Die Suche nach dem Heiligen Pfahl

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von Obergefreiter Scoglio (SEALS)
Online seit 07. 10. 2005
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Nachdem Scoglio den Fängen des Farns auf der Fährte war, ist er jetzt wieder in Ankh-Morpork, wo ihn gleich das rätselhafte Verschwinden mehrerer Personen erwartet...

Dafür vergebene Note: 11

Es war vollkommen dunkel.
Doch die Dunkelheit währte nicht lange. Ein Streichholz flammte hell auf und entzündete eine Kerze. Das von der Kerze stammende Licht war nicht besonders hell, aber es genügte, um die Umgebung ein wenig zu erleuchten und eine kleine Gruppe von Menschen erkennen zu lassen.
Es waren insgesamt zehn Männer, von denen neun eine Kerze in der Hand hielten, die sie nacheinander an der ersten entzündeten. Sie trugen Mäntel und das Kerzenlicht ließ ihre Gesichter unter den Kapuzen bleich erscheinen.
Der zehnte Mann dieser Gruppe unterschied sich aber von den anderen. Er trug keine Kerze, was daran liegen konnte, dass seine Hände auf dem Rücken zusammengebunden waren. Außerdem wirkte er sehr unruhig und warf angsterfüllte Blicke um sich.
Inzwischen hatten alle ihre Kerzen entzündet und in einem Kreis aufgestellt.
Das Licht ließ nun einen Raum erkennen. Er war leer - abgesehen von einem Pfahl, der in der Mitte des Raumes stand. Die Ketten, die an dem Pfahl herabhingen, ließen dem ohnehin schon ängstlichen Mann einen Schauer den Rücken hinunterjagen, der es sich auf halbem Wege aber anders überlegte und den Rücken wieder hinauf kroch.
"Bist du soweit?", fragte einer der Männer.
"Nein!", antwortete der an den Händen gebundene Mann und blickte ihn flehend an.
"Dich meinte ich nicht. Bist du soweit, Hohepriester?"
"Ja!", antwortete der Hohepriester.[1]
Zwei der Brüder gingen auf ihren Gefangenen zu, ergriffen ihn und schleppten ihn zu dem Pfahl. Der gefangene Mann versuchte nicht, sich zu wehren, obwohl er keinesfalls einen schwachen Eindruck erweckte. Vielleicht lag es daran, dass der Pfahl eine so einschüchternde Wirkung auf ihn hatte oder dass er sich von den beiden Mitgliedern der Bruderschaft so furchtbar ergriffen fühlte.
Auf jeden Fall wurde er so an den Pfahl gekettet, dass er kaum mehr fähig war, sich zu bewegen.
Dann begannen die Brüder eine mystische Melodie zu summen und sich langsam um den Pfahl herumzubewegen. Der geheimnisvolle Charakter wurde nur dadurch beeinträchtigt, dass Bruder Topf dabei Geräusche von sich gab, die eher an das begeisterte Quieken einer Maus, die gerade Gau-Dahs großes Käselager entdeckt hat, erinnerten, was ihm einige bitterbösen Blicke der anderen einbrachte.
Der Hohepriester stand inmitten der Brüder direkt vor dem Pfahl.
"O Goddog!", intonierte er mit lauter Stimme. "Nimm dieses dein Opfer und füge es deinen Untergebenen bei, auf dass deine große Aufgabe erfüllt werde."
Dann machte er einige komplizierte Gesten und murmelte leise etwas vor sich hin, das durch das Summen übertönt wurde.
Mit einem Mal blieben die Brüder stehen und hörten auf zu summen. Eine Zeit lang geschah nichts, doch dann ging eine Veränderung mit dem Opfer vor. Der Mann verzerrte sein Gesicht und wand sich, als stünde er unter großen Schmerzen. Seine Augen drehten sich in das Innere des Kopfes hinein und aus seinem Mund quoll Schaum hervor. Dann war kurz etwas in seinen Augen zu erkennen - etwas, das aussah wie der Kopf eines Hundes. Und schließlich verschwand der Mann plötzlich und ließ nichts weiter zurück außer seinen Stiefeln, aus denen ein wenig Rauch aufstieg.
Die verbliebenen neun Männer nahmen die Kerzen wieder auf und löschten sie.
"Nimm die Stiefel mit, Bruder Topf, und wirf sie in den Ankh."
"Ja, Hohepriester."[2]
Dann verließen die Männer den Raum.

Scoglio öffnete die Tür zu Steinig's Taverne. Es war mal wieder an der Zeit, seinen Informanten Franatus zu treffen - seitdem der Szenekenner in den großen Weiten der Scheibe mit einigen anderen Wächtern erfolgreich Jagd auf Tim Buktu gemacht hatte, war er nicht mehr bei Franatus gewesen, der für gewöhnlich in dieser Taverne anzutreffen war.
Und so war es auch jetzt der Fall. Der granitene Troll saß alleine an einem Tisch am Ende der Taverne, neben ihm ein kleiner Hund. Scoglio ging durch den Raum und wurde von dem Hund mit einem freudigen Bellen empfangen.
"Hallo Cane!", begrüßte er ihn, streichelte ihn sanft und setzte sich dann zu dem anderen Troll.
"Es irgendwelche interessante Neuigkeiten geben?", fragte er Franatus, nachdem auch sie sich begrüßt hatten.
Der überlegte kurz und antwortete dann:
"Nein, das eigentlich nicht. Eine Sache da zwar wäre, aber ich nicht glauben, dass es sein wichtig."
"Egal. Auch kleine Dinge von Bedeutung sein können. Erzähl es mir!", forderte der Wächter ihn auf.
"Na schön. Ein Freund von mir im Zappler arbeiten. Er..."
"Moment!", unterbrach ihn Scoglio. "Was der Zappler sein?"
"Ein Herrenklub in der Esoterischen Straße", antwortete Franatus. "Also... er gesagt haben, dass in letzter Zeit dort mehrere Leute nicht mehr gekommen. Normal sie Bescheid geben, wenn sie wegbleiben, aber diese keinen Grund hatten und nichts gesagt haben."
"Aha... Nun, ich nicht glauben, das schlimm sein. Bestimmt die Leute einfach nicht mehr kommen, weil ihnen das Essen nicht gefallen. Oder so." Scoglio machte eine kurze Pause und fuhr dann fort. "Und etwas anderes wirklich nicht passiert sein? Nun gut, dann ich erst einmal wieder gehen."
Der Wächter stand auf und wollte schon gehen, aber er wurde noch von Franatus zurückgehalten.
"Was mit Cane sein? Du ihn wieder mitnehmen? Eigentlich er ja dir gehören."
"Weißt du, ich glauben, er sich schon an dich gewöhnt haben, seitdem ich ihn dir gegeben, weil ich wegen der Arbeit musste weg aus Ankh-Morpork. Und ich vielleicht auch nicht genug Zeit für ihn haben. Du Cane mal lieber bei dir behalten, ich euch ja noch oft sehen werde."
Mit diesen Worten verabschiedete sich Scoglio von den Beiden und verließ die Taverne, um seinen Streifengang fortzusetzen.

Es klopfte an der Tür zu Rascaal Ohnedursts Büro.
Der Kommandeur der Stadtwache von Ankh-Morpork sah von den vor ihm liegenden Akten auf.
"Herein!", rief er.
Die Tür öffnete sich und der Gefreite Amok Laufen betrat den Raum und salutierte.
"Was gibt's?"
"Eine Dame verlangt dich zu sprechen, Sir", antwortete der Gefreite. "Sie sagt, sie hätte einen Fall von außerordentlicher Wichtigkeit, den sie mit dir persönlich besprechen müsste."
"So?" Rascaal zog eine Augenbraue hoch. "Nun, dann bring sie hierher."
"Sofort, Sir", sagte Amok und verließ das Büro wieder.
Der Kommandeur seufzte, legte die Papiere ordentlich auf seinen Schreibtisch und wartete.
Nach einer Weile öffnete sich die Tür wieder und Amok Laufen kam erneut herein, gefolgt von einer recht stattlich gebauten Frau mittleren Alters.
"Danke, Amok! Du kannst jetzt gehen."
Der Gefreite salutierte, verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.
Rascaal musterte die Frau eine Zeit lang und bedeutete ihr dann, sich zu setzen.
Als sie Platz genommen hatte, ohne ein Wort zu sagen, fragte er:
"Was habt Ihr so wichtiges mit mir zu besprechen?"
"Ich... Mein Mann... Ihr müsst..." Sie schluchzte und schien die Tränen nur mit Mühe zurückhalten zu können.[3]
"Beruhigt Euch erstmal!"
Die Frau atmete einige Male tief durch und schien dadurch ein wenig ruhiger und gefasster zu werden.
"Und jetzt mal schön der Reihe nach. Wie heißt Ihr denn überhaupt?", fragte Rascaal.
"Ich bin Gismara Schlagschnell. Mein Mann..." Sie verstummte wieder.
"Was ist mit Eurem Mann los, Gismara?", fragte der Kommandeur mit beruhigender Stimme.
"Er... ist verschwunden. Ich ging mit ihm durch die Stadt und plötzlich war er nicht mehr da", brach es aus der Frau hervor.
"Wie meint Ihr das? Er war plötzlich nicht mehr da? Er hat sich doch nicht einfach an Eurer Seite in Luft aufgelöst..."
"Nein, nein. Natürlich nicht. Ich hatte mich kurz von ihm weggedreht, weil mich ein Mann nach dem Weg zum Opernhaus gefragt hatte. Und als ich mich wieder umdrehte, war mein Mann nicht mehr da. Es war nirgendwo ein Zeichen von ihm zu erkennen."
"Hm. Wie lange habt Ihr Euren Gatten denn aus den Augen gelassen?", wollte Rascaal wissen.
"Ich weiß nicht genau..." Gismara Schlagschnell überlegte kurz. "Vielleicht eine Minute?"
"Zeit genug also, um eine wirklich gut geplante Entführung vorzunehmen", murmelte der Kommandeur. Laut sagte er: "Und Ihr habt keine Nachricht mehr über ihn erhalten? Etwa einen... Erpresserbrief? Oder etwas in der Art?"
"Nein", antwortete die Frau. "Glaubt Ihr, er ist entführt worden?"
"Nun, ich schätze, das liegt sehr nahe. Ich wüsste jetzt direkt keine andere natürliche Lösung", sagte Rascaal. "Wir werden sehen, was wir machen können. Aber ich kann Ihnen nichts versprechen. Ich bräuchte nur noch einige Informationen über Euren Mann."
"Ja, sicher. Also, er heißt Ragnar. Ragnar Schlagschnell. Er hat vor vielen Jahren als Feldwebel in der Schweren Infanterie des Herzogs von Eorle gedient - er war ein sehr guter Soldat. Als er dann aus dem Regiment austrat und wieder nach Ankh-Morpork kam, lernten wir uns kennen und heirateten bald darauf. Ich glaube, ich habe hier irgendwo eine Ikonographie von ihm", sagte Gismara und suchte in ihrer Tasche.
Nach einigen Sekunden wurde sie fündig und überreichte dem Kommandeur das Bild. Der betrachtete es kurz und legte es dann auf den Schreibtisch zu dem Zettel, auf dem er sich während des Gespräches Notizen gemacht hatte.
"Und wo und wann hat diese Entführung oder was auch immer stattgefunden?"
"Wir waren gerade in der Chrononhotonthologosstraße unterwegs..."
Rascaal notierte sich auch diesen Namen, was einige Zeit dauerte.
"Es war vor ungefähr zwei Stunden. So gegen neunzehn Uhr."
Nachdem Rascaal sich auch die Uhrzeit aufgeschrieben hatte, sagte er:
"Ich werde sofort jemanden losschicken, der - wenn möglich - näheres in Erfahrung bringen wird. Aber, wie ich schon sagte, versprechen kann ich nichts. Gebt mir am Besten noch Eure Adresse, damit wir uns mit Euch in Verbindung setzen können, wenn wir etwas herausgefunden haben."
Der Kommandeur reichte ihr das Blatt Papier und einen Stift und die Frau notierte ihre Adresse.
Dann erhob sie sich und ging zur Tür.
"Vielen Dank, dass Ihr euch darum kümmert. Ich weiß nicht, wie ich ohne meinen Ragnar leben soll", sagte sie noch und verließ das Büro des Kommandeurs.

Zwei Stunden später öffnete Scoglio die Tür zum Wachhaus. Er hatte seine Streife vorerst beendet, ohne dass es irgendwelche nennenswerten Ereignisse gegeben hätte.
Er ging ganz in Gedanken versunken durch das Wachgebäude. Die Tatsache, dass in diesem Klub einige Leute einfach verschwunden waren, gab ihm doch ein wenig zu denken.
Geistesabwesend grüßte er einige andere Wächter, als er darüber nachdachte, ob es die Sache wohl wert wäre, weiter nachzuforschen.
Da ließ ihn plötzlich etwas aufhorchen. Er hatte gerade zufällig die Worte "...nichts über den verschwundenen Mann herausgefunden" aufgeschnappt.
Er drehte sich um und sah, wie sich Rascaal Ohnedurst mit der Gefreiten Biene Niemand unterhielt.
"Nun, ich glaube nicht, dass wir sonst noch irgendwelche Informationen bekommen könnten", hörte Scoglio den Kommandeur sagen. "Wir müssen Frau Schlagschnell wohl sagen, dass ihr Mann vorerst verschwunden bleibt."
Normalerweise hätte der Szenekenner diesen Worten keine Beachtung geschenkt - so was hörte man öfter in der Wache.
Aber in diesem Fall...
"Äh, Herr Kommandeur?"
Der Vampir drehte sich um.
"Ja? Was ist los, Scoglio?"
"Ich gerade einen Teil eures Gespräches mithörte, Sir", sagte der Troll. "Und vorhin mein Informant mir erzählt, dass er gehört haben, dass mehrere Personen sind verschwunden. Vielleicht diese Sachen etwas miteinander zu tun haben?"
"Das wäre ein seltsamer Zufall. Ich glaube es kaum - es kann ja manchmal passieren, dass Leute verschwinden. Aus welchem Grund auch immer."
"Ich dachte nur, es sein könnte, Sir", sagte Scoglio einigermaßen kleinlaut.
"Natürlich kann es sein, aber es ist ziemlich unwahrscheinlich. Aber du sagtest, es wären gleich mehrere Leute gewesen, die verschwunden sind? Hast du da einen speziellen Ansatzort, wo du nachforschen könntest? Denn es wäre ja schon etwas seltsam, wenn gleich mehrere Leute auf einmal an einem Ort verschwinden", sagte Rascaal.
"Ja, sie alle im Klub Zappler gewesen und sie einer nach dem anderen verschwunden sein, ohne dass sie irgendeinen Grund genannt."
"Hm, dann... Du hast gerade keinen anderen aktuellen Fall?"
Scoglio verneinte.
"Dann ermittele in der Sache mal. Vielleicht hast du ja mehr Glück als Biene und es lässt sich da etwas herausfinden."
"Ja, Sir!"
Scoglio salutierte und ging wieder den Weg zurück aus dem Wachhaus heraus. Auf dem Pseudopolisplatz stehend, orientierte er sich kurz und ging dann in Richtung Esoterische Straße, die Straße, in der der Zappler lag, davon.

Vor dem Gebäude machte Scoglio Halt.
Dies war also der Zappler. Er sah schon von außen so aus, als ob nur reiche Leute es sich leisten konnten, Mitglied in dem Klub zu sein.
Das Haus war etwas zurückgelegen, eine Rasenfläche überbrückte den Platz zwischen Straße und Gebäude. Ein ordentlich angelegter Kiesweg führte zum geöffneten Eingangsportal, das aus reinem Marmor bestand und stellenweise mit Gold veredelt war.[4]
Als Scoglio über den Weg zu dem Klub schritt und der Kies unter seinen Füßen vor lauter Freude darüber, mit etwas anderem Steinigen zusammenzutreffen, knirschte, fühlte er sich ein wenig unwohl. Er wusste nicht, was das für ein Klub war und was ihn dort erwartete. Würde ein Troll wie er einfach ungehindert dort hineinspazieren können? Jemand, der über solch eine Größe und Stärke verfügte, musste in den meisten Fällen zwar nicht mit großer Gegenwehr rechnen, aber war es ihm erlaubt, dort hineinzugehen?
Als Angehöriger der Stadtwache von Ankh-Morpork sollte er ja eigentlich die Berechtigung dazu haben, aber er war als Szenekenner wie immer in Zivil unterwegs und nicht als Wächter zu erkennen, solange er nicht seine Dienstmarke vorzeigte.
Doch da er keine andere Möglichkeit sah, hier zu ermitteln, ging er weiter und trat durch das offene Tor ein.

Er befand sich nun in einer Art Vorzimmer. In dem kleinen Raum stand ein Schreibtisch, hinter dem ein Mann saß, der sogleich zu sprechen begann.
"Was willst du hier? Willst du bei uns arbeiten? Dann musst du den Hintereingang benutzen."
"Nein, ich nicht arbeiten will..."
"Willst du etwa dem Klub beitreten?", wurde Scoglio von dem Mann unterbrochen. "Ich wusste gar nicht, dass Trolle Gefallen an so etwas finden."
"Nein, das ich auch nicht..."
"Du bist doch keine Trollin, oder?", fragte der Mann erschrocken. "Weißt du, Frauen - und ich schätze, das gilt auch für weibliche Trolle - sind bei uns laut Regel 34b nur zwischen 15.15 Uhr und 16.30 Uhr zugelassen und auch nur, wenn sie über dreißig Jahre alt sind und sie dürfen nur im Grünen Salon zum Tee eingeladen werden und zwar unter der Bedingung, dass mindestens ein Mitarbeiter von uns anwesend ist."
Der Sekretär sah ihn fragend an und Scoglio nutzte die Redepause, um das eben Gehörte zu verarbeiten.
Als er damit fertig war und merkte, dass der Blick des Mannes noch immer auf ihm ruhte, sagte er:
"Nein, ich von der Stadtwache bin und ich einige Fragen an den Vorsitzenden dieses Klubs haben."
Dann holte er seine Dienstmarke hervor und hielt sie dem Mann unter die Nase. Dieser musste die Augen verdrehen, um die Marke zu betrachten und er tat es.
"In Ordnung. Ich bringe dich zu ihm", sagte er dann.
Er stand auf und öffnete die hinter ihm liegende Tür. Scoglio folgte dem Mann in einen großen Gang hinein, in dem er an mehreren geschlossenen Türen vorbeigeführt wurde. Schließlich stoppten die Beiden vor einer Tür mit der Aufschrift 'Bibliothek'.
"Um diese Zeit müsste er hier drin sein", erklärte der Sekretär und stieß die Tür zur Bibliothek auf.
Er ging wieder voran und führte Scoglio an mehreren Polstersesseln vorbei, in denen Mitglieder des Klubs saßen und in der Ankh-Morpork Times oder in irgendwelchen Büchern lasen. Einige von ihnen sahen auf, als sie das Geräusch der wuchtigen Schritte des Trolls vernahmen, doch sie beachteten ihn nicht weiter.
"Das ist er", sagte der Sekretär und zeigte auf einen Mann, der hinter einem Schreibtisch saß, von wo aus er einen guten Blick über den Raum hatte, und eifrig in einigen Papieren blätterte.
"Hier ist jemand, der dich sprechen will, Herr Leicht."
Der Mann hinter dem Schreibtisch sah auf. Er sah noch weiter auf, als der Troll vor dem Schreibtisch stehen blieb.
"Guten Abend, ich von der Stadtwache bin", sagte Scoglio und zeigte dem Mann seine Dienstmarke, während der Sekretär wieder zurückging.
"Und was veranlasst einen Wächter dazu, diesen Klub aufzusuchen?", fragte Herr Leicht. "Haben wir etwas Unrechtes begangen?"
"Nein", beruhigte ihn Scoglio. "Ich nur gehört habe, dass hier Leute verschwunden sein."
"Das ist korrekt. Aber wie bist du dessen gewahr geworden?"
Der Troll antwortete nicht sofort - er hatte so seine Probleme mit dem Sprachstil des Mannes.
"Nun, die Stadtwache so ihre Informationen hat", erwiderte er schließlich.
"Und was willst du nun in Erfahrung bringen?", fragte Herr Leicht.
"Zuerst einmal ich wissen will, was das hier überhaupt für ein Klub sein."
"Dieser Klub ist all jenen Männern zugänglich, die seit ihren Kindertagen der Herrschaft von Frauen erlagen - seien es Kindermädchen, Gouvernanten, Matronen, Mütter oder Ehefrauen. Hier sind die Männer ungestört, da Frauen nur bedingt zum Besuch zugelassen sind."
"Und... diese Männer, die verschwunden. Was die für einen Grund gehabt haben?", fragte der Wächter.
"Das ist mir auch unbekannt. Sie haben keinerlei Nachricht hinterlassen, sind einfach nicht mehr erschienen."
Scoglio seufzte. Mit dem Verlauf des Gespräches war er nicht zufrieden. Er hatte sich irgendetwas erhofft, aber das waren keine Neuigkeiten für ihn.
"Aber sie doch einen Grund gehabt haben müssen. Was das denn für Leute waren?"
"Da solltest du Herrn Bastian Korbig zu Rate ziehen. Meines Wissens kennt er die Mitglieder hier am Genauesten." Herr Leicht deutete auf einen der Männer in den Polstersesseln und widmete sich, ohne noch ein Wort zu verlieren, wieder seinen Dokumenten.
Der Szenekenner wandte sich von ihm ab und ging hinüber zu dem anderen Mann. Er blieb unmittelbar vor ihm stehen und erwartete, dass der Mann zu ihm aufsah. Aber der war so in sein Buch vertieft, dass er den Troll vor ihm gar nicht zu bemerken schien.
Nachdem Scoglio eine Zeit lang so da gestanden und auf das Buch gestarrt hatte, räusperte er sich vorsichtig, was bei ihm fast einem Donnergrollen gleich kam. Daraufhin blickte der Mann ruckartig auf und ließ beinahe sein Buch zu Boden fallen.
"Was... was ist los?", fragte Bastian Korbig erschrocken.
"Ich Euch etwas fragen möchte. Es um die Männer gehen, die hier verschwunden sein. Herr Leicht sagte, Ihr sie am Besten kanntet." Scoglio wartete gar nicht erst ab, bis der Mann etwas erwiderte. "Ihr euch einen Grund für ihr Verschwinden denken könnt?"
Der Mann schluckte.
"Ich... also, ich weiß nicht. Mir gegenüber haben sie nichts darüber verlauten lassen."
"Sie irgendwelche Feinde hatten, die ihnen vielleicht etwas haben angetan?"
"Nein, nicht soweit ich weiß. Vielleicht waren es ihre Frauen oder Mütter, die wütend waren, dass sie in diesen Klub kamen." Der Mann lachte nervös.
"Vielleicht, ja", sagte Scoglio, doch seine Stimme machte deutlich, dass er es nicht für wahrscheinlich hielt und dass er es auch nicht besonders lustig fand. "Ihr also keine Idee haben? Aber Ihr mir vielleicht die Namen der Männer aufschreiben könnt?"
Bastian Korbig nahm den ihm hingehaltenen Notizblock und den Stift entgegen und schrieb mit zitternder Hand einige Namen auf das Papier.
"Das sind sie", sagte er. "Aber jetzt entschuldige mich. Ich muss weg. Hab noch eine Verabredung." Und damit sprang der Mann auf, nahm sein Buch und ging eilends davon.
Scoglio folgte ihm langsam aus dem Klub heraus, da er einsah, dass er hier wohl nicht noch genauere Informationen bekommen könnte.
Doch bevor er Kommandeur Rascaal Ohnedurst von seinen ziemlich erfolglosen Ermittlungen Bericht erstatten würde, wollte er noch ein wenig durch die Stadt wandern. Vielleicht schnappte er ja noch das ein oder andere auf.

"Habe ich euch nicht gesagt, dass ihr nur Leute holen sollt, die kein großes Aufsehen erregen, wenn sie verschwinden?"
"Ja, Hohepriester", murmelten einige der Brüder.
"Und warum hat mich dann heute ein Wächter nach dem Verbleib eines gewissen Ragnar Schlagschnell gefragt?"
Die Brüder antworteten nichts.
"Scheinbar hat seine Frau sein Verschwinden der Wache gemeldet. Das war doch genau das, was wir vermeiden wollten", zürnte der Hohepriester. "Ich sah mich gezwungen, der Frau eine Nachricht zukommen zu lassen, die sie hoffentlich beruhigen wird."
Er sah die Brüder wütend an. Diesen Augenblick nutzte einer der Brüder um zu sagen:
"Äh, Hohepriester. Das Verschwinden der Männer aus dem Zappler ist scheinbar auch nicht unbemerkt geblieben."
"So?" Der Hohepriester warf dem Mann einen vernichtenden Blick zu. "Inwiefern?"
"Ich wurde vorhin ausgefragt..."
"Etwa auch von einem Wächter?"
"Nein. Das heißt, ich weiß es nicht. Es war ein Troll und er trug keine Uniform", sagte der Mann.
"Und du hast ihm bereitwillig alle Informationen gegeben, wie?"
"Nein, das nicht. Ich habe ihm nur die Namen der Männer aufgeschrieben. Er hätte mich dort töten können, wenn ich es nicht getan hätte, Hohepriester", fügte er hinzu, als der sich voller Verachtung abwandte.
"Vor den Augen aller anderen Mitglieder. Ja, das glaube ich dir gern."
"So? Dann ist ja gut. Ich dachte schon, du..."
"Nein! Natürlich glaube ich dir das nicht!", rief der Hohepriester.
Er ging zur Tür und drehte sich noch einmal um.
"Brüder, ihr müsst mehr Vorsicht walten lassen bei unseren Opfern. Schließlich stehen wir kurz vor unserem Ziel. Nicht auszudenken, wenn wir jetzt noch scheitern würden."
Damit öffnete er die Tür und verschwand.

Scoglio stand in Ohnedursts Büro.
"Ich nur die Namen der Vermissten herausfinden konnte, Sir", sagte er und übergab Rascaal die Liste.
Der Kommandeur warf einen kurzen Blick auf den Zettel und sagte dann:
"Nun, ich habe eigentlich nichts anderes erwartet. Aber wir haben noch eine Nachricht von Gismara Schlagschnell erhalten. Sie hat vor ihrer Türschwelle einen Zettel gefunden, auf dem geschrieben steht: Macht Euch um Euren Mann keine Sorgen! Er weilt derzeit bei Goddog und wird zurück kommen, wenn es an der Zeit ist. Aber weder wir noch Frau Schlagschnell wissen, wer dieser Goddog ist."
Goddog. Etwas an diesem Namen ließ Scoglio aufhorchen. Er war ihm irgendwie vertraut.
"Ich glaube, ich diesen Namen kenne", sagte er. "Aber ich derzeit nicht wissen, wer er sein. Ich..." Der Troll verfiel in Schweigen und dachte nach.
Rascaal hielt es für ratsam, nichts zu sagen und den Troll dadurch vom Denken abzuhalten. Er konnte fast sehen, wie sich die mentalen Zahnräder des Trolls drehten und er meinte, es sogar zu hören, aber vermutlich handelte es sich dabei eher um ein Zähneknirschen des Szenekenners oder etwas in der Art.
Dann kam Scoglio aus den Tiefen seines Gedächtnisses zurück.
"Ich weiß, woher ich kenne den Namen, Sir", sagte er. "Er auf dem Buch stand, das Herr Korbig gelesen, als ich zu ihm kam."
"Stand da nur der Name drauf oder sonst noch etwas anderes?"
"Ich glaube, es 'Die Eiligen Schritte des Goddog' hieß", meinte der Troll.
"So? Ein seltsamer Buchtitel. Aber das müsste ja bedeuten, dass dieser Herr Korbig uns weiterhelfen könnte. Oder zumindest dieses Buch", sagte Rascaal. "Ich werde jemanden beauftragen, das Buch zu beschaffen. Dann werden wir sicher um einiges schlauer sein."
"Ich dann jetzt erst gehen kann, Sir?", fragte Scoglio.
"Ja, geh nur. Ich werde dich bei Zeiten informieren, wie es weiter geht."

Scoglio wachte auf. Scheinbar hatte ihn die Reise über die Scheibenwelt vor wenigen Tagen doch ziemlich mitgenommen, denn es war schon später Nachmittag. Er fragte sich nur, woher dieses dumpfe Pochen in seinem Kopf kam.
Es dauerte einige Sekunden bis er erkannte, dass das Pochen keinesfalls in seinem Kopf stattfand, sondern dass irgendjemand an seine Zimmertür klopfte.
Seufzend stand er von seiner Talkpritsche auf und öffnete die Tür.
"Na endlich, Scog. Ich dachte schon, du würdest mich gar nicht mehr hören", sagte Patrick Nichts.
"Oh, entschuldige. Ich geschlafen habe", sagte der Troll. "Was du wollen?"
"Der Kommandeur schickt mich."
"So? Dann du doch erstmal reinkommen. Du dich da hinsetzen kannst." Scoglio zeigte auf die Pritsche.
Patrick trat ein und schloss die Tür. Er zögerte erst ein wenig, sich auf der steinernen Liege niederzulassen, aber da die Alternative darin bestand, stehenzubleiben, setzte er sich schließlich. Zu seiner Überraschung war sie gar nicht mal so hart wie sie aussah.
"Timotheus hat sich dieses Buch mal angesehen", begann der Husky.
"Welches Buch?", fragte Scoglio noch etwas schlaftrunken.
"Das, was du anscheinend so schön als 'Die Eiligen Schritte des Goddog' bezeichnet hast", sagte Patrick lächelnd. "Eigentlich sind es 'Die Heiligen Schriften des Goddog'. Und dieser Goddog scheint so etwas wie ein geringer Gott oder Dämon oder so etwas zu sein, der die Herrschaft über die Scheibe an sich reißen will..."

Goddog aber sprach zu seinem Hohepriester Terpis und dem übrigen Volke: "So nehmt denn diesen Pfahl und bindet ein Opfer daran. Wenn du die Worte, die ich dir offenbart habe, gesprochen hast, Terpis, wird das Opfer von meinem Geist erfüllt werden und zu mir emporsteigen. Wiederholt aber dieses Ritual so lange, bis ich eine ganze Armee um mich versammelt habe. Ich werde euch ein Zeichen senden, wenn es so weit ist. Du aber, Terpis, wirst die Worte niemandem verraten, denn deinem Nachfolger. Und so wird es der nächste Hohepriester auch tun, bis mein Ziel erfüllt ist."
Und Goddog segnete den Pfahl und verschwand aus dem Angesichte seines Volkes.


"Scheinbar wurden diese Opfer irgendwann unterbrochen, denn das liegt schon Tausende von Jahren zurück. Aber der Kommandeur vermutet, dass wieder alles begonnen hat und dass der Mann, den du in diesem Klub befragt hast, da irgendwie mit drin steckt." Patrick seufzte. "Und wir sollen den Mann beobachten und ihm folgen, sobald er den Klub verlässt."
Scoglio legte die Stirn in Furchen.
"Aber wieso ich? Ich sein Troll und fürs Beobachten viel zu auffällig."
"Ja, das habe ich mir auch erst gedacht. Aber du bist nunmal der einzige, der weiß, wer dieser Herr Korbig überhaupt ist."
"Aber ich...", begann Scoglio.
"Ich habe dir gerade einen Befehl erteilt, Obergefreiter!"
"Ja,... Sir", sagte der Troll gehorsam und grummelte leise vor sich hin.
Ein triumphales Lächeln umspielte Patricks Lippen. Der frisch beförderte Lance-Korporal genoss es sichtlich, endlich Befehle erteilen zu können.
"Dann komm jetzt!" Der Husky stand auf und ging zur Tür.

"Und? Was hat so lange gedauert, Scoglio?" Patrick stand vor dem Haus in der Buchtgasse und sah den Szenekenner fragend an, als der das Gebäude verließ.
"Äh. Die Tür kaputt gegangen sein, als ich sie wollte schließen. Ich wohl eine neue brauchen. Eine aus Stein am Besten."
Patrick lachte.
"Du bist und bleibst ein Trollpatsch", sagte er. "Aber jetzt lass uns endlich gehen. Der Zappler liegt doch am anderen Ende der Stadt, oder?"
"Ja. Der Weg etwas länger dauert", sagte Scoglio und ging los, gefolgt von Patrick.

Es begann schon zu dämmern, als die beiden Wächter endlich in die Esoterische Straße einbogen.
"Ich hoffe mal, dass unser Mann noch da ist, sonst dürfen wir morgen nochmal hierhin laufen", sagte Patrick und lehnte sich erschöpft an eine Hauswand, unweit des großen Klubgebäudes.
"Gestern er um diese Zeit noch hier gewesen", meinte Scoglio. Er ließ sich neben dem Husky auf dem Kopfsteinpflaster nieder, sodass er den Eingang des Zapplers gut im Blick hatte.
"Pass aber auf, dass er dich nicht erkennt, wenn er herauskommt."
"Ja, schon gut. Ich einfach so tun, als wäre ich ein Felsen. Das nicht so auffällig sein."
Patrick beobachtete den Troll kritisch. Er hatte noch nie gehört, dass ein Troll nicht auffällig gewesen wäre. Auch nicht, wenn es bloß ein Felsen war, der mitten in der Stadt stand und Kleidung trug. Aber es würde schon klappen. Trolle sahen sich doch sowieso alle ähnlich, da würde ihn der Mann nicht unbedingt wiedererkennen. Und es war ja auch noch gar nicht gesagt, dass er überhaupt an ihnen vorbeigehen und sie bemerken würde.
Patrick wurde aus seinen Überlegungen aufgeschreckt, als er jemanden aus dem Klub kommen sah.
"Ist er das?", zischte er Scoglio zu.
Doch der Troll schüttelte nur langsam knirschend den Kopf.

Geraume Zeit geschah nichts - abgesehen von den gelegentlichen Bewegungen des Huskys, wenn er sich in einer bequemeren Position hinstellte, und dem Vorübergehen einiger Passanten.
Doch dann verließ ein Mann das Klubgebäude und ging schnell über den Kiesweg.
Patrick sah zu Scoglio und der nickte. Das war also Bastian Korbig, der da auf sie zukam.
Die beiden Wächter verharrten bewegungslos in den Schatten des Hauses, in dem sie sich verbargen und sie hatten Glück - der Mann ging schnellen Fußes an ihnen vorüber und schien sie nicht gesehen zu haben.
Sie warteten noch kurz und folgten ihm dann so leise wie irgend möglich. Aber so sehr sich Scoglio auch bemühte - das Geräusch seiner Schritte war lauter als ihm lieb war und die Beiden sahen sich gezwungen, so einen großen Abstand zu dem Mann zu halten, dass sie ihn einige Male beinahe aus den Augen verloren.
Doch Bastian Korbig schien alles um ihn herum sowieso nicht zu beachten - er warf keinen einzigen Blick nach hinten oder zur Seite, sondern eilte nur durch die Straßen und führte Patrick und Scoglio schließlich über die Sentimentale Brücke herüber nach Ankh, den reichen Teil der Stadt.
Im Mondteichweg blieb er endlich vor einem Haus neben dem Friedhof stehen. Er klopfte an die Tür und sagte nach kurzer Zeit: "Schwertfisch."
Dann öffnete sich die Tür und der Mann trat ein.
"Und jetzt?", fragte die Friedhofsmauer.
"Ich weiß nicht", antwortete ein Gebüsch und spuckte einige Blätter aus. "Vielleicht trifft er sich hier mit anderen Goddogsanbetern?"
Ein Teil der Mauer stand auf.
"Und wieso Schwertfisch?", sagte Scoglio.
Ein lautes Rascheln ertönte und der Busch gebar Patrick.
"Das ist bestimmt das Passwort", sagte er.
"Oh. Dann es ja einfach ist, da reinzukommen", meinte der Troll.
"Nein, warte!", zischte Patrick. "Da kommt jemand."
Die beiden Wächter pressten sich an die Mauer und sahen die Gestalt ebenfalls auf das Haus zu gehen.
Sie klopfte an die Tür und wieder ertönte das Wort "Schwertfisch".
Als sich die Tür schloss, sagte Patrick:
"Wir können da nicht einfach reingehen, Scog, selbst wenn wir das Passwort wissen. Wir gehören nicht dazu."
"Und was wir dann machen?"
Patrick seufzte.
"Wir werden wohl wieder warten müssen, bis er rauskommt."

Der Hundsköpfige Goddog stand vor seinen Untergebenen.
"Bald ist es soweit!", rief er. "Lange genug habe ich warten müssen, aber nun wird die Scheibenwelt bald mir gehören. Nur noch wenige Opfer, dann ist unsere Armee groß genug. Oh, und ich sehe, gerade wurde wieder jemand geopfert."
Neben ihm materialisierte sich langsam eine Gestalt, sah seinen Herrn an und verbeugte sich kurz vor ihm. Dann ging sie zu den anderen Untergebenen und lauschte weiter den Worten des Goddog.
"Vor langer Zeit haben die Opfer begonnen, als ich meinem damals noch großen Volk den Heiligen Pfahl gab und dem Hohepriester die Worte offenbarte. Es waren viele Jahre, in denen die Opfer andauerten und viele von euch stammen aus diesen Jahren. Aber dann hörten die Opfer mit einem Mal auf. Die vielen Ungläubigen, von denen immer die Opfer stammten, begannen sich zu wehren. Sie vertrieben mein Volk aus ihrem Land und töteten alle bis auf wenige, die vereinzelt in kleinen Gruppen weiterlebten - verstreut über die ganze Scheibe. Auch der damalige Hohepriester hatte überlebt und er beschloss, alles aufzuschreiben, damit es der Nachwelt erhalten bliebe und meine große Aufgabe irgendwann einmal vollendet werden könnte. Denn damals war ich noch zu schwach. Aber jetzt ist es bald wirklich soweit. Die Scheibe wird mir gehören!"

Die Tür öffnete sich und heraus traten einige Gestalten.
"Und? Kommst du jetzt noch mit in den Eimer, Bastian?", fragte eine von ihnen.
"Nein, ich wohne doch hier in der Nähe. Da will ich nicht noch einmal durch die halbe Stadt laufen."
"Und wie ist es mit dir, Ronald?"
"Ich... nein... ich brauche jetzt etwas Ruhe."
"Verkraftest den Anblick immer noch nicht ganz, wie? Wenn sich die Augen in den Körper hineindrehen..." Die Gestalt zwinkerte der anderen zu, als diese ein würgendes Geräusch von sich gab. "Schon gut, ich hör ja auf."
"Also gut, dann bis morgen... Brüder." Die mit Bastian angesprochene Gestalt hob eine Hand zum Gruß und ging davon und auch Ronald entfernte sich nach einem Abschiedsgruß.
Die beiden übrig gebliebenen Gestalten sahen ihnen nach.
"Dann sind wir halt nur zu zweit", sagte eine von ihnen und zusammen gingen die Beiden in die andere Richtung davon.

Kurz darauf lösten sich zwei Schatten von der Friedhofsmauer.
"Das hier scheint also wirklich ihr Treffpunkt zu sein. Folgen wir also noch Bastian Korbig, damit wir wissen, wo er wohnt und dann ist die Arbeit für heute erledigt", sagte Patrick.
"Denkst du nicht, es besser wäre, wenn ich folgen den Beiden in den Eimer? Vielleicht ich noch mehr erfahren kann."
Patrick zögerte kurz.
"Na gut, mach das. Ich muss diesem Korbig jetzt folgen, solange ich ihn noch sehen kann." Der Lance-Korporal eilte fort, ohne noch ein Wort zu sagen, aber in Gedanken fügte er hinzu: "Vielleicht ist es besser so. Er ist nicht besonders leise und zum Verfolgen kaum geeignet."
Scoglio marschierte in die andere Richtung davon, den beiden Gestalten hinterher.
In den Eimer wollten sie also. Das war ja ganz bei ihm in der Nähe, da könnte er eben noch kurz bei sich zu Hause vorbeischauen, wenn er sich jetzt beeilte.

Scoglio öffnete die Tür zum Eimer. Der Luftzug ließ seinen Mantel auf eine von Dramatik geprägte Art und Weise wehen.
Endlich hatte er eine Möglichkeit gefunden, diesen von ihm so geliebten Mantel anzuziehen. Bei Menschen mochte solch ein Mantel ja noch dazu führen, dass er unauffällig wirkte, aber wenn ein Troll in einem Kapuzenmantel durch die Stadt ging, war er bestimmt das Zentrum aller Aufmerksamkeit. Und das hatte er als Szenekenner gerade nicht zu sein. Da sollte er lieber so unscheinbar sein, wie es für einen Troll möglich war.
Aber jetzt würde er ihm vielleicht nützlich sein. Schließlich hatte so ein Mantel durchaus den Vorteil, dass man die sich darunter befindende Person nicht so leicht erkennen konnte.
Scoglio ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen und warf einen Blick durch den Raum. Scheinbar waren die Beiden noch nicht da, zumindest konnte er sie nirgendwo erblicken.
Also beschloss der Szenekenner sich erst einmal zu setzen. Wenigstens hatte Herr Käse, der Wirt des Eimers daran gedacht, dass auch Trolle Geld hatten und zu seiner Kundschaft zählen konnten, und hatte inzwischen einige Steinbänke aufstellen lassen, auf die sich Scoglio jetzt sinken ließ.[5]

Jedesmal, wenn sich die Tür der Taverne öffnete, sah der Wächter auf, aber es dauerte noch eine Weile, bis zwei in Kapuzenmäntel gehüllte Menschen eintraten, die Scoglio als die beiden Gesuchten erkannte.
Sein Blick folgte den Beiden, als sie durch den Raum gingen und sich an einen freien Tisch setzten.
Verdammt, wieso saßen sie so weit weg? Er würde so allenfalls Bruchstücke ihres Gespräches verstehen können. Aber in ihrer unmittelbaren Nähe war auch kein anderer Platz frei...
"Hast du vielleicht einen Dollar über?"
Scoglio sah sich verwundert um. Vor ihm stand ein Mann in verlotterter Kleidung und mit verfilzten Haaren. Er hielt dem Troll eine kleine hölzerne Schale entgegen.
"Was du willst?"
"Ich brauche etwas Geld." Der Fremde fuchtelte mit der leeren Schale herum. "Ich bin arm und hab nichts zu essen und so."
"Dann du dir woanders etwas suchen. Ich nichts habe", brummte Scoglio unfreundlich.
"Aber ich brauche es wirklich."
"Ich etwa so aussehe, als ob ich hätte Geld?"
"Ja. Wer sich so einen Mantel leisten kann, muss viel Geld haben."
"Nein, das nur bedeutet, dass ich einmal hatte viel Geld", sagte der Troll nach kurzem Überlegen. "Und das noch nicht einmal stimmen. Und jetzt du endlich weggehen!"
"Aber ich..."
"Verschwinde!", knurrte der Troll und ließ drohend seine Fingerknöchel knacken.
"Oh..." Der fremde Bettler suchte fluchend das Weite und fand es am nächsten Tisch in einem wohlhabend aussehenden Zwerg.
Scoglio drehte sich wieder um und konzentrierte sich auf die beiden Männer.
Aber er verstand nur wenige Worte von dem, was sie sagten und das, was er verstand, war für ihn belanglos. Nur zu dumm, dass neben ihnen immer noch kein Tisch frei war.
Einige Minuten lang änderte sich nichts an dieser Situation und Scoglio überlegte schon, ob er nicht einfach wieder gehen sollte.
Doch gerade als einer der beiden Männer mit dem dritten oder vierten Bierkrug an den Tisch zurückkam, erhoben sich endlich die drei Trolle am Nachbartisch.
Auch Scoglio stand auf und ging dann zur Theke, so als wolle er sich einen Felsstaubbecher kaufen, kehrte aber ohne einen solchen wieder zurück, als die drei Trolle endlich gegangen waren, tat, als würde er seinen Tisch nicht wiederfinden und setzte sich an den nun freigewordenen.
Endlich konnte er das Gespräch der Beiden hinter ihm ohne Probleme belauschen, obwohl sie nicht besonders laut sprachen, und er lehnte sich entspannt zurück.

"Ich habe es satt! Immer müssen wir es tun. Warum? Es ist nicht besonders angenehm und auch nicht immer so einfach wie der Hohepriester vielleicht denkt."
"Du hast vollkommen Recht! Es zehrt wirklich an den Nerven. Immer die richtigen Leute aussuchen. Und wenn einer mal nicht ganz so gut war, bekommen wir gleich einen auf den... Wie heischt das, was man auf einen Topf legt, um sich darin zu befin... um das darin Befindli... um das Zeugsch dadrin warm zu halten?"
"Ich weiß nich. Vielleicht ein Backstein? Tschumindest ham wir das immer zuhaus gemacht", sagte die erste Stimme.
"Genau, ein Backstein. Dann bekommen wir einen auf den Backstein."
"Ja, wir dürfen nichtsch fals machen. Und mir gefällt es gar nich, Leute niedertschuschlagen. Schollen dasch doch andere machen, jawohl. Immer auf uns. Aber mit unsch können sie esch ja nicht machen. Nein, falsch! Mit unsch können schie esch machen."
"Äh, bischt du sicher?", sagte die zweite Stimme.
"Ja, genau, mit unsch können sie esch machen... Wasch?"
"Bischdu schicher, dasch esch ein Backstein war?"
Die erste Stimme gab ein schlabberndes Geräusch von sich.
"Ja, isch meine schon", sagte sie dann.
"Oh, na gut."
"Auf jeden Fall habe ich esch schatt, immer Opfer zu schuchen und niedertschuschlagen, damit wir schie dann Dogg... Goddog schenden können. Wir brauchen jemand anderen dafür!" Eine Faust wurde auf den Tisch geschlagen.
"Genau! Jemand anderesch! Wir müssen ihm ja nischtsch betschahlen. Oder nur wenig!"
Es folgte das Geräusch, das immer folgt, wenn jemand den Mund nur knapp verfehlt und sich den vollen Inhalt eines Bierkruges in die Nase schüttet.

Scoglio stand auf - er hatte genug gehört. Er drehte sich um und trat an den Nachbartisch heran.
"Entschuldigt, wenn ich stören, aber ich nicht umhin kam, euer Gespräch zu hören."
Die beiden Männer starrten - einer in sein Bier und der andere in die ungefähre Richtung des Trolls. Der Mann schaukelte mit dem Kopf vor und zurück bis sich seine beiden Augen zumindest darauf geeinigt hatten, wo das Gesicht des Trolls lag.
"Und?", fragte der Mann.
"Ich für euch arbeiten könnte."
"Aber du bischt ein Troll!"
"Ich dir zu dieser grandiosen Beobachtungsgabe gratulieren darf", sagte der Troll. "Aber das nicht egal sein? Ich denke, es niemand besseren als einen Troll geben, wenn es darum gehen, Leute niederzuschlagen."
Der Mann sah ihn kritisch an.
"Und außerdem ich arbeite umsonst."
Die Miene des Mannes hellte sich auf.
"Scho? Warum denn?"
"Spaß an Gewalt", sagte Scoglio nur und zeigte ein obskures Grinsen.
Der Mann maß den Troll nochmal mit einem einigermaßen prüfenden Blick, bevor er sagte:
"Na gut. Morgen abend müschen wir wieder einen haben, alscho überwältigen wir am Beschten jetscht jemanden."
Er stieß den anderen Mann an, der daraufhin sein Bier austrank und die drei verließen die Taverne.

"Was für einen Mann ich denn überwältigen soll?", fragte Scoglio.
Er hatte sich mit seinen beiden Begleitern randwärts gewandt und bog gerade in die Morphische Straße ein.
"Oh, er schollte relativ kräftig schein. Und esch ischt wichtig, dasch er allein unterwegsch ischt. Niemand darf schein Verschwinden bemerken. Am Beschten wäre esch, er würde allein leben und keinen Kontakt zu anderen haben, die ihn vermischen könnten. Aber dasch läscht sich hier auf der Strasche schlecht ausmachen, wenn wir ihn vorher nicht genauer beobachtet haben. Ischt aber auch egal, jetzt, da wir fascht am Tschiel schind."
Die drei gingen schweigend weiter, bis der Troll sagte:
"So einer wie der da vorne?" Er zeigte auf einen großen Mann, der langsam auf sie zukam.
"Ja, der schieht gut ausch."
Dann musste er ihn jetzt also niederschlagen. Nur wie sollte er das anstellen, ohne dass der Mann zu großen Schaden nahm? Er hatte sich bisher noch keine Gedanken darüber gemacht. In der Taverne hatte er aus reinem Instinkt gehandelt, als er den Beiden seine Hilfe angeboten hatte. Nur gut, dass sie durch das gute Morporkianische Bier schon so benebelt waren, dass sie keine großen Fragen stellten. Aber jetzt musste er aufpassen, dass nicht der trollische Instinkt mit ihm durchging und er das arme Opfer zu sehr verletzte.
Er ging weiter dem Mann entgegen, während seine Begleiter hinter ihm stehen blieben. Als er an dem Mann vorüber war, drehte er sich um und ließ die Faust sanft auf das Haupt des Mannes niedersinken.
Gut, es war kein Knirschen zu hören gewesen, das hieß, seine Schädeldecke war wohl heil geblieben, aber der Mann verlor zumindest das Bewusstsein und sank auf den Boden.
Die beiden Männer kamen auf ihn zu.
"Schehr gut! Von hier ausch kann ich ihn nach Hausche schleppen und dort bisch morgen abend halten, bisch wir ihn brauchen."
"Ich ihn dir noch tragen soll?", fragte Scoglio.
"Nein, danke. Dasch kann ich schelber. Ich wohne gansch in der Nähe, in der Glatten Gasse. Unschinn, in der Schirupminenstraße natürlich!"
Der Mann legte sich den Bewusstlosen über die Schulter und ging torkelnd mit dem anderen Mann davon.
"Schei morgen wieder tschur gleichen Tscheit im Eimer, dann gebe ich dir den nächschten Auftrag!", rief er Scoglio noch zu.
Der Troll blieb alleine zurück und starrte auf seine Faust hinunter.
Er hatte jemanden niedergeschlagen. Er hatte Gewalt eingesetzt. Und er war Wächter.
Scoglio sah sich hektisch um. Hoffentlich hatte wirklich niemand zugesehen. Er setzte sich in Bewegung und ging schnell zu seiner Wohnung in die Buchtgasse zurück.
Als er sie betreten wollte, fiel ihm seine Tür entgegen.
Verdammt! Er brauchte wirklich eine neue Tür.

Es war am frühen Abend des nächsten Tages.
Scoglio saß in der Kantine. Er hatte dem Kommandeur alles berichtet, was nicht schon Patrick Nichts gesagt hatte und jetzt sollte er hier warten, bis jemand kam und ihm erklärte, was nun zu tun war.
Der Szenekenner saß eine Weile nur so rum, bis sich die Tür zur Kantine öffnete und der FROG-Abteilungsleiter Araghast Breguyar eintrat und auf ihn zukam.
Der Troll stand auf und salutierte.
"Guten Tag, Sir!"
"Guten Tag, Scoglio", entgegnete Araghast. "Komm am Besten schnell mit raus! Dort warten schon einige FROGs darauf, dass sie losgehen können."
"Wohin denn, Sir?", fragte Scoglio.
"Du hast doch dem Kommandeur berichtet, wo der Treffpunkt dieser Gruppe ist und dass sie heute abend wieder jemanden opfern wollen. Das ist doch wohl der beste Zeitpunkt, diese Gruppe festzunehmen. Und das natürlich am Besten, bevor sie das Opfer vollbringen, deswegen müssen wir uns jetzt ein wenig beeilen."
Die Beiden traten auf den Pseudopolisplatz, wo tatsächlich drei Wächter warteten.
"Wo ist denn Kanndra?", fragte Araghast.
"Sie ist schon voraus gegangen, um sich dort ein wenig umzusehen", antwortete einer der Wächter.
"Na schön. Dann können wir ja jetzt auch los."
Als die Gruppe sich in Bewegung setzte, musterte Scoglio die übrigen Wächter. Er erkannte die beiden Leichten Armbrustschützen Sidney und Valdimier van Varwald - er hatte zwar noch nie mit ihnen zusammengearbeitet, aber sie schon einige Male im Wachhaus gesehen - und seinen SEALS-Kollegen Zahnstein.
Verwundert darüber, fragte er Araghast:
"Warum Zahnstein dabei sein? Er doch nicht bei FROG ist."
"Ja, das stimmt, aber ich denke, es ist immer gut, zwei Trolle dabei zu haben, falls sich die Leute wehren. Vor allem jetzt, wo wir keinen MUT-Schützen mehr haben."
"Äh, ich denn nicht einfach die MUT nehmen kann?", fragte Scoglio mit leuchtenden Augen. "Dann wir noch sicherer sein."
"Nein, nein. Ohne nötige Ausbildung kommst du nicht an so eine Waffe heran", sagte Araghas, kategorisch den Kopf schüttelnd. "Die ist ja schon in den Händen eines Profis beinahe unkontrollierbar."
Enttäuscht ließ Scoglio die Schultern hängen. Er hätte sie zu gern zumindest einmal in den Händen gehalten. Aber vielleicht würde sich ihm diese Möglichkeit ja irgendwann einmal bieten.
Als die Gruppe in den Mondteichweg einbog, kam ihnen Scoglios alte GRUND-Ausbilderin Kanndra entgegen.
"Das Haus da vorne ist es", sagte sie und zeigte auf das Gebäude neben dem Friedhof. "Ihr geht am Besten auf den Friedhof und bleibt dort hinter der Mauer versteckt, bis ich euch hole. Ich werde mich hier irgendwo postieren und den Eingang im Auge behalten."
"Gut. Wenn sie ihr Treffen um die gleiche Uhrzeit wie gestern haben, wovon ich ausgehe, da sich Scoglio ja auch um die gleiche Uhrzeit im Eimer befinden sollte, haben wir also noch ein bisschen Zeit", sagte Araghast. "Dann wollen wir mal auf den Friedhof gehen, bevor wir noch jemanden auf uns aufmerksam machen."
Die Wächter betraten durch das Tor in der Mauer den Friedhof und als Kanndra in einer Seitenstraße Aufstellung bezogen hatte, lag die Straße wieder still da.

Es war eine lange Zeit, in der die fünf Wächter hinter der Friedhofsmauer ausharren mussten, bis Kanndra kam.
"Ich schätze, jetzt sind alle drin. Es ist schon seit einiger Zeit keiner mehr gekommen", sagte sie.
"Wie viele sind es denn?", fragte Araghast.
Kanndra überlegte kurz.
"Etwa zehn", sagte sie dann.
"Gut, ich hoffe mal, wir sind nicht zu wenige, aber mit zwei Trollen müsste es gehen. Also dann... Dringen wir in das Haus ein!"
Der Abteilungsleiter der FROGs ging voran und die anderen folgten ihm. Auf der Straße war niemand sonst zu sehen, was auch gut war, da die Wächter sonst garantiert großes Aufsehen erregt hätten, wenn sie einfach die Tür sprengten, so wie Zahnstein es gerade mit seiner Hand machte, und das Haus betraten.
Nun, betreten war nicht ganz das richtige Wort.
Die beiden Trolle drangen zuerst in das Haus ein, als lebendes Schutzschild für die anderen Wächter. Als sie drinnen waren, sprangen hinter ihnen Sidney und Valdimier mit erhobenen Armbrüsten hervor, nur für den Fall, dass sofort jemand Gegenwehr leistete, was aber niemand tat, da auch gar niemand im Raum war.
Der Raum war leer.[6]
Am Ende des Raumes befand sich eine weitere Tür, die diesmal Sidney vorsichtig öffnete, um nicht noch mehr aufsehenerregende Geräusche zu verursachen.
Aber auch hinter dieser Tür war niemand. Es erstreckte sich nach einer kurzen Treppe nach unten nur ein langer Gang hinter ihr.
Die Wächter gingen vorsichtig den Gang entlang, immer dazu bereit, Armbrustbolzen abzufeuern und hinter den Trollen in Deckung zu gehen. Aber es gab keinen Grund dafür bis sie das Ende des Ganges erreichten. Unter der dortigen Tür schimmerte ein wenig Licht hindurch und die Wächter hörten eine etwas schräg gesummte Melodie.
Sie sahen zu Araghast, der nickte und die Hand hob. Er zählte mit den Fingern bis drei, doch schon bei zwei sprengte Scoglio die Tür und stürzte in den Raum dahinter.
Die anderen Wächter folgten ihm nach kurzem irritiertem Zögern.
Es war ein ziemlich skurriles Bild, was sich ihnen nun bot.
Sieben Männer waren um einen Pfahl herum in ihren Bewegungen erstarrt und einer ging noch kurz summend weiter bevor er der allgemeinen Verwirrung gewahr wurde.
Ein neunter Mann stand inmitten dieses Kreises mit hoch erhobenen Händen und starrte die Wächter an.
An dem Pfahl selber war ein weiterer Mann angekettet, der die Augen aber geschlossen hatte und den Scoglio als denjenigen wiedererkannte, den er Tags zuvor noch niedergeschlagen hatte.
"Wer ist das, Hohepriester?", fragte einer der Männer.
"Ich weiß es nicht." Und an die Wächter gewandt, rief er: "Wer seid ihr?"
"Nun, ich glaube, es besteht kein Grund, sich in dieser Lautstärke zu verständigen", sagte Araghast ruhig. "Wir sind Wächter..."
Er wurde von dem Ruf "Stürzt euch auf sie, Brüder!" unterbrochen. Einige der Männer setzten sich tatsächlich sofort in Bewegung, aber stoppten ebenso schnell wieder ab, als plötzlich Scoglio und Zahnstein vor ihnen aufragten. Genau genommen wurden sie abgestoppt, denn beide Trolle hielten jeweils zwei von ihnen fest.
"Passt auf, dass ihr sie nicht ernsthaft verletzt", ermahnte sie Araghast.
Valdimier van Varwald und Sidney traten hinter ihm hervor und gingen mit erhobenen Armbrüsten auf die übrigen Männer zu.
"Ihr solltet lieber aufgeben!", sagte Valdimier und entblößte seine spitzen Eckzähne.
Die Männer wichen eingeschüchtert zurück, nur der Hohepriester sprang vor und schrie:
"Niemals! Ihr werdet mich nicht kriegen!"
Er schaffte es tatsächlich an dem völlig überraschten Vampir vorbei, aber der Werwolf hielt ihn sicher fest.
"Ich denke, damit wäre das erledigt", sagte Araghast und ging auf den Hohepriester zu. "Sag, habt ihr hier für Goddog Opfer bereitet?"
Der Hohepriester versuchte sich aus dem Griff des Werwolfs zu befreien, aber Sidney hielt ihn weiterhin sicher fest.
"Ihr habt kein Recht...", brachte er hervor.
"Doch, genau das haben wir. Jetzt sag, habt ihr hier Opfer bereitet oder nicht?" Araghast starrte ihn durchdringend an.
"Ja, wir haben es getan!", gab der Hohepriester zu. "Und wir sind stolz darauf! Goddog wird eure Knochen in der Hölle schmoren lassen dafür, dass ihr sein fast vollendetes Werk zerstört habt."
Doch Araghast schenkte der Drohung keine Beachtung. Wenn so etwas wirklich geschehen würde, müsste Ankh-Morpork bei der Vielzahl an Göttern und derartigen ausgesprochenen Verwünschungen, frei von Bewohnern sein.
Er wandte sich von dem Hohepriester ab.
"Das war ein ausreichendes Geständnis", sagte er. "Scoglio, befrei bitte den armen Mann an dem Pfahl von seinen Ketten."
Der Troll ließ seine beiden Gefangenen vorsichtig los und schritt auf den Pfahl zu. Er beugte sich vor und wollte an den Ketten reißen, doch als er sie berührte, zuckte er deutlich sichtbar zusammen und wurde von einer unsichtbaren Kraft ein gutes Stück weit weggeschleudert.
Der Hohepriester ließ ein triumphales Lachen hören.
"Ha! Ungläubige können den Heiligen Pfahl nicht berühren ohne dass sie zu Schaden kommen. Menschen können dadurch sogar getötet werden."
"Dann öffnest du die Ketten!", zischte Araghast und bedeutete Sidney, den Druck zu verstärken.
Der Hohepriester wand sich und brachte unter Stöhnen ein "Ja, gut" hervor.
Der Werwolf ließ den Mann los, der nicht mehr versuchte, sich noch in irgendeiner Weise zu wehren und zu dem Pfahl hinging und die Ketten löste.
Der daran gebundene Mann sank zu Boden und Kanndra ging zu ihm hinüber und half ihm wieder auf.
"Gut, dann haben wir das hier erledigt", sagte Araghast. "Nur, was machen wir mit dem Pfahl? Wir können ihn hier ja nicht wegschaffen."
"Wir den Raum zumauern lassen könnten", sagte Scoglio, der sich inzwischen wieder aufgerichtet hatte. "Dann niemand mehr hier herein kann."
Araghast drehte sich überrascht zu dem Troll um.
"Das ist ein erstaunlich kluger Vorschlag, wenn ich das so sagen darf."

Es war vollkommen dunkel.
Und die Dunkelheit blieb undurchdringlich. Tief in ihr stand ein Pfahl und wartete darauf, dass man ihn entdeckte, aber die Dunkelheit war nicht gewillt, zu weichen und jemanden hindurch zu lassen, da es ihr hier ausnahmslos gut gefiel.

[1] Nun, so hoch war er eigentlich gar nicht. Und ein Priester war er genau genommen auch nicht. Aber ein Anführer braucht immer einen guten Titel.

[2] Wenig später wurden sie von dem Stinkenden Alten Ron vom Ankh genommen und dienten der Grässlichen Gruppe als Abendessen.

[3] Rascaal seufzte innerlich. Natürlich, solche Gespräche fingen immer so an. Nie kam jemand auf den Gedanken, mit fester Stimme zu berichten, was genau passiert war. Und natürlich musste er jetzt auch so weitermachen, wie es so eine Situation erforderte.

[4] Natürlich war es kein echtes Gold. Niemand zeigt Gold in einer Stadt, in der es von Dieben nur so wimmelt.

[5] Natürlich nur auf eine von ihnen. So groß war er nun auch wieder nicht.

[6] Er war nur gefüllt mit zwei riesigen Trollen, vier Personen in menschlicher Größe, einer gebrochen Tür und einer Menge Staub. Also sozusagen leer.

Zählt als Patch-Mission.



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Feedback:

Von Valdimier van Varwald

17.10.2005 01:56

Hallo Kollege,

die Note deckt sich mit meiner Bewertung. Im Allgemeinen war dein Schreibstil flüssig zu lesen, allerdings wirkten einige Gespräche auf mich sehr konstruiert. Das gleiche gilt auch für den Fall, was dann auch gleichzeitig mein Hauptmanko ist. Der Geschichte fehlte es ziemlich an Höhepunkten oder großen Wendungen. Mit einem Wort beschrieben: Pepp ;)
Irgendwie ging alles viel zu einfach. Scoglio stampft von einem Punkt der Geschichte zu nächsten und erhält meistens den entscheidenden Hinweis, den er als nächstes brauch. Das geht noch besser.

Wie gesagt. Nächstes mal, etwas mehr am Fall selbst arbeiten, dann steht einer höheren Note nichts im Wege. Das Potential ist, wie ich finde, auf jeden Fall vorhanden.

Von Ilona Istnichtgut Feldacker

17.10.2005 18:51

So gebe ich auch mal meinen Senf dazu.

Positiv: Die Geschichte lies sich flüssig lesen, da alles in einfacher Umgangssprache geschrieben war. Das passt ganz gut, da die Hauptperson ja auch ein Troll ist. Diesen hast du in der Gesichte auch gut dargestellt und man hat gesehen dass auch Trolle durchaus in der Lage sind einen schwierigen Fall zu lösen.

Negativ: Irgendwie mag ich es nicht wenn der Bösewicht mal wieder die Weltherrschaft an sich reißen möchte. Wenn das wirklich mit dieser Methode der Bruderschaft gelingen sollte, müsste ja die ganze Wache in hellster Aufregung sein wenn sie das herausfinden. Es hätte auch gereicht wenn sie einfach nur aufsteigen und den Segen ihres Gottes gewollt hätten. Dann kann ich Valdimier nur zustimmen, es fehlte etwas die Spannung und die Höhe und Tiefpunkte so wie überraschende Wendungen. Du solltest Scoglio beim nächsten Fall einfach mal ein paar mehr Steine in den Weg legen und den Leser über die wichtigsten Dinge etwas länger im Dunkeln lassen.

Aber das ganze kommt schon noch mit etwas Übung und ich freu mich auf jeden Fall auf die nächste Single.

Von Cim Bürstenkinn

18.10.2005 21:42

Ganz allgemein, speziell wurde ja schon einiges gesagt, möchte ich noch festhalten, dass Du Dich im letzten Jahr massiv entwickelt hast.
Ich hab keine Ahnung wodurch das ausgelöst wurde, aber auf jeden Fall wirst Du mit jedem Satz den du schreibst besser.
Also: Zeit für etwas Mut zur Komplexität.

lg, Cim.

Von Scoglio

19.10.2005 22:06

Wieso bekomm ich eigentlich keine Ziegenberger'sche Kritik ab? :cry: :wink:

Von Daemon Llanddcairfyn

19.10.2005 22:43

Die musste sich auf ihren 'Ausflug' vorbereiten und ist jetzt weg, sorry ;o)

Von Ophelia Ziegenberger

20.10.2005 11:12

:D *nur schnell von unterwegs*... Wenn sie denn so sehr erwünscht ist... meine Güte... dann versprech ich, dass ich sie bei erster Gelegenheit nachreiche, ok? :wink: *hektisch mit dem Koffer rumhantier*

Von Scoglio

20.10.2005 13:28

Hehe, danke! Ich warte drauf... :D

Von Scoglio

21.10.2005 18:18

Ich werd jetzt aber doch schonmal trotzdem meinen Senf dazu abgeben.

Dem Haupt-Kritikpunkt, dass zu wenig Spannung drin ist und dass alles so glatt geht, kann ich wohl zustimmen, jetzt, wo ich nochmal drüber nachgedacht hab. Da werd ich mich zum nächsten Mal wohl noch stark verbessern müssen.
Nur ist es auch so, dass ich mich bei der Single mehr auf Schreibstil konzentriert hatte, den ich von den Missionen davor noch unbedingt verbessern wollte. Nächstes Mal werd ich mich dann mehr auf die Story an sich konzentrieren. ;)

[quote:6c1d97af7d="Cim"]Ganz allgemein, speziell wurde ja schon einiges gesagt, möchte ich noch festhalten, dass Du Dich im letzten Jahr massiv entwickelt hast.
Ich hab keine Ahnung wodurch das ausgelöst wurde, aber auf jeden Fall wirst Du mit jedem Satz den du schreibst besser.
[/quote:6c1d97af7d]
Ich glaube, es wurde im Allgemeinen durch die Stadtwache an sich und im Speziellen durch deine Multis ausgelöst. Und vielleicht auch noch dadurch, dass ich im letzten Halbjahr in der Schule vier oder fünf Geschichten schreiben musste. Das trainiert schon unglaublich.

Von Ophelia Ziegenberger

24.10.2005 22:07

Lob: Mir gefielen an deiner Geschichte die verschiedenen Orte, an denen sie stattfand. Sowohl das Opferhaus, das unscheinbar in einer Straße zu finden war, als auch der vornehme Herrenclub oder die Taverne - sie alle konnte man sich durch die Beschreibungen gut vorstellen. Durch die sich wiederholenden Anfangsworte zum Ende der Geschichte hast Du einen schönen Bogen geschlossen, der zum abgerundeten Ausklang führte - also ein Stilmittel ausgezeichnet eingesetzt. Reizvoll war auch die trolltypische Vorgehensweise, erst zu handeln, um dann etwas zu spät erst über die Folgen dessen nachzudenken. Gemeinsam mit der Mantel-Szene hast Du dem Leser hier einen echten Einblick in deinen Hauptcharakter geschenkt. Auch die Rechtschreibung war erfreulich fehlerfrei, was nicht als selbstverständlich angenommen werden kann. Weiter so!

Kritik: Leider ist das Thema 'opfernde Geheimbünde' schon arg abgenutzt, so dass nicht nur, wie bereits von anderen angemerkt, ein Spannungsbogen aufgrund der Handlung fehlte, sondern sogar schon zum Einstieg in die Geschichte die anfängliche Neugier gedämpft wurde. Ich weiß, wie schwer es ist, etwas Neues zu schreiben. Alles wurde irgendwann schon von Jemandem geschrieben und auch ich selber tue mich sehr, sehr schwer mit Kreativität, was einen guten Wache-Plot betrifft. Aber umso mehr freue ich mich als Leserin über den deutlich erkennbaren Versuch eines anderen Schreibers dazu. Wohlgemerckt... auch Verschwörer mit Kapuzenumhängen und Kerzen, unschuldige Opfer, Riten, abgehörte Gaunerbesprechungen in etwas zwielichtigeren Tavernen und brennende Reifen oder qualmende Schuhe, die als Einziges zurück bleiben, können ihre Berechtigung haben. Aber diese klischeehaften Einzelzutaten müssen dann umso mehr von Originalität zusammen gehalten werden! Es gab noch einige andere Elemente, die mir an der Single nicht so ganz zusagten. Beispielsweise die Darstellung des Kommandeurs (ich hätte aufgrund seiner eigenen Singles abweichende Reaktionen erwartet... aber solange er diesen Entwurf seines Charas freigegeben hat...) oder die völlige Ignoranz innerhalb des Kollegiums gegenüber der Tatsache, dass Scoglio einen Unbeteiligten angegriffen und ihn einer tötlichen Gefahr überlassen hat (Araghast wusste ganz offensichtlich von dem entsprechenden Vorfall und vermutlich war er da nicht der Einzige, dennoch kam es auch später nicht zu einer Anklage durch I.A.?). Ich muss jedenfalls gestehen, dass es mir nicht leicht fiel, deine Geschichte zu kommentieren und ich wirklich hoffe, dass Du deine Bitte um meine Kritik jetzt nicht bereust. Ich habe die Single, bevor ich diesen Text hier formulierte, vorsichtshalber erst mehrmals gelesen und bin mir trotzdem nicht sicher, ob ich sie nicht einfach etwas zu kritisch angehe? Du selber schriebst, dass Du künftig mehr Wert auf Inhalt und Spannungsbogen legen würdest... ich bin sehr auf die Ergebnisse gespannt. :wink:

Von Scoglio

25.10.2005 15:18

[img:bf193f02f3]http://www.beepworld.de/memberdateien/members79/peter_crighton/erschrocken.gif[/img:bf193f02f3]
So eine lange Kritik...
Aber nein, ich bereue meine Bitte darum nicht. ;)

Tja, viel kann ich dazu nicht mehr sagen, was ich nicht schon davor zu den anderen Kritiken gesagt habe. Ich merk halt auch selber, dass die Story nicht die Beste ist. Aber ich hatte eben diesen Titel für eine Geschichte und wollte eben eine Wache-Mission draus machen. Und das ist das Beste, was mir in einem halben Jahr eingefallen ist. (Zugegeben, ich hab lange Zeit nicht besonders viel drüber nachgedacht.)
Aber, wie gesagt, werde ich mich das nächste Mal mehr um die Story an sich bemühen.

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