Laiza tritt ihre Ausbildung als Okkultismus Expertin an und bekommt es direkt mit der Praxis zu tun.
Dafür vergebene Note: 12
Große schwere Tannen wiegten sich im stillen Wind, die Blätter der Laubbäume raschelten leise. Sichelförmig hing der Mond hell hinter einigen kleinen Wolken und ließ die Nadeln und Blätter silbern glänzen. Von weit her hörte man das Heulen einiger Wölfe und obwohl sie für die Tiere in diesem Waldabschnitt keine Gefahr darstellen erschreckten sich diese. Eine Gruppe von Rehen hüpfte erschrocken durchs Unterholz.
Mitten im Wald, viele hundert Meter abseits einer großen Straße, lag ein kleines Dorf. Es bestand nur aus einem kleinen Dorfplatz mit einem Brunnen, um den im Kreis etwa dreißig kleine krumme Fachwerkhäuser standen. Aus dem Dorf zweigten drei Wege ab. Einer führte mittwärts zu einer großen Schaffarm. Wenn man den beiden anderen Wegen folgte, die randwärts verliefen, so kam man zu einigen Bauernhöfen und zu einer Gerberei an einem Fluss. Um das Dorf herum, tief im Wald, gab es auch noch drei Jägerhütten.
Die meisten Bewohner schliefen zu dieser Stunde schon seelenruhig. Nur in einem Dorfhaus brannte noch Licht.
Es war das Haus des Dorfbibliothekars. Vor vielen Jahren war sein Großvater in dieses kleine Dorf eingekehrt, weil er der Stadt überdrüssig geworden war und ein ruhiges Leben vorzog. Mit sich brachte er mehrere Karren voll Bücher in sein neues Heimatdorf und gab den Beruf an seinen Sohn und an seinen Enkel weiter. Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass in solch einer abgelegenen Gegend kein Bibliothekar von Nutzen sei. Doch der Ruf des alten Mannes brachte ihm immer wieder Kundschaft. Manchmal reisten seine Besucher einen ganzen Tag lang, um zu ihm zugelangen. Aber viel Geld verdiente man nicht mit dieser Arbeit.
Und so hatte der Enkel immer zwei Gästezimmer seines Hauses belegt und beherbergte Menschen, die er für einige Monate unterrichtete und somit seinen Unterhalt finanzierte.
Es war eines der größten Häuser im Dorf, mit einer großen Scheune, die zu mehreren einfachen Gästezimmern umgebaut war. Viele Reisende kehrten hier ein, weil es kein Gasthaus gab.
Das Licht brannte im ersten Stock des Hauses, dort wo sich die Wohnstube befand.
Das Kaminfeuer knisterte leise vor sich hin und warf unheimliche Schemen auf die Wände. Um einen dunklen schweren Ohrensessel saßen fünf Jungen im Alter zwischen zwölf und fünf Jahren im Halbkreis auf dem Boden und blickten mit großer Neugier ihrer Großmutter entgegen. Wie jeden Samstagabend erzählte sie ihren Enkeln wieder eine Gruselgeschichte, während der junge Vater am anderen Ende des langen Raumes am knisternden Kamin saß. Mit einem guten Glas Überwälder Wein kommentierte er die Geschichten jedes Mal mit energischem Kopfschütteln. Eigentlich war er dagegen, dass seine Mutter die Jungs mit solchen Humbug voll stopfte. Der Kleinste hatte inzwischen schon Angst, sobald es dämmerte Kaminholz herein zu holen. Doch die Kinder waren inzwischen schon so gierig nach den Gruselgeschichten, dass er sie einfach nicht ohne einer dieser am Samstagabend ins Bett bekam.
Die alten Holzdielen knarrten leise, dabei bewegten sich nur zwei kleine Kinderfüße über sie. Kurz nach der Dämmerung hatte man das kleine Mädchen ins Bett geschickt, dabei wollte sie doch nie so früh ins Bett. Allein schon, weil ihre Brüder immer lange aufbleiben durften, dabei war sie doch drei Jahre älter als ihr jüngster Bruder. Die Ungerechtigkeit hatte auch an diesem abgelegenen Ort die Menschen in ihrer Gewalt. Eine dicke große Kerze stand auf einem kleinen Tisch am Ende der Dachbodentreppe. Die Flamme brannte ruhig und gleichmäßig. Schon seit sie denken konnte, brannte an jeder Treppe ein Nachtlicht. Der Teppich auf den Treppenstufen war schon lange nicht mehr flauschig und angenehm an den nackten Füßen. Er war schon so platt getrampelt und ausgefranst, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis er zu Staub zerfallen würde.
Sie strich ihre schwarzen Lockenhaare zur Seite, die ihr immer wieder ins Gesicht fielen und blickte sich um. Die Tür zur Wohnstube stand einen Spaltbreit offen und von drinnen hörte man die gedämpfte Stimme der Großmutter. Die Kleine schlich sich zur Tür heran um still der Geschichte zu lauschen.
***Laiza trottete müde durchs Wachhaus, in den Händen trug sie eine handliche Holzkiste, in der sie einige Dinge verstaut hatte. Den größten Platz nahm ihre wiewunderländische Pflanze ein, dazu gesellten sich ein Becher mit Stiften, ein Block, eine Teetasse und eine kleine mechanische Tischuhr. Irgendwo ganz unten befand sich noch eine Dose mit Überwälder Kräutertee.
Kurz vor einer unscheinbaren Tür mit dem Schild "Okkultismus Experten" blieb sie stehen. Unter der Spezialisierung waren die Namen HG Leopold von Leermach und G Skilla zu lesen.
Sie seufzte und öffnete umständlich die Türklinke mit dem Ellenbogen. Der Raum war klein, hatte aber zumindest ein Fenster. Drei Schreibtische befanden sich im Raum, zwei standen sich gegenüber, der eine am Kopf.
Skilla stand auf.
"Laiza!" sie grinste, dann besann sie sich eines Besseren und salutiert, "Entschuldigung, Lance-Korporal."
"Hör auf mit dem Mist."
Auch Leopold war aufgestanden und hatte salutiert.
"Hört beide damit auf, ich mag das nicht." Sie setzte sich an dem leeren Schreibtisch, am Kopf der anderen und packte ihre Kiste aus, während ihre zwei Mitstreiter sich wieder in die Lehrbücher vertieften.
Nun saß sie hier, mit einer neuen Abteilungskordel an der Uniform, und war kein Frosch mehr. Laiza schaute sich in dem kahlen Raum um, als könnte sie irgendetwas Interessantes finden, doch bis auf ein kleines Bücherregal, indem vereinzelt Bücher und Tassen standen, fand sich nichts in diesem Raum.
Sie musterte Skilla neugierig, die mit viel Erfolg zum Unliebling von Araghast Breguyar geworden war. Jedermann in der Wache wusste, das der Schäff - ihr Exschäff - ganz heiß war auf die Stelle des Okkultismus Experten und somit gar nicht begeistert war als die Gefreite zu SuSi wechselte. Sie hoffte, das ihr nicht dasselbe blühte, wie der ehemaligen Leichten Armbrustschützin. Den Schäff -
Exschäff - unliebsam im Nacken sitzen zu haben war eine grässliche Vorstellung. Aber zum Glück hatte Bregs im Moment die Position des Abteilungsleiters der Freiwilligen Retter inne und war somit nicht in der Lage, zu SuSi zu wechseln. Andererseits schürte das nur noch viel mehr seinen Hass auf die, die die Chance hatten und in seinen Augen allesamt Unfähige auf dem Gebiet waren.
Laiza schob die leere Kiste unter dem Schreibtisch und ging zu dem kleinen Regal. Nach einer kurzen Sichtung der Exemplare zog sie ein dickes Buch mit abgenutztem, braunem Ledereinband heraus. Auf dem Buchdeckel stand in dünner schnörkliger Schrift
Magie, Kulte, Geister, Götter, darunter in kleiner Schrift
Und vieles mehr. Sie setze sich zurück an ihrem Schreibtisch und schlug den Buchdeckel auf. Dort stand sogar der Name des Autors. Xaverius Siebenstein, darunter las man
Großer Hexenmeister.
Das Buch stellte sich als kompaktes Kompendium für jeden Okkultismus Experten heraus.
Bei dem Begriff Esoterik blieb ihr Finger ruhen. Sie schlug die angegebene Seite auf.
Von dem Wort hatte die ehemalige Gift und Gasexpertin noch nie etwas gehört. Wie sich herausstellte war die Esoterik eine Lehre, die sich kurz gesagt mit den Fragen Woher, Wohin und Wozu beschäftigte und auf diese eine Antwort suchte.
Laiza konnte sich ein Seufzen nicht verkneifen. Sie blätterte die Seiten durch, las zwischendurch ein paar Sätze und blätterte dann weiter.
Sie beobachtete immer wieder ihre Kollegen, die anscheinend jedes Wort aus den Büchern aussaugten.
Bei dem Thema Parapsychologie hörte sie mit dem Durchblättern auf und fing an zu lesen. Das Wort war eine Zusammensetzung aus mehreren altephebianischen Wörtern, und war in etwa eine Seelenkunde. Diese Lehre befasste sich mit seltsamen Phänomenen. Wie zum Beispiel Gedankenübertragung und Geistererscheinungen.
Plötzlich fiel Laiza das Wort Poltergeist auf. Poltergeister waren Erscheinungen die Klopf- oder ähnliche Geräusche hervorriefen oder Gegenstände in Bewegung brachten.
Laiza dachte an die seltsamen Geschehnisse zurück, die sie in einem Gasthaus in der Sto-Ebene erlebt hatte. Leider hatte sich das Ganze nicht nur auf Geräusche und bewegende - besser gesagt fliegende - Gegenstände beschränkt. Sie hatte
es gesehen. Doch dazu fand sie nichts in dem dicken Kompendium. Aber die Ereignisse in Hinterste Hütten mussten die Werke eines Poltergeistes gewesen sein.
Hauptmann Humph MeckDwarf, ihr neuer und alter Schäff - er war zu ihrer GRUND-Zeit nicht nur Ausbildungsleiter gewesen, sondern auch ihre Ausbilder -, hatte kurz vor Feierabend noch einmal ins Büro der Okkultismus Experten in Ausbildung geschaut. Er wies die drei Möchtegern-Experten darauf hin, morgen pünktlich um acht Uhr in seinem Büro anzutreten. Er sprach von Kultenlehre und Religionen und dass dieses Wissen unabdingbar war für einen baldigen Okkultismus Experten war.
Laiza sah jetzt schon, wie ihr Kopf qualmen würde nach zwei Stunden Unterricht. Aber all das musste sein und weitere schreckliche Stunden würden folgen. Sie gab ihrer wiewunderländischen Pflanze den Rest ihres Kräutertees und verließ das Büro pünktlich zum Dienstschluss.
***Der kleine blaue Sumpfdrache, den Laiza auf dem Namen Pontiflix getauft hatte, weil dieser einen gleichnamigen Busch auffraß, wartete schon ungeduldig hinter der Tür, als sie ihre kleine Wohnung betrat. Neugierig blickte er zu ihr hoch, während er hinter ihr her lief. Seine Krallen klackten und kratzten auf den Holzdielen wie eine Metallkette, die man immer wieder den Boden berühren ließ. Das dicke Kompendium, das Laiza aus dem Wachhaus mitgenommen hatte legte sie auf den Küchentisch. Dieser war, neben dem Herd, zwei Stühlen und einem kleinen Schrank, die ganze Ausstattung des kleinen Raumes.
Sie setzte sich und nahm den kleinen Sumpfdrachen auf den Schoß. Seit Wochen war er krank, hatte chronischen Schluckauf und bekam seitdem keine Kohle mehr zu fressen und selten mal ein Stückchen Holz. Sie flößte ihm, wie jeden Tag, ein Medikament ein, das dieses Problem in den Griff bekommen sollte. Viel geändert hatte sich nicht, aber er war immerhin noch nicht explodiert.
Violette und weiße Kerzen standen in einem gedehnten Halbkreis um sie herum. Die Fenster waren zugehängt und so waren die Kerzen die einzige Lichtquelle in ihrem leer stehenden Wohnzimmer. Die Lance-Korporal saß vor einem großen Brett und starrte es recht unbeholfen an. In einem großen Kreis hatte sie alle Zahlen und Buchstaben geschrieben, in der Mitte las man die Worte JA und NEIN. Sie griff hinter sich und zog das dicke Kompendium hervor, blätterte zu einer bestimmten Stelle im Buch und las noch einmal darin. Pontiflix lag in einer Ecke und döste, über ihm seilte sich eine Spinne ab.
Nie zuvor hatte sich Laiza mit Geisterbeschwörungen beschäftigt, weil sie nie einen Grund dafür gehabt hatte. Zwar gab es in der Überwaldregion, in der sie aufgewachsen war viele Märchen und Legenden über nette und böse Naturgeister, allerdings war sie nie einem begegnet.
Früher hatte sie nie darüber nachgedacht, doch nun schauderte sie bei dem Gedanken, dass es physisch ungebundene Wesen gab, die über die Welt wanderten.
Okay, sie hatte im vergangenen letzten Jahr wirklich genug mit Dämonen zu tun gehabt und die hatten wahrlich nichts Menschliches an sich. Aber das war irgendwie etwas
anderes. Sie wüteten zwar ebenfalls, aber ihnen konnte sie an die Gurgel gehen. Sie erinnerte sich auch daran, dass Kanndra sich mit Voodoo auseinandersetze. Aber auch das schien was ganz anderes zu sein. Zumindest war derjenige greifbar, der Nadeln in Puppen stieß.
Sie legte das Buch wieder weg, nuschelte ein kurzes Schutzgebet an alle zuhörenden Götter und griff nach einem Glas, dass sie umgedreht auf das Brett stellte. Sie berührte mit ihrem Finger den Glasboden.
"Ist da wer?"
Und wartete.
Als nach einer guten halben Stunde ihr Finger langsam aber sicher verkrampfte stand die ehemalige GiGa vom Boden auf. Sie streckte sich und ging in die Küche um eine Kanne Wasser aufzusetzen. Sie schüttete neue Kohle in den Ofen und schürte das Feuer. Draußen zogen dunkle Wolken heran und in weiter Ferne zuckten die ersten Blitze gen Boden.
Dies war genau das richtige Wetter, bei dem ihre Großmutter gerne vor dem knisternden Kamin gesessen hatte und ihre Gruselgeschichten zum Besten gegeben hatte. Inzwischen waren ihre damaligen Zuhörer erwachsen und interessierten sich nicht mehr für solche Kindergeschichten. Laiza fragte sich, was ihre Großmutter heutzutage machte, ob es ihr noch genauso gut ging, wie an jenem Tag, als Laiza von zu Hause aufbrach.
Nach wenigen Minuten pfiff der Teekessel und Laiza nahm ihn von der Ofenplatte. Aus einem Holzdöschen schüttete die Okkultismus Expertin in Ausbildung Teeblätter in eine andere Kanne und goss sie dann mit dem kochenden Wasser auf. Sie hörte die Sumpfdrachenkrallen über den Holzboden kratzen. Sie drehte sich um und sah, wie das blaue Schuppentier in die Küche rutschte und versuchte sich hinter dem warmen Ofen zu verstecken. Die Lance-Korporal stellte den Kessel weg und zog die Echse am Schwanz hervor. Sie hob ihn auf den Arm, wie ein kleines Baby und tätschelte seinen Rücken.
"Na, Dicker, was hast du denn?"
Der kleine Sumpfdrache gab pfeifende Geräusche von sich, als sein aufgeblähter Bauch wieder zurück ging, sie hielt ihn vor ihr Gesicht und sah ihn an.
"Braver Ponti, explodieren ist ne böse Sache", sie setze ihn vorsichtig ab, schwenkte die Teekanne und schüttete sich eine Tasse voll.
Dampf stieg aus dem Becher auf und wurde stärker, als Laiza in die Wohnstube abbog. Sie starrte in die Tasse hinein und pustete den Dampf immer wieder weg. In der Bernsteinfarbenen Flüssigkeit schwammen einige Teeblättchen. Vorsichtig kniete sie sich ihn und stellte die Tasse auf dem Holzboden ab.
Pontiflix schob neugierig seine Schnauze um den Türpfosten herum und blickte in den Raum hinein, klagende Geräusche drangen aus seinem Maul.
Der Blick der Wächterin wanderte von ihrem heißen Tee zurück zum Hexenbrett. Mit Entsetzen musste sie eine Veränderung feststellen. Zuvor hatte das leere umgedrehte Glas mittig auf dem Brett gestanden doch nun, war es weiter nach Links verschoben und stand auf dem Wort JA.
"Ist da wer ..." wiederholte sie ihre Frage von vorhin. Ohne dass sie ihren Finger auf dem Glas legte, bewegte es sich ein wenig im Kreis und verlieb auf dem Wort JA.
Kratzende Geräusche bewegten sich von der Wohnstube weg. Das bewegende Glas hatte den Sumpfdrachen wohl vorhin aufgeschreckt.
"Wer ist da?" Sie beobachtete, wie das Glas auf den Buchstaben I zudriftete, von dort ging es zum C und dann zum H, von dem es sich zur Brettmitte bewegte, "
ICH? Was ist das denn für eine Antwort!"
Einige Augenblicke verharrte es noch dort, dann wanderte es langsam weiter. Laiza beobachtete, wie das Glas die Worte
DIE WAHRHEIT bildete und danach ebenfalls wieder zur Mitte glitt. Leise sprach sie die Worte mehrere Male nach, dann griff sie zum großen Kompendium, das nahe dem Hexenbrett lag und schlug es auf. Nun hatte sie einen Geist ... oder so etwas ... aber wie ging man mit ihm um?
Die Wahrheit war keine bessere Antwort als Ich. Entweder wollte das Etwas sie veräppeln oder ... was auch immer. Das Kompendium schien ihr weitere Ratschläge zu verweigern. Denn abgesehen von der Beschreibung des zu verwendenden Hexenbrettes, bezog sich der Abschnitt über Gläserrücken hauptsächlich über den psychischen Zustand der Person, die diese spirituelle Technik anwendete.
Irgendwie hatte sie diesen Teil übergangen. Sie starrte auf die Buchstaben der Seite. Bestimmte psychische Zustände sollten auch bestimmte Wesen herbeirufen. Der Abschnitt endete mit dem Rat, die Geisterwelt nur zu kontaktieren, wenn man in dem psychischen Zustand wäre, bei dem ausschließlich gute Geister herbeigerufen werden würden. Laiza klappte das Buch zu und stupste es beiseite.
"Wie heißt du?", fragte sie, nachdem sie sich entschlossen hatte in einem ordentlich guten psychischen Zustand zu sein. Lange Minuten blieb das Glas regungslos stehen.
War er weg? Die ehemalige GiGa blickte sich in ihrem leeren Wohnzimmer um, der Kerzenschein tanzte über die Wände und die Vorhänge. Sie nippte gedankenverloren an ihrem Tee, der langsam nur noch lauwarm war.
Plötzlich fing das Glas an sich wieder zu bewegen.
Du sucht Antworten auf Fragen die niemand beantworten kannLaiza starrte das Glas an, das nun wieder in der Mitte stand.
"Tue ich das?" fragte sie sich ganz leise selbst. Ja, sie suchte eine Antwort auf die seltsamen Geschehnisse in Hintersten Hütten. Aber die Antwort war nicht unerreichbar. Allein ihr neues Arbeitsfeld zeigte ihr, dass es auf der Scheibe genug Übernatürliches gab.
Das Glas bewegte sich erneut.
Es werden viele Fragen aufkommenSie sah sich um. "Bist du hier um mich zu verwirren?"
Wohl kaum. Die Antworten werden kommen.Sie hob verwirrt die Augenbrauen. "Die Antworten werden kommen? Was soll das denn heißen?", mit einem bösen Blick schaute sie sich um, "sagtest du nicht eben, man könnte sie mir nicht beantworten?!"
Ja"Wer verdammt bist du?"
Öffne die Augen und schau wer dir begegnet"Was soll das nun heißen?", empörte sich Laiza, doch das Glas verharrte in der Mitte des Brettes.
Am nächsten MorgenDas Glas hatte sich den restlichen Abend nicht mehr bewegt, woraufhin Laiza es zurück in den Schrank gestellt hatte und in der Wohnstube die Fenster aufgerissen hatte. Ihr Schlaf war unruhig gewesen, die Sitzung mit dem unbekannten Geist hatte einige Fragen aufgeworfen. Und die Okkultismus Möchtegernexpertin musste mit Bedauern zugeben, dass im Moment niemand Antworten für sie parat hatte. Abgesehen davon entschied sie sich, mit niemand anderem über ihr kleines Experiment zu reden. Bevor sie kurz vor acht in Hauptmann MeckDwarf's Büro auftauchte, hatte sie vorher noch das Kompendium zurück ins Gemeinschaftsbüro gebracht.
Nun saß sie hier, zusammen mit Skilla und Leopold von Leermach und lauschte den Worten ihres neuen Schäffs.
Zu Beginn erklärte er den Möchtegerns erst einmal den Unterschied zwischen Kult und Religion. Die Worte tröpfelten in ihr Gehirn und bissen sich dort fest.
Die verschiedenen Kulte der Scheibenwelt werden in Gruppen unterteilt. So gab es zum Beispiel religiöse und spirituelle Kulte, die sich mit einer überscheibischen Wesenheit befassten und im Allgemeinen versuchten mit dieser in Kontakt zu treten und im Speziellen diese friedlich zu stimmen oder zu einer bestimmten Handlung zu motivieren. Dämonenkult war ein Beispiel, das in der heutigen Zeit zumindest in der Zwillingsstadt ziemlich ins Gewicht fiel. Bei den Worten des Hauptmannes fiel Laizas Blick auf den Kaputtschinoautomaten und er war nur ein kleines Beispiel für den heutigen Dämonenkult.
Laiza seufzte und unterdrückte ihren Dämonenhass.
Der SuSi Abteilungsleiter schmiss das Wort Herrscherkult in den Raum. Könige wurden verehrt, obwohl sie nichts überscheibisches an sich hatten oder gar einem Gott gleichkamen. Er bezeichnete dies als profanen Kult.
Die einzelnen Informationen wanderten in verschiedenen Gedächtnisschubladen, um von dort aufgerufen zu werden, sobald sie benötigt würden.
Aber nicht nur Personen konnten Mittelpunkt eines Kultes werden, sondern auch Objekte jeglicher Art.
"Aber was genau unterscheidet einen religiösen Kult von einer Religion?" warf Humph MeckDwarf in sein Büro hinein und schien die Auszubildenden aus einer Art Schlafzustand zu holen. Der Abteilungsleiter stützte die Arme in die Seiten. "Na?"
"Eine Religion erstreckt sich über eine größere Bevölkerungsgruppe?", versuchte sich die ehemalige GiGa.
Ihr Schäff nickte zaghaft, war allerdings mit der Antwort nicht zufrieden und sah sie auffordernd an.
"Nun... mit einer Religion verbindet man meist viele Traditionen",
oh wie sie dieses Wort hasste..., "und meist gibt es auch eine heilige Schrift, nach der gelebt wird."
Der Blick des Hauptmanns ruhte weiter auf ihr.
"Nun, einen Gott oder eine Göttin des Wetters zu verehren, damit es das passende Wetter für eine gute Ernte gibt, ist in meinen Augen ein Kult. Der Göttlichkeit werden Opfer dargebracht um sie gutmütig zu stimmen. Aber damit hat es sich. Religionen haben allerdings einen größeren Einflussbereich ... äh ..." Laiza verzweifelte langsam, "Eine Religion ist wie eine Institution, ein organisierter Glaube. Mit Priestern, einer heiligen Schrift", nun fing sie auch noch an sich zu wiederholen.
"Okay, das reicht, Harmonie."
Sie schluckte.
"Zu eurem Aufgabenbereich als Okkultismus
Experten gehört auch die Katalogisierung der existierenden Kulte und Religionen. Allerdings katalogisiert ihr eine Religion oder einen Kult erst, wenn ihr sie analysiert habt. Dies wird eure erste Aufgabe sein. Hier bei müsst ihr auf eure Zusammenarbeit bauen, es bringt nicht, wenn ihr wild durcheinander arbeitet und wohlmöglich alles dreifach macht."
"Ja, Sör", antworteten alle drei.
"Nächste Woche möchte ich die ersten Entwürfe von jedem sehen."
"Ja, Sör."
"Den nächsten Unterricht gibt es nächste Woche, selber Tag, selbe Uhrzeit, selber Ort. Damit könnt ihr wegtreten."
"Ja, Sör."
Sie verließ das Wachhaus am Pseudopolisplatz zur Mittagspause. Das Wetter lud zu einem kleinen Spaziergang ein und einem kleinen Mittagessen auf dem Marktplatz. Sie kaufte sich auf dem Hier-gibt’s-alles-Platz zwei leckere große Äpfel und schlenderte an den Buden entlang.
An einem kleinen Stand mit Pflanzen traf sie einen alten Freund.
Gorroff Faol war nun seit etwa einem Jahr in der großen Zwillingsstadt und kam aus demselben kleinen Dorf wie Laiza. Er war ungefähr in ihrem Alter, hatte ihre Größe und ihre Haarfarbe. Seit ihrer kleinsten Jugend hatten sie und einige andere Dorfkinder jede freie Minute miteinander verbracht.
Sie lächelte ihn an, er lächelte zurück, kniff dabei allerdings seine Lippen zusammen, wodurch er einen geplagten Gesichtsausdruck bekam. Hinter den schmalen Lippen befanden sich vier spitze Eckzähne, für die sich der Besitzer seit ihrer Existenz schämte.
"Wie geht es dir Gorroff?"
"Gut, Lieschen. Möchtest du eine Rose?", er lächelte, und gab wieder nicht seine Zähne preis.
Es war etwa ein Jahrzehnt her.
Der Dorfälteste pflegte die Kinder des Dorfes jeden Tag für etwa zwei Stunden zu unterrichten. Dabei versammelte sich jede Altersgruppe in einer kleinen Scheune am Rande der kleinen Häuseranordnung. Da dieser Unterricht erst am frühen Mittag stattfand hatten die Kinder genug Zeit zum spielen. Meist standen sie schon vor der Morgendämmerung auf um durch das leere und stille Dorf zu tollen und im Wald Streiche zu spielen. An jenem Tag, war es kalt und windig. In der Nacht war Schnee gefallen, der angenehm unter den Schuhen knirschte. Die schneebringenden Wolken waren zu diesem Zeitpunkt schon fortgeweht worden und so blinkten und strahlten aberdutzende von kleinen Sternen am Himmel. Auch der Mond zeigte sich in seiner schönsten Pracht, voll und hell strahlte er vom Himmel herunter und ließ den frischen Schnee silbern glänzen. Als zwei Jungen im Alter von neun und elf Jahren an diesem Morgen ihre Elternhäuser verließen und die damals neunjährige Laiza abholten, war es für die Kinder keine bedeutendere Nacht, den solch schöne Nächte hatten sie schon oft erlebt.
Da sie in diesem düsteren Wald, fernab von jeder größeren Stadt, aufgewachsen waren und keine Angst hatten, alleine tief in den Wald zu stapfen, machten sie sich auch an jenem Morgen keine großen Gedanken. Sie begannen den neuen Tag mit einem Wettrennen in den Wald. Ziel war ein kleiner See, mit einem kleinen Wasserfall. Doch in dieser Nacht kamen sie nicht dazu, den silbernen Glanz des Mondes auf dem gefrorenen Wasser zu bewundern.
Es ist bekannt, dass gerade verbotene Dinge Kinder und Jugendliche magisch anziehen, das war in der Stadt dasselbe wie in der Einsamkeit riesengroßer Wälder. Damals dachten die Erwachsenen des Dorfes, das Richtige getan zu haben, als sie schwiegen und den Kindern das Betreten des Waldes nicht verboten. Nach diesem ganzen Vorfall dachten sie anders darüber.
Die Nachricht wurde einige Tage vor dieser wunderschönen Nacht von einem Boten in das kleine Dorf getragen. Seltsame Dinge waren in den vergangenen zwei Monaten in einigen Gegenden geschehen. Menschen starben an grausamen Verletzungen und das was man von ihnen fand war kaum mehr als Mensch zu bezeichnen. Die Wölfe waren damals fast alle gejagt worden, doch es änderte nichts daran, dass weiterhin Menschen starben. Die Toten wurden nicht mehr den Wölfen zu geschrieben, sondern ein unbeschreibliches Monster schien die Ursache zu sein.
Und dieses hielt direkt auf das kleine Dorf zu.
Mit ihrer kindlichen Unvernunft rannten die drei durch den Wald, der kalte Wind pfiff eisig zwischen den dicken Baumstämmen herum und rauschte laut in den Ohren der Kinder. Sie hatten Spaß daran, sich zu dieser frühen Stunde aus den warmen Betten zu schleichen. Das Wettrennen verwandelte sich in ein Such-mich-Spiel.
Gorroff Faol, damals neun, stellte sich vor einem Baum und zählte bis dreißig, während die anderen Beiden das Weite suchten.
Der andere Junge hieß Theodor, war einige Jahre älter und hatte wuscheliges schwarzes Haar, das er unter einer dicken Wollmütze versteckt hatte. Er hüpfte über Löcher und Baumstämme und zählte selbst leise bis dreißig.
Laiza zählte ebenfalls mit, doch während Theodor schon außer Sichtweite war, kämpfte sie mit einem großen abgefallenen Ast, an dem sich ihr Umhang verheddert hatte. Sie zog ihre wollenen Fäustlinge aus und befreite sich aus dieser Falle. Bei Zweiundzwanzig lief sie endlich weiter. Zog sich beim Laufen ihre Fäustlinge wieder an und rannte auf einen Hochstand zu, der am Ende eines kleinen Abhanges stand.
An diesem windgeschützten Ort konnte man es aushalten. Kalt war es immer noch und so wickelte sie sich in ihrem schwarzen Umhang ein und zog die Wollmütze über die Ohren. In der Regel war sie immer die erste, die gefunden wurde. Doch an diesem jungen Morgen war es etwas anders. Sie blickte gelegentlich über die Balustrade des Hochstandes und sah nach wenigen Minuten die zwei Jungen in der Nähe ihres Verstecks herumschleichen. Entweder wollten sie ihr einen Gefallen tun und sie gewinnen lassen, weil sie ein
Mädchen war oder sie hatten etwas anderes gefunden, was ihre Aufmerksamkeit mehr beanspruchte.
Mit dem Heulen des Windes schwang ein seltsames Geräusch mit, das Laiza nicht wirklich beschreiben konnte, sie war sich noch nicht Mal sicher, ob es denn wirklich da war. Die Jungen blickten in die Richtung, aus der der Wind kam und Laiza sah im vagen Mondschein, wie Theodor ein Messer unter seinem Umhang hervor holte.
Das einzige, was Laiza einige Stunden später mit Sicherheit sagen konnte war, dass es riesengroß war. Erst hatte sie gedacht es wäre ein Bär, diese verirrten zwar nur selten in dieser Gegend, doch waren sie auch nicht sonderlich ungewöhnlich. Doch die Jungen verhielten sich nicht dementsprechend, als das Etwas auf der kleinen Hügelkuppe erschien.
Wahrscheinlich wären die beiden Jungen in dieser Nacht gestorben, wenn die Nachricht über das Ungetüm nicht schon einige Tage vorher eingetroffen wäre. Die Jäger, die um das Dorf herum in kleinen Holzhütten lebten und nur am Wochenmarkttag ins Dorf kamen, um Felle oder Fleisch zu verkaufen, waren in voller Bereitschaft. Woher sie genau kamen und wieso sie ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt an genau dieser kleinen Senke vorbei kamen, konnte später niemand erklären. Noch nicht einmal die drei Jäger selbst. Sie waren gegen alles gerüstet, und so trugen sie auch einige Bolzen und Pfeile mit versilberten Spitzen bei sich, die sie einsetzen, als alles andere kaum Wirkung zeigte.
Stark verwundet hatten die beiden Jungen im tiefen Schnee gelegen, der sich um sie herum rot färbte und sie selbst zu blauhäutigen leblosen Wesen machte.
Es war ein Werwolf. Und obwohl es in dieser Gegend genug Werwölfe gab, war er anders. Blutrünstig und ohne Rücksicht hatte er durch eine kleine Region von Überwald gewütet, den Menschen in sich hatte er komplett verloren.
Die Herzen der zwei Kinder pochten stetig weiter und wehrten sich gegen den nahen Tod und so trugen die Jäger sie eilig ins Dorf und schleiften das tote Monster hinter sich her.
Laiza aber verharrte oben auf dem Hochsitz, ganz in ihrem Umhang eingewickelt und dessen Mütze tief im Gesicht gezogen, so dass der Kopf nicht mehr zuerkennen war, kauerte sie in eine Ecke und versank in einem Zustand aus Angst und auf der Suche nach dem Schalter im Unterbewusstsein, der alle bösen Erlebnisse ausradieren konnte.
Sie nahm die Rose von ihm entgegen und betrachtete die Blüte. In einem wunderschönen dunklen Rot entfalteten sich die kleinen Blütenblätter und erweckten den Anschein als bestünden sie aus Samt. Die Wächterin steckte ihre Stupsnase hinein und zog den Duft in sich auf.
Sie lächelte und freute sich, ihren alten Freund seit Wochen einmal wieder zu sehen. Sie sprachen über dies und jenes und während des ganzen Gespräches versuchte der junge Mann krampfhaft, seine spitzen Zähne zu verbergen. Theodor, der ebenfalls seit einem Jahr in dieser Stadt war, hatte diesbezüglich eine ganz andere Einstellung und gab unheimlich gerne den Blick auf seine Eckzähne preis. Theeb, wie er sich selbst nannte und in einem pubertären Alter jeden dazu zwang ihn ebenfalls so zu nennen, hatte sie fast genauso lange nicht gesehen. Laiza befürchtete, dass er eventuell in Schwierigkeiten war oder gerade versuchte, in welche zu kommen. Was damals im Dorf nur Eier und Milch klauen war, konnte man in der großen Zwillingsstadt wunderbar ausdehnen. Aber auf kurz oder lang würde er wieder bei ihr auftauchen. Er würde mit seiner schlechten romantischen Tour vor ihrer Wohnungstür stehen und ihr das Leben schwer machen. Oder er würde sich ein weiteres Mal mit Tibor Khäinen prügeln. Wieso konnten Männer nur so verdammt rivalisierend und eifersüchtig sein?
Doch im Moment waren ihr der Job und ihr junges ungebundenes Leben viel wichtiger, als von Männern bezirzt zu werden.
Plötzlich wurde sie von hinten angerempelt und zur Seite gedrückt. Giftig sah sie sich nach dem Übeltäter um.
"Entschuldigung!", kam es aus dem Mund eines Mannes, der etwa einen Kopf größer war als sie. Er blickte sie aus braunen kleinen Augen an und versuchte sich ein lächeln abzuringen, "es tut mir wirklich leid...", dann drehte er sich zu Gorroff und zeigte auf einen Strauß Tulpen, "Den hätte ich ....
Ich Sterbe...!!!"
Erschrocken zog Laiza ihre Augenbrauchen hoch, als die Stimme des Mannes sich veränderte und bassartig die letzten Worte herausschrie.
"Du stirbt nicht!! Können sie mir den Strauch ...
Ich Sterbe Du Arsch!! ... einpacken?" Seltsame Zuckungen durchfuhren seinen Körper. "Halt die Klappe!! Du stirbst nicht!", schrie er sich selber an und starrte dabei auf den Boden, "
Ich Ste.. NEIN!! DU BIST SCHON TOOOOOOOT!!"
Der Fremde Mann lief rot an und bekam eine Zornesfalte auf der Stirn. "
Das kann nicht sein."
Er schüttelte sich noch einmal, dann plötzlich schien er wieder ganz normal. Die Farbe wich aus seinem Gesicht zurück, er fuhr sich mit der Hand durch sein braunes Haar und versuchte zu lächeln. "Entschuldigung", sagte er in Richtung Laiza.
Gorroff hatte inzwischen den Strauß Blumen eingepackt und reichte ihn an den Kunden weiter.
"Das macht zwanzig Cent."
Der Unbekannte kramte in seiner Hosentasche und förderte einige Centstücke zutage, aus denen er zwanzig abzählte.
"Bitte sehr, Herr Faol, bis demnächst."
Der Werwolf lächelte und wünschte seinem Kunden einen guten Tag. Laiza sah ihm hinter her, bis er in der Menge verschwunden war, dann wendete sie sich ihrem Kumpel zu und sah ihn fragend an.
"Wer war denn das?"
"Ach, es heißt er sei ein Medium ... aber ich glaub er ist einfach nur bekloppt."
"Bekloppt? Aha", sie blickte in die Menge, in der er verschwunden war, "Arbeitet er denn als Medium?"
"Nö, ich glaub er arbeitet gar nicht, lebt bei seiner Mutter oder so."
"Aha", meinte Laiza und zog die Augenbrauen zusammen, "nun gut, ich muss weiter. Ich muss noch ein paar Kulte und so finden."
"Bis dann!"
***Albert von Gutmorgeth holte seine silberne Taschenuhr aus der kleinen Tasche seiner Weste. Lässig auf seinen Gehstock gestützt, warf er einen Blick auf sie und steckte sie wieder weg. Er stand vor seiner Kutsche und blickte auf die Baustelle hinunter, die bald sein Stadthaus darstellen sollte.
Eigentlich wollte man meinen, Ankh-Morpork wäre für reichere Leute vom Land nicht gerade der Ort, an dem sie sich gerne aufhalten wollten, wenn sie doch weit draußen ein Landhaus mit viel Grundstück und guter Luft genießen konnten. Albert von Gutmorgeth schien genau solch ein Mensch zu sein, der die große Dunstglocke am liebsten vermeiden würde. Doch seine Frau war hier geboren und sehnte sich nach ihrer stinkenden Heimat, und so wollte sie wenigstens in den Wintermonaten einige Zeit hier verbringen.
Doch der Bau stand unter einem schlechten Stern. Obwohl die Bauarbeiten schon vor drei Wochen begonnen hatten, war das Kellerloch erst schultertief und die Arbeitergruppe schon fast vier Mal ausgetauscht worden.
Es fing mit Kleinigkeiten an und endete meist in einer Schlägerei, ohne das irgendjemand den Grund für die Streitereien kannte.
Von Gutmorgeth wusste nicht, was er von der ganzen Sache halten sollte. Das ganze Projekt brachte ihn nur Ärger ein und diesen wollte er auf keinen Fall haben.
Währenddessen starrte Laiza gebannt auf die großen Kurven eines Elefantenhinterns, den irgendein Idiot vergoldet hatte.
Es war ein schlichter Sandstein, der lediglich nur von einer Seite behauen war.
"Es könnte auch ein Kuharsch sein", meinte Laiza und kratzte sich am Kopf. Protest kam auf. Niemals könnte dies ein Kuhhintern sein!
Ein alter Mann wendete sich zu ihr, er versuchte seinen krummen Rücken zu überwinden und zu der jungen Wächterin aufzublicken.
"Es ist ein Elefantenpo, sehen Sie doch die markante Hautstruktur ..." Sein zitternder Finger zeigte auf die linke Pobacke.
Natürlich waren ihr die Furchen und Falten in dem steinernen Hinterteil aufgefallen. Aber wenn man nur diese Struktur sah, hätte es auch das Gesicht des Alten sein können. Nur war dieses nicht mit Blattgold überzogen.
Laiza notierte sich die Informationen auf einem kleinen Block.
"Seit wann ist diese Skulptur in Ihrem Besitz?"
"Unser Kult besteht schon seit mehren hunderten von Jahren!"
"Ah, fein. Und wie nennen sie sich?"
Die Mitglieder des Kultes sahen sich abwechselnd an, als hätte Laiza Klatschianisch gesprochen.
"Wir ...", der Alte röchelte, "haben keinen Namen."
"Keinen Namen", der Lance-Korporal zog einen Strich, an der Entsprechenden Stelle ihres Blockes.
Büro der GerichtsmedizinerAus dem Loch des Rohpostsystems rauschte eine Nachricht in Rea Dubiatas Büro und Seziersaal, ohne das man einen der Rohrpostdämonen zu Gesicht bekam. Vor dem Ausgang stand ein Usambaraveilchen in einem dunkelblauen Übertopf. Die Nachricht streifte die Pflanze knapp. Die lila Blüten zitterten, doch sie verloren kein einziges Blatt.
Die Obergefreite saß an ihrem Schreibtisch als die Nachricht eintraf und kritzelte auf einem Block herum. Sie stand auf und hob die Nachricht vom Boden auf.
Die Nachricht, unterzeichnet vom Abteilungsleiter MeckDwarf, schickte sie zusammen mit den Gefreiten Inös und Raben in eine kleine Straße in den Schatten.
Es war verglichen mit dem Rest des Bezirks eine um einiges mehr heruntergekommene Gegend. Der Gestank der Stadt schien sich hier zu verdreifachen. Von überall ertönten jammernde Stimmen aus hungrigen Mäulern.
Rea sprang vom Karren und an ihren Schuhen und Röcken spritzte der Matsch hoch, aus dem die Straßen bestanden. Angewidert sah sie sich um. Die Rinnsteine waren voller Dreck.
Die drei Wächter wendeten betroffen ihre Blicke ab und versuchten, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Vor einem heruntergekommenen Haus stand eine Frau und wartete auf die Wächter.
Ihre Gesichtszüge waren die einer in die Jahre gekommenen Frau. Ihre Augen blickten traurig in die Welt. Doch sie war nicht so alt wie sie aussah. Ihr Haar war blond und lang und fiel ihr strähnig ins Gesicht. Es erstaunte Rea, dass diese Frau in dreckigen Kleidern und barfuss herum lief, aber ihr Haar sauber und gepflegt aussah.
Sie deutete einen leichten Knicks an, stellte sich als Frau Kulemann vor und betrat das Haus vor dem sie stand.
Die Gerichtsmedizinerin und die beiden Tatortwächter folgten ihr in eine kleine Wohnstube, in der vier Betten und ein kleiner rostiger Ofen untergebracht waren. Auf dem Ofen stand ein zerbeulter Kochtopf, in dem eine undefinierbare Suppe kochte. Sie hatte Ähnlichkeit mit Ankhschlamm und roch auch nicht gerade appetitlich.
Auf einem der Betten lag ein Mann.
Er war groß und stämmig. Im Gegensatz zu seiner mageren Frau, sah er gut genährt aus. Er lag halb auf der Seite und regte sich nicht.
"Ich habe ihn heut Morgen so gefunden", begann die junge Frau, während sich die drei Wächter an ihre Arbeit machten, "Er ist gestern gefeuert worden und war unausstehlich. So aggressiv habe ich ihn noch nie erlebt", erschöpft und traurig senkte sie ihren Kopf, "Ich bin dann mit den Kindern zu meiner Schwester geflüchtet."
Mit dem Karren brachten die SuSi Mitglieder den Leichnam ins Wachhaus.
Der Hauptmann wartete zusammen mit Leopold von Leermach ungeduldig vor Reas Sezierraum. In der Hand hielt er eine dünne graue Akte, die er von S.E.A.L.S. bekommen hatte.
Widerwillig hatte der Vektor Michael Machwas die Akte herausgerückt und Humph hoffte, der Gefreite würde nicht sofort zu seiner Abteilungschefin laufen. Aber er fand, dass dieser Fall genau richtig war für eine praktische Übung der Okkultismus Möchtegernexperten. Er fragte sich nur, wo die beiden Frauen waren. Skilla war laut Leos Angaben direkt auf die Suche nach einigen Kulten gegangen, während Laiza in die Mittagpause verschwunden war. Doch die war inzwischen schon seit einer Stunde um.
Leo hielt die Tür auf, während die drei den schweren Körper des Toten mit Hilfe einer Bahre durch die Tür und auf den Seziertisch verfrachteten.
Der Hauptmann betrat ebenfalls den Raum und sah von der Leiche zu Rea.
"Nun, es gibt keine Spuren von Gewalteinwirkungen", fing die Gerichtsmedizinerin mit ihrem vorläufigen Bericht an, "Es scheint, als wäre er eingeschlafen und einfach nicht mehr aufgewacht", sie seufzte, "aber wenn man bedenkt, dass er erst zweiundzwanzig ist, ist es extrem seltsam."
"Genau", stimmte Humph zu und blickte zu den beiden Tatortwächtern.
Olga ergriff das Wort.
"Es gab einige zerbrochene Gegenstände in dem Zimmer, aber nach ersten Erkenntnissen scheint der Tote selbst die Sachen durch die Gegend geworfen zu haben."
"Die Ehefrau", fing Rabe Raben, "erzählte uns, dass ihr Ehemann am Vorabend äußerst aggressiv gewesen war. Laut ihrer Beschreibung war er allerdings ein sehr ruhiger und netter Mensch und sie kann sich nicht erklären, weshalb er so in Rage geraten ist."
Der Abteilungsleiter nickte. "Gut, die Okkultismus Experten, werden sich um den Fall kümmern", er blickte sich um, "Wenn sie denn alle eingetroffen sind. Laut dem Gefreiten Machwas, hat der Tote zuvor auf einer Baustelle in Ankh gearbeitet und wurde wie schon erwähnt gestern wegen einer Ausschreitung gefeuert."
Er blickte zu Rea. "Ich möchte deinen Bericht vor Feierabend auf meinem Schreibtisch haben."
"Ja, Sör."
Humph nickte und verließ das Büro. Auch die beiden Tatortwächter und Leopold verließen den Raum und ließen Rea alleine.
Vor ihrem inneren Auge sah Laiza steinerne Elefantenhintern und ein überdimensionales Ei aus grünem Kristall. Sie entschied sich, mit ihren bisherigen Informationen wieder zum Wachhaus zurückzukehren. Sie brauchte unbedingt einen Tee für die Nerven.
Auf dem Pseudopolisplatz gabelte sie Skilla auf, die ebenfalls auf dem Rückweg war. Die Halbvampirin war inzwischen auch schon auf ein paar Kulte gestoßen, die in etwa genauso unspannend waren wie die Laizas.
Ein ungeduldiger Hauptgefreiter erwartete sie im Büro. Leopold drückte die zwei Frauen direkt wieder aus dem Raum und fuchtelte mit einer Akte herum.
"Wir haben einen Fall!", verkündete er sichtlich aufgeregt und Laiza strich den Tee aus ihren Gedanken, der schon die ganze Zeit um den Elefantenarsch getanzt hatte.
"Worum geht's?" fragte Skilla und nahm ihm die Akte aus der Hand.
"Auf einer Baustelle in Ankh sind seltsame Dinge geschehen", erklärte er.
"Genau das Richtige für uns!" sagte Skilla und grinste.
Die drei Okkultismus Experten verließen das Wachhaus.
"Die Bauarbeiter, die das Kellerloch ausgehoben haben, sind gewalttätig geworden und so", sprach Leopold weiter, "und nun ist sogar jemand gestorben."
"Aus der Baustelle?" fragte Laiza. Ihr Kollege schüttelte den Kopf.
"Nein, zu Hause, und bislang ist nicht klar, an was er gestorben ist."
Den restlichen Weg verbrachten sie schweigend, jeder in seine eigenen Gedanken versunken, bis sie in eine kleine Straße am Rande des Haufen einbogen. Ein Herr im Anzug schien schon ungeduldig auf die Wächter zu warten, denn er guckte immer wieder auf seine Taschenuhr und begrüßte die drei motzig.
Er stellte sich als Albert von Gutmorgeth vor und war der Besitzer der Baustelle.
Laiza sah sich um.
Ein schultertiefes Loch, in etwa zehn auf zwölf Meter, füllte das freie Stück Land zwischen zwei vornehmen einstöckigen Herrenhäusern fast vollkommen aus. Auf einem schmalen Streifen Boden, der eben zur Straße war stand ein Karren ohne Zugtier, der halbvoll mit Erde beladen war. Eimer standen herum und Schaufeln lagen im noch unfertigen Kellerloch. Ansonsten war die Baustelle leer.
"Ich bin für die seltsamen Geschehnisse nicht verantwortlich", rechtfertigte sich von Gutmorgeth, ohne das einer der Wächter ihn beschuldigt hatte.
"Davon sind wir im Moment auch nicht ausgegangen", meinte Skilla und hielt immer noch die Akte in der Hand.
"Vor zwei Stunden kamen ihre Kollegen und haben die Baustelle gesperrt!" Der Mann lief vor Wut rot an und eine Zornesfalte bildete sich auf seiner Stirn. "Das kann so nicht gehen! Mein Haus muss so schnell wie möglich fertig sein!"
"Und wieso?", erkundigte sich Laiza.
"Weil ich keine Lust mehr habe immer wieder hier hinzukommen und den Bauvorgang zu begutachten. Außerdem soll es bis zu dem Geburtstag meiner Frau fertig sein! Und dieser ist in neun Wochen!"
Laiza nickte verstehend. "Nun, können sie uns kurz erklären, was hier denn vorgefallen ist?"
"Die Bauarbeiter sind verrückt geworden!"
"Auf was für eine Art", fragte Leopold.
"Sie sind ausgerastet", erklärte von Gutmorgeth freundlicher und die rote Farbe verschwand langsam aus seinem Gesicht. "Es waren alles nette Leute, rechtschaffene Bürger..."
Laiza konnte es kaum glauben, dass man das Wort rechtschaffen und Bürger von Ankh-Morpork in einem Satz verwenden konnte.
"... doch plötzlich gingen sie auf einander los, die Arbeiter fingen Streit an. Wir feuerten einige und setzten Neue ein. Was für Kosten!", rief er entsetzt aus, "Doch es fing stets von neuem an."
"Einer der Männer, um genau zu sein Boris Kulemann ist in der vergangenen Nacht gestorben", sagte Leopold, "wussten sie schon davon?"
"Ja, ich habe heute davon erfahren und er ist sogar nicht der einzige, ich habe von drei weiteren Todesfällen gehört."
Die drei Okkultismus Experten sahen sich an.
"Interessant", sagte Laiza und zog ihre Augenbrauen hoch. "Wie heißen die zwei anderen Toten?"
"Jörg Holtkamp und Michael Steltermann, glaube ich."
Alle drei Okkultismus Experten griffen gleichzeitig zu Block und Stift und notierten sich die Namen.
"Stehen die drei Toten in irgendeiner Verbindung?" fragte Laiza
"Nun...", der Bauherr dachte nach, "Sie haben alle drei als längstes auf dieser Baustelle gearbeitet. Was anderes wüsste ich nicht."
"Und wie lang war das?", fragte die ehemalige GiGa.
"Etwa fünf Tage."
"Gut, dann haben wir glaube ich keine weiteren Fragen an Sie, oder?", Laiza blickte ihre Kollegen an.
"Nein, das wärs", stimmte Skilla zu und Leopold nickte.
"Dann werde ich jetzt gehen", sagte von Gutmorgeth und verneigte sich ein wenig. "Der Rest ist ihre Sache." Er bestieg eine Kutsche, die einige Meter von der Baustelle entfernt stand.
"Und wie gehen wir jetzt vor?" fragte Skilla.
Laiza blickte zur Baustelle. "Wir sollten am besten herausfinden, was dort vorher stand und was dort früher mal passiert ist."
"Außerdem sollten wir die anderen zwei Toten melden. Auch die sollten von den Gerichtsmedizinern unter die Lupe genommen werden."
In den frühen Abendstunden - Humph's BüroHumph war gerade in eine Akte vertieft, als er die drei Okkultismus Möchtegerns in sein Büro rief. Er nahm die Lesebrille ab, als die Drei salutierten.
Er erwiderte den Gruß.
"Die Leichen bringen uns nicht viel weiter", meinte er und legte die Akte weg, die anscheinend Reas Bericht und die der anderen Gerichtsmediziner, die die zwei weiteren Leichen obduziert hatten, beinhaltete. "Nun berichtet, was ihr herausgefunden habt."
Aufmerksam blickte er zu ihnen herüber.
"Nun", fing Skilla an, "auf dem Baugrundstück stand vor etwa dreißig Jahren ein Haus, das etwa siebzig Jahre dort stand. Berichten zufolge geschahen in diesem Haus seltsame Dinge. Die Bewohner dieses Hauses wurden verrückt, manche zogen schnell wieder aus, doch diejenigen, die dort blieben, stellten grausame Dinge an, sie brachten Menschen um, auf die brutalsten Arten und dann starben sie meistens selber oder wurden festgenommen und geköpft oder so."
"Allerdings starben sie auf fast dieselbe Art und Weise wie die Bauarbeiter."
Humph lächelte. "Aber du kennst doch überhaupt nicht die Berichte, Harmonie."
"Ja, Sör, aber ich weiß, dass die Leichen gefunden wurden und keine Spur von Gewalt aufwiesen und Sie sagten, dass die Leichen uns nicht weiter bringen."
"Okay, die Bewohner fielen also einfach tot um und wurden dann irgendwann gefunden. Und was passierte dann?"
"Irgendwelche Idioten, die die Geschichte des Hauses nicht kannten zogen dort ein und die ganze Geschichte begann von neuem", antwortete Laiza. "Manchmal lagen Jahre dazwischen und manchmal nur Tage."
"Letztendlich wurde es vor dreißig Jahren von seinem letzten Hausbesitzer zerstört", redete Leopold weiter, "er gehörte zur ersten Kategorie der Bewohner, die das Weite suchen wollten, nachdem er merkte wie er verrückt wurde."
"Und seitdem ist das Grundstück unbebaut geblieben?"
"Genau, es wurde immer wieder verkauft, bis es vor zwei Monaten in die Hände von Albert von Gutmorgeth geriet", antwortete Laiza und überlegte, ob sie noch etwas vergessen hatte.
"Und dieser reiche Landtrottel wusste nichts von der Vorgeschichte des Grundstücks", meinte Skilla.
"Aber wenn das Haus nicht mehr steht und die Bauarbeiter trotzdem verrückt werden, dann war wohl kaum das Haus verwünscht", meinte Humph.
Da fiel es Laiza wieder ein. "Genau, ich habe mir eine Beschreibung des alten Hauses angesehen. Es besaß keinen Keller und Gutmorgeth ordnete aber einen Keller an. Ich denke, dass wir die Antwort auf die seltsamen Phänomene im Erdreich finden werden."
"Und was glaubst du dort zu finden?" fragte ihr Chef.
Hoffentlich keinen Elefantenhintern, dachte sie, antwortete allerdings: "Das weiß ich nicht, Sör, um das heraus zu finden müssen wir wohl graben, Sör."
Es war ein schwerer Schritt, die drei Auszubildenden auf diese Mission zu schicken. Sie hatten noch keine Ahnung von nichts und schon sollten sie irgendetwas Paranormalem ausgesetzt werden und am Ende noch auf den Seziertischen seiner Abteilung landen. Andererseits hatten sie sich den Job selbst ausgesucht und es gehörte zu dem beruflichen Risiko sich fressen zu lassen oder auf anderen Arten zu sterben.
"Morgen früh geht ihr der Sache auf den Grund."
Am nächsten MorgenDie Morgenkühle war noch nicht verschwunden, als sich die drei Okkultismus Experten an der Baustelle trafen.
Alle drei starrten einige Minuten in das unfertige Kellerloch hinab, bis Leopold die Stille brach.
"Und wo sollen wir bitte anfangen? Bevor wir in dem großen Loch etwas gefunden haben sind wir selber tot!"
"Er hat Recht", meinte Skilla.
Laiza holte einen alten Bauplan auf ihrer Umhängetasche. Das Pergament knisterte, als sie es ausrollte. Feine schwarze Tintenstriche bildeten einen Gebäudeumriss.
"Ich hab die verschiedenen Morde miteinander verglichen", fing sie an zu reden und zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. "Die Morde geschahen meist in der Küche, die sich im Erdgeschoß des ehemaligen Hauses befand. Einige Tote wurden auch in einem leer stehenden Gästezimmer direkt über der Küche gefunden."
"Aber es wurden doch auch Tote auf dem Dachboden gefunden", erinnerte sich Skilla.
"Ja, richtig", stimmte Laiza zu, "Wenn die Beschreibungen der Fundorte stimmen, dann haben sich zwei der Besitzer auf dem Dachboden erhängt, genau über halb der Küche und des Gästezimmers."
"Du schlägst also vor, dass wir genau an dieser Stelle graben?", sagte Leopold und tippte auf den Bauplan, genau dort, wo die Küche lag.
"Exakt", Laiza lächelt.
"Wie Sie befehlen, Lance-Korporal Harmonie", erwiderte Skilla das Lächeln.
Laiza's Mundwinkel sackten nach unten. "Lass das bitte, ja?"
"Okay."
"Die Küche befand sich, von hier aus gesehen, in der rechten oberen Ecke des Lochs."
Laiza steckte den Bereich ab, in dem sie graben würden, das heißt sie steckte die ehemalige Küche ab. Es war ein etwa fünf auf dreieinhalb Meter großer Raum. Die drei griffen sich jeder eine der Schaufeln, die in dem unfertigen Keller herum lagen und fingen an zu graben.
Die Sonne wanderte über die Scheibe, während sie Schaufel für Schaufel die Erde abtrugen und einfach in den anderen Kellerbereich warfen. Laiza würde es schwummrig, als wäre sie durch Klatsch gewandert ohne einen Tropfen Wasser. Sie merkte, wie Skilla und Leopold Schweißperlen übers Gesicht liefen und wischte sich automatisch übers Gesicht. Auch sie war total nass. Schlieren bildeten sich vor ihren Augen und so kletterte sie aus dem Loch heraus ins Loch hinein und griff in ihre Umhängetasche. Sie zog einen Wasserbeutel heraus und trank einen kräftigen Schluck.
Skilla sah sie verächtlicht an. "Du machst Pause, während wir hier schuften! Na super!"
"Halt deine Klappe!", ihre Zunge hatte sich bewegt ohne ihren Willen und ohne dass sie es wollte waren die Worte über ihre Lippen gekommen. Skilla sah sie böse an, doch Leopold hielt sie zurück.
"Wir müssen fertig werden."
Skilla schien sich zu besinnen, griff nach ihrer eigenen Tasche und trank einen Schluck Wasser, um dann sofort weiter zu buddeln.
Laiza kam zurück. Inzwischen war das Loch im Loch so groß, das sie anscheinend die perfekte Tiefe für einen Keller geschaffen hatten. Sie wusste zwar nicht, wie dick der Boden eines Kellers war, doch was immer sie suchten konnte nicht mehr so weit entfernt sein.
Die Sonne stand inzwischen am Zenit und brannte erbarmungslos auf sie nieder. Zumindest kam dem Lance-Korporal das so vor, obwohl es schätzungsweise keine zwanzig Grad waren. Sie spürte ihren Herzschlag im Kopf und gedämpft drang ein Streitgespräch zwischen den zwei anderen SuSi-Mitgliedern an ihr Ohr.
Skilla hatte ihre Schaufel erhoben und schrie Leopold an, der eine Handvoll Erde nahm und ihr diese ins Gesicht warf.
Plötzlich wurde Laiza's Kopf für wenige Sekunden klar und sie warf sich auf Skilla und riss ihr die Schaufel aus der Hand.
"Seit ihr eigentlich verrückt! Wir müssen arbeiten!" schrie sie die zwei an, kurz bevor ihr schwarz vor Augen wurde.
Als Laiza wieder zu Bewusstsein kam, lag sie auf dem Bürgersteig vor der Baustelle, unter ihrem Kopf lag ihre Umhängetasche und über ihrem Gesicht sah sie die bleichen Gesichter ihrer Kollegen.
"Wa...s is paassiert?"
Skilla schüttelte den Kopf. "Keine Ahnung."
Abgesehen von pochenden Kopfschmerzen war ihr Kopf klar, sie setze sich auf und schüttelte Dreck aus ihrem langen Lockenhaar und stand auf.
"Okay, geht's uns gut?", der Lance-Korporal sah in zwei zweifelnde Gesichter, "Ich interpretiere das jetzt einfach mal als Ja, wir haben keine andere Wahl."
"Da hast du wohl Recht", stimmte Leopold zu und griff nach seiner Schaufel. "Also wieder an die Arbeit."
Die Drei begaben sich wieder in das Loch und schaufelten weiter.
Einige Zeit schien alles gut zu gehen, doch dann hörte Laiza seltsame Geräusche. Es wirkte, als würde der Wind mit ihr sprechen, flüsterte Worte, die sie nicht verstand. Nervös blickte sie sich um, ihr Blick traf Leo, der sie grimmig ansah. Es passierte schon wieder und diesmal schneller. Skilla warf schreiend ihre Schaufel weg und kam auf Laiza zu.
Die halbe Vampirin schrie sie an, was sie sagte verstand Laiza nicht. Der Lance-Korporal blieb ruhig, was wohl eben daran lag, dass sie die Schimpfwörter nicht hörte, nur der Lärm drang in ihr Ohr. Der Obergefreite packte Skilla am Kragen und zog sie weg, schrie sie an, doch auch seine Wörter verstand sie nicht.
Laiza blieb ruhig und griff wieder nach der Schaufel, die sie vor Schreck fallen gelassen hatte. Sie ignorierte die zwei Streithähne, sie dachte noch nicht einmal daran den Streit zu schlichten. Es war ihr egal. Sie führte die Schaufel zur Erde, stützte ihr ganzes Gewicht auf den Griff und drückte das Schaufelblatt in den Boden. Plötzlich stoppte der Spaten. Laiza schmiss die Schaufel weg, kniete sich hin und buddelte mit den Händen weiter.
Sie legte eine etwa vierzig auf zwanzig Zentimeter große Holzkiste frei. Laiza stand auf und ging endlich zwischen die zwei Streithähne.
"Wir haben es glaube ich gefunden!"
"Unser Tod!"
"Halt die Klappe Leo", sie zerrte die zwei aus dem Loch. Am Rand der Haufen setzten sie sich ins Gras. Tranken Wasser und aßen Brote, die sie sich mitgebracht hatten.
"Was sollen wir jetzt bitte machen? Sobald wir da wieder herunter gehen drehen wir durch", meinte Skilla. Laiza schmerzte es, das sie ihr Recht geben musste. Leider konnte sie ihr die Frage nicht beantworten.
"Wir haben keine Wahl", meinte Leopold, "wir müssen da runter gehen und die Kiste raus holen, gucken was drin ist und es zerstören."
"Du sagst das so leicht", meinte Laiza.
"Du kannst auch den Schäff fragen, was wir machen sollen", schlug Skilla vor.
"Ja, klar, ich lauf jetzt zum Pseudopolisplatz und frag ihn ..."
"Nö, brauchst du nicht, er kommt geradewegs auf uns zu."
Die ehemalige Freiwillige Retterin blickte sich um. Von weitem erkannte man den kleinen schlanken Mann als Hauptmann MeckDwarf. Er trug wie immer seinen schäbigen schwarzen Mantel und blickte sich immer wieder um, während er auf seine Untergebenen zulief.
"Was macht ihr denn da?", begrüßte er sie.
"Wir kühlen unser Gemüt ab", antwortete Laiza.
"Wie weit seid ihr?"
"Wir haben eine Kiste gefunden", kam es von Skilla.
"Und was ist drin?"
"Wir haben sie noch nicht geborgen, Sör", meinte Leopold.
"Was sitzt ihr dann hier so rum."
Die drei standen auf, Argumente brachten jetzt nicht viel, Ergebnisse waren angebracht und so liefen sie über die Straße und verschwanden im Kellerloch.
Zu dritt buddelten sie mit den Händen die Kiste aus, was allerdings nicht viel Arbeit war, denn sie hatte nur eine Höhe von etwa zehn Zentimetern.
Humph blickte ins Loch hinunter und beobachtete seine Auszubildenden, wie sie die Kiste vom kleinen Loch ins große Loch verfrachteten und den Deckel der Kiste mit einem kleinen Schraubendreher öffneten. Zwanzig Nägel hielten diesen auf der Kiste.
Zum Vorschein kam ein Haufen Sägespäne und darin verborgen lag eine Maske. Sie war ziemlich bunt und hatte die Form eines Schmetterlings. Zumindest wenn man viel Phantasie hatte. Laiza hob sie heraus und drehte sie in ihren Händen. Von der Rückseite war sie weiß und in geschwungener Schrift war ein Name zu lesen.
"Ein Maske?" kam es von oben herab.
"Ja, Sör", antwortete Skilla, "hier steht etwas, Sör!"
"Und was?"
"Makary, Sör."
"Nur?"
Alle drei nickten.
"Soll das ein Name sein?"
"Wahrscheinlich, Sör", antwortete Laiza.
"Und was machen wir nun?", giftete Skilla. Es fing schon wieder an.
Laiza stand aus und kletterte mit der Maske aus dem Loch.
"Wir sollten sie zerstören!"
"Nein", schrie Leopold, "das kannst du doch nicht machen!"
"Oder. Sör, es ist wohl das Beste!"
Humph nickte und trat zurück von der Maske. Der Lance-Korporal legte die Maske auf den Karren und nahm einen Hammer aus einer der Werkzeugkisten.
Sie schien in tausend kleine Stücke zu zerspringen und trotzdem schlug Laiza weiter drauf ein.
Humph hatte daran gedacht sie erst einmal davon abzuhalten. Eine Ikonographie dieser Maske wäre mit Sicherheit nützlich für das Archiv. Aber dann entschied er sich dagegen, sich solch einer geballten Wut in den Weg zu stellen konnte nur schlecht ausgehen.
Um den Rest der Maske kümmerten sich die Leute von S.E.A.L.S. sie verpackten die Bruchstücke einzeln und sorgten dafür, dass sie in alle Richtungen verstreut würden. Somit hofften sie, dass kein Depp kommen würde und das Ding wieder zusammenbasteln würde.
Mit einigen Bananen und Erdnüssen machten sich die drei Okkultismus Experten auf zur Bibliothek der Unsichtbaren Universität. Die Maske war zerstört, doch wer war dieser Makary?
Dank der milden Gaben war der Bibliothekar äußerst hilfsbereit. Laiza beobachtete, wie er davon lief und in einem Gang verschwand. Es war also wahr... sie hatte schon oft gehört, dass der der Hüter der Bücher ein Affe sei, aber irgendwie konnte sie das nie wirklich glauben.
Als Kind hatte sie gedacht, dass die Büchersammlung ihres Vaters riesengroß sei und das war sie für die Gegend mit Sicherheit, wenn man bedachte, dass es im Umkreis von fünfzig Kilometern keine Stadt gab, sondern nur kleine Siedlungen.
Für diese Bibliothek fehlten ihr einfach nur die Worte. Ein lederartiger Finger riss sie aus den Gedanken, als er auf ihre Schultern klopfte.
"Ugh", meinte der Bibliothekar und stellte einen Stapel Bücher ab.
"Vielen Dank", antwortete Skilla.
Der Feierabend rückte in weite Ferne. Der Lance-Korporal gähnte und zog das erste Buch zu sich. Sie hatte keine Lust, sie hatte den ganzen Tag geschuftet oder so in der Art, sie hatte Kopfschmerzen und wollte unbedingt schlafen. Den anderen ging es nicht besser, doch jeder versuchte, die letzten Kräfte zu mobilisieren.
Laiza holte aus ihrer Tasche ein Fläschchen Tinte und entkorkte es, dann holte sie aus einer kleinen Schachtel ihren Federhalter aus Nussbaumholz. Die Akte des Falles lag ebenfalls auf dem Tisch, sie zog ein leeres Blatt heraus und fing dann an zu lesen.
Die Maske des Carry MakaryCarry Makary war der Sohn eines Landarbeiters in Klatsch, der etwa vor hundertfünfzig Jahren gelebt hatte. Ursprünglich kam die Familie aus Lancre. Der Junge Makary wollte nicht in die Fußstapfen seines Vaters treten und wurde der Lehrling eines Medizinmannes. Nach seiner Ausbildung reiste er in die Spitzhornberge. Danach überspringen die Berichte Jahre. Bis vor etwa hundertzehn Jahren. Damals wurde er dafür verantwortlich gemacht, ein ganzes Dorf vernichtet zu haben. In einigen Büchern wird er als Hexenmeister beschrieben. Er zog eine Spur von Blut und Leid hinter sich her. Von der Maske erfährt man nur wenig. Er hatte sie, seit er aus den Spitzhornbergen zurückgekommen war. Anscheinend hatte er sie selbst hergestellt und trug sie immer bei sich.
Carry Makary, der Inbegriff des Schreckens.
Der Schrecken hielt zum Glück nur etwa vier Jahre an. Seine Taten endeten in Ankh-Morpork und die Bücher konnten nichts darüber sagen, was er in der großen Zwillingsstadt angerichtet hatte. Das einzige was man noch erfährt, ist sein spurloses Verwinden. Nie wieder hat ihn jemand gesehen.Müde sah Laiza auf. Leopold lag mit dem Kopf auf einem Buch und schnarchte. Skilla hatte den Kopf auf ihren Arm gestützt und befand sich ebenfalls im Land der Träume. Sie wischte den Federhalter an einem Tuch ab und packte alles wieder in ihre Tasche.
Sie weckte ihre Kollegen auf, die sie verwirrt anblinzelten.
"Lasst uns nach Hause gehen."
"Guu", Skilla gähnte, "te Idee."
Laiza heftete das trockene Schriftstück in die Akte.
***Laiza stand in ihrer Küche und umklammerte eine Tasse Tee. Ihre Kopfschmerzen waren immer noch da, doch irgendwie ging es ihr besser. Das Wasser im Teekessel dampfte immer noch und so beschlug die Fensterscheibe.
"Endlich vorbei..." flüsterte sie leise und hatte die Augen geschlossen, während sie den Duft des Tees in sich einzog. Plötzlich quietschte es und sie blickte auf.
Ein unsichtbarer Finger zog sich über die beschlagene Fensterscheibe und bildete die Worte
Nichts ist vorbei.
"Wer ist da?"
Na ich du dumme KuhWütend zog Laiza die Augenbrauen zusammen.
"Du schon wieder!"
Natürlich ich, wer sollte sonst so gütig sein, mit dir zu sprechen?Die Scheibe war voll geschrieben und plötzlich schien das Wasser im Kessel wieder stärker zu kochen und beschlug die Scheibe von neuem.
"Lass mich in Ruhe, ich hatte einen harten Tag."
Von irgendwo her drang ein seltsames Kichern, das ihr durch Mark und Bein ging.
Und du glaubst sicher auch noch, du hättest gute Arbeit geleistet?"Öh ..", sie nippte an ihrem Tee, dann meinte sie: "Ja, ich denke schon. Ich hab heute einen starken Willen gezeigt, ich hatte die Situation unter Kontrolle",
meistens zumindest, fügte sie in Gedanken hinzu.
Quatsch kein dummes Zeug. Du bist ne Memme, geh und lerne!Die Schrift auf der Scheibe verschwand und sie konnte in die sternenklare Nacht hinaus sehen.
"Was für ein Arsch..."
Laiza nahm einen Schluck Tee und sah an sich herunter und da sah sie etwas Kleines an ihren Schnürsenkel hängen. Sie bückte sich und griff danach. Es war ein kleiner Splitter der Maske.
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