Deine Zeit als Abteilungsleiter neigt sich wieder einmal dem Ende zu.
Für diese Mission wurde keine Note vergeben.
Chefs sind auch nur Menschen - sie wissen es nur nicht.
(Karl Schwarzer)Eine dünne Mondsichel schien wider Erwarten den Sieg über die Sonne der Scheibenwelt errungen zu haben.
Leise ging Robin durch die Flure seines Wachhauses.
Na ja, es war nicht sein Wachhaus, es war ja auch
nur eine Dienststelle, aber es war mit der Zeit seine Heimat in der Stadtwache von Ankh-Morpork geworden.
Er kannte inzwischen jede knarrende Diele des Gebäudes und jeden losen Ziegel. Ja, das Gebäude hatte sogar seinen eigenen Geruch, der sich aus der typischen Ankh-Luft, moderndem Holz und leider auch menschlichen Ausdünstungen zusammensetzte.
Leises Kichern aus dem Erdgeschoss untermalte zärtlich die Gedankengänge des Dobermannes
[1]. Sogar an die Näherinnen hatte sich der , man kann schon sagen ehemals, schüchterne Wächter gewöhnt, vorausgesetzt die Konversation mit den Damen des Nadel- und Fadengewerbes driftete nicht zu sehr ins Derbe ab. Manchmal machten sich die Näherinnen noch einen Spaß mit dem inoffiziellen Hausherrn des
Boucherie Rouge und lenkten die zwangsläufig geführte Gespräche absichtlich auf -nennen wir sie- handfeste Themen.
Liebevoll streichelte der Wächter über die rauen Wände des Flures und begab sich in den zweiten Stock des Gebäudes.
'Ja, genau!', die dritte Stufe quietschte, wenn man zu lange auf ihr verharrte.
Leises Schnarchen drang aus dem einen oder anderen Büro auf den Flur.
Die Zimmerbezeichnungen des alten Baus ließen ihn zu Anfang seiner Zeit bei DOG immer lächeln, später dann, nach ein paar Gläsern Wein oder auch Tee und ein paar kameradschaftlichen Hinweisen seines alten Chefs Daemon, trieb es ihm die Schamesröte ins Gesicht.
Die Wackelwippe war eine der harmloseren Bezeichnungen für eines der Büros, aber die Bezeichnung Raum der gelben Freude ließ Robin erschaudern.
Was die Leute wiederum so an seinem Knahbenzimmer so lustig fanden verstand der Oberstfeldwebel beim besten Willen nicht.
Viele Wächter hatte er inzwischen Kommen und Gehen gesehen. Einige vielversprechende, einige weniger engagierte. Aber dennoch schweißte alle eines zusammen, sie waren alle DOGs und gehörten zu einem großen Rudel, zu dem nicht jeder gehörte.
Gemächlich ging Robin an der vernagelten Türe des rosarothen Himmelbeth vorbei.
Eine seiner ersten Amtshandlungen als neuer Abteilungsleiter war damals, das ehemalige Büro seines alten Chefs, vernageln zu lassen.
Die hatte zwei positive Auswirkungen zur Folge:
Erstens war nun Daemon nicht mehr ständiger Gast in seinem Revier, der nebenbei immer jeden Schritt seines ehemaligen Rekruten kritisch beäugte und zweitens, musste er den Raum nicht an irgendeinen anderen Wächter vergeben.
Es kam dem Gildenexperten einfach falsch vor, dass irgendjemand anderes als Daemon seinen Tee oder auch einfach 'Gespräche' mit den Näherinnen in diesem Raum führte.
Auch war nun so das ständige Pochen an die dünne Wand -die als Trennung des Knahbenzimmers und des Himmelbeth diente- unterbunden, wenn Robin entweder wieder einen Alptraum hatte, oder mit Leopold von Leermach wieder einmal einfach Quatsch machte.
Zusätzlich hielt sich Picardo so auch die Option offen, sollte sein Chef irgendwann einmal von seiner Mission GRUND oder von anderswo zurückkehren, ihm mit Stolz geschwellter sein altes Zimmer wieder präsentieren zu können. Vorausgesetzt er war dann noch da, aber Robin würde diesen Sachverhalt auf alle Fälle an seinen designierten Nachfolger weitergeben, nahm er sich jedenfalls vor.
Mit einem ächzenden Quietschen öffnete der Alchemistenexperte die Türe zur Terrasse und trat ins Freie. In jeder anderen Stadt wäre ihm nun frische Luft entgegen geschlagen, aber nicht hier in Ankh-Morpork.
Die Hitze des vergangenen Tages schien sich mit dem ganz speziellen Aroma der Zwillingsstadt verbündet und einen entscheidenden Sieg über den Wind errungen zu haben.
Man konnte das Gefühl des Heraustretens aus dem alten Haus zwar nicht mit einem Schlag in die Magengegend vergleichen, jedoch kam diese Interpretation der Sache sehr nahe.
Die Kleidung Picardos begann noch mehr auf seiner Haut zu kleben und dünne Rinnsale Schweiß rannen an seinem Körper entlang, die sich irgendwann in der nähe seines Gürtel zu größeren Strömen zusammenrotten zu schienen.
Die große TK-Anlage warf im Mondlicht schwere Schatten auf den Anbau.
Gemütlichen Schrittes umrundete Robin dieses Wunderwerk der Technik mit dem selten arme Tauben verschossen wurden, jedoch immer wieder Gnome.
Das Fantasiebild eines solch fliegenden Wächters, gehüllt in seltsam beschriftete Leinenbänder, trat aufdringlich in die Gedankenwelt des Oberstfeldwebels und ließ ihn hämisch Grinsen. Als persönliche Zugabe stellte er sich die selbe Szene noch einmal vor, mit dem kleinen Unterschied, dass diese Person auf Grund der Reibungshitze des Luftwiderstandes beim Abschuss Feuer fing und eine nette rote Flugbahn in den Nachthimmel zeichnete. Ja, die Gedanken waren frei. Immer öfter hatte der Dobermann solche oder zumindest ähnliches Geistesgut in den Sinn, wobei bei Leibe nicht immer die selben handelnden Akteure auftraten, sondern quasi jeder sein persönliches Fett abbekam.
"Was machst du so spät noch dlaußen, Söl?, Robin erschrak zuerst, konnte aber den typischen Akzent in einem Sekundenbruchteil einem Gesicht zuordnen.
"Gedanken!", war die kurze Antwort.
"Wie bitte, Söl?", fragte die Hauptgefreite Mäuler nach.
"Ich mache mir Gedanken, Drei."
"Und übel was, wenn ich flagen dalf?", seine Stellvertreterin schien heute aus Nasenweißhausen zu stammen.
Robin erinnerte sich gerne an das Bewerbungsgespräch zurück, das er, es schien Ewigkeiten her zu sein, mit seiner jetzigen Stellvertreterin geführt hatte. Schüchtern war sie noch immer, aber der messerscharfe analytische Verstand beeindruckte ihn immer wieder. Sie passte einfach gut zu seiner Truppe und war nicht umsonst, sofort nach ihrer Beförderung zur Hautgefreiten, zu seiner rechten Hand geworden. Außerdem fand er die kleine Achatin recht sympathisch, was ein großes Lob in den Dimensionen der Superlativen des Dobermannes war.
"Über meine Zeit bei DOG.", antwortete der Dobermann ruhig. "Wir haben viel geschafft, nicht wahr?"
"Ja einiges, Söl!", nach all der Zeit nannte sie ihn immer noch Sör, wobei die Gepflogenheiten in der wohl besten Abteilung der Stadtwache, als mehr als locker bezeichnet werden konnten.
"Den Moloss haben wir auf den Weg gebracht!"
"Oh ja den Moloss!!!", antwortete die Hauptgefreite und rollte mit ihren mandelförmigen Augen.
Es war gar nicht so leicht gewesen diese, überaus wichtige, neue Spezialisierung dem Kommandeur schmackhaft zu machen und sie letztendlich genehmigt zu bekommen.
Drei gefiel die Spezialisierung Moloss, was nicht nur an der problemlosen Aussprache lag.
"Sagt mal, was macht ihr um diese Zeit noch draußen?", fragte der Husky Patrick Nichts, der halb aus der Terrassentür nach draußen lugte.
"Gedanken!!", antwortete die Abteilungsleitung im Chor.
"Stör ich Euch beim Gedanken machen?", fragte der verdeckte Ermittler sarkastisch.
"Nö!", antwortete Robin.
"Gut!", aber anstatt zu den beiden rauszukommen verschwand Pats Kopf wieder im Dunkel des Ganges.
Die beiden Abteilungsleiter schauten sich fragend an und zuckten fast gleichzeitig mit den Schultern, bis ein leises Klappern und Klimpern an ihre Ohren drang.
Nach kurzer Zeit erschien Nichts wieder in der Türöffnung und zog drei ineinander gestapelte Stühle aus dem Besprechungsraum hinter sich her. In der anderen Hand hatte er eine alte Stofftasche die verdächtig klimperte.
"Ich dachte, wenn wir schon uns Gedanken machen, dann sollten wir dabei wenigstens nicht auf dem Trockenen sitzen!", strahlte Nichts.
"Eine sehr gute Idee!", antwortete Robin und lachte. "Irgendwer sollte dich mal befördern!"
"Eine sehl gute Idee!", stimmte Hauptgefreite Mäuler mit ein.
Die Wächter setzten sich auf die mitgebrachten Stühle und der Husky goss jedem ein großes Glas Knieweich ein. Das bernsteinfarbene Getränk sah recht harmlos aus, aber schon nach jeweils einem Schluck husteten alle drei Wächter im Chor.
"Starkes Zeug!", Picardo wischte sich eine Träne aus dem Auge.
"Wo...hel hast du das denn??", hustete Mäuler.
"....Geka....uft...von nem Strassen....händler!", keuchte Nichts.
"Auf jeden Fall ist es sein Geld wert!", stellte Picardo fest.
Bei Drei setzte die Wirkung wohl schon ein, denn sie grinste schon über beide Wangen...aber Robin konnte sich da auch täuschen, wer versteht schon die Achiaten.
"Und wie sieht's aus?", fragte Pat unverblühmt. "Bleibst du unser Chef?"
"Ich weiß es noch nicht, dass entscheidet der große Chef!", Picardo deutete grob in die Himmelsrichtung in der das Hauptwachhaus lag.
"Wen sollte el sonst nehmen?", fragte Hungrige Mäuler unsicher nach.
"Ich bin nicht der einzige in der Wache der eine Abteilung leiten kann!", stellte der Dobermann fest und nahm einen weiteren großen Schluck.
"Abel del einzige del die DOG will!", entschied die Diebesgildenexpertin.
"Das glaub ich nicht! Bestimmt hat sich jemand angeboten, oder der alte Knollensauger will neuen Zug im Kamin!"
Die beiden anderen Wächter schüttelten gemeinschaftlich den Kopf.
"Abel DOG ohne dich wild nicht mehl so sein wie jetzt!"
"Das sagten die anderen auch als Daemon gegangen ist und das stimmte auch!", beharrte Robin. "Und eigentlich ist das ja auch gut so..."
Picardo kippelte mit dem Stuhl hin und her.
"Aber irgendwie würde ich das Boucherie schon vermis......?!!", eine große Explosion ließ die versammelten Wächter zusammenzucken.
Ein gelbroter Feuerball erhellte die beginnende Nacht.
"Oh, ich glaube die Alchemistengilde hat wieder ihren Standort gewechselt!", stellte Robin fest und erhob sich. "Nun, ....dann schauen wir mal!"
Die anderen zwei Wächter erhoben sich ebenfalls und folgten ihrem Chef die Außentreppe hinunter.
Die DOG's schlugen die grobe Richtung zur Alchemistengilde ein und verschwanden allmählich im Dunkel der Nacht.
[1] wenn man der Theorie folgen mag, dass alte Häuser die Schwingungen und Stimmungen ihrer Bewohner aufnehmen, so konnte das Boucherie Rouge wahrscheinlich als eines der glücklichsten Häuser der Scheibenwelt bezeichnet werden. Im Gegensatz zum Gruselschloss des Grafen Eckbert von Übelstein in Überwald, dass unter all den anderen Bauwerken, Gebäuden und sogar Hütten bedauert wurde. Schlechter dran waren nur noch ein paar Klohäuschen auf der Sto-Ebene während einer Durchfallepidemie.
Danke an Patrick und vor allem Dlei für die Unterstützung während der vergangenen Zeit. KEINE KRITIK
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