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Warum muss man für den Besuch bei einem Hellseher einen Termin haben? Eine Frage über die sich Ilona noch nie Gedanken gemacht hat, bis sie bei dem Rundgang mit ihrem Ausbilder in den toten Briefkästen diese und andere merkwürdige Fragen findet. Doch wer schreibt ihr die ganzen Nachrichten und weiß er womöglich etwas über den Mordfall an dem RUM gerade ermittelt?
Dafür vergebene Note: 11
Er hatte die Person nicht kommen hören, bis es zu spät war, denn sie war leise wie eine Katze an ihn heran geschlichen. Er hatte noch nicht einmal Schmerzen gehabt, so überrascht war er gewesen. Dabei hatten ihn seine Freunde schon lange vor so etwas gewarnt. Er stelle einfach zu viele Fragen an die falschen Leute. Betrübt schaute er auf seinen Körper der kalt und reglos am Boden auf der verlassenen Strasse lag. Noch nicht einmal eine Quittung hatten sie ihm hinterlassen. Es wäre eine gewisse Genugtuung gewesen, wenn er gewusst hätte, dass sie eine große Summe Geld für sein Ableben hatten bezahlen müssen. Aber nirgends war eine Quittung zu sehen, als wäre er wertlos. Es war ein komisches Gefühl auf seinen Körper zu blicken und zu wissen dass nie wieder eine Frage aus seinem Mund kommen würde. Doch immerhin würde sich auf diesem Weg eins der größten Rätsel lösen. Gab es ein Leben nach dem Tod und wenn ja wie sah dieses aus? Er war so tief in Gedanken darüber versunken dass er die große Gestalt in dem schwarzen Gewand und der Sense in einer knöchernen Hand gar nicht bemerkte, bis sie sich leicht räusperte:
"WENN DU SO WEIT WÄRST, ICH WÜRDE GERNE GEHEN."
"Oh, du bist es. Du kannst mir doch sicher sagen ob es ein Leben nach dem Tod gibt?"
"DA ES MEINE AUFGABE IST, DAS LEBEN ZU BEENDEN, DENKE ICH NICHT."
"Oh, also gibt es keine Wiederauferstehung oder so was?"
"GLAUBST DU DENN DARAN?"
"Ich weiß nicht. Ich hab mit meinen Freunden lange darüber diskutiert, aber wir sind nie zu einem klaren Ergebnis gekommen."
"NUN DANN WIRST DU WOHL NICHT NOCH EINMAL LEBEN."
"Du meinst also ich hätte nur fest genug daran glauben müssen und ich wäre wieder auferstanden?"
"JEDER BEKOMMT DAS WAS ER SEINER MEINUNG NACH VERDIENT."
"Verdammt. Warum hat mir das niemand früher gesagt, ich hätte mich direkt so einer Glaubensgruppe angeschlossen. Wiederauferstehung. Hah, das wäre was gewesen!"
"SO IST NUN MAL DAS LEBEN, WENN DU JETZT BITTE MIT MIR KOMMEN WÜRDEST, ICH HABE HEUTE NOCH VIEL ZU TUN."
Wie ironisch es doch war vom Tod über die Funktionsweise des Lebens aufgeklärt zu werden, dachte er bei sich, während er dem Schnitter folgte.
Liebe Familie!
Man mag es kaum glauben, aber ich bin nun eine Wächterin in der Stadt Ankh-Morpork. Ich habe mich hier gut eingelebt und meine Grundausbildung vor kurzem abgeschlossen. Nun befinde ich mich nach einem erfolgreichen Bewerbungsgespräch in der Ausbildung zur Kontakterin bei der Abteilung für unlizensierten Raub und Mord. Bis jetzt gefällt mir diese Ausbildung, auch wenn es nicht immer einfach ist. Heute werde ich einen erfahrenen Kontakter auf seinem Weg durch die Stadt begleiten. Dabei geht es vor allem darum die toten Briefkästen auf Nachrichten von unseren Informanten zu überprüfen. Aber ich muss mich nun beeilen, damit ich nicht zu spät zum Dienstbeginn erscheine. Bei meinem nächsten Brief werde ich mehr schreiben.
In Liebe eure Ilona istnichtgut
PS: Was auch immer du sagen magst, Bruder. Diesmal habe ich es geschafft und meinen Traum war werden lassen! Also denk dir langsam einen anderen Spitznamen für mich aus!
Das schlagen der Turmuhr ließ Ilona aufschrecken und sie packte schnell ihre Sachen zusammen um in Richtung Wachhaus davon zu stürmen. Wenn sie sich jetzt nicht beeilte, kam sie wirklich zu spät. Die Stadt hatte schon zu dieser frühen Morgenstunde die Aktivität eines Bienenstockes angenommen und Ilona wusste mittlerweile dass viele Bürger auch die Stechfreudigkeit von Bienen hatten. Lord Vetinari war in diesem Fall der Imker, der über den Bienenstock herrschte um am Ende den Honig zu ernten, der bei dieser Stadt aber nur mit großer Vorsicht zu genießen war. Als die Wächterin endlich am Wachhaus ankam, wich ihr Eindruck von Bienen dem von aufgebrachten Hühnern, denn ganz RUM war in heller Aufregung und lief wild durcheinander.
"Ihr habt wirklich keine Fingerabdrücke gefunden?", hörte sie jemanden im Vorbeigehen in einem ernsten Ton fragen.
"Nein, wir haben nichts gefunden, absolut nichts was uns helfen könnte. Das einzige was wir wissen ist, dass es keine Quittung gibt", kam die ebenso ernste und leicht resignierte Antwort von einem Kollegen.
"Na, immerhin ist die Leiche bei SUSI, die finden bestimmt etwas und wer weiß, was Pyronekdan in den toten Briefkästen entdeckt", warf ein Dritter aufmunternd ein." Die letzten Worte ließen Ilona ihre Schritte beschleunigen, das ganze hörte sich nach einem aufregenden Fall an, über den sie aus sicherer Entfernung hören konnte. Immerhin musste sie nur die toten Briefkästen der Stadt überprüfen und sich nicht in dunklen Straßen mit zwielichtigen Informanten treffen. Nun, die Straßen waren nicht wirklich dunkel und die Informanten auch nicht sehr zwielichtig wenn auch etwas verrückt, aber dazu kommen wir später.
In Pyronekdans Büro stapelten sich wie in den meisten anderen Wachebüros auch jede Menge Akten mit der Beschriftung "Noch zu erledigen!" Eine ziemlich dünne Akte schien neu zu sein, was man daran erkannte, das sich auf ihr noch keine Staubschicht gebildet hatte. Ihr Vorgesetzter schaute diese Akte an als erhoffe er sich von ihr Antworten die sie aber bei ihrem mageren Inhalt wohl kaum geben konnte. Als Ilona vorsichtig gegen die halb offenen Tür klopfte sah er langsam zu ihr auf.
"Ah, gut das du da bist. Dann können wir uns gleich auf den Weg begeben. Die anderen warten schon gespannt auf Neuigkeiten", begrüßte er sie, während er aufstand um das Zimmer zu verlassen.
"Was ist denn passiert?", wollte die Wächterin wissen, "Hier sind ja alle ganz aus dem Häuschen."
"Eigentlich handelt es sich nur um einen ganz einfachen Mord ohne Quittung, doch diesmal haben wir keine Anhaltspunkte, wir wissen noch nicht mal wer die Leiche ist."
"Wo wurde sie denn gefunden?"
"Im Ly-Schwatzmaul-Weg in der Nähe des Ankh. Aber es will niemand etwas gehört oder gesehen haben und auch sonst wissen wir nichts weiter als das der Mann mit einer Stichwaffe von hinten ermordet wurde. Der Leiche ist der Schrecken noch ins Gesicht geschrieben und es hat wohl kein langer Kampf stattgefunden. Aber der Täter war sehr sorgfältig, er hat keine Spuren hinterlassen Alle Taschen des Toten waren geleert und er trug einfache Kleidung wie sie hier fast alle tragen, nichts Besonderes. Der Mann ist mittleren Alters und sieht nicht grade nach einer sportlichen Person aus, klein, dünn und schlaksig ohne viele Muskeln. Ich kann nur hoffen dass Susi mehr über ihn herausfinden wird." Pyronekdan seufzte tief was wohl eher auf die Gefreite zurückzuführen war, die für seinen Geschmack zu sehr nach dem naiven Mädchen vom Lande und nicht nach einer Wächterin aussah. Warum bekam aber auch immer er die schwierigen Fälle ab? Reichte es nicht schon, dass sie nun einen Zombie als Kontakter hatten, musste dazu jetzt auch noch jemand kommen der bereitwillig den Dienst um sieben Uhr fünf antreten würde, ohne sich zu wundern warum der Rest so froh darüber war. Dabei wäre so was ja gar nicht mal schlecht gewesen, wenn nicht grade er diese Person hätte unterrichten müssen.
Es war mittlerweile etwas ruhiger auf den Straßen geworden, da die meisten sich auf ihrer Arbeit befanden. So hörte man schon von weitem die Marktschreier die lauthals alles Mögliche anpriesen und sich gegenseitig mit Worten beschimpften die hier besser nicht niedergeschrieben werden. Die beiden Wächter gingen auf einen kleinen Gemüsestand zu der sich etwas abseits des großen Geschehens befand und von einer rundlichen, älteren Frau geführt wurde, die sie freundlich ansah.
"Guten Morgen Herr Zauberer, wen haben sie denn da mitgebracht?", fragte sie in der Neugierde die fast allen älteren Damen innewohnte.
"Das ist unsere neue Kontakterin in Ausbildung. Ilona Feldacker, die mich heute bei meiner Arbeit begleitet", stellte Pyronekdan sie vor.
"Na, wie ich euch Wächter kenne hattet ihr bestimmt wieder keine Zeit für ein ordentliches Frühstück, wie wäre es da mit ein paar belegten Brötchen?"
"Gerne, ich nehme dann zwei für jeden von uns", antwortete Ilona, die gelernt hatte dass dies auf eine Nachricht hindeutete, die bei Frau Leeb für sie abgegeben worden war.
Wie erwartet fand sie in der Tüte auch ganz unten einen kleinen Zettel, doch zu ihrer Verwunderung stand nur eine einzige kurze Frage auf ihm. "Wer bist du?" Was sollte das denn bedeuten? Es hatte laut Pyronekdan schon viele verrückte Nachrichten gegeben, aber das hier war nun wirklich komisch. Wer wollte das wissen und aus welchem Grund?
Pyronekdan meinte, Ilona solle den Zettel fortschmeißen, doch ihr ging die Frage einfach nicht aus dem Kopf. Wer bist du? Ja, wer war sie eigentlich? Sicher, jeder hätte geantwortet Ilona Feldacker oder auch Istnichtgut, aber jemand aus ihrem Dorf hätte dabei wohl ein ganz anderes Bild vor Augen als einer ihrer Wächterkollegen. Vor nicht all zu langer Zeit hätte sie jeden ausgelacht, der ihr gesagt hätte, dass sie bald eine Wächterin in Ankh-Morpork sein würde und nun war es das natürlichste der Welt für die Wache die toten Briefkästen zu überprüfen um bei einem Mordfall weiter zu helfen. Was konnte man also antworten das auch noch nach längerer Zeit gültig sein würde und nicht zu viel preis gab? Nach einigen weiteren Überlegungen schrieb sie auf die Rückseite des Zettels "Ich bin seit kurzem eine Wächterin dieser Stadt" das musste genügen. Sie reichte den Zettel mit der Bezahlung an Frau Leeb weiter, um dann hinter Pyronekdan hinterher zu laufen, der schon ein paar Stände weiter war.
Ilona wusste selbst nicht warum sie auf diese Frage antwortete, aber irgendwie hatte es sie neugierig gestimmt. Sie durfte Frau Leeb aber nicht fragen von wem der Zettel stammte, das wusste Ilona, denn die Informanten hatten ein Recht darauf unerkannt bleiben zu können. In den nächsten toten Briefkästen, die hauptsächlich aus anderen Verkäufern bestanden, war nichts abgegeben worden, was Pyronekdan etwas frustrierte. Eine einzige Nachricht auf dem ganzen Markt war ein sehr mageres Ergebnis. Da blieb nur noch eine Möglichkeit, damit sie den ganzen Weg zum Markt nicht völlig um sonst gelaufen waren.
"Ilona, denk bitte ganz stark an Würstchen", wies er die Wächterin an.
"Aber warum soll ich denn an Würstchen denken? Wir haben doch grade eben erst gegessen", fragte diese verwirrt.
"Tu es einfach, du wirst gleich schon sehen warum", murrte ihr Ausbilder. Also dachte sie an den Geruch von halb verbrannten Würstchen, den es immer gab, wenn ihr Vater mal kochte, und an den etwas erschreckenden Anblick in der Bratpfanne. Aber schon nach kurzer Zeit musste sie damit aufhören, da ihr drohte übel zu werden. Aber es hatte offensichtlich gereicht, denn nach ein paar Sekunden hörten sie wie sich Jemand bei dem Verkauf von heißen Würstchen beinahe selbst in den Ruin trieb.
"Also Schnapper hat ein paar Gratisproben an Strohalmen, sollte eins von diesen geknickt sein ist dort eine Nachricht für uns drin. Du sagst ihm dann also, dass du gerne so einen Strohalm hättest und er dir ruhig den kaputten geben könne. Aber lass dir unter gar keinen Umständen etwas verkaufen, das ist ganz wichtig, sonst hast du dein ganzes Geld für Dinge ausgegeben, die völlig unnütz sind und nicht funktionieren wie sie sollen", erklärte ihr Ausbilder im ernsten Ton und konnte nur hoffen das es diesmal nicht so lange dauern würde wie bei Thask.
"Heiße Würstchen im Brötchen. Fast frische Würstchen für einen Preis, mit dem ich meine ganze Familie in den Ruin treibe", rief Schnapper so laut er nur konnte, was reichte um die anderen Marktschreier zu übertönen.
"Ähm, Entschuldigung, aber dürfte ich sehen, was sie außer Würstchen noch verkaufen?", fragte Ilona etwas nervös und versuchte ihren Ausbilder zu vergessen der sie von sicherer Entfernung aus skeptisch beobachtete.
"Natürlich! Natürlich! Lassen sie mich sehen ich habe bestimmt auch für sie das richtige dabei", sagte Schnapper erfreut über eine neue Kundin und kramte in seinem Bauchladen, der viel mehr fassen konnte als man auf den ersten Blick annahm.
"Ah genau da hab ich es ja", er hielt triumphierend ein Buch mit dem Titel Wie werde ich am besten meine Depressionen los hoch.
"Aber ich habe doch gar keine Depressionen", verteidigte sich Ilona sofort.
"Ja noch nicht, aber wer kann schon sagen was die Zukunft bringt? Als erfahrener Mann kann ich ihnen sagen dass jeder Mal Depressionen bekommt. Das ist Teil des Lebens und genau dann werden sie froh sein wenn sie so ein Buch besitzen. Dazu kann ich ihnen noch diese Kreme gegen Falten empfehlen, damit sehen sie immer aus wie Anfang zwanzig", versuchte Schnapper sie zu überreden ohne auch nur einmal Luft zu hohlen.
"Aber ich bin doch Anfang zwanzig", murmelte Ilona verwirrt.
"Sie müssen an ihre Zukunft denken! Aber wie wäre es stattdessen mit dieser Augenbinde, sie schützt ihre Augen vor zu viel Sonnenstrahlung", ließ der Händler nicht locker Ilona überlegte lange, sie wusste nicht warum, aber irgendwie schienen die Angebote von Schnapper wirklich verlockend zu sein auch wenn eine leise Stimme in ihrem Kopf das Gegenteil behauptete. Aber schon bald wurde diese Stimme immer leiser und Ilona entschloss sich neben dem abgeknickten Gratisstrohalm das Buch zu kaufen. Pyronekdan lächelte leicht, Ilona hatte es geschafft sich nur ein einziges Produkt aufschwatzen zu lassen und dazu noch ein Buch. Bei Büchern konnte man nicht all zu viel falsch machen, zumindest explodierten sie nicht und man bekam keine Hautauschläge davon. Für das erste Mal war es gar nicht so übel, vielleicht hatte er die Wächterin doch unterschätzt. Als diese das Buch aufschlug, verflüchtigte sich der Bann von Schnapper so schnell wie ein Blatt im Wind. Sicher das was im Buch stand war durchaus richtig, aber wer sich für diese Erkenntnis ein Buch kaufen musste war wirklich verloren.
"Hier kommt der ultimative Tipp für sie gegen ihre Depressionen: Also wenn sie über einen längeren Zeitraum deprimiert sind und keinen haben dem sie ihre Sorgen anvertrauen möchten, dann schreiben sie doch einfach ein Tagebuch. So können sie all ihre Emotionen niederschreiben und sie werden sehen schon nach kurzer Zeit wird es ihnen viel besser gehen. Die folgenden Seiten sind zu diesem Zweck frei gelassen, also viel Glück und hoffentlich geht es ihnen bald besser", stand auf der ersten Seite. Der Rest des Buches war wie zu erwarten leer und für so etwas hatte Ilona wirklich Geld ausgegeben, sie schüttelte über sich selbst den Kopf. Während ihr Ausbilder sich nun das Buch ansah um dann breit zu grinsen, holte Ilona einen kleinen Zettel aus dem Strohalm und begann ihn laut vorzulesen.
"Du bist also eine Wächterin, dann haben wir ja die richtige Person erreicht. Hoffentlich hat dir Schnapper nicht zu viel verkauft, von seiner Kreme hatte ich drei Tage lang einen schlimmen Hautausschlag. Aber kommen wir nun zu der nächsten wichtigen Frage: Wenn ein Schizophrener damit droht sein anderes Ich umzubringen, falls nicht bestimmte Forderungen erfüllt werden, ist das dann Geiselnahme oder Selbstmord?"
Was zum Kuckuck war das für eine verrückte Frage, natürlich handelte es sich dabei um Selbstmord, immerhin war der eigene Körper nach so einer Tat tot. Aber halt, man wollte doch ganz klar nicht sich selber sondern jemand anderen töten. Es waren ja zwei ganz verschiedene Personen, die sich dummerweise ein und denselben Körper teilen mussten. Und Geiselnahme bedeutete jemand gefangen zu halten und mit dem Tod zu drohen. Die andere Person war ja ganz offensichtlich gefangen und zwar in dem gleichen Körper wie man selber und mit dem Tot drohte man ja auch. Also vielleicht doch Geiselname? Ilona fand das ganze zu verwirrend und war sich nur in zwei Punkten sicher, führte man die Tat aus waren beide tot und wer auch immer es vorhatte braucht dringend eine Therapie wenn so was überhaupt noch helfen würde. Sie schrieb all ihre Gedanken auf die Rückseite des Zettels und konnte nur hoffen, dass sie halbwegs verständlich waren. Den Zettel steckte sie zurück in den Strohalm und gab diesen bei Schnapper ab, während sie der Versuchung widerstand doch noch die Augenbinde zu kaufen.
"Du hast also tatsächlich auf diese Frage geantwortet", murrte Pyronekdan und seufzte tief.
"Nun ja, ich dachte das sie vielleicht nur sicher gehen wollen, dass die Zettel wirklich bei der Wache ankommen und uns im nächsten wichtige Informationen geben", murmelte Ilona verlegen und schaute ihre Schuhe an als wären sie noch ganz neu.
"Offensichtlich nicht! Wenn sich ein Schizophrener umbringen will ist das dann Geiselnahme oder Selbstmord? Pff, derjenige der sich solche Fragen ausdenkt, spinnt wirklich!" antwortete der Wächter und verdrehte seine Augen. Den Rückweg zum Wachhaus verbrachten sie schweigend, Pyronekdan war nicht so sehr sauer auf Ilona wie es den Anschein hatte. Er war einfach nur frustriert, dass sie ohne Antworten zurückkamen. Nun konnte nur noch Susi den Tag retten. Als sie im Wachhaus ankamen, wollte der Zauberer als erstes dort vorbei gehen, doch der Wächter am Tresen kam ihnen zuvor und überreichte ihnen einen Umschlag Auf dem Umschlag stand: "Für die junge Menschenwächterin mit den langen schwarzen Haaren, braunen Augen und der etwas unsicheren Gangart, die grade ihre Ausbildung bei RUM absolviert."
Die Schrift war die gleiche wie auf den beiden Zetteln die sie in den toten Briefkästen gefunden hatten. Verdammt! Woher wusste er oder sie so viel? War man ihr womöglich gefolgt, aber wozu? Der Zettel, den sie aus dem Umschlag holte, sollte wenigstens eine ihrer Fragen beantworten.
"Sehr interessante Gedankengänge, das muss ich schon sagen, wirklich. Ich finde man sollte es im Gesetz regeln, damit es bei einem Fall von Schizophrenie nicht zu Unklarheiten kommt. Aber nun zur nächsten Frage: Warum muss man für den Besuch bei einem Hellseher einen Termin haben? Ach ja und lassen sie sich von ihrem Kollegen nicht beeinflussen, sie haben schon das Richtige getan."
Der Schreiber dieser Zettel war ihr gefolgt, so viel war sicher, sie würde sich also demnächst mehr umsehen und aufpassen müssen. Ilona las sich den Zettel noch mal durch, warum brauchte man einen Termin bei einem Hellseher? Das war wirklich eine gute Frage, immerhin konnten solche Medien in die Zukunft blicken, wie ein Besuch bei Frau Kuchen bewies. Also waren alle Hellseher bei denen man einen Termin bekam Schwindler und Scharlatane. Doch Ilona hatte sich für die Sitzung bei Frau Kuchen auch einen Termin holen müssen und diese war doch ein echtes Medium. Als solches wusste sie schon im Voraus was man fragen würde und gab die Antwort bevor man irgendetwas gesagt hatte, das konnte ganz schön nervtötend sein. Aber wenn das schon dem normalen Bürger total verwirrte, wie schlimm musste es dann erst sein, wenn man einen Brief mit der Erinnerung an eine Sitzung in zwei Wochen bekam, obwohl man selber noch nicht mal wusste das man so eine Sitzung braucht. Also wussten die echten Wahrsager wer in naher Zukunft zu ihnen kommen würde, behielten es aber für sich um ihre Kunden nicht zu vergraulen.
Zu dieser Antwort schrieb sie noch ein "Wer bist du und was sollen diese Fragen?" auf den Zettel und legte ihn dort hin wo er gefunden worden war.
Als sie das Labor von SUSI betraten kam ihnen schon der Geruch von allerhand verschiedenen Tinkturen entgegen, der zum Glück den des Todes übertönte. An einem großen Tisch saß Herr Made über ein Buch gebeugt und es schien ihn kein bisschen zu stören, dass direkt hinter ihm auf einem Tisch eine Leiche lag. Ilona hingegen fühlte sich alles andere als wohl dabei im selben Raum mit einem Toten und einem Zombie zu sein. Zwar hatte sie sich während ihrer Grundausbildung etwas an Untote gewöhnt, was aber noch lange nicht hieß dass sie gerne mit ihnen Kontakt hatte. Als Pyronekdan sich räusperte um Herrn Mades Aufmerksamkeit zu bekommen, sah dieser sofort von seinem Buch auf und lächelte freundlich, mit einem etwas triumphierenden Ausdruck in den Augen.
"Ihr möchtet bestimmt wissen was wir über die unbekannte Leiche herausgefunden haben", sagte er, "Kolumbini war kurz vor euch hier um sich nach Ergebnissen zu erkundigen, sie haben jetzt übrigens doch ein paar Leute gefunden, die etwas gesehen oder gehört haben wollen. Doch das meiste ist das Übliche: Großer Mann im schwarzen Umhang, der sich lautlos und unsichtbar durch die Dunkelheit bewegt hat. Ich frag mich nur wie sie was gesehen oder gehört haben wollen wenn er unsichtbar und lautlos war. Na ja, wie auch immer es waren wohl zwei oder drei ganz brauchbare Aussagen darunter."
"Na, das ist ja mal eine erfreuliche Nachricht. Und was kannst du zu der Leiche sagen?", fragte Pyronekdan, dessen Gesicht sich bei dieser Neuigkeit sichtlich aufhellte.
"Also wie andere schon richtig vermutet hatten, wurde er mit einer Stichwaffe, einem Dolch um genau zu sein, ermordet. Ein kleines Stück der Waffe ist abgebrochen und in der Wunde stecken geblieben. Deswegen wissen wir, dass es sich um eine sehr teure Waffe, die aus einem seltenen Metall gefertigt wurde handelt. Es ist schwer zu verarbeiten, aber verleiht der Waffe eine besondere Schönheit, die mit anderen Metallen nicht erreicht werden kann. Leider ist es auch sehr brüchig, weswegen solche Waffen eigentlich nur der Zierde dienen. Der Täter hat also Geld wie Heu, was heißt wir müssen in der Obersten Schicht von Ankh-Morpork nach ihm suchen", erklärte Herr Made ihnen und schien dabei mit gutem Recht sichtlich stolz auf SUSIs Arbeit zu sein.
"Ach ja, wir waren übrigens noch mal am Tatort und haben dort diesen Zettel gefunden", fügte der Gerichtsmediziner hinzu und reichte ihnen einen kleinen verschmutzten Zettel auf dem nur ein Word stand WARUM? Pyronekdan und Ilona erkannten die Schrift sofort, sie kam von dem unbekannten Fragensteller, also hatte dieser doch etwas mit dem Mord zu tun. Doch sie wollten heute nicht mehr darüber nachdenken, denn es war schon spät und irgendwann hat auch mal ein Wächter Feierabend.
Ilona verbrachte diesen damit in dem Buch Wie werde ich eine gute Kontakterin in nur sechshundertsiebenundvierzig Schritten zu lesen, das ihr Thask geliehen hatte. Am nächsten Morgen gab ihr der Wirt eine Nachricht, die für sie abgegeben worden war. Aber auf ihre Frage hin wer sie abgegeben hätte, meinte er nur das könnte er nicht sagen. Mit Geld konnte man sich in dieser Stadt alles erkaufen und davon hatte die Wächterin nicht genug um vom Wirt eine Antwort zu erhalten. Langsam wurde der Wächterin das ganze unheimlich, die Person schien so viel über sie zu wissen und ihr durch die ganze Stadt zu folgen. So öffnete sie mit zitternden Fingern den Umschlag.
"Es tut mir leid, aber ich kann dir noch nicht sagen wer wir sind und warum wir diese Briefe schreiben. Dazu ist die ganze Lage viel zu gefährlich. Also kommen wir lieber gleich zur nächsten Frage: Wenn man sich den ganzen Tag vorgenommen hat nichts zu erreichen und das am Ende schafft, hat man dann etwas erreicht?"
Aha! Es waren also mehrere Personen, die hinter diesen Briefen steckten, aber das machte Ilona nur noch unruhiger. Wer sich solche verrückte Fragen ausdachte war bestimmt zu allem möglichen fähig. Dennoch dachte sie während dem Frühstück über diese Frage nach. Spontan hätte Ilona darauf mit Nein geantwortet, denn immerhin tat man den ganzen Tag nichts Produktives. Aber genau das war ja das Ziel. Wenn man es also schaffte den ganzen Tag wirklich absolut nichts zu erreichen konnte man sich winden wie man wollte, man hatte doch etwas geschafft, nämlich nichts. Da genau dies ja gewollt war musste man wohl zugeben einen ganzen Tag verschwendet zu haben nur um heraus zu finden das man auch mit nichts tun etwas erreichen konnte. Jetzt war nur noch zu hoffen, dass diese Person fortan nicht jeden Tag mit nichts tun verbrachte um es damit zu rechtfertigen das sie ihr gesetztes Ziel ja immer wieder aufs neue erreichen würde. Ilona schwirrte der Kopf von diesen ganzen wirren Gedanken in die sie selber kaum Klarheit bringen konnte. Aber sie schrieb sie trotzdem alle auf und gab den Zettel wieder beim Wirt ab. Auf dem Weg zur Wache schaute sie dann ein paar Mal nach hinten in der Hoffnung ihren Verfolger zu sehen. Oder sie blieb hinter einer Hausecke stehen und wartete. Aber sie konnte niemand auffälligen entdecken und gab so bald auf weil die meisten Passanten ihr schon merkwürdige Blicke zuwarfen. In der Wache angekommen erzählte sie sofort Pyronekdan von der Nachricht, dieser diskutierte grade mit Kolumbini über die Informationen die sie zu dem Mordfall hatten.
"Also noch eine von diesen komischen Fragen", murmelte er, "Wenn sie etwas wissen warum sagen sie es nicht einfach!"
"Vielleicht werden sie von jemanden bedroht", warf Kolumbini ein.
"Selbst wenn, wozu diese ganzen verrückten Rätsel und warum folgen sie uns?" Darauf hatte der Ermittler auch keine Antwort und kam lieber wieder auf das vorherige Thema zurück, während sich Ilona einen Stuhl nahm und aufmerksam zuhörte.
"Wir wissen also von SUSI, dass der Mörder sein Opfer mit nur einem Stich ermordet hat und das Opfer ihn wohl nicht hat kommen sehen. Die Waffe war aus einem ganz speziellen Metall und ziemlich teuer. Ophelia hat ein paar ihrer Informanten zu dem Vorfall befragt. Ein Schmied sagte ihr, dass in den letzten Jahren nur drei solcher Dolche verkauft wurden, eins an den Besitzer von einem großen Teeherstellungswerk Namens Osterstein, eins an die Familie von Hachendorf und eins an einen Verkäufer aus Klatsch, der sich hier niedergelassen hat. Das schränkt die Suche schon mal erheblich ein. Auch wenn ich mich immer noch frage, warum jemand mit so viel Geld nicht einfach einen Assassinen beauftragt. Ihr habt in den Briefkästen leider nur irritierende Fragen gefunden, aber anscheinend wissen die Leute auch etwas über den Mord, also solltet ihr auf jeden Fall weiterhin mit ihnen in Kontakt bleiben." Während der ganzen Rede schaute die Wächterin gedankenverloren aus dem Fenster. Draußen hatte es angefangen leicht zu nieseln, was die ganze Straße nur noch schmutziger erscheinen ließ. Alle Leute, die sich noch auf der Straße befanden, beeilten sich nun ihr Ziel zu erreichen, da es in dieser Stadt nur selten bei so einem leichten Regen blieb. Von hier oben hatte man die ganze Straße gut im Blick und fühlte sich trocken und sicher im Gegensatz zu den armen Leuten dort unten. Aber was war das? Einer der Passanten schien offensichtlich ziemlich nervös zu sein. Er schaute alle paar Sekunden nach hinten und musterte jeden mit einem abschätzenden Blick, der an ihm vorbei ging. Dabei war er ziemlich groß und trug einen langen, alten, braunen Umhang, dessen Kapuze er tief ins Gesicht gezogen hatte. Auf seiner Schulter saß ein Gnom, der ihm unaufhörlich etwas ins Ohr flüsterte und sich genauso unsicher umsah. Ilona hatte mittlerweile gelernt, dass so etwas zu dem Bild der Stadt gehörte, doch dies hier erschien ihr sehr auffällig, besonders weil der Gnom einen Umschlag in der Hand hielt. Waren das womöglich die unbekannten Schreiber der ganzen Nachrichten? Sie deutete Pyronekdan an ans Fenster zu kommen und sich die beiden auch anzusehen. Doch als dieser sich zu ihr ans Fenster stellte, waren sie schon in der nächsten Straße verschwunden. Als Ilona den Raum verließ um für alle drei Kaffee zu kochen, ging sie kurz am Tresen vorbei und tatsächlich es war ein Umschlag für sie abgegeben worden. Diesmal stand sogar ihr Name drauf, was sie nur noch mehr beunruhigte. Was hatte der Wirt ihnen für das Geld wohl noch alles gesagt? Die Nachricht trug nicht viel dazu bei, ihre Unruhe zu lindern.
"Nach einem langen Gespräch haben wir beschlossen, dass es genug Fragen gewesen sein müssten. Also werden wir uns mit dir und zwei deiner Kollegen treffen. Sei in einer halben Stunde an der Messingbrücke alles Weitere wirst du dann erfahren. Ach ja, noch eine Frage: Machen Frösche wirklich glücklich?"
Na, endlich jetzt würde sie erfahren, wer hinter den ganzen Briefen steckte und was diese zu bedeuten hatten. Aber warum musste ausgerechnet sie mitkommen, sie hatte doch extra die Ausbildung zur Kontakterin angetreten um sich nicht mit Informanten treffen zu müssen, die einem unter Umständen nicht grade wohl gesonnen waren. Man wusste doch nie, ob solche Leute nicht plötzlich auf die Idee kamen, dass sie eigentlich keine Wächter mochten, und eine Waffe zogen.
Doch als sie den Brief Pyronekdan und Kolumbini zeigte, bestanden beide darauf dass sie mitkam, immerhin hatte sie auch auf die ganzen Fragen geantwortet. Außerdem war sie ja nicht alleine, beschwichtigte ihr Ausbilder Ilona, immerhin wäre er und Ophelia als erfahrene verdeckte Ermittlerin dabei. Dies beruhigte die Wächterin dann doch etwas und während sie auf Ophelia warteten, dachte sie noch mal genauer über die Frage mit den Fröschen nach. Wurde man durch diese wirklich zu einer glücklicheren Person? Der Händler am Hier-gibt's-alles-Platz hätte bestimmt mit ja geantwortet, aber er verdiente mit ihnen auch seinen Lebensunterhalt. Ein Frosch war ja an sich auch gar nicht so ein schlechtes Haustier, er war einfach zu halten, brauchte nicht wie ein Hund ständig Aufmerksamkeit und war auch für ärmere Leute leicht erschwinglich. Sie würde sich wirklich mal einen Frosch kaufen müssen, um zu sehen ob an diese Aussage stimmte. Immerhin galten die gleichen Punkte auch für Ratten und Mäuse, aber niemand behauptete, dass diese glücklich machten. Es sei denn, man fand jemanden der sie wirklich gut zubereiten konnte. Als Ophelia zu ihnen kam und sie Richtung Messingbrücke unterwegs waren, wurde Ilona doch etwas mulmig im Magen. Handelte es sich wirklich um die beiden Personen, die sie vorhin auf der Straße gesehen hatte und was verfolgten sie für Pläne? Den ganzen Weg dachte sie darüber nach, kam aber zu keiner vernünftigen Lösung. Schon nach kurzem hatten sie ihr Ziel erreicht und Ilona erkannte sofort den groß gebauten Mann in seinem braunen Umhang, der lässig am Brückengeländer lehnte, auf dem auch sein Freund der Gnom saß. Beim genaueren Hinsehen jedoch verrieten ihn seine Augen, die nervös hin und her blickten Als er die drei Wächter sah, lächelte er etwas verlegen, während er auf sie zuging.
"Wie schön, dass ihr kommen konntet, ich hoffe nur wir haben euch nicht bei wichtigen Arbeiten gestört", begrüßte er sie, wobei sein Blick an Ilona hängen blieb.
"Nein, ganz und gar nicht", beschwichtigte ihn Ophelia sofort.
"Gut, die Fragen haben hoffentlich auch nicht zu sehr gestört?"
"Oh nein, sie ähm waren sehr ähm interessant", stotterte Ilona und suchte verzweifelt nach den richtigen Worten.
"Die mit dem Termin beim Hellseher kam von mir", warf der Gnom stolz in das Gespräch ein und stand in der Hoffnung auf so nicht ganz übersehen zu werden.
"Also ihr möchtet bestimmt wissen, was es mit all den Briefen und diesem Treffen auf sich hat", murmelte sein Freund während er auf den Boden blickte als würde er die Pflastersteine zählen.
"Das wäre sehr nett, denn diese Frage haben wir uns tatsächlich ab und an mal gestellt", antwortete Pyronekdan ungewollt sarkastisch.
"Es geht um etwas sehr wichtiges, was nicht jeder kann und was einer gewissen Prüfung bedarf. Ich kann mit Freuden sagen, dass die Prüfung ohne Probleme absolviert wurde, indem wir interessante Antworten auf unsere Fragen erhalten haben. Nicht jeder macht sich die Mühe über solche Fragen nachzudenken und viele nehmen das was um uns herum geschieht einfach als gegeben hin. Aber wir möchten wieder das Kind in uns erwecken, das Kind voller Fragen über die es nachzudenken gilt. Deswegen möchten wir Ilona gerne im Club der Philosophen für Fragen des Alltags aufnehmen."
"Ihr wollt was?" fragten alle Wächter gleichzeitig etwas verwirrt.
"Nun sie hat sich über unsere Fragen wirklich Gedanken gemacht und wenn wir ehrlich sind braucht unser Verein dringend neue Mitglieder", kam die etwas schüchterne Antwort.
"Aber wozu dann der ganze Aufwand und das hinterher spionieren, warum nicht einfach ins Wachhaus kommen und nachfragen?" wollte Ilona wissen, die nun völlig auf einem dicken, langen Schlauch stand.
"Wir wollten sichergehen das wir jemanden finden der von seiner Denkweise her zu uns passt und es tut uns wirklich leid, wenn wir dich belästigt haben sollten, aber wir konnten die Briefe einfach nicht in aller Öffentlichkeit abgeben, es ist schon gefährlich genug sich mit euch auf dieser Brücke zu treffen."
"Ich hab dir ja gleich gesagt, dass du ihr nicht hinterher laufen sollst, Fred", schnauzte der Gnom seinen großen Freund nun an.
"Na, du hast ja auch keinen besseren Vorschlag gehabt!"
"Ich hatte jede Menge, aber du hörst mir ja nie zu! Ich wollte ihr die Briefe gleich in die Tasche stecken aber nein."
"Hah! Als ob sie das nicht noch mehr erschreckt hätte, wenn sich in ihrer Tasche plötzliche Briefe befunden hätten, die vorher noch nicht da waren?"
"Immerhin hätten wir dem dummen Wirt nicht das Geld geben müssen von dem ich meiner Frau eigentlich ein Geschenk kaufen wollte!"
"Ach, aber sonst meckerst du immer das deine Frau eh nichts zu schätzten wüsste."
"Ähm. Entschuldigung aber wir sind auch noch hier und die ganze Sache ist immer noch nicht geklärt", mischte sich Ophelia mit erhobener Stimme in das Streitgespräch mit ein, da sie langsam aber sicher ihre Geduld verlor.
"Oh ja. Entschuldigung, also es wäre uns wirklich wichtig, dass Ilona ein Mitglied bei uns wird. Wenn es euch bei der Entscheidung helfen sollte, das ganze hat auch etwas mit dem Ly-Schwatzmaul-Weg zu tun", flüsterte Fred so leise das die Wächter Mühe hatten ihn zu verstehen.
"Ich wisst also etwas über den Mord", sagte Ilona freudig und ein triumphierendes Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht.
"Pst. Nicht so laut, man könnte uns belauschen. Aber ja: Wir wissen etwas darüber, doch das können wir leider nur Mitgliedern erzählen", antwortete ihr Gegenüber fast noch leiser als zuvor und schaute sich dabei abermals nervös um.
"Also wenn ich das richtig verstanden habe, müsste Ilona bei euch Mitglied werden damit ihr, ihr Informationen zu dem Mordfall im Ly-Schwatzmaul-Weg geben könnt?" vergewisserte sich Ophelia die hinter dem ganzen immer noch nicht den Sinn erkennen konnte.
"Genau, aber sie kann danach sofort wieder austreten und es muss auch kein Beitrag bezahlt werden. Die einzige Verpflichtung ist das man die Dinge nicht einfach so hinnimmt wie sie sind, sondern alles hinterfragt und mit offenen Augen durchs Leben geht", versuchte nun der Gnom die Wächterin zu überzeugen.
"Das hört sich doch gut an, was muss ich tun um Mitglied zu werden?", meinte Ilona freudig, die sich nun sicher war, dass dies nur zwei harmlose Verrückte waren und so ein Verein bestimmt eine ganz nette Sache.
"Wer von uns beiden soll sie nachher wegen dem Tresendienst für die nächsten Tage um sieben Uhr fünf frage", stöhnte Pyronekdan und sah Ophelia mit einem Augenrollen an.
"Ich hab das Gefühl, sie würde den Dienst für den ganzen nächsten Monat übernehmen, wenn du ihr nur versicherst, dass Frau Willichnicht eigentlich eine ganz nette alte Dame ist", antwortete seine Kollegin und seufzte ebenfalls tief. Vor ihnen holte Fred grade eine Kröte aus seiner Manteltasche und hielt sie Ilona hin.
"Hier halte einfach deine Hand auf ihren Rücken und sag, dass du froh bist ab heute dem Club der Philosophen für Fragen des Alltags anzugehören", wies er die Wächterin nun in einem neuerdings ruhigen Ton an. Offensichtlich war ihm bei Ilonas Zustimmung ein ganzer Haufen großer Steine vom Herzen gefallen. Als die Wächterin ihre Aufgabe erledigt hatte, quakte die Kröte wie zum Zeichen einmal laut, bevor sie wieder in der Jackentasche verstaut wurde.
"Also wenn die beiden Wächter bitte einmal etwas Abstand nehmen würden, das hier betrifft jetzt nur Mitglieder", wies Fred Ilonas Kollegen an und deutete dabei auf das Ende der Brücke. Die beiden folgten kopfschüttelnd seiner Aufforderung und schmiedeten weiterhin Pläne für wie lange man Ilona wohl den Dienst um sieben Uhr fünf aufschwatzen konnte. Währenddessen erklärte der Gnom besagter Wächterin grade das was sie schon seit dem ersten Brief hatte wissen wollen.
"Im Moment besteht der Club nur aus uns dreien, aber bis vor kurzem war noch ein Freund von uns dabei. Ein sehr schlauer Mensch namens Leo, der wirklich alles und jeden hinterfragt hat. Leider viel zu oft und immer wieder die falschen Leute wie wir ihm mehrmals gesagt hatten. Denn manchmal ist ein Mann mit einem Messer in der Hand nun mal einfach nur ein Mann mit einem Messer in der Hand und man sollte ihn nicht durch zu viel Fragerei verärgern. Aber vor kurzen hatte er es dann endgültig geschafft und wir haben ihn tot vor unserem Treffpunkt im Ly-Schwatzmaul-Weg gefunden, mit diesem Zettel der neben ihm lag." Ilona las sich den Zettel aufmerksam durch, den ihr Fred bei den letzten Worten des Gnoms gegeben hatte.
"Wehe dem, der von euch noch einmal etwas in der Richtung wie Haben Arbeiter in einem Teeherstellungswerk auch Kaffeepausen? fragt! Dem wird es so ergehen wie eurem Freund hier, genauso wie jedem der irgendetwas hiervon über die Grenzen eures erbärmlichen Clubs hinaus weitererzählt!"
Tee, Kolumbini hatte vorhin doch irgendetwas über Tee und jemanden mit viel Geld gesagt, fiel es Ilona bei diesen Worten wieder ein.
"Kann ich den Brief behalten?" fragte sie ihre beiden neu gewonnenen Verbündeten.
"Natürlich, immerhin gehörst du jetzt zum Club, also kann uns niemand etwas anhaben. Wir haben ja schließlich nichts über den Rand des Clubs hinaus erzählt, es wissen nur Mitglieder davon und wem du es sagst, können wir ja nicht steuern. Immerhin ist es dein eigenes Risiko wenn du deinen Wächterkollegen davon erzählst", antwortete ihr Fred und grinste dabei breit.
"Eure Zellen sind doch bewacht, oder?" fragte der Gnom in einem sehr ernsten Ton.
"Es kommt drauf an, wer sich in der Zelle befindet und was er für ein Verbrechen begangen hat. Aber ich bin sicher, dass ein Mord dafür ausreicht", versuchte Ilona ihn zu beruhigen.
"Nein, nein wir wollen doch niemanden umbringen! Würde es reichen wenn wir einen Wächter beleidigen?"
"Ach, ihr wollt ins Gefängnis, in der Hoffnung dort sicher zu sein vor dem Mörder eures Freundes. Na, da könnt ihr euch auch einfach in eine Ecke des Aufenthaltsraumes setzten, wo man euch nicht direkt sieht. Das sollte bequemer sein als die Zellen." So gingen die drei zwei skeptisch dreinschauenden Wächtern entgegen die schon unruhig von einem Bein auf das andere traten.
"Und ist aus dem Frosch jetzt ein Prinz geworden?" fragte Ophelia scherzhaft.
"Nein, aber die beiden haben mir diesen Drohbrief gegeben", antwortete Ilona die sich fragte warum aus einem einfachen Frosch denn ein Prinz werden sollte. Also da gab es doch wirklich bessere Tiere in die sich ein Prinz verwandeln könnte.
"Na, dieser Brief ist fast noch besser als ein Prinz der in einen Frosch verhext wurde", freute sich Pyronekdan als er sich den Text genau durchlas, "Das bringt uns wieder ein ganzes Stück weiter."
Auf dem Weg zum Pseudopolis-Platz waren alle Wächter ruhig und dachten über die ganzen Hinweise genauer nach. Nur Fred und der Gnom unterhielten sich unaufhörlich darüber, wie sie noch weitere Mitglieder bekommen könnten. Bei der ganzen Diskussion waren sie sich immerhin in einem Punkt einig: Die Taktik musste geändert werden. Sonst wären sie ganz schnell tot, wenn sie an die falsche Person gerieten und das wo sie grade einer großen Gefahr entronnen waren. Als sie das Wachhaus betraten, überlegte Pyronekdan ob man die beiden nicht doch lieber in eine Zelle werfen sollte, für andauerndes Reden und somit Nerven von Wächtern. Aber er würde jetzt sowieso erst mal mit Kolumbini die Neuigkeiten durchgehen, während sich Ilona um ihre beiden Gäste kümmern konnte, schließlich war sie ja auch Mitglied in ihrem Club. Diese Aufgabe erwies sich als gar nicht so leicht, da die beiden jedem Menge Fragen hatten, auf die Ilona keine Antwort wusste, wie z.B.
Warum heißt es tote Briefkästen, wenn die Verkäufer auf dem Markt alles andere als tot sind?
Gibt es auch lebende Briefkästen?
Wenn ja, wie stirbt dann ein Briefkasten ?
Diese Fragen ließen sie nicht los und so war die Wächterin froh als nach zwei Stunden Pyronekdan sich zu ihnen setzte.
"Wir sind uns jetzt sicher, dass es sich um Osterstein den Besitzer des Teeherstellungswerkes handelt. Er muss euren Freund umgebracht haben, weil dieser zu viele Fragen über ihn, sein Werk und seine Arbeit gestellt hat, deren Antworten er lieber geheim lassen wollte. Sein ältester Sohn absolviert grade die Ausbildung zum Assassinen und hat wahrscheinlich den Mord ausgeübt. Aber es gibt da ein großes Problem: Dieser Mann besitzt wirklich viel Geld, es wird schwierig sein an ihn heran zu kommen", erklärte er ihnen.
"Aber nur weil jemand reich ist schützt ihn das doch noch lange nicht vor dem Gesetz", protestierte Ilona.
"Meistens leider doch", antwortete ihr Ausbilder resigniert, "aber wir werden sehen was wir tun können. Es wird wahrscheinlich etwas Arbeit in Anspruch nehmen, aber wir werden ihn schon noch zur Verantwortung ziehen."
"Und was ist mit uns?" fragte Fred der sich bei der ganzen Sache übersehen fühlte.
"Ihr solltet sicher sein, solange ihr euch von Osterstein und seinem Werk fernhaltet und niemanden davon erzählt. Wenn ihr für ihn keine Gefahr darstellt, wird er euch nicht weiter beachten", beruhigte sie Pyronekdan.
"Na, immerhin wissen hier jetzt alle Bescheid und wir haben seit langem mal wieder ein neues Mitglied", freute sich der Gnom und hüpfte auf Freds Schulter, bevor dieser sich noch einmal kurz bedankte um dann das Wachhaus zu verlassen.
Ilona saß noch lange im Aufenthaltsraum und dachte über die Ereignisse nach. Was war das doch für eine Welt in der sich die Wache nicht sicher war ob sie jemanden wegen Mordes bestrafen konnte, nur weil dieser reich war. Und wo man wegen einer einfachen Frage schon am nächsten Tag nicht mehr leben konnte. Was war so schlimm danach zu fragen ob die Mitarbeiter in einem Teeherstellungswerk auch mal Kaffeepausen hatten? Irgendetwas ging in diesem Werk zu was nicht an die Öffentlichkeit geraten sollte. Irgendetwas illegales, weswegen Osterstein bereit war sogar über Leichen zu gehen. Sie konnte nur hoffen, dass man es herausfinden und ihn trotz seines vielen Geldes verhaften würde. Aber ihr Augenmerk sollte nun erst mal auf Wie werde ich eine gute Kontakterin in nur sechshundertsiebenundvierzig Schritten liegen, damit sie ihre Ausbildung endlich abschließen konnte.
"Verdammt. Ich wusste es. Ich hätte doch einen ausgebildeten Assassinen damit beauftragen sollen!" schimpfte ein älterer Herr und hielt sein Weinglas so fest das es beinahe zersprungen wäre. Sein Sohn schaute fragend über den lagen Tisch zu ihm auf, er hatte sich doch so sehr bemüht keine Spuren zu hinterlassen.
"Die Wache hat etwas herausgefunden, ich habe so ein Gefühl das wir bei ihnen auf der Verdächtigenliste ganz oben stehen", antwortete sein Vater schon wieder etwas ruhiger. Sein Sohn wusste, dass auf dieses Gefühl Verlass war, es hatte sie schon oft vor schlimmen Übeln bewahrt, so auch bei diesem angehenden Philosophen, der eindeutig zu viele Fragen gestellt hatte. So würde es sie auch diesmal wieder retten, denn an dem Funkeln in den Augen seines Vaters erkannte er, das dieser einen Plan hatte, einen guten Plan.
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