Rabe und die Fuchsmaske

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von Gefreiter Rabe Raben (SUSI)
Online seit 01. 06. 2005
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Unglück oder Glück? Mord oder Unfall?

Dafür vergebene Note: 10

Ankh-Morpork, mitten im Winter

Und Sie sind sicher, dass die Maske Glück bringt?", fragte der zweifelnde Benno.
Sein Name kam nicht von ungefähr. Egal bei was, Benno zweifelte immer an seinen Entscheidungen. Als Kind hielten ihn seine Eltern einfach für unentschlossen, heute sind sie sich da nicht mehr so sicher.
"Abel natülich", antwortete die junge Händlerin mit perfekt gespielten Akzent und einen perlweißen Lächeln von Ohr zu Ohr. Für Ausländer gab es in dieser Stadt eine wichtige Regel: Verhalte dich immer ein wenig Ausländischer und du verdienst immer ein paar Dollar mehr. Ihre Kunden erwarteten auch, dass sie ausgeraubt wurden, wenn sie sich in den Schatten aufhielten. Nur rechneten sie nicht damit, dass es in einem Laden geschah. "In meinen Land, es geben keine glößelen Glücksblingel."
"Ich weiß nicht recht", zweifelte der zweifelnde Benno. "Vielleicht funktioniert sie auch gar nicht."
Zhang, so der Name der Händlerin, seufzte kaum hörbar. Warum musste sie auch ausgerechnet in Ankh-Morpork einen Laden für magische Gegenstände eröffnen, wo die größten Spinner und Volltrottel der Scheibenwelt lebten. Wäre sie doch nur im Achatenen Reich geblieben und hätte weiter an der Universität für Kunst, Kultur und klumpigen Kartoffelbrei studiert. Dann könnte sie immer noch den ganzen Tag schlafen und sich mit den anderen Studenten jeden Abend eins hinter die Binde gießen. Stattdessen verbrachte sie ihre Zeit damit zweitklassige magische Relikte an drittklassische Kunden zu verkaufen.
Ein Jammertal.
"Ich Ihnen geben Galantie. Falls in einer Woche nicht glücklich, Sie bekommen Geld zurück." Innerlich lachte Zhang auf. Wenn es etwas gab dem Ankh-Morporkianer nicht widerstehen konnte, dann war es eine Geld zurück Garantie, oder Rabatt, oder Geld das auf der Straße lag. Ach egal, Hauptsache es hatte mit Geld zu tun.
"Naja, dann kann es ja kein Fehler sein, oder?"
"Ganz lecht, ganz lecht", stimmte Zhang heftig nickend zu. In einer Woche konnte sie ihren Laden ganz leicht irgendwo anders in der Stadt unter neuen Namen eröffnen.
"Gut. Ich nehme sie." Die Entschlussfreudigkeit Bennos war fast beängstigend.
Zhang versuchte ihr hämisches Grinsen zu verstecken und wickelte die Maske in ein Tuch. "Sie welden es nicht beleuen."
Nachdem sie Benno die Maske übergeben hatte, und eine etwas überteuerte Entlohnung dafür entgegen nahm, begleitete sie den "ehrenwerten Kunden" unter ständigen verbeugen und : "Danke, beehlen Sie uns bald wiedel." zum Ausgang und schloss hinter ihm ab. Sie pustete sich eine Strähne ihres langen, pechschwarzen Haares aus dem Gesicht und rieb sich zufrieden die Hände. "Trottel."


Zwei Tage später

"Sag's mir noch mal. Weshalb ist er gestorben?", fragte die Gefreite Olga-Maria Inös ihren Tatortwächterteamkollegen Gefreiter Rabe Raben zum mittlerweile dritten Mal.
"Aus Angst", antwortete dieser knapp und zog sich die Gummihandschuhe aus. "Zumindest war das Reas erste Diagnose. Wir wissen mehr wenn sie die Autopsie durchgeführt hat."
Olga schüttelte den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust. "Aus Angst", murmelte sie. "Daran stirbt man doch nicht. Man erschrickt sich, fällt vielleicht in Ohnmacht. Aber sterben?"
"Ich hab Merkwürdigeres erlebt", behauptete Rabe und an Olgas Gesichtsausdruck sah man deutlich, dass sie neugierig wurde.
"Lass hören." Sie witterte die Chance endlich mehr über ihren Partner zu erfahren, denn wenn es um ihn ging geizte der zum Mensch gewordene Wasserspeier mit Informationen.
"Wasserspeier, die plötzlich Menschen sind", sagte Rabe grinsend.
"Ach so." Olga seufzte enttäuscht. Die Geschichte von Rabes Verwandlung kannte sie zur Genüge.
"Auf jeden Fall ist hier nichts", fuhr Rabe fort während er seine Tatortwächterausrüstung einpackte. "Keine Spuren, keine Hinweise. Wir sollten zurück zum Wachhaus, vielleicht weiß Rea mehr."
An der Tür klopfte es. Olga und Rabe warfen sich einen fragenden Blick zu, dann öffnete Olga die Tür. Ein stämmiger Mann mit Vollbart und dicken fleischigen Lippen und eine kleine korpulente Frau mit blonden lockigen Haaren, die ein rundes purpurnes Gesicht umrahmten, standen davor.
"Ich bin Sebastian Gutermut, der Bruder vom zweifelnden Benno, und das ist meine Schwester Magda. Wir würden gerne einige Sachen meines Bruders abholen, bevor die Plündergilde von seinem Tod Wind bekommt." Herr Gutermut musterte Rabe und Olga abwechselnd, sein Blick hatte etwas Stechendes, fast schon Unangenehmes.
"Wir sind hier fertig. Ich denke es spricht nichts dagegen", entgegnete Rabe.
"Eine Frage hätte ich noch", meldete sich Olga zu Wort. "Gab es irgendwas, wovor ihr Bruder geradezu Todesangst hatte?" Sie glaubte zwar immer noch nicht, dass jemand aus Angst sterben konnte aber man weiß ja nie.
Herr Gutermut strich sich mit der Hand durch den Bart und brummte während er überlegte.
"Benno hatte wahnsinnige Angst vor Teppichen und vor allem Teppichflusen", sagte Magda Gutermut. "Unser Bruder war nicht mehr ganz bei Trost."
Die beiden Wächter verabschiedeten sich. "Vielen Dank."
Auf dem Rückweg zur Wache überlegten Rabe und Olga wer auf die Idee kommen könnte den zweifelnden Benno umzubringen, wenn es wirklich Mord war. Würden sie alle Verdächtigen, denen Benno mit seinen Zweifeln und ständigen Nachfragen auf die Nerven ging, dann mussten sie halb Ankh-Morpork auf die Verdächtigenliste setzen. Sich selbst eingeschlossen.

Im Wachhaus herrschte wie so oft reges treiben. Wächter kamen, Wächter gingen. Der Eingangsbereich war erfüllt mit einem beständigen Gemurmel aus dem man höchstens einzelne Wortfetzen herausfiltern konnte. Rabe brummte schon nach kurzer Zeit der Schädel, an den Lärm der Stadt hatte er sich immer noch nicht gewöhnt und vor allem in letzter Zeit sehnte er sich häufiger in das ruhige Schloss seines Ziehvaters Thomas Cloppenburg zurück [1] Dort war es nicht nur ruhiger, sondern dank Igor, den putzwütigen Diener Cloppenburgs, auch um einiges sauberer. Bei Gelegenheit würde er Hauptmann MeckDwarf um ein paar freie Tage bitten. Die Bennoakte dürfte soweit auch erledigt sein, da es ja keinerlei Anzeichen für einen Mord gab.
"Ich hole mir was zu Essen. Wir sehen uns dann später beim Training."
Das Training. Das hatte Rabe vollkommen vergessen, besser gesagt verdrängt. Seit die beiden Spezialisierungen, Tatortsicherer und Spurensicherer zum Tatortwächter zusammengelegt wurden, bestand Hauptmann MeckDwarf darauf, dass jeder Tatortwächter sich im Falle eines Falles verteidigen konnte. Für Rabe und Olga hieß das zurück zu den Grundkenntnissen. Schade, dass Weglaufen nicht zur Selbstverteidigung zählte, davon verstand er mehr als nur Grundkenntnisse. Rabe war ein hervorragender Läufer. Die einzige Hoffnung, die ihm noch blieb, war, dass der Fall des zweifelnden Bennos doch ein Mord war. Und die einzige, die ihm das bestätigen konnte, war Rea Dubiata, auf deren Seziertisch die Leiche lag.

Was soll das heißen: Es war kein Mord?" Rabe sah seine letzte Chance um das Kampftraining herumzukommen dahin schmelzen wie einen Eisberg in Al-Kahli.
"Lies von den Lippen. Es war ein Unfall. Er hat sich vor irgendwas erschreckt und erlitt auf Grund dessen einen Herzinfarkt. So etwas passiert. Kein Mord", erklärte Rea ein wenig genervt. Sie war gerade dabei ihre Blumen zu gießen und ertrug Rabes ständige Nachfragerei nicht mehr. Anstatt froh zu sein, dass S.U.S.I zurzeit vergleichsweise wenig zu tun hatte, bettelte er förmlich um Arbeit.
"Gibt es nicht vielleicht doch etwas das an seinem tot seltsam war? Wenigstens ansatzweise."
Rea schloss die Augen und zählte langsam bis zehn. Wenn man nur mit Toten zu tun hatte, konnten die Lebenden sehr nervend sein. Vor allem dieses Exemplar. Aber sie versuchte sich zu beherrschen. "Hör zu, Rabe. Das einzige was man ein klein wenig unnormal nennen könnte, waren die Teppichflusen, die ich in seinen Nasennebenhöhlen gefunden habe. Aber damit wird ihn wohl kaum jemand ermordet haben. Und jetzt raus!" Den letzten Satz schrie sie fast und erst nachdem Rabe, leise vor sich hin grummelnd, den Raum verlassen hatte widmete sie sich in aller Ruhe wieder ihren Blumen.

Einige Straßen weiter schlug Zhang Cheyung die heutige Ausgabe der Ankh-Morpork Times auf und verschluckte sich an ihrem Tee als sie die, in fetten Buchstaben gedruckte, Schlagzeile las: Zweifelnder Benno tot aufgefunden
Der zweifelnde Benno tot. Es war nicht gut fürs Geschäft wenn herauskam das er kurz zuvor einen Glücksbringer in ihrem Laden erstanden hatte. Was für ein Glück war das denn, wenn man zwei Tage nach Kauf starb. Gut. Für Ankh-Morpork Verhältnisse konnte er sich glücklich schätzen nicht in einer dreckigen Gasse die Kehle aufgeschlitzt bekommen zu haben. Auf alle Fälle musste sie die Maske zurückbekommen, schon allein weil sie sich nun doch nicht mehr so sicher war, dass es nur eine normale Fuchsmaske war. Sie sollte sich vielleicht doch aufschreiben welcher Gegenstand in ihrem Laden magische Eigenschaften besaß und welche nicht.
Sie warf sich einen dicken Mantel über und verschwand aus der Tür, welche sie dreimal abschloss und einen Zettel dranhängte auf dem stand: Ich habe die Diebesgilde bezahlt. Also Finger weg!

Die versammelten Wächter verstummten als Hauptmann MeckDwarf und sein Stellvertreter Jack Narrator in das Zimmer kamen, welches notdürftig zu einem Trainingsraum umfunktioniert wurde. Es wunderte Rabe, wie viele Wächter sich anscheinend nicht verteidigen konnten. Oder MeckDwarf wollte sie nur ärgern und hat alle zum Training eingespannt.
MeckDwarf räusperte sich und sagte: "Ihr wisst alle, wieso wir hier sind. Ich habe einige von euch dabei beobachtet wie ihr mit Schwertern oder Armbrüsten umgeht und ich bin, gelinde gesagt, besorgt. Es wundert mich wirklich, dass sich bisher keiner von euch sich selbst die Kehle aufgeschlitzt hat."
Er sah Rabe bei diesen Worten sehr durchdringend an und Rabe spürte wie er zu seiner alten Größe von 1,10 Metern zusammenschrumpfte. In Sachen Schwertkampf brachte er es höchstens zum Pantoffelheld. Dann begann Jack Namen aufzurufen, immer zwei zusammen, die ein Trainingsteam bilden sollten. Rabe erwischte Akkhuna Lupus als Sparringspartnerin, was ihn mehr als beunruhigte.
"Ähm, Herr Hauptmann?"
"Was ist, Rabe?"
"Könnte ich vielleicht einen anderen Partner haben?"
"Warum? Stört es dich, dass sie eine Frau ist? Keine Angst, sie kann sich schon verteidigen."
"Mich stört nicht, dass sie eine Frau ist, Sör. Mehr der Umstand, dass sie ein Werwolf mit übermenschlichen Kräften ist und ich nur ein Mensch."
"Wasserspeier", verbesserte MeckDwarf ihn hämisch grinsend. Er wusste wie sehr Rabe normalerweise auf diese Bezeichnung bestand.
"Aber ein sehr verletzlicher Wasserspeier."
"Keine Chance", war Humphs letztes Wort.
Rabe wollte noch einmal zu einem weiteren Versuch ansetzen, der von MeckDwarf mit einem grimmigen Blick aber schon im Ansatz erstickt wurde. So blieb ihn nichts anderes übrig als sich in sein Schicksal zu fügen, auch wenn er sich hier sehr deplatziert fühlte.
"Akkhuna, Rabe ihr fangt an. Nehmt euch ein Übungsschwert", befahl MeckDwarf.
Das Holzschwert fühlte sich rau und ungewohnt in seiner Hand an. Die größte Gefahr bei diesem Training bestand wohl darin sich einen Splitter einzufangen, oder sich alle Knochen zu brechen. Nach allem was Rabe über Werwölfe wusste, durfte es für Akkhuna kein größeres Problem darstellen ihn zu überwältigen. Auf der anderen Seite sah er auch keine Möglichkeit sich gegen sie zu verteidigen. Wenn sie mit aller Kraft zuschlug zersplitterte sein Holzschwert vermutlich in tausend Einzelteile.
"Du darfst Anfangen, Rabe", sagte die Akkhuna mit einem Wolfsgrinsen und Rabe nahm das Angebot an.
Mit einem kurzen Satz sprang er, das Holzschwert mit beiden Händen über ihn kreisend, auf sie zu und setzte all seine Kraft in diesen ersten Schlag. Akkhuna wartete bis zur letzten Sekunde, ihr blieb sogar noch Zeit sich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht zu wischen, und wich dann mit einer tänzelnden Bewegung zur Seite aus und schlug ihn die flache Seite ihres Übungsschwertes gegen sein Hinterteil. Rabe stolperte noch ein zwei Schritte nach vorne bevor er sein Gleichgewicht wieder fand. Als er sich umdrehte, stand Akkhuna auf ihr Schwert gelehnt da und grinste noch breiter.
"Das kannst du doch besser", sagte sie und machte mit der freien Hand eine herausfordernde Geste.
Rabes zweiter Versuch erwies sich als weitaus geschickter als der erste. Wieder stürmte er scheinbar planlos auf die Werwölfin zu und täuschte einen Hieb an. Akkhuna seufzte, wahrscheinlich vor Enttäuschung weil Rabe es wieder auf die gleiche Tour versuchte. Sie hob ihr Schwert um den Angriff abzuwehren und tat damit genau das was Rabe erwartete. Kurz bevor die beiden Schwerter aufeinander prallten, drehte sich Rabe um die eigene Achse und ließ sein Schwert in einer großen kreisenden Bewegung folgen. Bei einem normalen Mensch, der nicht gerade ein überdurchschnittlich guter Schwertkämpfer war, wäre diese Finte möglicherweise erfolgreich gewesen, aber Akkhuna war kein normaler Mensch sondern ein Werwolf und dazu gehörten nun mal auch bessere Sinne und schnellere Reflexe. Dazu musste man nicht einmal gut im Schwertkampf sein. Akkhuna wehrte den Schlag mit einer schnellen Parade ab und konterte ihrerseits mit einem kurzen Stich. Rabe entkam der Attacke mehr durch Glück als Können, indem er ängstlich zurücksprang und den Bauch soweit einzog wie möglich. Es rettete ihn nicht. Akkhuna setzte ihm nach, schubste ihn weiter zurück und stellte ihm gleichzeitig ein Bein. Rabe stürzte auf seinen Hosenboden und noch bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte spürte er kalten Stahl an seiner Kehle. [2]
"Du hast verloren und bist tot", sagte Akkhuna und reichte ihm die Hand um ihn aufzuhelfen.
In Rabe ging währenddessen etwas Seltsames vor. Normalerweise würde er es jetzt Achselzuckend abtun und schauen, dass er das Training so schnell wie möglich hinter sich brachte, aber zu seinem eigenen Staunen störte es ihn, dass er verloren hatte und er brannte auf eine Revanche. Akkhuna las das in seinen Augen und lächelte.
"Du willst also weitermachen? Schade, dass wir keine echte Schwerter haben, mit diesen Dingern kommt nicht das richtige Gefühl dafür auf."
Rabes Augen weiteten sich. Es war ihm zwar nicht mehr so wichtig, aber er würde jetzt doch noch um das Training herumkommen. Er ließ sich von Akkhuna aufhelfen und schmiss das Holzschwert davon. Keiner der anwesenden Wächter reagierte schnell genug um ihn aufzuhalten während er nach draußen stürmte. Olga zuckte nur mit den Achseln und folgte ihm.

"Das ist alles was dieser Esel besitzt?", raunte Sebastian Gutermut.
Seine Schwester zuckte zusammen und ging auf Abstand. Die Wutausbrüche ihres Bruders kannte sie zur Genüge und wenn er einen hatte, war es besser nicht direkt neben ihm zu stehen.
"Und was ist eigentlich das da?" Er zeigte auf eine weiße Porzellanmaske, die an der Wand hing und das Antlitz eines Fuchses zeigte.
Magda nahm die Maske von der Wand und reichte sie ihren Bruder. Der sah sie prüfend an und verzog angewidert das Gesicht.
"Hässliches Ding", sagte er. "Und zudem noch vollkommen wertlos."
"Ach, ich weiß nicht. Mir gefällt sie", meinte Magda und nahm ihren Bruder die Maske aus der Hand bevor dieser sie noch kaputt machte. "Die behalte ich."
"Von mir aus. Dann nimm dir noch den restlichen Krempel und wir verschwinden von hier."

Olga holte Rabe mit Müh und Not ein, als sie schon fast ihr Ziel erreicht hatten. Sie musterte ihre Umgebung und erkannte, dass sie sich in der Nähe von Benno Gutermuts Haus befanden. Er gibt also immer noch nicht auf, dachte sie. Was das anging musste man es Rabe zugute halten. Er lebte für die Wache, war der Erste, der kam und der Letzte, der ging. An einem Tatort überprüfte er jede Möglichkeit, auch wenn sie noch so unwahrscheinlich war.
"Was machen wir schon wieder hier?", fragte sie Rabe.
"Rea erzählte mir, dass sie Teppichflusen in Bennos Nasennebenhöhlen gefunden hat."
"Und weiter?", hakte Olga nach. Ihr war nicht ganz klar worauf ihr Partner hinauswollte.
"Erinnerst du dich noch was uns Frau Gutermut erzählt hat?" Mittlerweile standen sie vor Bennos Haus.
Rea überlegte kurz und nickte dann. "Das er sich davor fürchtete."
"Genau und mir ist etwas aufgefallen was ich für unwichtig gehalten habe." Rabe probierte ob die Tür verschlossen war. Zu seiner Erleichterung war dies nicht der Fall.
"Jetzt lass dir nicht alles aus der Nase ziehen", meinte Olga während sie Rabe nach drinnen folgte.
"Sieh dich doch einmal um."
Olga tat wie ihr gesagt, konnte aber nichts Besonderes erkennen. Der Raum war unordentlicher als bei ihren ersten Besuch, woran sicherlich Bennos "trauernden" Verwanden die Schuld trugen, ansonsten schien alles normal. Mattes Sonnenlicht fiel durch die beiden, von der Kälte beschlagenen Fenster, und vermittelte ein schwaches Bild von dem unangenehmen Wetter draußen. Eine dünne Staubschicht bedeckte die schäbigen Möbel und die Kratzer auf dem Holzboden zeugten von Bennos zweifelhafter Natur. Um den Boden so heftig zu verkratzen musste er die Möbel täglich umgestellt haben. Sie selbst hätte den Boden längst unter einem. . .
Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Rabe lag richtig, es war Mord.
"Aber wie willst du es Beweisen? Wir haben weder Beweise noch einen Verdächtigen", argumentierte Olga.
"Für mich wirkten Bennos Bruder und Schwester sehr verdächtig", meinte Rabe.
"Das beweist gar nichts", konterte Olga ihrerseits.
Rabes graue Augen, dass einzige an ihm, das noch an sein Dasein als Wasserspeier erinnerte, funkelten verschwörerisch und das Lächeln, zu dem sich sein schmaler Mund verzog, gefiel Olga ganz und gar nicht. Um ehrlich zu sein, machte Rabe ihr ein klein wenig Angst.
"Komm mit, wir gehen."
"Wohin?", wollte sie wissen.
"Siehst du dann schon."

Kaum zehn Minuten später standen sie vor der Tür von Magda Gutermut, an die Rabe heftig klopfte.
"Machen sie auf, Frau Gutermut! Wir müssen mit ihnen reden!", schrie er, wobei er versuchte möglichst aggressiv zu klingen.
Er versagte auf ganzer Linie. Dementsprechend verlief auch das Streitgespräch, welches Rabe mit Frau Gutermut provozierte, kaum da sie die Tür geöffnet und sie hereingebeten hatte. Beredsamkeit gehörte eben nicht zu seinen besten Eigenschaften. Olga stellte sich in eine Ecke des Raumes und beobachtete amüsiert das Schauspiel.
"Worüber wollen sie mit mir reden?", fragte sie die zwei Wächter.
"Wir waren noch einmal in dem Haus ihres Bruders und haben einige sehr interessante Dinge gefunden", begann Rabe.
"Das wäre?", fragte Frau Gutermut.
"Naja, wir äh. . . wir haben Beweise gefunden, die einiges. . . beweisen", stotterte Rabe. Man merkte sofort wenn er log, was er normalerweise auch nie tat.
"Das wäre?", wiederholte Magda Gutermut ruhig und gelassen.
"Wer ihren Bruder ermordet hat."
Frau Gutermut schien ehrlich schockiert. Olga bemerkte, dass sie sich zusammenreißen musste um nicht zu weinen und Rabe war bereits zu weit gegangen um ihn noch von seinen Vorhaben abzubringen.
"Wer? Wer hat meinen Bruder ermordet?!", schrie sie völlig aufgebracht.
"Eigentlich dachten wir Sie und ihr Bruder . . ."
"Sie glauben was?!", unterbrach sie Rabe, gefolgt von einer viertelstündigen Schimpftirade, bei der sie mehr als einmal erwähnte wie er es nur wagen konnte ihre Familie eines Mordes zu beschuldigen.
Und dann brach die Hölle los.
Die Fenster und Türen zersplitterten unter der Wucht eines gewaltigen Orkans und noch bevor einer von ihnen reagieren konnte wurden sie von den Füßen geweht. Von einem Augenblick wurde das Zimmer von einem Sturm erfüllt, der Olga, Rabe und Frau Gutermut eine Schneewehe nach der anderen in Gesicht schlug. Schon nach kurzer Zeit hatte Rabe jegliche Orientierung verloren und er konnte nur noch mit Müh und Not drei menschliche Umrisse erkennen.
Drei?
Durch das Tosen des Sturms glaubte er eine fremde Stimme zu hören, die etwas schrie das er als eine Art Befehl verstand. Für einen Moment bäumte sich der Sturm noch einmal auf, um dann so schnell aufzuhören wie er begonnen hatte. Ihm Türrahmen stand eine junge zierliche Frau mit langen schwarzen Haaren und alabasterweißer Haut. Sie bewegte ununterbrochen den Mund als würde sie mit jemandem schimpfen, Rabe konnte jedoch nichts verstehen und seine Augen tränten noch zu stark, als dass er erkennen konnte mit wem sie redete. Das einzige, was er noch mitbekam, war, wie sie durch den Raum stürmte, einen Gegenstand ergriff und wieder verschwand.
Wie sollte er das alles nur Hauptmann MeckDwarf erklären?

Nachdem sie Frau Gutermut erklärt hatten, dass in Bennos Körper Teppichflusen gefunden wurde, obwohl es in seinem Haus nicht einen Teppich gab und sie deshalb von einem Mord ausgingen, machten sie sich wieder auf den Weg ins Wachhaus. Rabe ging mit hängenden Schultern und wirkte wie ein geprügelter Hund. Kein Wunder. Er hat eine Unschuldige Frau des Mordes bezichtigt und dann war da noch dieser Schneesturm in einer Wohnung, den er nicht erklären konnte. Mit diesem Fall hatte er sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert und er konnte froh sein wenn ihn der Hauptmann nicht wieder zu G.R.U.N.D schickte. Auf jeden Fall würde er ihn die nächsten Monate nur Tresendienst schieben lassen.

Zhang Cheyung hängte die Fuchsmaske an die Wand ihres Wohnzimmers und hob tadelnd den Finger, einerseits für sich und andererseits für die Maske. Für sich um sich selbst zu mahnen besser nachzudenken bevor sie wieder einen Gegenstand verkaufte, der von einem Geist besessen war und für die Maske weil es Unrecht war Menschen zu töten. Dann verließ sie den Raum um sich schlafen zu legen, dieser Tag war anstrengend genug gewesen.
Das Seufzen das anschließend durch den Raum ging hörte sie nicht mehr. Endlich, so hoffte der Geist Tokageros, würde er seine Ruhe finden. Nicht so wie bei diesem komischen Kerl der ihn ständig an eine andere Stelle an der Wand hängte oder bei dieser Frau die sich mit den beiden Wächtern stritt. Mehr wollte er doch gar nicht, als endlich seine Ruhe und schlafen.

Ende
[1] Ruhig war nicht das richtige Wort. Aber ein zwei Explosionen waren erträglicher als der ständige Lärm (und Gestank) Ankh-Morporks

[2] Ich weiß, ich weiß. Sie kämpfen mit Holzschwertern. Aber der Satz: Rabe stürzte auf seinen Hosenboden und noch bevor er einen klaren Gedanken fassen konnte spürte er feuchtes Holz an seiner Kehle. Kommt irgendwie lahm rüber




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Feedback:

Von Ophelia Ziegenberger

01.07.2005 17:28

Lob: Die ersten fünf Absätze hoben sich positiv von den Übrigen ab, da sie eine schnelle Abfolge von gut geschriebenen Szenen darstellten, die offensichtlich einem roten Faden folgten. Hier wurde die Neugier geweckt und gehalten.

Kritik: Ab der Trainingssequenz fehlte den Ereignissen das zu vermittelnde Gefühl der Dringlichkeit, da sie einen für den Plot sinnlosen Bruch darstellte, der überdies in seiner Länge in keinem Verhältnis zu den relevanten Szenen stand. Teilweise war keine Motivation zu erkennen oder nachvollziehbar. Der Showdown führte weder zur Aufklärung der Vorkommnisse, noch zu einer direkten Konfrontation der Hauptverantwortlichen, was bei mir einen schalen Geschmack hinterließ.

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