das Papier schon triumphierend aus der Hand ziehen aber sie zog ihn weg.
"Aber ich weif wo er herkommt!"
"Woher?", kurz verging mir jeder Spott . "Steht in Geheimtinte eine Adresse drauf?" Kurz wie gesagt.
Die Sonne stand hoch am Himmel, und Rogi hielt den Brief in die Höhe und forderte "Feht durch daf Papier!"
Und tatsächlich da fanden sich zwei Buchstaben, die heller als der Rest des Papiers waren.
Bei genauer Untersuchung lagen sie sogar tiefer.
"D.W. ?"
Rogi nickte. "Daf ift ein echtef Wafferzeichen. Ef wurde wohl mit einem Draht in daf Papier eingebracht während ef hergeftellt wurde. Nur Doktor Wegenftein und einige wenige andere geben fich diefen Luxuf. Daf Papier hier ftammt auf feiner Praxif!"
Ich zog ihr den Brief aus den Händen und sah ihn mir aus der Nähe an. Verdammt, sie hatte tatsächlich recht. "Nun, ich würde sagen, wir haben eine neue Spur. Sicher weißt du wo die Praxis von Herrn Doktor Wegenstein ist, oder?"
Die Igor nickte, und machte sich auf zu gehen.
Ich wollte ihr folgen, doch eine Hand hielt mich zurück. Tyros sah mich mit Dackelblick von oben herab an, und war wohl ziemlich schuldbewusst.
"Cim, ich hab wohl...", begann er, doch ich unterbrach ihn, "Einen Arsch wie einen behandelt!"
Ich klopfte ihm auf die Schulter. "Wenn Dich Rascaal dennoch dafür rauswirft, dass du einen Vorgesetzten vor versammelter Mannschaft in seiner Uniform verprügelt hast, schreib ich dir ein persönliches Empfehlungsschreiben für die Narren-Schule!". Ich folgte Rogi und ließ Tyros nachdenklich stehen.
Der Kurweg. Die kurze Strasse lag unfern des Haufens im teuersten Teil der Stadt. Nur wenig weiter hatte ich früher mit meiner Verlobten gewohnt. Erinnerungen, die ich monatelang erfolgreich unterdrückt hatte, wurden ungefragt wach und zogen meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich wollte mich jetzt aber nicht mit der Vergangenheit befassen. Nur zu gut wusste ich, dass es mich hoffnungslos ablenken würde über Timara nachzudenken.
Die Ermittlungsgruppe hingegen funktionierte wie ein Uhrwerk, und ich war überrascht über Tyros Geschick klare Anweisungen zu geben.
Scoglio und Goldie sicherten den Eingang. Ihre Aufgabe war es im Wesentlichen dafür zu sorgen, dass sich niemand überraschend absentierte, der schon im Haus war, oder es sich plötzlich auf der Strasse anders überlegte.
Im Stiegenhaus warteten Dlei und Rogi, für den Fall dass jemand von oben kam oder die Wächter in der Praxis überrumpelte.
Schließlich waren da noch Tyros und Romulus. Die gemeinsam die Praxis stürmen wollten.
"Du wartest hier!", sagte der GiGa bestimmt und ich tippte ihm nur mit dem Finger an die Stirn.
"Das kannst du einfach vergessen. Warte du hier!" und ging einfach Richtung Eingang.
"NEIN! Haltet ihn auf!". Das tat zwar niemand aber er selbst schnappte mich von hinten und verhinderte, dass ich das Haus betrat.
Zorn stieg brodelnd in mir auf. Ich hatte nichts gegen den jungen FROG, aber langsam wurde ich wirklich ärgerlich.
"Scoglio! Sei doch so nett und informiere den Obergefreiten über die Regeln im Umgang mit Vorgesetzten."
Der Troll schnappte sich Tyros und hob ihn hoch. Mit dem mächtigen Zeigefinger seiner linken Hand ermahnte er ihn und sagte ganz langsam: "DU NICHT ANGREIFEN CIM! DU IMMER..".
Ich war weitergegangen. Immerhin wusste ich Tyros in guten Händen. Begleitet von Romulus der mich säuerlich ansah, betrat ich die im ersten Stock gelegene Praxis.
Dass es sich bei Doktor Wegenstein um keinen Arzt für arme Leute handelte, machte spätestens seine Adresse klar.
Aber das Ambiente seiner Ordination war hochwohlfeil. Goldener Stuck klebte an der Decke, mannshohe Spiegel hingen an der Wand, Gemälde der Familie von Wegenstein zierten das Vorzimmer in dem eine vornehme Dame in einem roten Abendkleid ein eher künstliches Lächeln aufgesetzt hatte, und auf mich zukam.
"Haben sie einen Termin, Herr ... Wächter?"
Vorsichtig, aber bestimmt schob ich die Dame zur Seite und ging weiter in das Wartezimmer. Schwangere Frauen die sich angeregt unterhielten, Kinder die mit Holzspielzeug spielten und junge Frauen mit besorgten Gesichtern saßen hier und sahen mich verblüfft an.
Plötzlich stand auch Tyros wieder neben mir. "Das kannst Du nicht machen!", sagte er aufgeregt, und plötzlich wurde es still im Wartezimmer.
"Shhh", sagte ich mit an die Lippen gelegten Zeigefinger und öffnete das Behandlungszimmer.
"Doktor Wegenstein, darf..." Auf einem sehr eigenartigen Liegestuhl lag eine Frau mit gespreizten Beinen und vor ihr saß ein Mann mit einer Lupe vor dem Gesicht. Als die Frau uns sah, kreischte sie laut auf, wurde aber gleich unterbrochen
"Guter Mann", begann der Doktor laut aber ruhig zu reden ohne auch nur aufzusehen, "wenn sie nicht augenblicklich aus dem Behandlungszimmer verschwinden, hetzte ich ihnen ein paar Dämonen auf den Hals die sie zu einer Patientin machen werden."
Mit rotem Kopf ging ich rückwärts, trat dabei Tyros auf die Zehen, und stotterte, "Ich...ich warte dann draußen."
Die nächsten 20 Minuten waren in etwa die Schlimmsten in meinem Leben - die Zeit im Gefängnis auf El Kinte mit einbezogen.
Entrüstete Frauen sahen mich anfangs stumm und wütend an, bis eine den Damm brach.
"Was denken sie sich eigentlich?" - "Eine Unverschämtheit ist das" - "Ich werde mich auf jeden Fall über sie beschweren" - "Hoffentlich nimmt das Kind der armen Elena keinen Schaden!"
Ich beschränkte mich auf "Ja, Madame, sie haben ja so recht Madame" zu sagen, und hoffte, dass endlich die Tür hinter mir aufging - mitunter ein Gedanke, der mich auf die andere Seite von Tyros wechseln ließ. Just in dem Moment ging die Tür auf, und "Elena" kam heraus, giftige Dolche schossen aus ihren Augen und mit einem beherzten Schwung zog sie Tyros ihre Tasche über den Kopf. "Mistkerl!" und stapfte stolz und unter dem Beifall der Patientinnen aus der Praxis.
Schnell schlüpfte ich durch die offene Tür und fand den Arzt in dem schwach beleuchteten Behandlungszimmer an seinem Schreibtisch sitzend und schreiben.
Natürlich drängte sich Tyros sofort an mir vorbei, und begann das Gespräch zu leiten.
"Herr Wegenstein, wir hätten einige Fragen an sie!".
Nach einer Weile sah der Arzt auf und sagte leicht genervt "DOKTOR Wegenstein, soviel Zeit muss sein!".
Tyros wusste nicht recht was er darauf zu sagen hatte und schwieg deshalb.
"Womit kann ich ihnen helfen?"
"Wir haben verschiedene Hinweise erhalten, dass sie in ein Drogendelikt verwickelt sind, DOKTOR Wegenstein", endlich wusste Tyros wieder was er zu sagen hatte.
Der Arzt blieb aber sehr entspannt sitzen, und sah den GiGA scharf an. "Und welche Hinweise wären das denn, Herr Obergefreiter ohne Namen?"
"Verzeihen sie unsere Unhöflichkeit Herr Doktor. Die Situation hat uns ein wenig überfordert fürchte ich." , antwortete ich, zog den Brief aus Tasche und legte ihn dem Doktor auf den Tisch.
"Können sie uns etwas dazu sagen?"
Wegenstein schob die Brille nach oben und beäugte das Blatt Papier.
"Sind sie sicher, dass sie das vor ihm hier besprechen wollen?", er deutete in Richtung des Frogs.
"Was wollen sie damit andeuten??" Ich hielt Tyros vorsichtshalber mal bei der Jacke fest - das war wohl nicht sein Tag.
"Schon ok.", sagte ich, "Keine Geheimnisse!" mit der Hoffnung, dass ich nichts Illegales vergessen hatte.
"Na bestens. Frau Arina Käsheim, Amme im Hause Lordner, war so freundlich sie auf meine Bitte hin zu verständigen. ", sagte Wegenstein, "Ich darf ihnen herzlich gratulieren!"
In diesem Moment gab es mächtigen Aufruhr im Wartezimmer der Praxis. Eine Frau schimpfte herum, und den schmerzerfüllten Lauten zufolge hatte sie gerade Romulus geschlagen.
Irritiert von der eigenartigen Antwort öffnete ich die Tür und sah Timara Lordner, meine Exverlobte, die mit einem Regenschirm mit silberner Spitze, auf den sie immer sehr stolz gewesen war, gerade auf den Werwolf einschlug. Hinter ihr stand ihre alte Amme Arina Käsheim, daneben Erwin, der alte Diener ihrer Mutter, den ich nur vom Landsitz der Lordners kannte. Doch auf seinem Arm hielt er ein kleines Bündel. Versteckt in Spitzentüchern und Windeln sah man doch ein Kind mit hellbrauner Haut hervorlugen das selig schlief, und den Lärm den seine Mutter verursachte ignorierte.
Ich hatte das Gefühl in ein tiefes Loch zu fallen, als ich zwei und zwei zusammenzählte. Ungläubig sah ich Doktor Wegenstein an, der breit grinste und mir gütig zunickte. Sah zurück zu Timara, zu Erwin, zu der Amme, zu dem Kind.
Tyros war erstaunlicher Weise der Erste der die richtigen Schlüsse gezogen hatte, und auch in der Lage war danach zu handeln.
"Kommt Leute! Wir haben einen Fall zu lösen. Ich nehme an wir können jetzt davon ausgehen, dass der Oberfeldwebel uns jetzt nicht mehr weiter
unterstützen wird."
Verwirrt zogen die Wächter mit dem interimistischen Ermittlungsgruppenleiter Tyros ab, und Ruhe kehrte ein in die Praxis.
"Heee, ich will aber wiffen wie ef weitergeht", protestierte Rogi schwach, wurde aber endlich raus geschoben.
Da ging es mir wie Rogi: Ich war Vater geworden, und ich hatte absolut keine Ahnung wie es nun weitergehen sollte.
[1] nein, eine Näherin wäre wohl eine Spur zu teuer gewesen
[2] einer der 4 Elefanten die unsere schöne Scheibenwelt tragen
[3] Ja und? Es war eins dieser groben Dinger aus dem Waffenfundus
[4] der sich später nicht melden wollte
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