Ein Mord mitten im wachehaus. Ist etwa ein Wächter verantwortlich?
Dafür vergebene Note: 12
Der RACHE Teil 3
Das Yakuzza-Komplott Teil 3
Trotzdem ist es nicht notwendig die vorhergehenden Singles gelesen zu habenHumph saß bereits an ihrem an gestammten Tisch im Eimer und spielte lustlos mit den Karten, als Ras mit Veni auf der Schulter eintrat.
"Du wirst doch nicht an den Karten was drehen, Humphie!", Veni hüpfte von Ras Schulter auf den Tisch und schnappte sich die Karten.
"Ich bin ja nicht du", erwiderte Humph leise und lächelte Veni müde an, während Ras sich ebenfalls am Tisch setzte. "Guten Abend, Herr Kommandeur!"
"Nana, Mac, wir sind doch hier unter uns."
"Und trotzdem hast du die Kommandeurs-Abzeichen an den Schultern?", fragte der Hauptmann und zeigte darauf.
"Irgendwie muss er doch gewinnen!", rief Veni und zupfte sich ihr Kleidchen zu recht, "Aber glaub ja nicht, dass ich nett zu dir bin, Blutsauger, da kannst du zweimal Kommandeur sein!"
Rascaal Ohnedurst, relativ junger
[1] Kommandeur der Wache, ignorierte Veni und meinte zu Humph: "Größtenteils um zu zeigen, dass ich immer und überall bin, wie das IA-Abzeichen, solltest du doch wissen." Der Vampir zwinkerte ihm kurz zu.
"Na gut", der Hauptmann war erschöpft und hatte keine große Kraft für die üblichen Neckereien, "Und wer wird heute unser Vierter? Bregs seh ich nirgendwo, Robin auch nicht, der hat derzeit auch Anderes am Hals... Also?"
"Oooh...", Ras grinste und bekam sein typisches Funkeln in den Augen, wenn er etwas ausheckte, "Da habe ich heute eine Überraschung..."
In diesem Augenblick öffnete sich die Tür zum Eimer und die Augen aller anwesenden Wächter wandten sich wie gewöhnlich dorthin um. Wächter waren eben doch immer irgendwie im Dienst und es wurde zur Eigenheit, seine Umgebung gut zu beobachten. Normalerweise vergewisserte man sich nur kurz, ob nicht etwa ein Irrer oder eine Palastwache sich in den Eimer verirrte. Aber diesmal blieben die Blicke erschrocken an der Tür hängen. Einige sahen ungläubig nach ihren Uhrdämonen, andere - größtenteils Rekruten - tranken schnell ihre Getränke aus und verschwanden hastig durch die Hintertür.
Humph konnte das Grinsen des Kommandeurs spüren noch bevor er ihn ansah: "Frau Willichnicht?"
"Amalie hatte heute Abend noch nichts vor und sie gehört doch irgendwie zu uns, also warum nicht?", Rascaal's Grinsen wurde noch etwas breiter.
Die untersetzte Dame hatte derweil ihren Weg zum Tisch gefunden und lehnte ihren Regenschirm daran an.
"Guten Abend, die Damen und Herren", ein Lächeln umspielte kurz ihre Lippen, dann wandte sie sich an Humph, "Nun? Wie wäre es, wenn du mir ein Getränk bringst? Erdbeertee, etwas Zucker. Danke!"
Humph stand auf und grummelte leise: "Darum nicht...", ohne auf das Grinsen seiner beiden Wächterkollegen zu achten und ging zur Theke.
Als er zurückkam, hatte sich Frau Willichnicht bereits die Karten gekrallt und mischte.
"Also, wir spielen die Variante Amalie - keine Patrizierkarten, keine Knurblich-Spezialkarten und keine Schummeleien!"
Humph und Veni sahen sich besorgt an, während Rascaal Ohnedursts Gesicht aussah, als hätte ihm jemand mit einem Messer in einem Bogen von Ohr zu Ohr geschnitten.
Ein paar Stunden später war Venezia Knurblich mit einem "Das Spiel macht keinen Spaß, wenn jemand die Regeln kennt und dann auch noch aufpasst" auf den Lippen bereits geflüchtet und Amalie Willichnicht hatte sich - mit einem Teil des Soldes der Wächter - verabschiedet, um sich daheim noch einen schönen Erdbeerkuchen backen zu können. Ihr "Bis morgen" an den nächst besten Rekruten, der zugesehen hatte, hatte noch dazu geführt, dass dieser nun verzweifelt versuchte seine Frühschicht zu tauschen.
Der Kommandeur und Humph sahen dem Treiben im Eimer eine Weile amüsiert zu, bis Ras sich eine Rote Knolle nahm und sein Gegenüber mit einem ernsten Gesichtsausdruck bedachte.
"Also, was ist los?", fragte er und biss genüsslich in die Knolle.
Humph verzog das Gesicht: "Das Ding stinkt und der Rekruten-Schreck hat uns über den Tisch gezogen. Schon beeindruckend, was die Frau alles kann und weiß."
Ein leichtes Lächeln umspielten die blutleeren Lippen des Vampirs, dann blickte er wieder forschend: "Das meinte ich nicht, und das weißt du. Du warst den ganzen Abend verdammt ruhig und deine Gedanken definitiv nicht hier. Du siehst müde aus, Hauptmann, brauchst du Urlaub?"
Humph lehnte sich zurück und rieb sich leicht den Nacken: "Nein, das geht derzeit auch nicht. Jack ist in Urlaub und SUSI sollte nicht führungslos sein."
"Also?"
Der Hauptmann seufzte: "Ich träume in letzter Zeit schlecht und schlafe somit auch nicht sehr viel."
"Mhm..."
"Jaja, ich weiß, das ist es nicht... Ich dachte über unseren letzten, gemeinsamen größeren Fall an. Als ich noch GRUND leitete, erinnerst du dich?"
"Klar.", Ras lehnte sich ebenfalls zurück und gab Humph zu verstehen fort zu fahren.
"Nun ja, damals begann auch alles mit Träumen...."
*** viele Monate zuvor ***
Kapitel 1Die Nacht war dunkler als sonst, fiel dem Hauptmann auf. Es schienen nur wenige der Straßenlaternen wirklich zu leuchten. Die anderen schienen, als mussten sie gegen die Finsternis um sich herum kämpfen, um irgendwie Licht spenden zu können. Er sah sich um. Die Stadt war völlig still. Vorsichtig setzte der Wächter Fuß vor Fuß. Seine Muskeln waren so angespannt, dass sie schmerzten. Er kannte seinen Gegner, doch irgendwie auch nicht. Diese Erkenntnis nagte an ihm, seit er ihn das erste Mal gesehen hatte. Leise schlich er um die Ecke und entdeckte die Gestalt. Sie hatte einen Hut auf, der Umhang wallte, obwohl sich kein Lüftchen regte. Der Mann stand mit dem Rücken zu ihm. Sehr gut! Er nahm einen Stern aus seinem Mantel, zielte kurz und warf. Die Gestalt reagierte prompt, drehte sich und ein Messer blitzte auf. Die beiden Waffen trafen sich klirrend genau in der Mitte der beiden Männer. Humph biss die Zähne zusammen, zog sein Schwert und stürzte unverzüglich auf sein Gegenüber. Er hatte wohl dasselbe gedacht, denn wieder trafen sich zwei Körper in der Mitte der Straße. Mit einer Hand fegte die Gestalt das Schwert beiseite und hielt Humph plötzlich in einem festen Griff. Ein Gesicht erschien vor ihm. Er hatte noch kurz zuvor eine silberne Maske getragen, doch nun abgenommen. Arthur Messerfein blickte Humph ins Gesicht und zeigte sein furcht erregendes Grinsen.
"Ich bin dein Spiegel!", flüsterte der andere Wächter unheilschwanger, "In meinen Augen siehst du dich, wie du immer sein wolltest..." Dann zerfiel das Gesicht.
Schwitzend wachte Humph auf. Sein lautes Atmen vermischte sich mit dem Schrei eines kleinen Mädchens, das neben seinem Bett in einem eigenen kleinen Käfig gelegen hatte und sich nun aufgesetzt hatte. Schweißgebadet stand der Wächter auf und torkelte zu dem Bettchen.
"Na, Kleines", er hob das Kind heraus und sah es direkt an, "Hast du auch so schlimm geschlafen wie ich?"
"Papa...", sagte sie und boxte mit ihrer kleinen Hand auf seine Nase.
Er kicherte leise: "Ja, Papa..." Irgendwie schien Aronia immer besänftigt, wenn er sie nur hoch nahm.
"Glaub ja nicht, dass das dein Verdienst ist!", sagte eine altbekannte Stimme in Humph's Kopf, "Sie mag mich...."
"Klar, Murphy", erwiderte Humph verschlafen und legte sie wieder zurück ins Bett, "Schlaf schön weiter, Liebes, Dada ist bei dir. Und Onkel Murphy auch." Er kraulte noch einmal kurz ihren Bauch und sah ihr beim Einschlafen zu.
"Gott sei Dank schläft sie mittlerweile ganz gut", flüsterte er leise.
"Was nicht..."
"Was nicht mein Verdienst ist, ich weiß. Du wiederholst dich...", Humph ging zum Tisch und goss sich einen Kapputtschino ein. Mittlerweile hatte er immer eine Kanne in der Nähe, egal ob kalt oder heiß. Er setzte sich seufzend hin und sah brütend aus dem Fenster, das direkt über seinem Schreibtisch war.
"Du hattest wieder denselben Traum?", fragte Murphy plötzlich.
"Warum fragst du eigentlich? Du kannst doch mit sehen!", erwiderte Humph etwas ungehalten.
"Ich habe mich schon länger aus deinen Träumen zurück gezogen...", sagte der Kobold, "Das ist deine private Sache."
"Das ist ja mal was ganz Neues, das du dich darum scherst", sagte der Wächter müde.
"Also hab ich Recht?"
Der Hauptmann sah zu seiner Tochter: "Ja...", er nahm einen Schluck, "Der Kerl gefällt mir nicht."
"Das ist es nicht."
"Verschon mich, Murphy. Es ist eine logische Erklärung, also komm mir nicht mit so einem Püschogebrabbel her."
Der Kobold verstummte beleidigt.
"Tut mir leid", entfuhr es Humph nach ein paar bangen, stillen Minuten, "Ich bin nur müde."
"Wie immer...", sagte Murphy knapp.
Zehn Minuten später schlief der Wächter am Schreibtisch, die Tasse umgeworfen und mit einem großen Kaffeefleck am Boden.
Am nächsten Tag saß Humph brütend über mehreren Rekrutenakten. Der Kaputtschino stand neben ihm und köchelte noch halb.
"Du hast ihn zu heiß gemacht", sagte er, ohne aufzuschauen.
"Aaaaachjaaaaaaa? Ich mach jetzt seit wie vielen Monaten deinen Kaffee? Sieben? Acht?", ertönte es von dem Tisch auf dem der Kaputtschino-Dämon stand.
"Ein Jahr und drei Monate", erwiderte Humph gelassen und las weiter.
"FÜNFZEHN Monaten!!! Hast du dich je beschwert? NEIN! Du hast ihn genommen, getrunken und nichts gesagt. Kein Dank, NICHTS! Und jetzt ist er zu HEISS!!! Was fällt dir überhaupt ein. Warum sollte ich dir eigentlich noch deinen dämlichen Kaputtschino kochen, häää?"
"Weil es deine Aufgabe ist und du gar nichts anderes kannst", Humph schrieb etwas in die Akte.
"WAAAAAAS??? Frechheit!!! Ich KÜNDIGE!!! Koch dir doch den Schmarrn alleine!", der kleine Dämon nahm seinen Hut, einen kleinen Koffer und einen kleinen Schirm und hüpfte von der Kommode. Dann knallte die Tür.
"Er kommt wieder", murmelte Humph, "Wie immer."
Plötzlich ging die Tür wieder auf und Humph lächelte.
"Sir, Sir, wir haben ein Problem!"
Das Lächeln erstarb und Humph hob ruckartig den Kopf: "Meine Güte, lernt heutzutage NIEMAND mehr anzuklopfen???". Er funkelte die Rekrutin Harmonie böse an.
"Äh.. Entschuldigung, Sir, aber..."
"Jaja, schon gut, was ist denn...", er machte die Akte zu und warf sie auf einen großen Haufen.
"Da draußen liegt ein Mann, der sie sprechen wollte, Sir.", sagte Laiza.
"Und das ist ein Grund so einen Riesen... wie war das, er liegt?"
"Ja, Sir. Er brach plötzlich zusammen... Wir... Wir haben an seinem Hals das hier gefunden", die Rekrutin gab ihm einen kleinen Pfeil in die Hand. Er sah ihn sich an, schnupperte kurz und stieß einen kleinen Fluch aus. Dann rannte er aus dem Büro.
"Wo ist er?", fuhr er den nächsten Rekruten an, der sofort mit dem Finger von sich weg zeigte. Sogleich sah Humph in die Richtung und auf den Boden. Ein Körper lag dort, seltsam zusammen gekrümmt. Ausgestreckt musste der Mann fast 2 Meter groß gewesen sein, aber nun sah er klein und verschrumpelt aus. Der Hauptmann stürzte zu dem Mann und legte die Hände auf.
"Keine Chance", zerbrach der Kobold alle Hoffnungen, "Dieses Gift kann ich nicht heilen."
"Verdammt", entfuhr es Humph. Er sah hoch und blickte eine Rekrutin an. "Skilla, renn zu SUSI und sag ihnen in der Kröselstrasse ist jemand ermordet worden. Sie sollen ein Tiehm hier her schicken." Skilla nickte, dann rannte sie los.
"Nichts anfassen", sagte er den Rekruten ruhig, "Wird Zeit, dass wir ein paar Dinge, die wir gelernt haben, umsetzen. Kathiopeja, du und Raoul, ihr sperrt den Raum ab. Malochax und Möve gehen zum Eingang und wimmeln alle Leute ab, die sich beschweren wollen. Und wenn es Frau Willichnicht ist."
"Es ist 9 Uhr, Sir, sie war bereits da", erwiderte Möve.
"Gut! Alle anderen werden den Raum verlassen! Geht in eure Büros oder in den Gemeinschaftsraum, bis ich euch etwas anderes befehle. Und jetzt wegtreten."
Larius kam nach etwa einer halben Stunde mit einer Truppe SUSI-Wächter in der Kröselstrasse an und lösten die Rekruten ab. Weitere dreißig Minuten später trafen Pismire und Cim Bürstenkinn ein, um sofort in Humph's Büro zu verschwinden, wo dieser sich bereits mit Ras unterhielt.
"Was ist denn hier passiert?", fragte der Gerichtsmediziner.
"Setzt euch doch bitte", sagte Humph daraufhin und zeigte auf einen Stuhl. Humph selbst saß auf seinem Schäff-Sessel und Ras lehnte am Schreibtisch.
"Ich danke dir", erwiderte Pismire und setzte sich, während Cim noch stumm stehen blieb, "Also?"
Humph seufzte: "Er wurde mitten unter den Rekruten getötet. Sie haben nichts gesehen oder gehört! Ich frag die anwesenden Wächter später noch einmal aus. Das einzige was sie fanden war das." Der Hauptmann überreichte dem Mann den kleinen Pfeil.
"Ein Pfeil aus einem Blasrohr?", fragte Pismire geduldig.
"Ich nehme es an. Riech mal dran." Der Oberleutnant tat wie ihm geheißen und verzog dann die Mundwinkel.
"Ein sehr starkes Gift", sagte der Gerichtsmediziner, "Und sehr selten. Aber der Geruch ist charakteristisch. Man bekommt es nur im achatenischen Reich."
Humph nickte leicht: "Das meinte Eca auch. Sie war aber der Ansicht, die Dosis auf einem solchen Pfeil wäre viel zu klein, um so schnell zu töten."
"Das könnte durchaus sein. Aber die Todesursache kannst du ruhig mir überlassen. Die Frage ist doch: Wie konnte der Mann durch eine geschlossene Tür einen Pfeil in den Nacken bekommen? Aus diesem Winkel?"
Humph sah besorgt zu Ras.
"Du glaubst doch wohl nicht, ich wäre hierher gekommen, ohne den Tatort genau zu betrachten", fragte der Gerichtsmediziner beleidigt.
"Nein, natürlich nicht. Das Problem ist... Wir wissen es nicht. Laut den Rekruten war nur dieser Mann da... Außer den Rekruten selbst eben."
Pismire schob die Augenbrauen hoch: "Also liegt der Verdacht nahe..."
"Dass es einen Mörder unter uns gibt, ja", schloss Rascaal den Satz.
"Stillschwiegen?", fragte der Oberleutnant.
"Absolut", erwiderte Ras und blickte wieder zu Humph.
"Die Rekruten werden ganz normal arbeiten, sobald ihr die Leiche weggebracht habt. Keiner von ihnen wird mehr die Finger in diesem Fall haben. Sobald der Bericht fertig ist, schickst du am besten einen SUSI-Wächter zu mir. Einen den du vorbehaltlos vertrauen kannst..."
"Ich vertraue jedem meiner Wächter", schaltete sich Cim nun ein.
"Natürlich", erwiderte Humph entschuldigend, "Ich werde dann sofort zu dir kommen. Ich denke, wir machen das am Besten ohne Papierkram, zumindest sollte keiner zu dem schriftlichen Bericht Zugriff haben."
Der Oberleutnant nickte.
"Humph und ich werden derweil die Rekruten, die anwesend waren, noch einmal getrennt befragen.", fuhr Rascaal Ohnedurst fort, "Das IA dabei mitmischt, ist klar, es ist schließlich ein internes Problem. Vielleicht hat doch einer etwas gesehen oder gehört und will nur einen Kollegen decken..."
Humph sah finster zu dem Vampir, redete aber an Cim gewandt schließlich weiter: "Kein Rekrut wird auf Weiteres befördert. Sollte also eine Bewerbung bei dir eintreffen, ignorier sie oder vertröste den Rekruten darauf, dass er sich noch einmal bewerben soll, sobald er Gefreiter ist. Das wird jedem Abteilungsleiter nahe gelegt."
"Was sagt der Kommandeur dazu?", fragte Pismire.
"Er hat mir die Leitung der Ermittlungen übertragen", sagte Rascaal leise, aber eindringlich.
"Also nimmt er es ernst...", der Gerichtsmediziner blickte Humph ins Gesicht.
"Wer tut das nicht?", erwiderte Humph traurig.
Als die beiden SUSIs gegangen waren, sah Humph Ras besorgt an.
"Ich kann's mir nicht vorstellen", sagte er schließlich, stand auf und ging zu seinem Kapputtschino-Dämonen.
"Du hast gesagt, dass es ein undisziplinierter Haufen ist", erwiderte Ras ruhig und schwang sich auf einen Balken, der aus irgendeinem Grund in Humphs Büro angebracht worden war.
[2]"Ja...", er ließ sich seine Tasse füllen und drehte sich um, in die kochende Flüssigkeit starrend.
"Zu heiß", murmelte er und sagte dann wieder lauter, "Ja, schon, sie SIND undiszipliniert... obwohl ich mich manchmal frage, ob unsere Ausbilder damals nicht dasselbe dachten. Aber... ein Mord? Mitten in der Wache? Sie sind frech und nervtötend, aber ich halte sie nicht für dumm."
"Vielleicht überrascht dich jemand?", Ras behielt den ernsten Gesichtsausdruck und Humph überlegte kurz, ob er auf den Arm genommen wurde. Dann schüttelte der Ausbildungsleiter den Kopf.
"Vielleicht sind manche klüger als ich sie halte, aber dümmer kaum."
"Tolle Einstellung.", erwiderte der Vampir.
"Man wird so weniger leicht enttäuscht, Ras", Humph blickte wieder argwöhnisch in die Tasse, in dem die Flüssigkeit noch immer blubberte. "Zu heiß!", grummelte er laut.
Philipp, der Kapputtschino-Dämon stapfte schon beleidigt aus seinem Gehäuse, als sein mies gelaunter Blick zerrann. Rascaal sah ihn nur stumm an, dann beeilte sich der kleine Dämon wieder in die schützende Hülle seines Zuhauses.
"Er scheint dich zu mögen", sagte Humph zu Ras.
"Oh, er wird schon wissen warum...", der IA-Agent sprang wieder von dem Balken, "Kann's losgehen, Hauptmann, oder wartest du bis der Kapputtschino kalt wird."
Humph stellte übellaunig die Tasse weg und streckte sich: "Wenn's unbedingt sein muss fangen wir an Wächter zu befragen."
Pismire fiel es sofort auf und fragte sich, warum es keiner bemerkt hatte. Wahrscheinlich hatte keiner genau hingesehen. Typisch Rekruten, aber wenigstens von Humph und Ras hatte er mehr erwartet. Naja, vielleicht hatten sie einfach zu viel Stress gehabt, abgesehen davon war die Sache mit der Kompetenzverteilung in den letzten Monaten so aufgebauscht worden, dass jede Abteilung sich um die Aufgaben stritt. Und Tatort war nun einmal SUSI-Sache. Trotzdem, normalerweise war Ras' Spürsinn, ja, sein Geruchssinn - und vor allem seine Neugier - zu stark. Akribisch betastete der Oberleutnant die Wunde in der Brust und kam zu dem Schluss, dass es ein Dolch gewesen war. Er kratzte etwas getrocknetes Blut von der Wunde, öffnete ein Glasröhrchen und streute es hinein. Wie zum Teufel war es dem Mörder gelungen, dass sich kein Blut aus dieser Wunde auf den Boden ausgebreitet hatte? Pismire sah zu den Sachen, die Jack Narrator bereits fein säuberlich von der Leiche entfernt hatte und ging dann zum Tisch.
Was haben wir da?, dachte er,
Ein Mantel, ein vollkommen dreckiges Hemd, auf dem man die Blutspuren nur sah, wenn man sehr genau hinsah, eine Hose, ein kleines achatenisches Medaillon, ein Taschenmesser, ein großer, blutroter Schwamm... Moment... Der Gerichtsmediziner nahm den Schwamm zu Hand und sah ihn sich genau an. Roter Staub rieselte davon herab und Pismire hegte keine Zweifel, dass es getrocknetes Blut war. Grübelnd legte er den Schwamm wieder hin. Wieso um alles auf der Scheibe, kommt ein Mann in die Wache, mit einem großen Schwamm am Bauch, der das Blut kaum abhielt, sondern eher aufsaugte und wird dort vor Augen aller auch noch zusätzlich vergiftet? Wo war der Haken?
"Er kam durch die Tür in die Wache, Sir. Eine Hand hatte er um seinen Bauch gelegt, mit der anderen hatte er auf einen von uns gezeigt", etwas nervös rutschte Zrval auf dem Stuhl hin und her und beobachtete die Gesichter ihm gegenüber. Humph saß wie gewöhnlich hinter seinem Schreibtisch in seinem gemütlichen Sessel und starrte offensichtlich gedankenverloren in die Luft. Rascaal Ohnedurst allerdings lehnte nur am Schreibtisch und war dem Rekruten somit viel näher, was man bei dieser Person eigentlich eher nicht bevorzugte.
"Auf wen genau", fragte Ras ohne die Miene zu verziehen.
"Ich glaube Kathi, Sir... also Kathiopeja, meine ich"
"Du
glaubst?...", hakte der Vampir nach.
"Nun, es ging recht schnell, Hauptmann...."
"Ich verstehe, und weiter?"
"Er sagte: 'Bringt mich zu eurem Anführer'", zitierte der Rekrut leise.
"Ernsthaft?", fragte Humph etwas ungläubig und kam gedanklich zurück in diese Welt. 'Anführer' klang für ihn nicht nach der richtigen Bezeichnung.
"Naja, ja... er verbesserte sich dann und sagte deinen Namen, Sir."
"Aha...", der GRUND-Abteilungsleiter sah in seine Tasse.
"Wie sagte er es, Rekrut", fragte Ras, während er einen kurzen Blick auf Humph warf.
"Nun, er klang schwach, Sir", meinte Zrval.
"Und dann?"
"Kurz nach dem er Humph MeckDwarf gesagt hatte, krümmte er sich wie wahnsinnig, drückte die Hand gegen seinen Bauch und fiel so gekrümmt um.... Also es klang eher so wie 'MeckDwaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahrrffffffff PLUMPS"
"Interessante Feststellung, Rekrut", der Vampir lächelte etwas.
"Nicht wahr, Sir", erwiderte Zrval, dem das Lächeln aus irgendeinem Grund entging, "Ist mir ganz alleine eingefallen."
"Und hast du sofort mit anderen abgesprochen, nicht wahr?", Ras lächelte etwas breiter und bemerkte zufrieden, dass der Rekrut es diesmal registrierte und etwas unruhiger wurde.
"Ich versteh nicht..."
"Damit, meine ich, Rekrut Zrval", der Vampir lehnte sich etwas nach vor, um die Wirkung zu vergrößern, "dass wir diese... witzige Erklärung nun mittlerweile zum fünften Mal hören."
"Und ehrlich gesagt find ich es gar nicht so witzig, dass ein Mann mit meinen Namen auf den Lippen gestorben ist", Humph sah von seinem Kaffee auf und blickte den Rekruten müde an,
Das heißt nämlich, dass ich irgendwas damit zu tun habe, wovon ich aber genau überhaupt nichts weiß., dachte er weiter.
Der Hauptgefreite Dennis Schmied platzte gerade ins SUSI-Labor, als Pismire gerade gehen wollte. Der Bericht von Lady Rattenklein hatte bestätigt, dass es sich um dieses spezielle achatenische Gift handelte. Der Name "Schmerz" war dabei mehr als bezeichnend, denn während man starb krampfte sich der gesamte Körper völlig zusammen und sogar Wunden hörten auf zu bluten. Wie das genau funktionierte war noch nicht bekannt, aber gesehen hatte man es bereits mehrmals. Ein weiterer Punkt, warum der Boden des Wachehauses nicht mit Blut völlig versaut worden war.
"Was gibt es, Hauptgefreiter?", der Oberleutnant stoppte den Mann und blickte ihn fragend an.
Dennis salutierte locker, dann hielt er ihm etwas entgegen: "Das haben wir gerade in einer Mülltonne gefunden, als uns unsere Runde an der Kröselstrasse vorbei führte."
Pismire nahm das Päckchen an sich und schlug das Tuch auf. Ein blutiger Wurfdolch lag darin. Die Augenbrauen des Gerichtsmediziners hoben sich: "Ihr hättet SUSI rufen und die Mülltonne ansehen lassen sollen. Jetzt finden wir sicher eure Fingerabdrücke darin."
Dennis zuckte leicht zusammen und sah ihn nur entschuldigend an.
"Jaja, ich weiß, du hast nicht daran gedacht. Du kannst gehen.", der alte Mann winkte Dennis energisch hinaus und blickte dann wieder auf den Dolch. "Auch das noch...", entfuhr ihm.
Arthur blickte auf den Ring auf seinen Finger und trat leise in den Raum, wo bereits mehrere Leute in Kutten standen. Nicht, dass Art sich für Religion oder Politik großartig interessierte, im Gegenteil, ihm waren die persönlichen Aspekte des Lebens viel interessanter. Aber er wollte wissen, was diese Rohrzangen-Pümpel-Leute eigentlich wollten. Seit er diesen Ring aus dem Symphonie-Fall hatte, interessierte er sich dafür, was dahinter steckte, hoffentlich nicht...
"Willkommen, meine Mitbrüder und -schwestern!", tönte es plötzlich von vorne und Art wandte sein Gesicht hoch, während er die Kapuze etwas tiefer hineinzog.
Der Mann, der gesprochen hatte, saß auf einem Stuhl am Podest und zog gerade einer Kette, worauf ein Rauschen erfolgte. Dann stand er kurz auf, schloss den Deckel des Stuhls und setzte sich wieder. Der Mann, der um ihn herum schwirrte sprühte mit einem Zerstäuber. Nun, das erklärte zumindest den gebräuchlichen Namen "Klobund".
"Wir sind unserem Ziel beträchtlich näher gekommen!", rief der Mann darauf wieder in die Runde.
Ah, endlich geht's zur Sache, mal sehen..., Art spitzte die Ohren.
"Bald werden wir die Welt beherrschen!" Jubel erschallte.
Der Wächter musste sofort die Augen verdrehen.
Wie aufregend. Wie außergewöhnlich! Wie immer! Kann es nicht einmal etwas anders sein? Dafür war ich eine Woche nicht beim Dienst? Arthur seufzte leise und dachte weiter.
Diese Sekten wollen irgendwie immer dasselbe. Zuerst stürzen sie den Patrizier, um Ankh Morpork in die Hände zu bekommen..."Zuerst stürzen wir den Patrizier, um Ankh Morpork in die Hände zu bekommen!". Jubel.
Dann stellen sie eine riesige Armee auf und werden alle anderen Städte erobern..."Dann stellen wir eine riesige Armee zusammen und werden alle anderen Städte erobern!" Wieder Jubel.
Ihre Ordnung wird über allem anderen stehen..."Unsere Ordnung wird über allem anderen stehen!". Tosender Jubel.
Und sie werden in Wohlstand leben und alles..."Und wir werden in Wohlstand leben und alles wird uns gehören!" Der Jubel überschlug sich.
Genau. Eben das Übliche. Äußerst enttäuschend, man sollte meinen, es gäbe Leute mit neuen, frischen Ideen.
Weitere Spülungen wurden getätigt und etwas regnete von der Decke. Art hob die Hand und sein Handschuh wurde langsam rötlich. Mit gehobener Augenbraue nahm er die Hand höher und roch daran. Wein? Naja, bei den reichen Leuten können sie es sich ja leisten. Als die Leute begannen im Weinregen zu tanzen, verließ der SUSI-Ballistiker das Geschehen.
"Meckdwaaaaa..."
"aaarf. Jaja, wir wissen es, Rekrut. Mit der Zeit wird dieser Witz immer schlechter.", Humph hämmerte die Tasse auf den Tisch.
"Du kannst jetzt gehen, Rekrut Ktrask", sagte Rascaal Ohnedurst leise in einem Tonfall, von dem nur seine näheren Bekannten wussten, wie genervt der Vampir schon war. Ktrask verließ trotzdem so schnell wie möglich das Büro des Ausbildungsleiters.
Humph stand ruckartig auf und begann vor seinem Schreibtisch auf und ab zu gehen.
"Die machen sich alle einen Spaß daraus, wie dieser Typ meinen Namen ausspricht, haben aber anscheinend keinen Plan, wie es passiert ist! Geschweige denn merken sie, um was es geht!" Wütend schlug er gegen die nächste Wand. "Als wären sie mir in den letzten Monaten nicht schon genug auf die Nerven gegangen!"
Ras nahm eine Knolle aus seinem Umhang und biss herzhaft hinein. "Beruhig dich erstmal, Hauptmann. Man muss ruhig bleiben, wenn man etwas herausfinden will."
Humph sah seinen Vorgesetzten böse an: "Musst du dieses Zeug in meinem Büro mampfen?"
"Lass deine Wut lieber weiter an der Wand aus, die kann sich nicht wehren." Der Vampir biss noch einmal ab.
"Ich schaudere vor Angst.", der Ausbildungsleiter nahm das leere Gefäß vom Tisch und ging zu seinem Kapputtschino-Dämonen.
"Vorsicht, Hauptmann. Ich bin noch immer dein Vorgesetzter, auch wenn du drei Sterne hast."
Humph winkte nur ab und klopfte an die Maschine, während er seine Tasse hineinsetzte. Ein oder zwei Minuten vergingen, in dem nur das Schmatzen das Vampirs und die Geräusche eines kochenden Dämons zu hören waren, dann nahm er sie wieder an sich und drehte sich um.
"Weißt du, ich glaube, ich brauche Urlaub von GRUND. Diese Rekruten tanzen einem ständig auf der Nase rum, ich will endlich wieder
richtige Wächter um mich herum haben. Die hier haben nicht einmal Ahnung, wie man das eigentlich ausspricht."
Ras setzte gerade zu einer Antwort an, als es an der Tür klopfte. Ein kurzer Blickwechsel erfolgte, dann sagte Humph laut "Herein".
Die Tür schwang auf und Pismire trat ein. Leise schloss er wieder die Tür und setzte sich ungefragt auf den nächsten Stuhl.
"Brauchst du vielleicht noch Strickzeug? Wenigstens hast du geklopft...", ätzte Humph, wurde aber dann von Ohnedurst mit einem Blick zum Schweigen gebracht.
"Ich sehe schon, der Hauptmann hat äußerst gute Laune", sagte Pismire ruhig, "Ich habe interessante Neuigkeiten."
Humph ließ sich kraftlos auf seinen Sessel fallen und Ras meinte: "Lass hören."
Ecatherina Erschreckja hatte die Vorkommnisse ihres letzten Falls noch immer nicht verdaut. Sie war nach fast einem halben Jahr wieder in der Wache aufgetaucht. Niemand wusste, woher sie kam, was sie gemacht hatte und vor allem warum sie weg gewesen war. Es reichte aber, dass sie es wusste. DOG hatte sie als Gildenexperten für Bruderschaften aufgenommen, nachdem sie kurz vorher schon Abteilungsleiterin gewesen war. Und genau dafür arbeitete Eca gerade:
"Schlussendlich muss man sagen, dass der Klobund wieder nur eine dieser Bruderschaften ist, die erfolglos versuchen, den Patrizier zu stürzen. Ein paar ältliche Reiche geführt von drei jungen Männern, die sich an eben diesen bereichern. Gefährlichkeitsgrad somit: 1 von 10." Sie kritzelte noch ihre Unterschrift darunter und lehnte sich dann Augen reibend zurück. Die Wache-Arbeit ermüdete sie immer mehr, es war nicht mehr das richtige Gefühl dabei. Zuviel war passiert, zu sehr waren ihre Gedanken bei den letzten Monaten. Sie seufzte resigniert, dann stand sie auf und ging zu ihrem Schrank. Eca hatte beim Abteilungsleiter angesucht, den Papierkram daheim erledigen zu dürfen. Aufgrund eines Püschoprofils von Bregs wurde ihr dies gewährt. Der Halbvampir hatte kein Problem gehabt, ihr dabei zu helfen. Vor dem Schrank stehend, griff sie zu ihrem Amulett, das sie immer trug und sah es sich prüfend an. Der rote Rand schien ausgebleicht, als wäre die sonst leuchtende Farbe plötzlich erloschen.
Humph sollte es wissen, dachte sie nicht zum ersten Mal,
Ich hätte es ihm sagen sollen. Warum habe ich bloß solche Angst davor... Betrübt ließ sie die Kette fallen und berührte den Knauf, um den Schrank zu öffnen, als sie plötzlich ein leichtes Minze-Aroma vernahm. Sie schreckte leicht von der Schnalle zurück und blickte alarmiert den Türflügel an. Der Schrank war ein Spalt weit offen. Warum hatte sie das nicht bemerkt, als sie heim gekommen war? Sie hatte sofort ihre Sachen auf den Tisch geknallt, sich hingesetzt und angefangen zu arbeiten. Automatisiert, als wäre es etwas, was sie Jahre lang gemacht hatte, keinen Gedanken auf irgendetwas Anderes verschwendet. Sie fluchte leise und schalt sich. Sie war Wächterin, verdammt, ihr sollte es langsam im Blut sein auf Einzelheiten zu achten. Aber ihre Gedanken waren woanders gewesen. Weit weg. Sie zwang sich zur Ruhe und sah sich ruhig um. Ihre Gedanken überschlugen sich derweil. Wenn wirklich jemand im Schrank steckte, musste er ihr Zögern doch bemerkt haben. Es sei denn, er konnte nicht durch den Spalt sehen. In dem Fall war sie im Vorteil. Leise machte sie zwei Schritte nach rechts und griff nach Schürhaken, der neben dem kleinen Kamin gelehnt war. Noch einmal atmete sie stumm durch, dann wandte sie sich wieder dem Schrank zu. Mit dem Haken in der einen Hand bewegte sie sich wieder näher zu dem Kasten und tastete nach dem Knauf. Sie leckte sich kurz über die Lippen, dann zog sie fest an und bemerkte im gleichen Moment ihren Fehler. Es klickte mehrmals und etwas traf sie in den Hals genau über dem Amulett. Vor Schreck schlug sie mit dem Haken zu und traf nur auf Holz. Sie brauchte einige Sekunden, um sich zu beruhigen, dann befühlte sie ihren Hals, aus dem etwas ragte. Eca schloss die Augen, zählte bis drei und stellte sich auf einen kurzen Schmerz ein, dann zog sie etwas heraus. Sie führte es sich zu den Augen und erkannte im Kerzenlicht einen kleinen Pfeil mit gelben Federchen. Mit übler Vorahnung roch sie daran. Das Aroma, das sie schon vorhin schwach bemerkt hatte stach in ihre Nase. In ihrem Kopf spulte sie eine Liste von Gerüchen und den dazu gehörigen Giften ab, aber dies hier war ihr völlig unbekannt. Etwas müde begann Ecatherina, ihr Zimmer abzusuchen. Wer auch immer hier gewesen war, er hatte keine Spuren hinterlassen. Währenddessen wurden ihre Gedanken immer trübsinniger, ihre Gedanken immer träger. Die Müdigkeit beschlich sie immer mehr. Kurz überlegte sie, ob sie nach SUSI schicken sollte, aber sie entschied sich dagegen. Schlagartig wurde ihr klar, was mit ihr passierte. Dies war keine einfache Mattigkeit, es war eine bleierne, bedrückende Trägheit. Unsicher, ob das, was sie langsam zu töten schien, leicht erkennbar war, schlurfte sie zum Schreibtisch, nahm ein Bild und kritzelte etwas auf die Rückseite. Dann stand sie behäbig auf und schleppte sich zum Bett, in das sie sich legte und die Finsternis empfing,
Erschöpft ließ Humph sich in seinen Liegesessel fallen. Der Tag war hart gewesen und eigentlich waren sie keinen Schritt weiter gekommen. Die Erkenntnisse von Pis waren nicht hilfreich gewesen, im Gegenteil. Er schnappte sich die Akten und blätterte zur neuen Akte. Der gefundene Dolch war die Tatwaffe, dessen waren sie sich mittlerweile sicher. Schockiert hatten sie zur Kenntnis nehmen müssen, dass der Besitzer Arthur Messerfein hieß. Keine Fingerabdrücke. Er blätterte weiter zur Akte "Messerfein". Gefreiter, SUSI-Ballistiker in Ausbildung. Und seit einer Woche nicht mehr zum Dienst erschienen. Keine guten Karten, würde man beim Drachenpoker sagen. Doch Humph war sich unsicher. Dass er Arthur nicht traute, war eine Sache. Aber er vertraute auf die Intelligenz des SUSI-Mitglieds. Er hatte sich in seiner Dienstzeit zwar keine Freunde gemacht, aber er hatte den Eindruck hinterlassen ein schlaues Kerlchen zu sein. Diese Ansicht teilte Humph aus seinen Beobachtungen heraus. Als GRUND-Chef hatte man doch ein beträchtliches Pensum an Zeit und der Hauptmann hatte sich eben damit beschäftigt, Leute zu beobachten. Und Arthur Messerfein war seit seinen Träumen sein Lieblingsobjekt gewesen. Dieser Mann war wirklich kein vertrauungswürdiger Kerl gewesen, aber das hier trug nicht seine Handschrift. Nichtsdestotrotz waren die Wächter nun auf der Suche nach ihm. Humph warf die Akte von sich und stand auf, um zu seinem Schreibtisch zu gehen. Die Schublade ließ sich leicht quietschend öffnen, und er holte mehrere Aktenfolder heraus. Schnaufend ließ er sich wieder in seinen Sessel fallen und blätterte lustlos darin. Über ein Jahr beobachtete er ihn mittlerweile. Er erinnerte sich noch gut daran, wie es begonnen hatte. Im Hofbeeten-Fall hatte es zu viele Tote gegeben, die alle auf das Konto des Gefreiten gegangen waren. Alle waren als Notwehr eingestuft worden, doch das hatte weder Rascaal noch Humph daran gehindert, hinter die Fassade zu blicken. Es ging nicht um die Umstände der Tode, die Einstellung des Wächters war dabei interessant geworden. Anfangs hatte Humph Arthur Messerfein sozusagen für IA beobachtet. Aber immer mehr war es zum persönlichen Interesse geworden. In den regelmäßigen Berichten für Ras hatte er immer mehr Details verschwiegen, die aus Humph's Sicht für IA kaum interessant wären. Dafür war er immer tiefer in Art's Leben eingetaucht. Und erst vor Tagen war ihm ein Durchbruch gelungen, als er bei einem "Besuch" in Messerfeins Wohnwagen dessen Tagebuch entdeckt hatte. Und spätestens jetzt da Arthur Verdächtiger in diesem Mordfall war, konnte Humph kaum erwarten, bis Bregs endlich mit dem Püschobericht über den früheren Zirkusartisten fertig bekam. Der stellvertretende FROG-Abteilungsleiter hatte sich auf persönlicher Bitte Humph's dazu bereit erklärt es auch geheim zu halten. Der Ausspruch "Einmal FROG - Immer FROG" galt eben noch immer, so sahen es auch die "frischeren" unter ihnen. Müde las er sich durch seine Notizen und betrachtete die dazugehörigen Ikonographien, bis er in einen dumpfen Schlaf fiel.
Nebel waberte um seine Beine, als er durch die Schatten schritt. Er war wieder hinter ihm her. Der Jäger der Nacht, der dem Phantom des Tages folgte. Der Mann mit der silbernen Maske. Halb lachend, halb trauernd. Humph beschleunigte seine Schritte. Es war keine Zeit zu trödeln. Ein Schemen bog vor ihm um eine Ecke und er begann zu laufen. Er folgte ihm mehrere Strassen und stellte befriedigt fest, dass sich der Kerl selbst in eine Sackgasse manövrierte. Ein zufriedenes Lächeln zog sich über sein Gesicht, als er in die Falle eintrat. Mit einem Mal ging ihm die Luft aus und er wurde zu Boden geschleudert. Er versuchte aufzustehen, aber etwas Schweres hatte sich auf ihm nieder gelassen und die Maske starrte ihn an. Sie schimmerte im Mondlicht. Ganz dem menschlichen Gesicht nachgezeichnet - lachend auf der rechten Seite, traurig verzerrt die linke - schien sie ihn zu verhöhnen. Er wehrte sich, aber der Mann über ihn hielt ihn so fest, dass er nicht mehr als Verrenkungen schaffte.
"Das büßt du mir, Messerfein", stießer zwischen den Zähnen hervor, dann traf ihn die Maske im Gesicht und er stürzte ins Nichts.
Hauptmann Daemon blickte Humph mit einem eigenartigen Blick entgegen, wodurch sich das mulmige Gefühl in dessen Magen vergrößerte. Er hatte verschlafen, auch wenn sein Schlaf unruhig gewesen war, aber irgendwie wollten die Träume ihn nicht loslassen. Jedes Mal, wenn er aufgewacht war, hatte er sich nur umgedreht, um die Träume weiter fassen zu können. Erst als seine Tür barst, war er aufgewacht und hatte schockiert einem Troll entgegen geblickt, der augenblicklich zu salutieren versuchte. Das Schreien Aronias, die ebenfalls durch den Lärm geweckt worden war, ließ ihn unsicher sein, ob er nicht doch noch einen Albtraum hatte. Bis der Troll das Wort an ihn richtete: "Hauptmann Daemon wollen dich sehen, er seien bei Frau Kuchens Haus." Er hatte sich bereits angezogen und Aronia genügend beruhigt, als ihm auffiel, wohin er gehen sollte. Und nun stand er vor Daemon, grüßte ihn etwas beunruhigt und sah, wie mehrere Tatortwächter herumwuselten.
"Was... bei Io...", er sah den Hauptmann fragend an, dann kam seine Sprache wieder: "Wo ist sie?"
Daemon verzog leicht das Gesicht, bevor er leise antwortete.
"In ihrem Bett. Du weißt ja, wo es ist. Du solltest vielleicht..."
Aber Humph war bereits an ihm vorbei gegangen und stieg die Stufen hinab, um in das Zimmer seiner Schwester zu gelangen. Er ging zum Bett und blickte bestürzt auf das bleiche Gesicht Ecatherina Erschreckjas.
"Wo ist er hin?", fragte Rascaal, während er Eca genau betrachtete.
"Keine Ahnung, er war kurz hier herinnen, dann ist er wieder an mir vorbei gestürmt ohne ein Wort zu sagen. Ich habe ihn nicht aufgehalten, ich dachte, es wäre am Besten so."
Der Vampir nickte unmerklich: "Ihr Blut zirkuliert noch und sie atmet leicht."
"Ja, Jack war auch hier und versuchte sie durch verschiedenste... Mittelchen zu wecken. Aber bisher hat sie auf nichts reagiert."
Ras beugte sich tief zu seiner Kollegin und flüsterte in ihr Ohr: "Aufwachen, FROG." Keine Reaktion. Eine seiner Augenbrauen zuckte hoch, dann blickte er zu Daemon. Dieser hob und senkte nur die Schultern.
"Nun gut", Ras ließ von ihr ab und sah zu Charlie Holm, "Bringt sie zu Pis."
Dann sah sich der Vampir um. Zum ersten Mal seit er ankam nahm er auch den Raum war. Das war höchst ungewöhnlich für ihn. Das Zimmer Ecatherinas sah normal aus. Keine Spuren eines Kampfes oder eines gewaltvollen Eindringens. Die Tür zum Schrank war offen, davor stand Hegelkant, der für Sillybos irgendetwas untersuchte. Der Philosoph selbst betrachtete den Schreibtisch der DOG-Expertin.
"Was habt ihr gefunden?", fragte Rascaal nun.
Hegelkant richtete sich auf und sah zu Sillybos, der ihn kurz zu nickte. Dann sprach der Sklave: "Im Schrank war ein Mechanismus mit einer kleinen Armbrust, in dem wahrscheinlich der kleine Giftpfeil eingelegt war. Sobald man die Tür öffnet, ziehen sich die Schnüre so zusammen, dass der Abzug betätigt wird. Der Spalt in der Tür ist dabei gerade so groß, dass der Pfeil die davor stehende Person trifft."
"Sehr ungeschickt, Eca", murmelte Ras.
"Den Pfeil hat der Spieß anscheinend hinausgezogen und auf ihren Schreibtisch gelegt", fuhr Sillybos fort und deutete darauf, "und sie hat etwas hinterlassen."
Ras horchte auf und hob die Augenbrauen. Der Spurensicherer hob ein Bild hoch und gab dem Vampir einen Handschuh. Der Hauptmann zog ihn sich an und nahm das Papier entgegen. Zwei Männer waren ikonographiert, beide lächelten in Richtung des Ikonographen-Dämons. Sie hatten eigenartig geschnittene schwarze Kleidung an, eine enge Kapuze war über ihren Köpfen gezogen. Sie umarmten einander und hoben mit der anderen Hand den Daumen. Rascaal hob wieder eine Augenbraue.
"Kennen Sie die Beiden, Sir?", fragte der Philosoph neugierig, "Einer davon scheint Hauptmann MeckDwarf täuschend ähnlich zu sehen"
"Allerdings", sagte der Vampir leise. Er drehte die Ikonographie um und las, in Ecas Handschrift:
Bruder Er sah scharf hoch zu Daemon: "Hat Humph das gesehen?"
Hegelkant antwortete stattdessen: "Nein, der Hauptmann sah sich den Spieß Erschreckja kurz an, drehte sich um und verschwand wieder."
Kapitel 2Doktor Holzkopf sah verzweifelt zu, wie sich ein einziger Mann mit vier verschiedenen Stimmen stritt. Er hatte schon Jahre lang versucht Nathanael von seiner weiblichen Seite zu befreien. Stattdessen hatten sich vor zwei Jahren zwei weitere Verrückte in ihm eingenistet.
[3] Anfangs hatten Anthony Perkins und die Mutter der Wasserspeierin der Wache hervorragend verstanden. Aber seit kurzem begannen sie immer häufiger zu streiten. Verständlich, wenn man bedachte, dass sie wirklich Tag und Nacht aneinander klebten, dachte er. Und hier war das wörtlich zu verstehen. Er hatte es versucht mit Logik zu verstehen, aber es war ihm vollkommen unverständlich wie die Beiden von einem Körper in den anderen wechseln hatte können. Schlimmer, er konnte nicht daran glauben, dass es
wirklich Leute in Köpfen anderen existierte. Sogar Namen hatte er ihnen schon gegeben. Naja, Spitznamen, nicht sehr Schmeichelhafte. Der eigentliche Nathanael war der Stille, da er kaum noch hervor trat. Dann war da noch die Diva, die Dame, die der Mann seit seiner Kindheit mit sich trug. Die Mutter der Wächterin war die Nervensäge. Nicht nett, aber die Wahrheit. Und Perkins - nun Perkins war der Dominante. Er war am öftesten am Zug, wenn auch nur wenig seltener als die Nervende. Und es musste immer alles nach seinem Kopf geschehen. Aber egal, ob es nun Wahnvorstellungen waren oder "echte" Leute, sie mussten aus diesem Kopf raus. Er nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. So konnte es einfach nicht weiter gehen. Er fühlte, wie er selbst immer mehr wahnsinnig wurde. Das Sanatorium war nichts mehr von ihm. Er genoss die Stille im Raum, bevor er sie eigentlich realisierte. Irritiert öffnete er die Augen und sah wie der Mann ihn angrinste.
"Müde, Doktor? Vielleicht sollten sie Urlaub nehmen.", der Dominante hatte also wieder übernommen.
"Mister Perkins. Fertig mit dem Streit?", der Püschiater nahm seinen Block wieder zu Hand und setzte die Brille auf, "Worüber wollen wir reden."
Der Irre stand ruckartig auf: "Über gar nichts, Dok. Ich denke, die Sitzung ist beendet."
"Hier bestimme immer noch ich..."
"...wann die Sitzung zu Ende ist? Das denke ich nicht.", der Irre blickte ihn noch einmal nachdenklich an, "Sie sollten sich wirklich Ruhe gönnen, das hier ist nichts mehr für sie." Dann verließ er das Zimmer.
Anthony beschleunigte seine Schritte und steuerte auf sein Zimmer zu - nein, Nathanael's Zimmer, er konnte sich nicht damit anfreunden, dass er im Körper eines Verrückten steckte. Er wusste nicht, warum er gegangen war, aber er hatte den Wink des Vampirheinis am Fenster verstanden. Auch, dass dieser in Eile war, war ihm sofort klar geworden. Mit einer Drehung weichte er dem so genannten Katzenmann aus, der sich mit Vorliebe an seinen Beinen rieb, winkte vor Quasimodro ab und verschwand die Tür knallend in seinem Zimmer. Die Gestalt stand mit dem Rücken zu ihm und schloss gerade leise das Fenster.
"Womit kann ich dienen, Hauptmann?", fragte Anthony halb amüsiert.
Rascaal drehte sich zu dem Irren um. "Nun, Toni, lustig da drin?"
Anthony verdrehte die Augen: "Sie ist ja ne gute Frau, aber sie eine Ewigkeit auszuhalten ist mehr als ein normaler Mann aushalten kann." Er zog eine Grimasse, als wollte er etwas sagen, aber dann beherrschte er sich.
"Normal kann man dich nicht nennen. Wie ich sehe, beherrschst du die anderen?"
Der Irre zuckte mit den Schultern: "Übung. Aber du kommst doch sicher nicht zum Kaffee-Klatsch."
Ras Zähne blitzten leicht auf, dann holte er etwas aus seiner Brusttasche und händigte es dem Mann aus: "Du hast uns da etwas verschwiegen."
Anthony blickte sich das Foto kurz an. Seine Stirn legte sich in Falten, er sah plötzlich besorgt aus.
"Lange her", murmelte er. Rascaal verzog keine Miene und blickte ihn weiter an.
"Es gibt eine Schule für Mörder im achatenischen Reich", führte Anthony weiter aus.
"Yakuzza?"
"Nein, nein, die machen alles. Eher so etwas wie die Assassinen-Gilde hier."
"Und du warst Schüler?", der Vampir setzte sich in den Stuhl des Arztes ohne den Blick von dem Irren zu nehmen. Anthony nickte.
"Zur selben Zeit wie Chun Tei, der Typ auf dem Foto."
"Der Yakuzza-Boss hier in der Stadt."
[4]Anthony nickte anerkennend: "Dir kann man wohl nichts verheimlichen, was?"
Der Vampir zuckte mit den Schultern.
"Wie auch immer, er ist kein freundlicher Zeitgenosse, zumindest seit...", er stockte.
"Nun?"
"Seit dem Missgeschick mit seiner Frau. Ein Auftrag von mir."
"Das erklärt einiges.", Rascaal stand auf.
"Was erklärt es? Warum fragst du danach?"
Der Hauptmann hielt kurz inne, dann sah er dem Irren ins Gesicht: "Dieser Mann hat wahrscheinlich deine Tochter auf dem Gewissen. Und deinen Sohn scheint er sich auch vorknöpfen zu wollen."
Arthur Messerfein drückte sich fest an die Wand, um im Dunkeln zu bleiben. Er hörte den beiden Wächtern zu, als sie an ihm vorbei stürmten. Aus irgendeinem Grund hatte die Wache begonnen ihn zu suchen. Mord, MeckDwarf und GRUND hatte er aufgeschnappt, er hatte aber keine Ahnung, was das alles mit ihm zu tun haben sollte. Er wartete kurz, bevor er sich wieder hervor traute, dann rannte er zur nächsten Deckung. Er hatte nur Glück gehabt, dass sie ihn nicht erwischt hatten, als die SEALS vor seinem Wagen aufgetaucht waren. Er war gerade noch aus der kleinen Luke am Dach ausgestiegen, als sie den Wagen umstellten, in den nächsten Garten gesprungen und so schnell wie möglich gerannt. Zwei von ihnen hatten die Verfolgung aufgenommen. Die Zwei, die er gerade losgeworden war. Vorerst. Bürstenkinn war schlau genug bald zu merken, dass Arthur abgebogen war, das wusste er zu gut. Er hatte es sich als SUSI-Abteilungsleiter wohl nicht nehmen lassen dabei zu sein, wenn es um die Verhaftung eines seiner Untergebenen ging. So tickte der Feldwebel, da war sich Arthur mittlerweile sicher. Das war am frühen Nachmittag gewesen. Bereits da hatte es zu regnen begonnen, jetzt war es knapp vor Sonnenuntergang und der Regen war stärker geworden. Der Ballistiker huschte um mehrere Pfützen herum in die nächste Seitengasse und sah sich ruhig um. Ruhe war wichtig in solchen Situationen. Was konnte er jetzt machen? Er könnte sich stellen, denn wirklich gemacht hatte er nichts. Dazu hatte er aber absolut keine Lust, schon gar nicht auf das hämische Grinsen Bürstenkinns und ebenfalls nicht auf das Verhör bei IA. Die Stadt verlassen? Dafür war er zu neugierig, worum es ging. Also die übliche Prozedur: Aufpassen und selbst ermitteln.
Pismire sah vom Körper Ecatherina Erschreckja's auf und blickte dem IA-Agenten direkt in die Augen. Der alte Wächter zuckte nicht zurück, aber verzog missbilligend das Gesicht.
"Klopfen ist bei euch Jungen aus der Mode, hm?", der Oberleutnant ging zu seinem Schreibtisch und setzte sich, "Hättet ihr mich nicht warnen können?". Er sah zu den zwei RUM-Wächtern, die den Spezialauftrag bekommen hatten, sich um diesen Mord zu kümmern. Rina zuckte mit ausdruckslosem Gesicht die Schultern, während Pyronekdan sich an einem scheuen Lächeln versuchte. Auch der RUM-Abteilungsleiterin lag der Fall Eca schwer im Magen.
Rascaal setzte ein leichtes Grinsen auf: "Und?"
Pis schüttelte den Kopf: "Es ist definitiv ein Gift, ich schätze, das überrascht dich nicht. Allerdings..."
"Ja?"
"Es ist kein mir bekanntes. Geruchlos, farblos, scheint das Gehirn sozusagen auf Spar-Modus zu schalten."
"Also stirbt sie nicht daran?", fragte Rina mit belegter Stimme.
Der Oberleutnant kratzte sich am Kopf, dann erwiderte er: "Nicht am Gift. Aber sie kann keine Nahrung aufnehmen, also wird sie höchstwahrscheinlich daran sterben."
"Und es gibt kein Gegengift?", Ras kannte die Antwort bereits, fragte aber dennoch.
"Wie denn? Wenn wir nicht einmal das Gift kennen!", Pismire blickte zweifelnd zu Ecas Körper, "Lady Rattenklein sitzt im Labor und analühsiert das Zeug. Dann müsste sie eine Menge Tests mit bekannten Gegengiften durchführen, und so weiter, und so weiter. So eine Prozedur kann auch Jahre dauern. Und so lange haben wir nicht."
"Außer sie würde jahrelang keine Nahrung brauchen.", erwiderte Ras leise, dann sah auch er zu dem Körper.
"Es tut mir Leid, Eca. Aber du weißt, dass diese Möglichkeit gegen meine Prinzipien ist", murmelte er.
Arthur drückte vorsichtig das Fenster zu Cims Büro auf und schlüpfte hinein. Wenn Cim da draußen herum rannte, um ihn zu suchen, dann war er sicher noch länger unterwegs. Der Ballistiker setzte sich an den Schreibtisch und blickte kurz über die Oberfläche. Recht ordentlich, der Herr Abteilungsleiter. Alle Akten auf einem Stapel,
Nicht erledigt. Art machte sich an die Arbeit, den Schreibtisch zu durchsuchen, wobei er die Ordnung nicht mehr beachtete. Cim würde so und so merken, dass jemand hier gewesen war, also wozu die Mühe machen. Die oberste Lade war verschlossen. Grummelnd überlegte der Gefreite und sah sich um. Wo würde dieser Mann wohl einen Schlüssel verstecken? Zu kompliziert, soviel Zeit hatte Art auch wieder nicht. Wozu war er ein Zombie mit solcher Kraft? Er riss fest an der Lade an und das Holz brach. Er hatte sich wohl etwas unterschätzt, denn dadurch, dass die Schublade so schnell nachgegeben hatte, konnte er den Schwung nicht mehr aufhalten und rutschte vom Sessel. Mit einem Krachen landeten er inklusive der Lade und deren Inhalt auf den Boden. Art gab ein keuchendes "Uff" von sich, dann fluchte er leise. Kurzzeitig lauschte er, ob sich jemand zum Büro begab, dann durchsuchte er das Behältnis und wurde fündig. Das war wohl die Höhe! Jemand wollte
ihm einen Mord anhängen? Warum gerade ihm, um Io's Willen? Er hob das Beweisstück A, einen seiner Dolche, in Augenhöhe und betrachtete ihn. Ihm war gar nicht aufgefallen, dass einer gefehlt hatte, aber er war auch in letzter Zeit viel zu selten in seinem Wagen gewesen und das war einer seiner Ersatzdolche. Einer der schlechter austarierten. Er wog ihn in der Hand. Arthur übte gerne mit solchen Dolchen, man musste immer davon ausgehen, dass man nicht überall perfekte Dolche bekam und es abschätzen können, wie man mit einem schlechten wirft. Ein Geräusch von draußen ließ ihn aufhorchen. Er sprang auf, steckte den Dolch ein und hüpfte gerade noch rechtzeitig aus dem Fenster, als die Tür aufschwang. Dann rannte er los.
Rascaal Ohnedurst klopfte gar nicht erst, als er vor Humph's Tür stand, sondern öffnete sie sofort. Wie erwartet war niemand zu sehen, der Raum war völlig verwüstet, eine schön verzierte Schatulle lag halboffen am Boden, Ikonographien und Notizen waren ebenfalls dort verstreut. Er hob einen Notizzettel auf und sah sich die dahin geschmierte Skizze an. Es zeigte entfernt eine Maske, die offensichtlich gleichzeitig zwei gegensätzliche Emotionen zeigte. 'Wer bist du?' war darunter gekritzelt worden, und unter diesen Worten eingekreist 'Arthur Messerfein'. Mit gehobener Augenbraue sah sich Ras um. Alle Ikonographien zeigten den Gefreiten Messerfein.
"Hast du da nicht etwas übertrieben?", flüsterte er zu sich selbst
Der Hauptmann blickte zum Bettchen von Aronia. Auch sie war also nicht hier. Ob Humph sie wohl in Sicherheit gebracht hat? Auf jeden Fall hatte hier jemand etwas wie besessen gesucht. Ras hatte einen Verdacht, wer das gewesen war, hoffte aber inständig dass er im Unrecht war. Dann stach dem IA-Agenten etwas ins Auge, was seine Hoffnung in Luft auflöste.
Warum ist er mir nicht nach gerannt?, schoss es Art durch den Kopf,
Ich bin mir sicher, dass er mich gesehen hat, was hat ihn aufgehalten. Er kam in einer kleinen Seitengasse zum Halten und überlegte. Irgendwie machte das keinen Sinn, dass Bürstenkinn ihn erst mit einem SEALS-Trupp verfolgte und jetzt, wo er so nah dran gewesen war, seelenruhig in seinem Büro blieb. Überhaupt machte das alles keinen Sinn. Ein quasi doppelt ermordeter Kerl bei GRUND, dessen einzige Spur zu ihm, Art, führte. Wozu wurde er zusätzlich vergiftet, es reichte doch schon, dass er fast ausgeblutet gewesen war. Arthur lehnte sich an die Hauswand. Und der Schwamm? Das war doch Unsinn. Was steckte da dahinter? Und was hatte er damit zu tun?
Cim sah sich grimmig den Schlamassel in seinem Büro an. Akten lagen am Boden, Beweise waren verstreut und ein kleiner Teil des Fensters war zerbrochen. Natürlich wollte keiner der Wächter etwas gehört haben. Wahrscheinlich hatten sie es nur für unwichtig befunden und waren zu faul gewesen nach zu sehen. Das war zumindest seine Mutmaßung. Er ging um den Schreibtisch herum und sah sich die Lade an. Dann begann er notdürftig zusammen zu räumen. "Den Schreibtisch bezahlst du mir, Gefreiter", murmelte er, "Da kannst du noch so unschuldig sein."
Es klopfte gerade an der Tür, als Conzuela's Tochter Mercedes das kleine Mädchen schlafen legte. Sie ging müde wankend zur Tür und schrak zurück, als die Tür offen war.
"Was..."
"Hauptmann Ohnedurst, Fräulein, von der Ankh Morpork Stadtwache."
"Äh, Mutter?", rief die junge Frau, während sie langsam zurück trat und den Wächter durch die Tür ließ.
"Ich nehme das als Einladung einzutreten an.", sagte Ras. Mercedes nickte und er trat ein. Eine alte Frau kam die Stufen herab, sie hatte einen alten Morganmantel an und kaute stetig. Als sie Rascaal sah, verfinsterten sich ihre Züge und sie schickte ihre Tochter mit einer Kopfbewegung nach oben.
"Was wollen Sie, Hauptmann?", fragte sie schmatzend und verschränkte die Arme.
"Ich suche Hauptmann MeckDwarf, sie sind doch seine Amme, nicht wahr?"
Sie ließ einen schnaubenden Laut aus, dann nickte sie. Ras bemerkte einen äußerst wütenden Blick: "Keine Ahnung, wo er hin ist. Er kam vor ein paar Stunden hier an, mit seiner Kleinen und stellte sie bei uns ab. Dann verschwand er wieder, dieser verantwortungslose Bursche. Keine Ahnung, was sie sich gedacht hatte, als sie sich von ihm schwängern ließ. Das arme Mädchen. Und die arme Kleine!"
Ras hob die Augenbrauen ein wenig an. Er hatte gewusst, dass die Amme Humph nicht sonderlich mochte, aber so wütend hatte er sie nicht erwartet.
"Und Sie wissen sicher nicht, wohin?"
"Nein, dieser Idiot haute sofort ab, keine Ahnung in welche Richtung, ich hab mich um das Kind gekümmert!"
"Er ist auf der Suche nach ihm.", Ras drehte sich nach der kleinen Stimme um und sah Aronia an. Conzuela blickte das Kind mit offenem Mund an.
"Aber... sie kann doch nicht einmal..."
"Ich will mit dem Mädchen alleine reden", unterbrach der Hauptmann sie und bevor sie etwas entgegnen konnte, hob er das Kind hoch und verschwand in ihrem Schlafzimmer.
Er betrachtete Aronia genau: Sie war noch immer das kleine, etwa zweijährige Mädchen, doch ihr Gesicht blickte ihn ernst an. Die Arme waren in die Hüfte gestemmt, sodass ihr Nachthemdstraff an ihren Schultern hing. Doch das Wichtigste, das Ras sah war das kleine Amulett um ihren Hals, mit dem blauen Rand und einem schemenhaften blauen Kobold innerhalb des Kreises.
"Du hast verdammt lange hierher gebraucht, Hauptmann.", sprach das Mädchen.
"So spricht kein junges Mädchen, Murphy. Beschmutze ihre Lippen nicht damit."
Das Mädchen zuckte mit den Schultern.
"Also hat er dich weiter gegeben", fragte der Vampir, während er sich neben Aronia setzte.
"Allerdings. Und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem er mich am meisten brauchen konnte. Aber Herr Schlau meinte, das Mädchen wäre mehr in Gefahr. Ich frage mich, warum er sie dann hierher zu der Schreckschraube bringt. Eine wirkliche Hilfe ist sie nicht, sie könnte Feinde höchstens effektiv beleidigen.", das Mädchen verzog das Gesicht.
"Humph weiß, was er tut.", meinte Ras.
"Nein, weiß er nicht, das ist ja das Schlimme!", die Kleine sprang auf.
"Wen sucht er?", fragte der Vampir.
"Messerfein, sich selbst, wer weiß das schon so genau.", Aronia legte den Kopf schief, "Aber ich bezweifle, dass ich dir da etwas Neues erzähle. Warum bist du dann hier?"
Ras schüttelte leicht den Kopf: "Nein, ich wollte nur wissen, ob es der Kleinen gut geht. Humph kann auf sich selbst aufpassen, Aronia nicht. Aber dafür scheint ja gesorgt zu sein." Er stand auf.
Das Mädchen nickte: "Aber ich bin mir nicht sicher, ob er wirklich auf sich selbst aufpassen kann. In letzter Zeit war er ziemlich aufgerührt und als Eca... nun, da ist irgendetwas eingerastet, glaube ich. Er ist ins Haus gestürmt, hat seine Waffen eingesteckt und mich und Aronia hier her gebracht. Kein einziges Wort hat er verloren, als er ging, egal was ich oder die Kleine zu ihm sagten, den gesamten Weg hat er geschwiegen. Er sucht den Mörder und hat sich sein Opfer dafür bereits gefunden."
"Das falsche Opfer", meinte Rascaal.
"Das dachte er auch, vor heute morgen. Dann lag sie tot vor ihm und ihm war egal, wer dafür büßen muss."
"Warum Messerfein?"
Das Mädchen zuckte wieder mit den Schultern: "Das hab ich bisher auch noch nicht so ganz verstanden. Seit er ihn für dich ausspioniert"
"Beobachtet"
"Von mir aus... beobachtet hat, hat ihn der Kerl immer mehr fasziniert. Er hat sogar sein Tagebuch geklaut und lässt es jetzt von Bregs analysieren. Er hat sich zumindest vollkommen in diese Sache reingesteigert."
"Das erklärt einiges", Ohnedurst nickte, "Bring jetzt die Kleine ins Bett, ich kümmere mich um den Hauptmann."
Verärgert schnaufte das Mädchen.
"Und jetzt ab!", sagte der Vampir in einem Ton, den sich nicht einmal der Kobold zu entgegnen traute.
Arthur huschte schnell zu seinen Wagen, bevor der Wächter, der vor der Vordertür postiert war, ihn bemerken konnte. Er schob sich so leise wie möglich unter die Achse, bis er in der Mitte des Bodens ankam, dann drückte er sanft gegen die Dielen. Die kleine Falltür öffnete sich ohne Probleme und er stemmte sich hoch. Als er innerhalb seiner Wohnung war, drückte er sie sanft zu und blickte sich um. Er hätte sich in letzter Zeit wirklich besser darum kümmern sollen, bemerkte er. Der Innenraum war im Chaos, was nicht allzu ungewöhnlich war. Doch dann fiel ihm auf, dass seine Sammlung auf dem Boden verstreut war.
Das hätte er nie zugelassen, hätte er das gewusst. Jemand war hier gewesen und hatte etwas gesucht. Nicht die Wächter, das wusste er. Die SUSI-Wächter hätten sich bemüht so wenig wie möglich zu verändern. Hier sah es aus, als hätte sich jemand blind durch die Wohnung gewühlt. Eine Woche weg zu sein schien in dieser Stadt wirklich keine gute Idee zu sein. Und so angenehm hatte er beim Klobund auch wieder nicht geschlafen. Mit wachsender Besorgnis wühlte er sich still durch seinen Wagen. Die Ersatzdolche fehlten wirklich. Aber was noch schlimmer war: Sein Tagebuch war weg! Wütend schlug er die Schublade zu und bereute es fast sofort, als von draußen eine Stimme ertönte: "Halt! Wer da?"
Gehetzt blickte er sich um, während er das Schaben an der Tür hörte. Dabei entdeckte er etwas am Boden und hob es auf. Das Schloss knackte, als sich ein Schlüssel darin drehte. Gut, dass die Wächter zugesperrt hatten, das brachte ihm die nötigen Sekunden. Als die Türklinke niedergedrückt wurde, hatte er bereits die Falltür am Dach des Wagens aufgedrückt und sprang hoch. Den Alarm-Schrei des Wächters hörte er bereits im Fall vom Wagen, dann lief er.
Anthony hatte sofort nach dem besuch des Hauptmanns gewusst, was zu tun war. Noch aus der Zeit, als er in Humph "gewohnt" hatte, wusste er, welche Verbindungen er aufsuchen musste, um heraus zu finden, wohin Chun seinen Sohn in die Falle führen würde. Mit einem Tritt verschaffte er sich in dem alten Haus Zugang und sah sich drei Gestalten gegenüber, die erschrocken von einem Tisch aufgesprungen waren. Ohne Worte zu verschwenden warf er einem schon seinen Stuhl ins Gesicht, wodurch dieser nach hinten kippte. Der Zweite verlor drei Zähne an Anthony's ellbogen, während der letzte erfolglos versuchte, ein Messer zu ziehen. Zwei Sekunden später war der Irre über ihm und schlug seinen Kopf gegen den Boden. Mit schmerzverzerrtem Gesicht blickte er um sich. Die anderen Beiden lagen regungslos am Boden.
"Die helfen dir nicht mehr, fürchte ich.", Anthony machte es sich kurz auf der Brust des Mannes bequem, bevor er sich leicht erhob, damit dieser Luft holen konnte, "Und jetzt erzählst du mir, wo Tei seine Trophäen jagt."
Ras musste zugeben, dass Anthony's Methoden effektiv waren. Der Vampir hatte nicht lange gebraucht, den Irren wieder aufzuspüren. Der Irre war eben nicht sehr vorsichtig vorgegangen. Ein Wirbelsturm wäre schwerer zu finden gewesen. Ras hatte das richtige Gespür gehabt, dass der Mann sich nun wieder um seine Kinder kümmerte. Keiner wusste warum, aber es hatte sich nun einmal so ergeben, sei es der Liebe wegen oder weil er doch eine lange Zeit mit seinem Sohn verbracht hatte. Vielleicht war auch Doktor Holzkopf ein wenig daran beteiligt gewesen. Auf jeden Fall war aus dem püschopathischen Killer wieder so etwas wie ein familienfreundlicher Killer geworden. Ras holte eine Knolle aus seinem Mantel und biss hinein. Mal sehen, wohin es uns führt.
Das kleine Mädchen versteckte sich hastig hinter einem Fass, als der Vampir von seinem Beobachtungsposten sprang und dem Vater Humph's zu folgen begann. Ins Bett, ja? Immer dasselbe, egal ob von Humph oder dem alten Hauptmann: "Geh schlafen, Kind!". Murphy grummelte. Mag ja sein, dass Aronia erst zwei war, sie konnte ja auch erst fast zehn Monaten laufen, aber er war Jahrhunderte alt. Älter als der Vampir au jeden Fall. Er ließ sich doch nicht sagen, wann er schlafen gehen sollte. Außerdem hatte er den Auftrag von Humph's Mutter nicht vergessen. "Beschütz meinen Sohn". Dafür war er gerufen worden und das würde er auch weiterhin machen. Er wollte Aronia gerade zum Gehen bewegen, als ein ekelhafter Geruch in die kleine Nase stieg. Das Mädchen drehte sich um und blickte zu einem Mann hoch, der abgetragene Kleidung trug und ein Tuch um eines seiner Augen gebunden hatte.
"Was machst'n du hier, Kleine? Spaziergang? Hübsches Amulett haste da."
Murphy grunzte innerlich, dann sprach er durch Aronia: "Verschwinde, Stinker, ich hab keine Zeit für solche Späße." Er sah, wie sich die Augen des Mannes weiteten und sprach aus Spaß weiter: "Wo ist eigentlich deine Lizenz? Ich hoffe doch, du wolltest mich nicht ohne Lizenz ausrauben. Was würde wohl die Diebesgilde dazu sagen."
Der Mund des Mannes klapptekurz auf, dann wieder zu, dann verengte er seine Augen: "Du kleines Gör glaubst wohl, du kannst mir Angst machen. Jetzt gib mir das Amulett." Er streckte die Hand aus. Auf wackligen Beinchen gelang es Murphy den Mädchenkörper ausweichen zu lassen, dann trat er so fest zu, wie er konnte. Das Mädchen ging zwar zu Boden, aber der Mann wurde genau dort getroffen, wo es wehtat. So schnell er konnte, rappelte Murphy sich auf und rannte in die Richtung, wo er Ras hingelaufen gesehen hatte.
Arthur begutachtete die kleine Streichholzschachtel, auf der ein Lagerhaus aufgedruckt war und sah auf, um das eigentliche Gebäude zu sehen. Es waren eigentlich zwei Lagerhäuser, in dem anscheinenden diese Streichhölzer lagerten. Die beiden waren durch am Dach durch eine Brücke verbunden, die sogar ein eigenes Dach besaß. Argwöhnisch sah er sich um. Er wusste, dass dieses Schächtelchen nicht von ihm sein konnte. Aber wer hatte es dann im Wagen verloren? Die Wächter? Vielleicht. Der Dieb? Schon eher. Aber es roch nach Falle. Er musste vorsichtig sein, aber wenn er nicht hineinsah, würde er es nie wissen.
Er schlüpfte in das linke Lagerhaus. Überall schienen Kisten aufgetürmt zu sein und Art fragte sich, wozu man so viele Streichhölzer brauchen könnte. Er stockte kurz in seinem Gang und wandte sich um. Etwas stimmte nicht. Irgendwie kam er sich beobachtet vor. Vorsichtig tastete er nach einem seiner Messer. Ein Geräusch ließ ihn wieder herum wirbeln. Und da sah er ihn. Zuerst musste er sich zurück halten, nicht zu lachen, dann sah er in die Augen des Mannes vor ihm und zuckte leicht zurück. Er war ein ganzes Stück kleiner als Arthur, hatte einen leichten Bauchansatz, aber das markanteste war die Maske, die er in seinem Gesicht trug. Sie war vollkommen aus Metall, zeigte ein menschliches Gesicht, die linke Seite zum Lächeln verzerrt, die rechte in Trauer verzogen. An beiden Wangen waren Narben eingraviert. Die Augen blitzten durch die Schlitze. Art konnte Trauer, Wut, Hass in dem Blick erkennen, alle Gefühle auf einmal schienen aus ihnen zu sprechen. Und das schockierte ihn. Er fühlte sich wie ein Mann, der mit einem roten Tuch vor einem Stier herumfuchtelte. Unwillkürlich wich er zurück. Irgendwoher kam ihm die Gestalt bekannt vor. Sie kam langsam auf ihm zu, sonst zeigte der Körper keine Regung. Art zückte ein Messer und vermeinte ein verächtliches Schnauben unter der Maske zu hören. Der Mann stieß blitzartig vor und Art konnte nur noch das Messer hochreißen. Es prallte an der Maske ab, bevor der Kopf des Mannes gegen sein Gesicht schlug. Aufstöhnend fiel er zu Boden und rieb sich die Stirn. Er spürte den Tritt kommen, bevor er in seinem Magen explodierte, aber an Abwehr war nicht mehr zu denken. Er schlitterte leicht über den Boden und stieß mit einer Kiste zusammen. Ächzend versuchte er hoch zu kommen, als er ein Geräusch über sich hörte. Art lugte kurz hoch und sah ein Regal mit Stahlseilen auf sich zu kommen. Er wollte sich wegdrehen, aber es traf ihn hart in den Rücken und den Nacken. Das Letzte, das Art noch sehen konnte, bevor er ohnmächtig wurde war der Maskierte mit einer brennenden Fackel in der Hand.
Er sah zu, wie die Scheune zu brennen begann. Auf der Brücke, die die beiden großen Scheunen verband blickte er hinunter auf das Feuer, das sich an dem morschen Gebäude schnell ausbreitete. Auf seiner polierten Maske spiegelte sich das unruhige Licht. Er hatte ihn ausgelöscht und das machte ihn euphorisch. Er genoss die Hitze, die sich von dem Haus unter ihm ausbreitete, er genoss das Hochgefühl, das sich in ihm ausgebreitet hatte, als er seinen verhassten Albtraum niedergestreckt hatte. Jetzt würde er brennen, zu Asche werden, ihn nicht mehr Nacht für Nacht quälen können. Ein Lächeln zeichnete sich unter der Maske ab. Welch Gefühl. Kein Schmerz, keine Sorgen, keine Angst. Hass, vielleicht, Rache, vor allem. Keines dieser störenden Empfindungen wie Reue oder Gewissen. Blanke Macht, alles zu tun, was notwendig war, um die Trauer zu vergessen. So sollte man seinen Feinden begegnen und nicht anders. Er drückte sich vom Geländer weg und wandte sich zum gehen, als sich ein Mann ihm gegenüber aufbaute.
"Ah, Herr Hauptmann!", sagte die Silhouette, die sich durch das Feuer hervorhob, "Freut mich, dass du meiner Einladung gefolgt bist. Ich dachte mir doch, dass einem Wächter wie dir auffallen würde, wenn etwas nicht in einem Wohnwagen eines Mannes, der vor Feuer Angst hat, gehören würde."
Der Maskierte legte den Kopf schief.
"Oh, natürlich. Du bist dir gar nicht bewusst, wer du bist, oder?", führte die Gestalt weiter fort und kam näher. Endlich wurde sein Gesicht erkennbar und der Maske entfuhr ein tiefes Brummen, das nach "Tei" klang.
"Ah, du erkennst mich, sehr erfreulich.", Chun Tei, der hiesige Anführer der Yakuzza blieb stehen, als der Maskierte plötzlich mit einem Messer in der Hand nach vor sprang. Der Achatener wich behände aus und schlug seinem Gegner ins Kreuz, wodurch dieser hart gegen den Boden fiel. Chun lehnte sich gegen das Geländer und wartete, bis die Maske auf die Beine kam. Erst dann ließ er sein Bein durch die Luft kreisen. Es traf den Mann hart ins Gesicht, die Maske riss ab und klapperte auf den Holzboden, wo sie sich kurze Zeit um die eigene Achse drehte, bevor sie im Feuer schillernd liegen blieb. Humph prallte wieder zu Boden und sah seinen Gegner zum ersten Mal. Dann gab er den Gefühlen nach, die auf ihn einstürzten und begann zu weinen.
Chun Tei blickte das Häufchen Elend vor sich einige Sekunden beim Weinen zu, dann entspannte er seinen Körper wieder und lehnte sich abermals zurück.
"Nun, Hauptmann? Ich nehme an, du kannst dich an nichts erinnern, was passiert ist. Schade eigentlich. Du hast einiges erledigt, als du die Maske aufgesetzt hattest. Weißt du, was beim ersten Mal passierte? Du hast einen meiner besten Kontaktmänner erstochen. Der Mann hat es irgendwie geschafft, die Nacht zu überleben, obwohl er so dämlich war und seine Wunde mit einem Schwamm zugedrückt hatte. Eine unglaubliche Leistung. Am nächsten Tag wollte er dich anklagen. Leider konnte ich nicht zulassen, dass du ihn heilst und womöglich ausfragst. Er war ein guter Kontaktmann, aber ein schlechter Lügner und wir Yakuzza brauchen es nicht, das unsere Informationen an die Falschen geraten. Dann deine Schwester...", der Yakuzzi hielt inne und überlegte kurz, dann lächelte er, "Was meinst du, warst du es? Gute Frage, oder? Du kannst dich an diese Nacht nicht mehr erinnern, nicht wahr?" Er ging zu Humph hinüber und hob ihn hoch. Dann drückte er ihn gegen das Geländer, der Hauptmann wehrte sich nicht, "Ich denke, du stirbst mit dieser Unsicherheit. Seine eigene Schwester töten. Verantwortlich dafür, dass deine Frau tot ist. Eine Tochter zu Hause, oder vielleicht ist auch ihr etwas passiert, als du die Maske aufgesetzt hast. Wer weiß das schon?" Chun sah in das Tränenüberströmte Gesicht des Hauptmannes und erkannte den gebrochenen Blick.
"Du redest noch immer zuviel, wie ich höre, Chun!", schallte plötzlich eine Stimme von der brennenden Scheune. Chun drehte den Kopf zu der Stelle und zeigte wieder ein Lächeln: "Anthony, schön, dass du auch zu unserer Familienzusammenkunft gekommen bist. Ich wollte den Hauptmann gerade seiner Schwester nach schicken." Der Achatener ließ von Humph ab, welcher auf der Stelle zusammenbrach und sich zusammen kauerte.
"Eca ist noch nicht tot, alter Junge, so schnell tötet man meine Kinder nicht. Glaub mir, ich habe es versucht.", ein Grinsen legte sich auf das Gesicht des Irren.
"Du siehst irgendwie anders aus als in meiner Erinnerung, Anthony."
"Mein Geist wandert gerne", erwiderte Anthony.
Chun sah sich sein Gegenüber genau an. Er hatte ein typisches achatenisches Krummschwert in der Hand - ein Ähnliches, dass auch Chun bei sich hatte. Der Körper des Mannes war nicht so durchtrainiert wie es der "originale" Anthony gewesen war, das war definitiv ein Vorteil.
"Bist du noch immer so von deiner Rache verzehrt, Chun?", fragte dieser Anthony nun.
Der Yakuzzi spuckte zu Boden: "Du hast meine Familie getötet!"
"Es war ein Auftrag", erwiderte Humph's Vater als würde das alles erklären.
Chun rang sich ein Grinsen ab: "Sieh das hier auch als Auftrag an. Ich bin Auftraggeber und Vollstrecker zugleich."
Anthony lächelte schief, dann ging es Schlag auf Schlag und die Beiden trafen sich in der Mitte. Metall klirrte, als die Schwerter aufeinander trafen. Keiner der Beiden schien anfangs ins Hintertreffen zu geraten, aber je länger der Kampf dauerte, desto offensichtlicher wurde die schwächere Konstitution von Anthony's neuem Körper. Chun merkte wie sein Gegner erlahmte und stellte seine Taktik um. Er wartete auf einen Fehler von Anthony, so konnte er Kräfte sparen und konnte im richtigen Augenblick zu schlagen. Mit einer Drehung wehrte er einen von rechts geführten Schlag ab und machte einen halbherzigen Angriff, den Anthony leicht ausweichen konnte. Er ließ noch ein paar Angriffe auf sich ergehen, dann witterte er seine Chance. Er wich einem Schlag aus, warf etwas zu Boden und trat seinem Gegner gegen die Kniescheibe. Anthony rutschte nach hinten und trat auf die Streichholzschachtel, die Chun hingeworfen hatte. Damit hatte der Vater Humph's nicht gerechnet, er rutschte auf dem schächtelchen Weg und öffnete somit seine linke Flanke. Chun trat und traf. Anthony prallte zurück gegen das morsche Geländer, welches unter seinem Gewicht wegbrach. Dann fiel er.
Humph hatte nichts mitbekommen. Die Schläge, die Schreie, das Gespräch. Alles war dumpf an ihm vorbeigegangen. Er weinte immer noch und es war ihm unmöglich damit aufzuhören. Plötzlich spürte er, wie er in die Luft gehoben und wieder über das Geländer gelehnt wurde. Er schloss die Augen und machte sich auf einen kurzen Sturz gefasst und auf die Erlösung. Er wurde darüber gehoben und der Fall... endete so schnell, wie er begonnen hatte. Jemand hielt ihn am Kragen fest und riss ihn wieder auf die Brücke zurück. Ein leiser Schrei erklang wie aus der Ferne, die Luft roch nach Verbranntem. Dann war Ras über ihm.
Rascaal sah zuerst nach Humph, um sicher zu gehen, dass er ihn in einem Stück gefangen hatte. Er vergewisserte sich kurz, ob es noch Gefahr gab, erst dann blickte er zu der Szene auf der Brücke. Chun Tei stand da und fuchtelte langsam mit den Armen, als wollte er sich am Rücken kratzen. Ein Dolch ragte aus seinem rechten Auge. Ein paar Meter hinter ihm stand der Gefreite Messerfein. Sein Gesicht bestand nur noch aus verbranntem Fleisch, die Haare und der Schnurrbart waren vollkommen verschwunden. Die Kleidung war ebenfalls verkohlt und der linke Arm war vom Ellbogen an zu Ruß zerfallen. Der Hut klebte an der Kopfhaut, ebenso das Hemd an der Brust. Der vampir hatte den SUSI-Wächter gerade noch unter den Trümmern des Regals herausziehen können, bevor er es für den Zombie zu spät geworden wäre. Er selbst hatte nur versengte Kleidung. Chun fiel nach vorne und die zwei Dolche, die ihm aus dem Rücken ragten, waren nun zu sehen. Art hatte nicht eine Sekunde überlegt, bevor er sie geworfen hatte, um einen Kollegen zu retten. Noch während der Achatene Humph über das Geländer gehoben hatte, hatten zwei Dolche getroffen. Dann hatte der Ballistiker gewartet, bis der Yakuzza ihn ansah. erst dann warf er den dritten Dolch, der wortwörtlich ins Auge ging.
"Ras..."
Der Vampir drehte sich wieder zurück zum Ausbildungsleiter und beugte sich über ihn.
"Eca... ist tot...", Humph saß am Geländer, den Kopf an die Brust gelegt. Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, "Ich bin allein."
"Nein, mein Freund.", erwiderte Rascaal, "Du wirst nie allein sein."
Am Ende der Brücke stand ein kleines Mädchen, sah hinunter und weinte.
***Jetzt***
Die beiden Wächter sahen sich um. Der Eimer war bereits größtenteils leer.
"Und wie geht es ihr?", fragte der Kommandeur der Wache, Rascaal Ohnedurst.
"Gut. Sie hat sich an die Familie Conzuelas gewöhnt. Sie ist vor drei Monaten drei geworden. Murphy ist bei ihr und kümmert sich um sie. Manchmal sehe ich nach ihr, aber ich will sie nicht in Gefahr bringen."
"Das ist das Leben eines Wächters, Humph."
"Ja,
mein Leben, nicht ihres. Es ist besser, wenn sie nicht bei mir ist. Um mich herum sterben sowieso alle."
Ras erwiderte nichts, dann blickte zu dem Amulett um Humph's Hals. Der Rand war rot, nicht blau.
"Das ist Eca's", sagte der Hauptmann, "Kein Kobold."
Der Kommandeur nickte: "Und die Träume sind wieder da? Dieselben?"
Humph schüttelte den Kopf: "Nicht dieselben, aber Träume. Sie beunruhigen mich.", Er stand auf, "Es sind wahrscheinlich nur Träume." Er rutschte am Stuhl hin und her. "Weißt du... Manchmal frage ich mich, ob es möglich gewesen wäre, sie zu retten."
"Ohne Wissen über das Gift kein Gegengift. Und jetzt nach fast eineinhalb Jahren noch immer darüber nachzudenken ist müßig, findest du nicht."
"Vielleicht... ", er erhob sich geistesabwesend, "Es roch nach Minze", fügte er leise hinzu.
Ras' Augenbraue hob sich: "Was hast du gesagt?"
Humph schrak wie aus seinen Gedanken hoch und blickte wieder zu dem Vampir: "Nichts, nichts. Ich... erinnerte mich nur an etwas." Er ging zur Tür: "Ich werde zu bett gehen, Ras. Ich wünsche noch einen guten Fang."
Ras nickte, dann stand er ebenfalls auf: "Humph?"
Der Wächter blieb in der Tür stehen: "Hm?"
"Wo ist die Maske?"
"Ich habe sie verschenkt.", das Gesicht des Hauptmanns verdunkelte sich.
"An wen?"
"Jemand, der sie mehr brauchte als ich.", Humph seufzte.
"Gut", Rascaal ging zur Tür und hielt sein Gesicht direkt vor Humph's. "Ich beobachte dich", raunte er.
"Ich weiß", erwiderte Humph ebenso leise und ging.
***Epilog***
Arthuer Messerfein schaute auf die Stadt zurück die längere Zeit seine Heimat gewesen war, in der er sogar Wächter gewesen war. Er sprang vom Wagen und sah ihn sich an. Die verblichenen Farben waren verschwunden, sein Gesicht herab gekratzt worden. Stattdessen prangte nun eine silberne Maske an der Seite des Wagens. Sie sah aus, wie er sich fühlte: Gleichzeitig betrübt trauernd und euphorisch lachend.
"Ein Neubeginn, aber vergiss deine Vergangenheit nicht", schien sie zu ihm zu sagen. Er legte seinen Kopf schief, dann kratzte er sich unter der metallenen Maske am Kinn, wobei ein paar Hautfetzchen abgerieben wurden. Sein Gesicht würde nie wieder so aussehen wie früher. Jetzt war sie sein Gesicht. Der Hauptmann hatte sie ihm geschenkt, kurz bevor er abgereist war. Er konnte sie nicht mehr sehen, hatte er gemeint, und Art würde sie eher brauchen. Außerdem hatte er sein Tagebuch und sogar den püschologischen Bericht von Araghast Breguyar erhalten. Als dank für die Rettung hatte ihm der Wächter einen neuen Anfang geschenkt. Also schwang er sich wieder auf den Wagen und ratterte los, um neue Objekte für seine Sammlung zu finden.
[1] Im Sinne neu - von jung konnte man bei Rascaal Ohnedurst bei aller Freundschaft nicht mehr sprechen.
[2] Manche argwöhnten, dass das daran lag, dass die FROG-Abteilungsleiterin, der IA-Agent und der GRUND-Abteilungsleiter manchmal während... Besprechungen Drachenpoker zu spielen pflegten und dies eben Ras' liebste "Sitz"position war
[3] Siehe: Carisas Single Mord in der Irrenanstalt (SM 596)
[4] Siehe Single Schattenmörder (SM 440)
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