Ein ganz normaler Mord an einem ganz normalen Menschen. Oder doch nicht? Kann SUSI Licht ins Dunkel bringen?
Dafür vergebene Note: 12
13. August
Nacht umhüllte die Zwillingsstadt Ankh-Morpork, als ein kleines Eichhörnchen springender- und kletternderweise einen Baum im Hof der Assassinengilde erklomm. Auf seinem Rücken saß Neflie, seines Zeichens Observierer der Abteilung DOG. In seiner zitternden Hand hielt er ein kleines Fernglas und immer wieder sah er sich um, ob ihn auch niemand sah.
"Squiek", ließ sich von seinem Eichhörnchen vernehmen, als sie endlich in der Krone des Baumes verschwunden waren.
"Ja, ist ja schon gut, Sallien! Ich mach mir nicht in die Hose, aber ich fühle mich unter lauter Mördern nicht gerade wohl,
okay?" Etwas genervt und entschlossen, sich vor seinem Eichhörnchen keine Blöße zu geben, hielt er sich das Fernglas vor die Augen. Es waren noch viele Fenster der Gilde erleuchtet, doch keines so hell wie das des Gildenoberhaupts, Lord Witwenmacher. Dieser saß in einem bequem anmutenden Sessel und hatte die Beine übereinandergeschlagen. In seiner Hand hielt er ein Glas Whisky und er schien sein Gegenüber genau zu mustern, als hätte er ihn noch nie zuvor gesehen.
Auch Neflie kannte den hageren, blonden Mann nicht, der mit einem freundlichen Lächeln und aufmerksamkeitsheischenden Augen etwas zu erklären schien, in dem er weit mit beiden Armen ausholte, ohne jedoch den Inhalt seines eigenen Glases zu verschütten. Der Unbekannte hatte die langen Haare zu einem Zopf gebunden und in Kombination mit seiner adretten Kleidung und seiner Blässe wirkte der Mann wie ein Vampir.
Gerne hätte Neflie gewusst, über was sich die beiden Männer unterhalten hatten, doch nur wenige Minuten später verließ der Blonde das Zimmer.
22. August
Die Glocken der Stadt schlugen zwölf Mal als Sam Wunder vorsichtig die rote und die blaue Flüssigkeit im flackernden Licht der Fackeln vermischte. Es zischte leise als einige Tropfen des Blaus in die Flamme fielen und sie für einige Zeit die Farbe wechselte. Dampf stieg aus dem Reagenzglas mit dem Gemisch und beschlug Sams Schutzbrille, als er im Augenwinkel eine Bewegung registrierte.
Eine dunkle Gestalt stand im Türrahmen seines Labors, die Kapuze seines Umhangs verdeckte sein Gesicht vollständig. Der junge Alchemist lächelte die Gestalt an wie einen alten Freund.
"Schön, dass Ihr hier seid", sagte er.
Die Gestalt ging ein paar Schritte auf ihn zu und zog eine Glasphiole aus der Tasche, in der eine dunkle Flüssigkeit schwappte. "Ich hoffe, ich kann mich auf die verlassen Sam. Du wirst der Stadt einen großen Dienst erweisen und trotz der Gefahr, die du eingehst, wirst du keinen Vorteil daraus ziehen."
Die Phiole wechselte den Besitzer und als Sam sie berührte, lief ihm ein kalter Schauer über seinen schon seit seiner Kindheit von Narben gezeichneten Rücken. "Ich habe der Stadt viel zu verdanken. Aber wie kann ich Euch trauen, wenn ich noch nicht einmal Euer Gesicht kenne?"
Ein belustigtes Lachen in der Lautstärke eines Hüstelns drang an Sams Ohr, dann nahm die Gestalt die Kapuze ab. Sam machte unwillkürlich einen Schritt zurück als er das Gesicht erkannte.
"Viel Erfolg, Sam Wunder..."
Humph MeckDwarf klopfte an die Tür des Büros der Okkultismusexperten. Er hatte in den letzten Wochen weder genug Schlaf noch genug Nahrung an sich herangelassen. Fehlendes Sonnenlicht ließ seine Haut blass, beinahe gräulich wirken, die Folge daraus, dass er in letzter Zeit immer häufiger den Schutz seines Büros gesucht hatte.
Missmutig wartete Humph auf eine Antwort hinter der Tür. Die Okkultis hatten sich in ein echtes Drama verwandelt. Wie lange hatte er darum gekämpft, endlich einen selbstständig ermittelnden Wächter in seiner Abteilung zu haben? Der frische Wind in den stickigen Kellern von SUSI war unbedingt nötig gewesen und er erinnerte sich ungern an die Reaktion von Herrn Made, als man aus ihm einen Gerichtsmediziner gemacht hatte. Zumindest lief sich die Sache mit den Tatortwächterteams langsam warm. Aber die Okkultis? Kurz nachdem er den Zettel an der Pinnwand aufgehängt hatte waren auch schon drei Bewerbungen eingetrudelt. Skilla, die Halbvampirin war die erste gewesen, die sich für den Job beworben hatte – und hatte nur wenige Wochen später die Wache verlassen. Auch Laiza Harmonie hatte sich für die Spezialisierung interessiert und hatte als einzige ihre Ausbildung abgeschlossen – kurz bevor sie sich der Ausbildung von Rekruten angenommen hatte. Und dann war da Leo...
Humph öffnete die Tür des Büros und suchte nach dem Vampir. Er fand ihn in einer Ecke kauernd. Nervös wippte der Experte in spe vor und zurück und murmelte etwas vor sich hin. War es das, wofür Humph sich eingesetzt hatte? Wofür er versucht hatte diese
Wächterkarikatur von einem Fähnrich Robin Picardo zu übertrumpfen, nur um dann mit anzusehen wie jener ohne großen Aufhebens den Moloss, eine billige Nachahmung des Okkultismusexperten, in seine Abteilung mitaufnehmen durfte?
"Robs ... Kaninchen ... ahh ...", stammelte Leopold, als er Humph endlich bemerkte. Mit großen, ausdruckslosen Augen sah er den Hauptmann an.
Plötzlich ballte sich eine ungeheure Wut im Bauch des SUSI-ALs und ohne genau zu wissen wieso schrie er den Vampir an. "Hauptgefreiter Leopold von Leermach nimm gefälligst Haltung an, wenn ich dein Büro betrete!"
Leo fuhr zusammen. "Aiiiiiiiiiiiie
plopp" und er hatte sich in eine Fledermaus verwandelt die kurz darauf am Kopf des des perplexen Hauptmanns vorbei gezischt war.
23.August
Sam wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er hatte jetzt fast 24 Stunden durchgearbeitet, seit sein Auftraggeber das Labor verlassen hatte, doch er war fasziniert von seinen Erfolgen. Vorsichtig füllte er die jetzt klare Flüssigkeit in eine runde Schale und deckte sie mit einer weiteren Schale ab, so dass eine Kugel entstand. Man glaubte immer, Blitze oder Feuer wären von Nöten, um solche Experimente durchzuführen, doch Sam hatte in langen und gefährlichen Versuchen herausgefunden, dass es auf die Art des Einflusses nicht ankam. Wichtig war, das eine bestimmte Schwingung erzeugt wurde – denn Schwingung allein bedeutete Energie und Energie bedeutete Erfolg.
Vorsichtig stellte er die längliche Vorrichtung auf die Glaskugel und ließ dann das Bällchen fallen. Die Oberfläche der Flüssigkeit kräuselte sich für einige Sekunden, dann war sie wieder glatt, als wäre nichts geschehen. Sam lächelte zufrieden und setzte sich auf einen Stuhl um in Ruhe sein Werk zu beobachten. Nach einer halben Stunde begannen Bläschen aufzusteigen,
noch eine halbe Stunde später blubberte sie leicht grünlich vor sich hin – und Sam hing schnarchend auf seinem Stuhl.
"Sam!", Brianna hatte nun schon einige Minuten lang an die Labortür geklopft als sich sie sich knarzend öffnete.
Ein verschlafener Sam Wunder sah ihr entgegen und musterte sie von oben bis unten. "Morgen Bria.."
"Morgen? Es ist fast Abend!", entgegnete die rotblonde Schönheit und verschaffte sich fast schon gewaltsam Zutritt zu Sams Räumlichkeiten. "Was zur Hölle treibst du hier schon wieder?" Skeptisch betrachtete sie die verschiedenen Einmachgläser die seltsam geformte Dinge enthielten und sah dann auf die Glasschale, deren Inhalt nun vollständig Grün war. Ein kleines Steinchen schien auf dem Boden zu liegen.
"Was willst du?", fragte Sam genervt.
"Was ist das?", fragte Bria zurück und deutete auf Sams letztes Experiment.
"Streng geheim. Sag mir was du willst und dann hau ab."
Brianna sah Sam verwundert an und entschied sich dann, nicht auf seine schlechte Laune einzugehen. Bei ihm wusste man nie genau, woran man war und immerhin hatten ihn die Narben und der fehlende Daumen schon geziert, als er noch nicht Alchemist gewesen war.
"Ich suche dieses Ding..."
"Das was?"
"Das da." Sie deutete auf den länglichen Metallgegenstand.
"Ach, du meinst den
Eierschalensollbruchstellenverursacher? Den kannst du gerne haben."
Klugscheißer dachte Bria, als sie das Labor verließ.
12. Spuni
23:58 Uhr
Vetinari sah auf seinen toten Körper hinab. "Das war... gute Arbeit", sagte er und nickte. Dann verschwand er.
Tod zuckte mit seinen knöchernen Schultern und wandte sich zum Gehen.
Die dunkle Gestalt hatte ihren Auftrag fast erledigt. Hecktisch lief sie, einen großen Beutel über die Schulter geworfen, durch den Garten des Patriziers. Es hieß nun, den richtigen Weg nach draußen zu finden. Als er sich die Karte zu Hause angesehen hatte, hatte er sich den Weg gemerkt, doch irgendwie nützte ihm das nun wenig – er hatte sich verlaufen. Hoffentlich hatte der Patrizier hier keine Fallen aufgestellt... Bis jetzt hatte alles wunderbar geklappt, das hatte er nicht erwartet. Kalter Angstschweiß war über seinen Rücken gelaufen, als man ihm angeboten hatte, sich freiwillig für den Auftrag zu melden. Doch irgendwie hatte ihn die Alternative - ein lange Besuch bei dem Foltermeister der Gilde - dann doch überzeugt. Warum man gerade ihn für diesen gefährlichen Auftrag ausgewählt hatte, sicherlich hatte man nicht geglaubt, dass er es schaffen würde. Vielleicht hatte man ihn sogar loswerden wollen, aber das war ihm nun egal, denn alles war glatt gelaufen. Gehetzt rannte er um eine Biegung, irgendwo hier musste die Mauer sein, über die er vorhin gestiegen war. Ja, da war sie. Endlich!
Es war Mitternacht und die Glocken der Stadt begannen zu läuten und so hörte man nicht, als die Gestalt über einen tönernen Gegenstand fiel und überrascht aufschrie.
13. Spuni
9.23 Uhr
Humph öffnete die Tür von Ras' Büro. Er schien der letzte zu sein, der zum dem "Dringendem Miehtink" erschienen war. Die restlichen Abteilungsleiter hatten sich alle schon eingefunden und sahen etwas verwirrt aus. Humph setzte sich und fuhr direkt wieder hoch als sich der Kommandeur von seinem Balken auf seinen Bürotisch schwang.
"Guten Morgen." Ein Gemurmeltes "Morgen" von seiten der Abteilungsleiter grüßte ihn zurück. "Ich möchte es kurz machen, denn ich kann es genausowenig glauben wir ihr und ich denke es ist ein ziemlicher Schock für uns alle..." Sieben Augenpaare warteten gespannt auf die Neuigkeiten. "Nun gut. Vor zehn Minuten erreichte mich die Nachricht dass der Patrizier von Ankh-Morpork Lord Vetinari anscheinend einem Anschlag zum Opfer gefallen ist. Noch irgendwelche Fragen?"
Stille. Humph sah in die Augen des Kommandeurs und wartete darauf, dass dieser anfing zu lachen. Der Vampir blieb ernst. Hilfesuchend sah er Atera an, deren Augen geschockt an ihm vorbei an die Wand glotzten. Robin Picardo kaute auf seiner Unterlippe und versuchte offenbar, an seinem Stuhl Halt zu finden, so sehr klammerte er sich daran. Es war Breguyar, der das Wort ergriff.
"Das ist ein Witz." Es war mehr eine Hoffnung als eine Feststellung doch der Blick Ohnedursts sagte alles.
"Wäre schön, wenn es so wäre", er reichte einen Zettel herum. Es war ein Brief, stichwortartig verfasst und zum größten Teil verschmiert, da man der Tinte keine Zeit zum Trocknen gelassen hatte. Die Unterschrift darunter war anscheinend die Drumknotts, das vom Vampir gerade erst erbrochene Siegel war das des Patrizierpalastes.
Kopfschüttelnd starrte MeckDwarf auf das kleine Stück Papier. Der Patrizier war tot. Das bedeutete Chaos. Und nicht nur das. Die Frage, was ein neuer Patrizier bringen würde, war mehr als beunruhigend. Dann gab es noch die weitaus dramatischer Frage, wer es geschafft hatte, Vetinari zu töten, immerhin hatte der ehemalige Assassine alle anderen Anschläge bisher überlebt und das Kopfgeld, das auf ihn ausgesetzt war, war unbezahlbar. Man sagte, Vetinari sei an den meisten der Anschläge auf seine Person selbst beteiligt gewesen. Wer war im Stande einen so erfahrenen Mann, der überall seine Augen zu haben schien, umzubringen?
Der Hauptmann schreckte auf als er angesprochen wurde. "Humph, schick bitte deine Leute sofort zum Palast, man wird sie da durchlassen. Atera, die SEALS sollten versuchen, das Gelände zu bewachen, aber so unauffällig wie möglich und seid bereit für einen Aufstand, falls die ganze Sache rauskommt. Wir müssen so lange wie möglich Stillschweigen bewahren. Für dich gilt das gleiche, Araghast. Robin..."
Humphs Gedanken schweiften wieder ab. In Gedanken stellte er schon seine Ermittlungstruppe zusammen.
13. Spuni
10:03
Charlie Holm zog beunruhigt an seiner Pfeife. Er kannte das Büro des Patriziers bereits, es sah so aus wie immer. Die Uhr tickte wie immer in einem seltsamen, beunruhigenden Takt. Hatte der Patrizier bei dem nervtötendem Geräusch etwa letztendlich den Verstand verloren und sich selbst das Leben genommen? Charlie musste bei dem Gedanken unwillkürlich schmunzeln. Dann nahm er den Schreibtisch in Augenschein. Er war mit Akten und Formularen überfüllt und wies, so wie der Rest des Raumes nichts besonderes auf. Der weißbärtige Feldwebel Sillybos hatte sich bereits dem Papierkram gewidmet und las, während Charlie nach Einstiegsspuren auf den Fensterbrettern suchte. Dort war nichts zu finden. Keine Schuhabdrücke im Staub, keine eingeschlagene Scheibe. Der Mörder musste durch die Tür gekommen sein. Das bedeutete, er war an den Wachen vorbei gekommen. Das wiederrum bedeutete, dass die Wachen ihn bemerkt haben mussten, dies hatten sie jedoch nicht. Einzig und allein der Sekretär hatte seit gestern Abend das Büro betreten. Er hatte den toten Patrizier entdeckt, als er das Frühstück brachte. Der Haferschleim lag noch auf dem Teppich - wo Drumknott ihn fallen gelassen hatte. Dieser wurde von Kolumbini in einer Ecke des Raumes befragt.
Charlie suchte weiter. Nichts im Raum deutete auf einen Mord hin – bis auf die Leiche. Der nur spärlich bekleidete Körper des einstigen Patriziers von Ankh-Morpork, Lord Havelock Vetinari lag neben dem Schreibtisch. Pismire und Rea Dubiata waren darüber gebeugt und beratschlagten über dem gebrechlich wirkenden Leichnam. Der Hauptgefreite lauschte.
"...ich würde mal schätzen, dass er gegen Mitternacht gestorben ist", sagte die junge, blonde Frau zu dem alten Oberleutnant. Sie hob den Leichnam vorsichtig an und drückte auf einen großen, dunklen Fleck an der Schulter. Dort wo ihr behandschuhter Daumen den Toten berührte, wurde die Haut weiß. "Länger als zwölf Stunden kann es jedenfalls noch nicht sein."
"Ja, das denke ich auch",sagte Pismire und runzelte dann die Stirn. "Es mag seltsam klingen, denn es gibt keinen eindeutigen Beweis dafür, aber ich glaube nicht dass er hier gestorben ist."
Rea schüttelte den Kopf. "Wäre auch seltsam. Ich meine, es gab keine direkte Gewalteinwirkung... Und wer legt sich mitten im Todeskampf mit so einem gelassenen Gesichtsausdruck neben seinen Schreibtisch?"
"Wenn er nicht hier gestorben ist, wo ist dann seine Kleidung?", fragte Kolumbini, der plötzlich neben Charlie stand.
"Wer sagt, dass er das Zimmer angekleidet betreten hat?", wollte Pismire wissen.
"Drumknott", entgegnete Kulumbini.
"Der Mörder ist hier ungesehen rein und raus gekommen, die Kleidung war sicherlich nicht das Problem", meinte Charlie.
"Du meinst also, Drumknott lügt?" Auch Kolumbini hatte nun begonnen, seine Pfeife zu stopfen.
"Drumknott? Nein, das glaube ich nicht. Der hat gesehen, was er sehen sollte." Charlie nickte Pismire zu. Genauso wie seine SUSI-Kollegen verließ Charlie sich eher auf die Fakten als auf das Geschwätz eines Zeugen.
"Auf jeden Fall müssen wir die Leiche noch weiter untersuchen", sagte Pismire.
"Wisst ihr noch nicht, woran er gestorben ist?", Kolumbini schien ganz offensichtlich darauf zu warten, es SUSI heimzuzahlen.
"Herzstillstand", sagte Rea.
Kolumbini blies etwas beleidigt einen Rauchring und ging zum Schreibtisch, offenbar um Sillybos ein paar Informationen zu entlocken. Charlie folgte seinen Schritten mit den Augen. "Stehenbleiben! Bleib sofort stehen, Fred!"
Der Ermittler wandte sich um. "Was ist?"
"Der Teppich!" Im ersten Moment hatte er es für ein seltsames Lichtspiel gehalten, doch als Kolumbinis Schatten über die Haare des Teppichs gefallen waren, stach es dem erfahrenen Tatortwächter sofort ins Auge. "Rea, bitte hol sofort Olga-Maria! Sie ist im Garten. Ich brauche ihren Ikonographen." Die Hauptgefreite nickte und Charlie beugte sich ganz nah über den Teppich, was Kolumbini mit einem Stirnrunzeln hinnahm.
"Was tust du da, Charlie?", fragte Sillybos und suchte den Teppich mit den Augen ab.
"Hier", Charlie deutete auf den Teppich. "Jemand hat hier etwas entlang gezogen. Und - ja, die Spur führt zur Leiche."
"Also wurde Vetinari tatsächlich nicht hier getötet", sagte Pismire.
"Ganz offensichtlich", sagte Charlie. "Zu offensichtlich... Aber da bist du ja schon, Olga-Maria. Gib mir deinen Ikonographen."
Die Gefreite sah Charlie etwas missmutig an. "Rabe und ich haben eine Spur gefunden, im Garten.."
"Dann mach du die Bilder vom Teppich, Gefreite", sagte Sillybos. "Genau dort, wo der Lance-Korporal seinen Schatten hat, okay? Charlie kümmert sich um die neue Spur. Und ich", er zwirbelte gelassen seinen Bart, "schaue mir weiterhin an, was der Patrizier in seinen letzten Stunden so getrieben hat." Er faltete eine Ausgabe der Times auseinander, zückte einen Bleistift und begann das Kreuzworträtsel zu lösen.
Die Gefreite zuckte wortlos mit den Schultern und begann dann mit ihrer Arbeit.
Charlie wusste, dass sie innerlich vor sich hin maulen würde, immerhin war sie schon lange auf der Suche nach einem wahren Fall, in dem sie sich beweisen konnte. Er fand jedoch, dass sie längst noch nicht so weit war.
Der Hauptgefreite verließ den Palast und folgte dann dem roten Faden durch das Labyrinth und erreichte nach einigen Kreuzungen und mehreren Umwegen den Gefreiten Rabe Raben.
Dieser saß über einen Haufen Scherben gebeugt welchen er mit einer Pinzette durchsuchte. Charlie hockte sich daneben und musterte den ehemaligen Wasserspeier, der ihn offenbar nicht bemerkt hatte. "Was hast du da?"
"Einen Haufen Scherben", sagte Rabe und drehte sich zögerlich um. "Mit Spuren.
"Aha", Charlie zog seine Mappe hervor, in der er seine Eigenen Materialien zur Beweissicherung verwahrte. "Und was war dieser Haufen Scherben einmal?"
Rabe zuckte die Schultern. Er schien nicht so weit gedacht zu haben. Vorsichtig drehte er eine der Tonscherben um. Sie offenbarte ein dämlich grinsendes Gesicht. "Wie hässlich..." Rabe schien nicht sonderlich beeindruckt.
"Notier dir das", sagte Charlie und paffte einen Rauchring.
"Aber Charlie, viel wichtiger ist doch, dass da Haare in den Scherben sind. Viele Haare! Jemand muss gestolpert sein! Oder eine Rangelei?"
"Du hast also über die kleinen Spuren hinweg die große übersehen? Ich frage dich, Rabe, sah der Patrizier wirklich wie ein Kleingärtner aus?", Charlie grinste doch Rabe ließ sich nicht beirren.
"Aber es sind verschiedene Haarfarben! Hier, das hier", er zog ein Haar mit der Pinzette aus dem Scherbenhaufen, "ist blond während das hier," er deutete auf ein weiteres Haar, "schwarz ist."
Charlie zog die Stirn kraus. "Gut gesehen, Gefreiter. Das Labor soll sie untersuchen. Der Mörder ist wohl auf der Flucht hier vorbeigekommen.Vielleicht trug er eine Perrücke. Nur was macht ein so ein blöder
Gartenzwerg hier?"
13. Spuni
11:32
Noch nie in der Geschichte der Wache hatte eine Leiche die Ehre gehabt, von fünf Gerichtsmedizinern gleichzeitig begutachtet zu werden. Je mehr Fälle man sah, desto normaler wurde auch das außergewöhnlichste. Doch wer eine Berühmtheit sezierte, der hatte etwas zu erzählen. Das alte Sprichwort "Irgendwann kommt jeder zu uns
[1]" wurde durch den Patrizier nur wahrer.
"Also, das finde ich ungewöhnlich", sagte Jack Narrator und deutete auf den Nabel der Leiche. Er war in der Mitte ein wenig dunkler als gewöhnlich. Jack nahm einen Spatel und begann, im Nabel des Patriziers zu kratzen. Etwas bröseliges hing an dem Instrument, als Jack es wieder herauszog. Eine feine, rötlich-braune Masse, die Jack sogleich in einem Glasröhrchen sicherte. "Blut, da bin ich mir sicher. Avalania, ein Fall für Ratti, wenn ich bitten darf. Und zwar zackzack!"
Die Zwergin verließ ein wenig maulig das Labor und gab den hübschen Tatortwächterinnen Akkhuna und Alice, A-Thiem, wie Rea sie getauft hatte, die Klinke in die Hand. Rea runzelte die Stirn. Die beiden Frauen waren nicht die ersten Nicht-Gerichtsmediziner, die heute das Labor betraten. Anscheinend wollten auch sie die Leiche des Patriziers sehen. "Das ist ein Seziersaal, keine Freakshow!", sagte sie giftig, doch dies hielt die beiden nicht auf.
Akkhuna räusperte sich. "Das Nachthemd, das der Patrizier trug war zwar seines, beziehungsweise es glich den anderen", sie tippte an ihre Nase, "doch es lag eine Weile in einem anderem Raum. Nicht lange, aber immerhin."
"Welcher Raum?", fragte Pismire, kaum überrascht.
"Ich weiß es nicht. Aber an dem Nachthemd ist deutlich Chlor zu riechen."
"Man kann Blut mit Chlor entfernen", warf Jack ein. "Vielleicht hat man ihn woanders getötet, Blut weggewischt und dann ihn dann in den Palast verfrachtet?"
"Das sind Spekulationen, Jack, mit denen wir nichts am Hut haben", entgegnete Made.
"Nicht?", fragte Pismire. "Vetinaris Leiche liegt auf unserem Tisch. Es ist unsere Leiche."
Der Zombie brummte etwas Unverständliches und befasste sich mit den Füßen des Toten
"Was tust du da?", fragte Jack Rea, die mit einer Pinzette im Nabel von Vetinari herumfuhrwerkte.
"Da sind Narben. Frische Narben...", sagte die junge Gerichtsmedizinerin, die Stirn in Falten gelegt. "Kaum sichtbar, jemand wollte sie vertuschen."
"Der Mörder oder einer seiner Komplizen hatte also medizinische Kenntnis", stellte Pismire fest.
"So einen Mord begeht man ganz gewiss nicht mit Komplizen. Je mehr Mitwisser, desto weniger Erfolg", erwiderte Jack. Vorsichtig zog er die Haut um den Nabel herum straff. "Daher also das Blut. Und die Stiche sind meisterhaft. Könnten von einem Igor sein."
"Oder von einer Hebamme", sagte Rea und grinste. "Ich weiß, dass man vor allen Dingen in den Spitzhornbergen die Nabelschnur schnell trennt, die Narbe die dabei entsteht sieht aus wie diese hier. Es erfordert großes Geschick, im Nabel hat man wenig Platz für
Nadelspiel."
"Naja, immerhin grenzt das die Verdächtigen ein bisschen ein", sagte Pismire.
13. Spuni
11:58
"Also, es gibt weder Spuren der Gewalteinwirkung an der Leiche noch im ganzen Raum? Und er wurde nicht in seinem Büro getötet? Und im Labyrinth liegt zerschmetterter Gartenschmuck?" Der Kommandeur sah Humph ratlos an.
"So ist es", erwiderte dieser trocken.
"Es ist jetzt bald Mittag", begann Atera. "Ich weiß nicht, wie lange wir die Sache unter Verschluss halten können. Es wäre nett, wenn wir das alles schnell geklärt hätten, dann wäre alles weniger tragisch."
"Wenn SUSI mal wieder so ewig braucht um ein paar einfache Hinweise auszuwerten? Immerhin ist die Obduktion immer noch nicht abgeschlossen!", empörte sich Hauptmann Daemon. "Wie sollen meine Ermittler da richtig anfangen?"
MeckDwarf knirschte mit den Zähnen. "Es dauert eben alles seine Zeit, wenn wir es gründlich machen wollen. Ich erwarte den Obduktionsbericht in jeder-" es klirrte. Dann gab es einen lauten Schlag, als ein Ziegelstein seinen Weg durch das Fenster mit einer Landung auf dem Boden des Kommandeurbüros beendete. Im selben Moment wurde die Tür aufgerissen und der ordentlich mitgenommene Feldwebel Cim Bürstenkinn betrat nach Luft ringend den Raum.
"Man weiß... Bescheid", keuchte er und deutete aus dem Fenster. "Drumknott, dieser Idiot hat alle Gerüchte dementiert. Er hat es als Täuschungsmaneuver abgetan und jetzt glaubt, nein,
weiß die ganze Stadt, dass es wahr ist. Und was noch schlimmer ist..." Er zog einen zerknüllten Zettel aus seiner Hosentasche. "...alle Gilden sind vorbereitet." Das Papierknäuel flog auf Ohnedursts Schreibtisch. Es wurde entfaltet und Humph sowie die anderen Abteilungsleiter scharten sich darum herum. Es zeigte einen geschniegelten Mann mit langem, blonden Haar. Ein Zitat prangte über seinem Gesicht. "Für mehr Gerechtigkeit."
"Die Rückseite ist interessanter", meinte Bürstenkinn, worauf sich mindestens drei Abteilungsleiterhände darum zankten, das Papier wenden zu dürfen.
Auf der Rückseite war, leicht verwischt, das Siegel der Assassinengilde zu erkennen.
"Bei allen Göttern...", murmelte Robin.
13.Spuni
14:00
Der Abteilungsleiter von SUSI lauschte angespannt den diversen 2 Uhr Läuten der Zwillingsstadt und dachte daran, dass es nun schon bald fünf Stunden her war, dass Rascaal sie zu sich gerufen hatte. Immer noch war es kaum zu glauben, doch der Leichnam des Patriziers lag nun auf einer Bahre in seiner Abteilung. Das alleine wäre nicht so schlimm gewesen, doch eben hatte er eine eher nervige als aufschlüssige Unterhaltung mit Sillybos geführt, welcher darauf beharrt hatte, dass es drei Täter gewesen sein mussten. "Drei verschiedene Haarfarben haben wir gefunden, blond, rot und schwarz!", hörte er den Feldwebel immer noch sagen. "Larius untersucht sie gerade auf weitere Spuren unterm Mikroskop."
"Und sonst?", hatte MeckDwarf gefragt.
"Ein zerschmetterter Gartenzwerg, den wir gerade wieder zusammenkleben", hatte der Philosoph erwidert und war kurz drauf gegangen.
Humph lehnte sich in seinem Stuhl zurück und starrte an die Decke. Wenn er nicht bald Ergebnisse lieferte stiegen ihm die anderen Abteilungsleiter und der Knollenbeißer auf's Dach. Doch noch immer gab es keine heiße Spur. Wie auch? Menschen, die es schafften, Vetinari zu töten hinterließen nichts, was die Experten weiterbringen könnte.
Drei Haarfarben, MeckDwarf schüttelte entnervt den Kopf,
als ob es keine Perücken gäbe. Ein perfekter Mörder hinterließ keine Spuren, die jemanden zum ihm führten. Er stand auf und ging nachdenklich in dem kleinen Büro herum. Die großen Gilden hatten davon gewusst. Vielleicht war es eher Politik als Mord? Sahen die Gilden den Zeitpunkt für einen Machtwechsel für gekommen? Nein, das konnte nicht sein. Vetinari war der große Gönner der Gilden gewesen. Er hatte für geordnete Konkurrenz gesorgt, hatte darauf geachtet, das keine Gilde zu mächtig wurde. Und doch: Hatte Sillybos nicht einmal gesagt, das Streben nach Macht sei der Antrieb der Menschen? Hatte eine Gilde zuviel Antrieb gehabt, oder hatten sich gar mehrere verbündet? Er hoffte, Robin dachte darüber nach, doch er bezweifelte es.
Er selbst hätte im Boucherie besseres zu tun gehabt - Schmerzen vergessen, der Realität für wenige Augenblicke entfliehen...
Humph schreckte auf, als jemand an die Tür klopfte. "Ja, bitte?"
Knarzend öffnete sich die Tür zu seinem Büro und die Gerichtsmediziner Pismire, Jack und Rea traten ein. Pismire, der alte Mann der ihn immer so beschwichtigend ansah, hielt eine Akte unterm Arm.
"Wir haben die vorläufigen Untersuchungsergebnisse", sagte der Oberleutnant stolz und hielt Humph die Akte unter die Nase.
"Vorläufig?" Er warf Pismire einen grimmigen Blick zu. "Wie lange braucht ihr denn noch?"
"Jetzt beruhige dich mal!", entgegnete Jack und sah ihm in die Augen. Doch als er den Blick darin sah, Ungeduld gemischt mit aufkeimendem Ärger über etwas, dass nur indirekt mit der Abteilung zu tun hatte, dafür aber an ihr ausgelassen werden würde, hielt Jack den staubigen Fussboden doch für interessanter.
Auch Humph wandte sich ab, seine Augen fokussierten wieder Pismire. Dieser verstand. "Vetinari ist erstickt."
"Wie bitte?" Verwirrt betrachtete der Abteilungsleiter seine Untergebenen. "Das ist alles?"
"Das Ganze ist so", meldete sich Rea Dubiata zu Wort, die eher schüchtern zur Hälfte hinter Jack stand und die Humph so oft sah wie seinen eigenen Hinterkopf, "Wir vermuten, dass der Patrizier von einer Sonde durch den Bauchnabel ernährt und mit Luft versorgt wurde. So ähnlich wie die Nabelschnur bei Kindern im Mutterleib. Warum wissen wir nicht genau. Man hat diese Verbindung gekappt und der Patrizier verstarb an Sauerstoffmangel. Danach hat man die Narbe so versteckt, dass sie uns nur zufällig auffiel."
"Zufällig? Ich dachte die forensische Wissenschaft wäre so exakt." Der Sarkasmus in der Stimme des Hauptmanns entging keinem der anwesenden Experten, dass konnte Humph ihnen ansehen, doch war seine Abteilung nicht so stolz auf die harten Fakten die sie an den Tag legten? "Wenn wir nicht bald richtige Ergebnisse liefern...", er stockte.
Ein kurzer Moment der Stille folgte, dann schüttelte Jack den Kopf. "Wir arbeiten seit heute morgen an dieser Leiche. Es dauert nunmal seine Zeit!"
MeckDwarf setzte sich hinter seinen Schreibtisch und stützte seinen Kopf in die Hände. "Jack, es geht hier nicht nur darum, die Todesursache zu finden. Es geht darum, den Mörder zu finden. Was ihr gefunden habt, ergibt keinen Sinn. Vetinari hatte keine Nabelschnur, dass hätte man doch gesehen."
"Vetinari hatte seine Augen überall und niemand hat es je gesehen", erwiderte Rea stur. Humph warf ihr einen entnervten Blick zu und die junge Frau schob sich noch ein Stückchen weiter hinter Jack.
"Kann es sein, dass der Mörder eine falsche Fährte gelegt hat?", fragte der Hauptmann nach einer Weile. Humph beobachtete das stumme Kopfschütteln und seufzte dann. "Was schlagt ihr vor?"
"Wir sollten darauf warten, was das Labor sagt" In Pismires Stimme schwang Zuversicht.
Humph stand wieder auf, schob sich an den drei SUSIs vorbei und nahm seine Uniformjacke vom Kleiderständer. "Oberleutnant, ich erwarte, dass du mit Hilfe der Laborergebnisse weitere Schritte einleitest. Egal was, Hauptsache wir kommen weiter! Ich muss wieder zur Lagebesprechung. Wegtreten."
Das Gefühl in MeckDwarfs Magengegend war äußerst beunruhigend. Wieder einmal fragte er sich, warum man gerade
ihn mit dieser Abteilung gesegnet hatte. Sein Alltag war zwar stressfreier als der von, zum Beispiel SEALS, aber wenn es darauf ankam, volle Arbeit zu leisten schienen sich die SUSEN nicht darum zu kümmern.
Seine Laune besserte sich nicht, als er die mageren Ergebnisse im Büro des Kommandeurs vortrug, doch es beruhigte ihn, dass RUM bei der Befragung des Palastpersonals keinen Deut weitergekommen war und die Gildenexperten des Boucherie noch keine Hinweise auf geheime Machenschaften einer Gilde hatten.
13.Spuni
14:43
Wie schon des öfteren wurde der Seziersaal als Besprechungsraum der SUSIs genutzt. Wobei "Besprechung" das falsche Wort zu sein schien, denn in dem kühlen Raum, dem nur ein kleines Usambaraveilchen ein wenig Leben einhauchte, war es mucksmäuschenstill. Jack saß an dem Schreibtisch, den sonst Rea für die Schreibarbeit verwendete und legte die Stirn in Falten. Er sah von einer SUSE zur anderen. Da war Sillybos und sein Diener Hegelkant, die beide an einen Aktenschrank lehnten und offenbar mit ihren Gedanken ganz woanders waren. Charlie stand ganz in ihrer Nähe, die Pfeife im Mund, und ging Ikonographien durch. Larius, den man häufiger am Kaffeedämon als an einem Tatort vorfand, Isis, die hübsche Mumie, und ihr Laborant Schnaphela saßen auf einem der drei Seziertische. Herr Made beanspruchte einen solchen für sich alleine. Er lag auf dem Bauch, stützte den Kopf in die Hände und beobachtete Olga-Maria Inoes, Rabe Raben und Avalania von Gilgory, die Küken der Abteilung, die sich, ihren Gesichtern nach zu urteilen von diesem einen Mord überfordert fühlten. Rea hatte es sich auf dem selten verwendeten Besucherstuhl gemütlich gemacht; hinter ihr stand Pismire, auf dessen Schultern zu seinem Missfallen Lady Rattenklein saß und stolz einen Fetzen Papier in Händen hielt. Bei ihr blieb Jacks visueller Rundgang stehen, denn die Gnomin grinste ihm frech aber erwartungsvoll an.
"Sind dass die Laborergebnisse?", fragte er Ratti.
Diese nickte. Sie sprang auf den nahen Schreibtisch hinüber und reichte Jack den Fetzen. "Pürierte Arachis hypogaea, Salz, Zucker und Calciumsulfat", sagte sie stolz. Die erhoffte Reaktion blieb aus, daher sprach sie weiter: "Naja, und ein bisschen Aspergillus Flavus war drin, bei dem Wetter nicht verwunderlich aber es war nur ganz wenig. Auf jeden Fall nicht genug, dass sich Aflatoxin bilden konnte."
"Kein Gift?", fragte Rea. Toxin hatte sie aufhorchen lassen.
Die Lady schüttelte den Kopf. "Reine
Erdnussbutter und ein bisschen Blut."
"Wow", sagte Jack und strich sich die Haare aus dem Gesicht. "Wir haben ein angenähten Nabel mit einem Brotaufstrich."
"Und drei Haare!", warf Sillybos ein. "Drei ist eine wichtige philosophische Zahl, sie hat etwas zu bedeuten... wenn ich nur wüsste was... Hegelkant, mach mir meine Badewanne fertig, ja, ich muss nachdenken."
Jack sah seinen Mitwächter irritiert an. "Ja, die drei Haare in drei verschiedenen Farben." Er wandte sich wieder der Lady zu. "Hattet ihr das auch bearbeitet?"
Die Gnomin nickte. "Da war Kleber dran, gut möglich, dass sie von einer Perücke sind."
"Das heißt, wir sind genauso schlau wie vorher?", fragte Rabe Raben sehr vorsichtig.
"Nein, nicht ganz", warf Larius ein. Er kratzte sich gedankenverloren im Nacken. "An diesem Gartenzwerg waren hauchfeine Spuren von Puder."
"Also trug der Mörder eine Perücke und war geschminkt." Pismire schüttelte den Kopf. "Das bringt uns auch nicht weiter. Wobei, an dem Nachthemd des Patriziers war Chlor, oder.."
"Nabel, Brotaufstrich, Haare, Schminke, Chlor", notierte Jack. "Sonst noch Hinweise?" Kollektives Kopfschütteln.
"Die Haare und die Schminke deuten auf einen Narren hin. Oder eine Näher- äh.. Schneiderin", dachte Rea laut.
"Die Schneiderin würde auch den genähten Bauchnabel erklären", erwiderte Jack trocken.
In diesem Moment öffnete Alice die Tür. "RUM hat was. Sie sagen dass ein Bettler am Drehwärtigen breiten Weg eine Gestalt über die Mauer hat Klettern sehen. Er hatte einen Sack dabei, der möglicherweise die Kleidung des Patriziers enthalten hat."
"Woher weißt du das?", fragte Jack. Hoffnung sprach aus seinen Augen.
"Ich bin eben mit Akkhuna zurück zum Tatort. Wir sollten an der Mauer entlang nach Spuren suchen, da der Mörder nicht durch die Tore gegangen sein kann, die werden ja ständig überwacht! Akky hat tatsächlich eine brauchbare Spur gefunden. Sie und Chief-Korporal Romulus sind unterwegs um herauszufinden wo die dunkle Gestalt herkam."
"Und die dunkle Gestalt soll der Mörder sein?", fragt Rea sekptisch.
"Es ist bisher die einzige heiße Spur", sagte Alice trotzig.
"Das wäre mir viel zu offensichtlich", Charlie blies einen Rauchring und beobachtete, wie er sich auföste. "Den Mörder Vetinaris wird man nicht finden. Der ist wahrscheinlich längst in einer anderen Stadt."
"Außerdem würde er keine Spuren hinterlassen", sagte Larius und schlürfte an der Tasse Kaffee, die er sich gerade gemacht hatte.
"Kein Verbrecher hinterlässt keine Spuren", erwiderte Charlie grimmig.
"Jedenfalls keiner von dem wir bisher wüssten", sagte Sillybos und starrte dabei in die fernen Weiten seines kleinen Universums.
13.Spuni
15:23
Sam dachte zurück an den Tag, als er Ankh-Morpork betreten hatte. Er war erst acht gewesen und hatte schon alle Tiefen des Lebens mitgemacht. Die Zwillingsstadt hatte wie das Paradies auf ihn gewirkt. Freiheit war es gewesen, die ihn hier her gelockt hatte. Hoffnung auf ein besseres Leben hatte ihn angetrieben. Und seine Hoffnungen hatten sich erfüllt. Die Alchemisten hatten schnell sein Talent entdeckt und ihn zu dem gemacht, was er nun war. Kleinere Explosionen hatten ihn nie aufgehalten und er gehörte nun, mit gerade einmal 24 Jahren zu den Ältesten der Gilde und bekleidete das Amt des Mitgliedsbeauftragten. Nun gut, er war nicht sonderlich gut in diesem Amt, doch die restlichen Alchemisten hätten es nicht gerne gesehen, wenn er, der
Musterknabe keinen Platz im Vorstand gehabt hätte.
Ja, die Stadt war wie eine Mutter zu ihm gewesen. Sie hatte ihn reich gemacht, an Geld, an Wissen und – und dabei schweifte sein Blick über die Ikonographie seiner Frau - an Liebe. Doch was hatte er ihr angetan? Der Patrizier war tot! Man hatte ihn getötet.
Er hatte ihn getötet. Und auf den Straßen prügelten sich die Gilden, Menschen starben im Chaos, wurden gefoltert wenn man den Verdacht hegte, dass sie sich gegen eine andere Gilde verschworen hatten.
Das hatte er nicht gewollt. Er hatte zur Stabilität beitragen wollen. Er hatte die Gewichte auf der Waage justieren wollen! Und nun? Nun war alles aus dem Gleichgewicht.
Er wusste, was ihm drohte, wenn er die Wahrheit sagte. Wenn er seine Schuld eingestand. Doch, da war er sicher, es war besser als es tatenlos mitanzusehen.
Er wusste an wen er sich wenden konnte, auch wenn er wusste, dass sein Besuch dort nicht erwünscht war.
13.Spuni
16:34
"Warum wusste ich, dass du etwas damit zu tun hast", fragte Jack.
"Du musst mir helfen, wir waren immerhin mal Freunde!" Sam sah den ehemaligen Alchemisten flehend an.
"Wir waren nie Freunde. Und ich glaube dir kein Wort. Warum sollte Vetinari das tun?"
"Ich habe es dir schon dreimal erklärt. Frag diesen Typen von DOG, die Gilden sind aus dem Gleichgewicht geraten. Die Großen sind zu reich, die Kleinen werden geschluckt, bevor sie aufkeimen könnten!" Sam beugte sich nach vorne und sah seinem Gegenüber fest in die Augen. "Vetinari bringt mich um, wenn er erfährt, dass ich es euch erzählt habe!"
"Genau das ist der Knackpunkt", Humph MeckDwarf stand auf und ging zu Sam hinüber. "Du wärest tot wenn das, was du erzählst wahr wäre. Die ganze Stadt zu hintergehen und damit nicht durchzukommen wäre nicht im Sinne Vetinaris. Er ist derjenige, der unversehrt aus der Sache rauskommt."
"Das wird er! Ich werde der Sündenbock sein." Sam griff in seine Tasche und zog einen Beutel Tabak heraus. Mit zittrigen Händen drehte er sich eine Zigarette. Humph beobachtete den verstörten jungen Mann, dem der rechte Daumen fehlte. Sagte er tatsächlich die Wahrheit? "Hört zu. Die Gilden wollten erst bei einem erfüllten Auftrag zahlen", versuchte der Alchemist erneut, Licht ins Dunkel zu bringen. "Man musste die Stadt lange genug täuschen! Mittlerweile sollte das Geld überwiesen sein..."
"Man wird es zurückfordern", Jack lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah Sam abschätzend an. Dieser zog so fest an seiner Zigarette, dass seine verquollenen und umränderten Augen leicht hervortraten. Dann hustete er und es dauerte eine Weile, bis er sich wieder beruhigt hatte. In seinen Augen hatten sich Tränen gesammelt, ob sie von dem starken Tabak rührten oder von seiner Verzweiflung war nicht zu erkennen. Fakt war, er wurde immer blasser.
"Glaubt ihr, Vetinari hätte keine wasserfesten Verträge geschlossen?", keuchte er, mit der Stimme eines Reibeisens.
Humph schritt im Büro auf und ab und stellte sich dann hinter Sam. Seine Körpergröße reichte gerade aus, um dem sitzenden Alchemisten über das Haupthaar zu sehen. Er dachte nach.
Ziemlich alt für einen Alchemisten, dachte Humph.
Ein seltsamer Alchemist ist das. Die Augenbrauen sind fast gänzlich vorhanden und er raucht. Wenn ich ständig mit explosiven Gasen zu tun hätte, würde ich mir das Rauchen verkneifen.Ein weiterer Gedanke kam ihm.
Vetinari sucht sich immer die Außenseiter, die, die nichts zu verlieren haben. Ein erfolgreicher Alchemist, verheiratet? Was hatte er zu verlieren dass ihn das tun ließ? Humph starrte zu Boden, doch da war kein Boden, da war der Kragen des Alchemistens. Schweißperlen tropften von einem kurz geschoreren Haaransatz hinuter und liefen einen Rücken entlang. Humph konnte die Unregelmäßigkeit des Rückens erkennen, wie ein kleines Gebirge tat es sich auf. Vernarbte Haut spannte sich über die Schulterblätter soweit er es sehen konnte.
"Woher kommen die Narben auf deinem Rücken, Herr Wunder", fragte Humph und tat dabei lässig interessiert.
Die Haare im Nacken des Mannes stellten sich auf. Sein ganzer Körper verspannte sich. Die Hand, in der er die Zigarette hielt, zitterte mehr als zuvor.
"N-N-Nar-b-b-ben?"
"Auf deinem Rücken", wiederholte Humph. Er verließ seine Position hinter Sam ging um ihn herum und setzte sich auf den Schreibtisch. Mit Bedacht nahm er seinem Stellvertreter jegliche Sicht auf den Mann der sich als Vetinaris Mörder vorgestellt hatte. Er sah in sein blasses Gesicht, in die fahlen Augen, umhüllt von schwarzen Augenrändern. Er lächelte ihn aufmunternd an.
Sam schwieg. Er würde auf die Frage nicht antworten, die Angst in seinen Augen war stärker als der Wille zur Wahrheit, der ihn hierher getrieben hatte. Humph konnte sehen, wie die Vergangenheit in den Augen des Mannes vorbeizog, wie er plötzlich in einem ganz anderen Zeitkontinuumumum war und von der Gegenwart nichts mehr registrierte. Die Lippen des Alchemisten bebten. Sie schienen ein Wort formen zu wollen, irgendwann gewannen sie die Oberhand doch die Stimmbänder schienen nicht mitzuspielen.
Va-ter MeckDwarf nickte. Die Schlussfolgerungen brachen über ihn hinein. Wie soviele Bürger von Ankh-Morpork. Von den Eltern gehasst, von zu Hause weggelaufen, von einer Gilde ein neues Leben geschenkt bekommen. Doch irgendwann holt uns die Vergangenheit ein."
MeckDwarf schluckte. Finstere Gedanken stiegen in ihm auf und erst im letzten Moment konnte er sie daran hinder, die Oberfläche zu erreichen.
"Wo ist der Patrizier jetzt?", fragte der Abteilungsleiter leise und erstaunlich ruhig.
Sam fuhr aus seinen Gedanken hoch. "Ich - Ich weiß es nicht." Langsam fasste er sich wieder. Auch er hatte die Geister der Vergangenheit verscheucht. "Ihr müsst die Neuigkeiten in der Stadt verbreiten, dass sein Tod eine Finte ist, es sollen nicht noch mehr Menschen sterben!"
Humph verließ seinen Platz auf dem Schreibtisch, sah Jacks beleidigten Blick und entschied sich, aus dem Fenster zu sehen.
"Was meinst du, was die Leute dazu bewogen hat, die ganze Sache zu glauben? Drumknott wollte die Sache retten in dem er es als Täuschung bezeichnete!" Jack grinste leise vor sich hin. "Gibt es eigentlich Wolly das Kaninchen noch?"
"Wolly? Naja, ich kann keine vollkommen neuen Lebewesen erschaffen, Jack. Das ist vollkommen unmöglich." Sam stockte kurz. Er schien mit sich zu ringen, die Wahrheit verschweigen zu wollen. "Als Wolly damals starb habe ich es versucht. Die Mandragora war der Schlüssel, seit ich das Geheimis kenne, habe ich nicht mehr ruhig geschlafen", er seufzte. "Mit der richtigen Mischung nimmt sie die Form eines Lebewesens an, jedes beliebigen Lebewesens, insofern du ein wenig Blut von ihm hast. Es lebt nicht, es hat keine Seele aber es ist täuschend echt."
"Deine Worte bringen uns nichts, Herr Wunder. Wir brauchen den
lebendigen Beweis." Der Hauptmann wandte seinen Blick nicht von dem verlassenen Innenhof der Stadtwache ab als er dies sagte. Doch plötzlich hörte er in seinem Rücken eine Stimme die nicht die des Kobolds war, der in seinem Kopf steckte. Die Stimme war leise, kühl und berechnend.
"Quicklebendig, wie ich meinen würde."
MeckDwarf fuhr herum. Sam tat das gleiche und Jack sprang von seinem Stuhl auf. Dort, in der Tür stand - Vetinari. Seine Kleidung makellos, die Augen leicht zusammengekniffen, als schätze er die Situation ab, die Haut kalkweiß, genauso wie die des Kommandeurs, der hinter ihm stand. "Gute Arbeit, Sam. Wirklich gute Arbeit. Ich hatte gehofft, dass du es bist, der der ganzen Sache ein Ende setzt."
"Herr, ich...", begann Sam doch eine eindeutige Geste des Patriziers ließ ihn verstummen.
"Ich denke, du kannst den selben Trick nocheinmal verwenden – mit deinem eigenen Blut. Wie du schon sagtest: Wir brauchen einen Sündenbock."
Sam nickte stumm und rührte sich nicht, als ein kleiner Beutel auf ihn zuflug."Gute Alraunen sind heutzutage teuer, mein Lieber", fuhr der Patrizier fort. Erst Sekunden später bückte sich der Alchemist und griff nach dem klimpernden Säckchen.
"Dann wäre ja alles geklärt", brach der Kommandeur das peinliche Schweigen. Er und der Patrizier verließen den Raum. Der Alchemist folgte ihnen kaum eine Sekunde danach.
Als die drei Männer außer Hörweite waren, schlug Jack mit seinem Kopf auf die Tischkante. "Verdammt, verdammt, verdammt!"
"Was ist?" MeckDwarf sah seinen Stellvertreter irritiert an.
"Wir waren so nah dran! Aber auf die Alraune wäre ich nie gekommen! Der Nabel, da muss früher einmal der oberirdische Teil der Pflanze gewesen sein! Und die Erdnussbutter! Ach, ich weiß noch als Sam der Krankenschwester einen Kopf voller Bienenstiche präsentierte, weil er meinte, das Honig das Wachstum ankurble. Und als er Wolly in Erdbeergelee gebadet hat. Jeder Alchemist hat ja so einen Tick!"
"Die Erdnussbutter war also praktisch ein Dünger?" Humph zog die Augenbrauen zusammen und ignorierte seinen kichernden Dämon vollständig.
"Ja, er hat die Sache mit dem Frühstück, das die wertvollste Mahlzeit des Tages ist, irgendwie falsch aufgegriffen."
"Und dieser Gartenzwerg?"
"Ein falsche Spur? Keine Ahnung... Das werden uns Romulus und Akkhuna bald sagen können."
"Was meinst du, wer das in den Gilden war? Vetinari selbst? Sähe ihm ähnlich."
Jack nickte stumm und Humph lehnte sich seufzend gegen die Wand. Der Fall war geklärt. War es überhaupt ein Fall gewesen? Hätten sie ihn alleine lösen können? Sicherlich nicht. SUSI war keine Abteilung für das Lösen von Fällen, SUSI half den anderen dabei, sie zu lösen. SUSI suchte bis es es etwas zum Sichern gab und das allein war ihre Aufgabe. Die Suche nach dem Corpus Delicti. Doch in diesem Mordfall hatte es keine Tatwaffe gegeben. Sie hätten nichts finden können. Allein dies musste zum
Seelenfrieden der Abteilung genügen, die Abteilung, die nie Fälle löste, doch ohne die man wohl nie einen Fall lösen würde.
[1] Nun gut, nicht jeder musste irgendwann auf die Bahre von SUSI, es soll Menschen in Ankh-Morpork gegeben haben, die tatsächlich durch einen natürlichen Tod das Zeitliche segneten
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