Ankh-Morporks Drogenhandel ist im Wandel. Morde und Machtkämpfe sind nur die Ausläufer eines Kampfes um die Trolldroge.
Dafür vergebene Note: 11
Es war eine ganz normale Nacht in Ankh-Morpork. Man kann nicht sagen, dass die Straßen leer waren, denn das waren sie nicht. Zumindest im Bereich der Schatten waren sie voll von Leuten, die nur darauf warteten, ihrer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen. Das heißt, sie warteten darauf, ahnungslosen Leuten etwas zu verkaufen, sie auszurauben oder zu ermorden.
[1]Deswegen war es auch so normal, dass verborgen unter einem Haufen Müll
[2], eine Leiche sanft ihrer Starre entgegen arbeitete.
Nicht normal war, dass Michael Machwas auf seiner Streife die Idee hatte in genau diesem Haufen Müll nach dem Rechten zu sehen, weil er ein eigenartiges Gefühl hatte. Verantwortlich für diese Idee war im Wesentlichen ein Inspirationspartikelchen, abgeschossen von einer
Inspirationspartikelschleudern, das ihn in der Zehe traf.
[3]Nach einer ersten Untersuchung, stellte der Vektor fest, dass dem Toten nicht mehr zu helfen war, und er schickte eine Taube zur Wache um Atera , die SEALS-Schäffin, zu informieren.
"Scoglio!"
Der Troll wachte auf und sah einen anderen Wächter vor sich stehen. Er war großgewachsen, zumindest aus der Sicht eines Menschen, und hatte blonde Haare.
"Patrick? Was los sein?"
"Du sollst sofort in die Tonstraße kommen!"
"Warum?", entgegnete Scoglio.
"Ich weiß nicht",der Husky sah auch nicht gerade ausgeschlafen aus. "Ich wollte eigentlich ins Archiv, als mir deine Abteilungsleiterin begegnet ist, und mir den Auftrag gab Dich zu holen. Es hieß, du sollst dich beeilen."
Scoglio seufzte, rieb sich den Schlaf aus den Augen, rückte seine zivile Kleidung zurecht und stand auf. Er verließ das Wachhaus, betrat den Pseudopolisplatz und ging zur Tonstraße. Ein leicht genervter Patrick Nichts ging brummelnd "Ein DANKE wäre nett gewesen!", ging endlich wieder zum Archiv, und hoffte, dass er keinem Vorgesetzten mehr begegnete.
Als Scoglio ankam, war sein Kollege Michael Machwas gerade dabei einen Bereich abzusperren. Was sich innerhalb des Bereiches befand, konnte Scoglio erst identifizieren, als er das Etwas aus verschiedenen Positionen begutachtet hatte. Es war ein Mensch, der so aussah, als sei er einst ein Zu-Kung-
[4] Kämpfer gewesen; seine Arme und Beine waren in ungesunden Winkeln vom Körper ausgestreckt. Sonst waren aber keine Verletzungen zu sehen, weder offene Wunden noch Quetschungen oder Knochenbrüche. Scoglio wollte gerade wieder aufstehen, als er aus dem Augenwinkel noch etwas bemerkte. Am Mund des Mannes waren einige weiße Körnchen, fast wie Schnee, zu sehen. Er beugte sich vor, um sie näher zu betrachten. Dabei sah er auch auf dem Boden neben dem Kopf des Mannes einen kleinen Haufen dieses weißen Pulvers. Er beugte sich noch weiter vor und streckte die Hand aus - kein Zweifel, es war Platte. Ihn durchzuckten einige schreckliche Bilder von großen haarigen Spinnen, aber gleichzeitig streckte er seine Hand weiter aus. Furcht und Verlangen kämpften miteinander. Er hatte schließlich auch seine erste, wenn auch ungewollte, Erfahrung mit Platte überstanden warum sollte es diesesmal anders sein. "Nein, ich im Dienst sein!" sagte er sich und versuchte, seine Hand seinem Willen zu unterwerfen, aber diese kroch wie von alleine weiter vorwärts und endlich berührten seine Finger das achso begehrte Pulver. Es gelang ihm von dem kleinen Häufchen ein wenig Pulver aufzunehmen, und er zog die Hand wieder zurück und führte sie in Richtung Mund. Etwas kratzte mit den Fingernägeln an der Tafel seines Bewusstseins, wie aus weiter Ferne hörte er so etwas wie "...lio!", doch er schenkte dem keine Beachtung.
Er stand auf, während seine Hand weiter zum Mund glitt.
"Gefreiter Scoglio!" Diesmal vernahm er die Stimme deutlich und sie ging ihm durch Mark und Bein, oder vielmehr durch Stein und Bein. Er drehte sich um, die Hand auf halbem Wege zum Mund erhoben. Vor ihm stand Stabsspieß Atera und musterte ihn prüfend. Mit einem Ruck zog Scoglio die Hand nach oben und salutierte zackig. Dabei löste sich die Droge von seiner Hand und verursachte einen kleinen Platte-Niederschlag auf seiner Uniform.
"Ist alles in Ordnung mit dir, Scoglio? Du machtest einen abwesenden Eindruck."
"Ich mich wieder unter Kontrolle haben, Ma'am", antwortete dieser.
"Das hoffe ich doch, denn für diesen Fall brauchst du einen klaren Kopf. Du solltest übrigens was gegen Deine Schuppen tun."
"Ja, Ma'am! Um was es denn gehen?"
"Michael Machwas hat auf seinem nächtlichen Streifengang diesen Mann entdeckt und verständigte mich vorsichtshalber. Wir werden nicht warten, bis wir SUSI hinzuziehen können. Natürlich übernehmen wir die Ermittlungen", sagte die SEALS-Abteilungsleiterin.
"Und meine Aufgabe es sein...", begann Scoglio.
"Erstmal sollst du..., nein, ich glaube, ich beauftrage lieber Lady Silvia damit herauszufinden, wer dieser Mann ist, äh, war. Aber du fertigst dazu am Besten gleich ein paar Ikonographien von ihm an."
Leichte Verlegenheit machte sich in Scoglio breit und er sah Atera unsicher an.
"Äh, ich nicht viele Erfahrungen mit Ikonographen haben."
"Dann wird's Zeit, dass du den Umgang mit ihnen lernst. Michael!" Sie wandte sich an den wartenden Wächter. "Hol mal einen Ikonographen aus dem Wachhaus. Du weißt schon, der Kasten mit den Dämonen. Zum Bildermachen. Und bring die Gefreite Lady Silvia mit; wenn sie nicht da ist, lass sie aufwecken."
Während Michael zur Wache eilte, fragte Scoglio:
"Und was ich soll dann tun?"
"Letztendlich soll es darum gehen, den Platte-Handel wieder einzudämmen. In letzter Zeit erhielten wir einige Meldungen, dass die Droge sich wieder weiter verbreitet hat. Bisher sahen wir keinen Grund, da weiter nachzuforschen, aber dies ist der erste Fall, in dem ein Mensch Platte erlegen ist. Ich meine, Trolle und Platte, schön und gut. Aber Menschen? Das geht zu weit. Womit ich dir keinesfalls zu nahe treten will."
"Und was
ich soll tun?"
Atera seufzte, Scoglio war ein guter Wächter, aber man musste ihm sehr deutlich den Weg zeigen. "Versuch schon mal herauszufinden, wer das Platte verbreitet."
Der Szenekenner wollte schon losgehen, als Atera hinzufügte: "Aber erst, wenn du das Bild gemacht hast."
Nach einiger Zeit des Wartens bogen Lady Silvia und Michael Machwas, der einen Ikonographen in den Händen hielt aus dem gelangweilt ein rauchender Dämon sah, in die Tonstraße ein und gingen auf Atera und Scoglio zu.
"Hier ist der Ikonograph", sagte Michael und reichte den Kasten Atera, die ihn sofort an Scoglio weitergab.
"Danke, Michael. Warte bitte noch hier, bis die Leiche abgeholt wird. Wir sehen uns dann morgen Mittag um 12 Uhr in meinem Büro."
Der angehende Vektor nickte und Atera erklärte der jungen Szenekennerin, um was es ging.
"Wenn Scoglio die Bilder gemacht hat, gehst du los und bringst in Erfahrung, wer der Mann war."
Der Troll hatte sich inzwischen schon, den Ikonographen in einer Hand haltend, über den am Boden liegenden Toten gebeugt, um den Dämonen einige Bilder malen zu lassen.
"He, halt mich nicht so schräg", ertönte eine Stimme aus dem Inneren des Kastens, "sonst fällt hier alles um und ich kann nicht vernünftig malen."
Scoglio versuchte, den Ikonographen gerade zu halten und ihn dennoch vernünftig auf die Leiche zu richten. Dann drückte er auf den Knopf, der die Abdeckung vor der Linse entfernte und hörte, wie der Dämon malte. Nach wenigen Augenblicken reichte ihm der Dämon das Bild.
"Das ja ganz verwischt sein", sagte Scoglio.
"Du darfst den Ikonographen ja auch nicht bewegen, während er malt", gab Michael den Tip. "Mach noch einen Versuch!"
Scoglio richtete den Kasten wieder aus und entnahm ihm nach einiger Zeit noch ein Bild.
"Das jetzt scharf sein, aber seine Füße mich nicht interessieren."
"Ich habe genau das gemalt, was ich gesehen habe.", hörte man die protestierende Stimme des kleinen Wesens.
"Dann ich es nochmal versuche. Du noch genug Farbe haben?"
"Bald geht mir das Schwarz aus, aber für ein Bild reicht es noch."
Atera nahm sich die Umgebung noch einmal genauer vor. Sie fand Schleifspuren, die zum Fundort der Leiche führten. Offenbar war er woanders gestorben und sollte dort nicht gefunden werden. Die Verkrümmungen sprachen dafür, dass er starken Krämpfen ausgesetzt war, und der Tod tatsächlich nicht durch äussere Gewalteinflüsse verursacht wurde.
Nach wenigen Augenblicken hielt Scoglio ein drittes Bild in der Hand.
"Das gut sein, oder?", fragte er und zeigte es Atera, die in der Zwischenzeit die Passanten -ergebnislos- nach Augenzeugen abgefragt hatte.
"Ja, ich glaube, das können wir nehmen. Hier", sagte sie und gab die Ikonographie Lady Silvia, "jetzt mach dich auf den Weg und finde heraus, wer er war. Und du, Scoglio, kannst jetzt auch gehen und anfangen zu ermitteln. Ich erwarte euch beide dann auch um 12 Uhr."
"Ich herausfinden soll, wer Platte verbreitet. Aber wo ich damit anfangen soll?", murmelte Scoglio, als er wegging. Er ging in keine bestimmte Richtung, ließ seinen Füßen einfach freien Lauf, die ihn ins Paradies, eine Straße am Rande der Schatten, trugen. Er ging ein Stück diese Straße entlang und erkannte dann auf der linken Seite Kreidig's Baubedarf-Großhandel und Eruptiv's Töpferei, die wie in jeder Nacht geöffnet war.
"Ob Eruptiv mir etwas darüber kann sagen?", hoffte Scoglio und klopfte vorsichtig an die Tür. Als keiner öffnete, stieß er die Tür auf und schaffte es, sie nicht zu beschädigen.
Eine Hitzewelle schlug dem Troll entgegen und er sah sich ein wenig benommen in dem Raum um. Er war nur klein und hatte gegenüber dem Eingang eine zweite Tür, die offensichtlich weiter in die Töpferei hineinführte. Ansonsten war in dem Raum nur ein großer Schreibtisch zu sehen, hinter dem sich gerade ein Troll erhoben hatte und auf den Wächter zuging.
"Was es geben?"
"Ich Eruptiv einige Fragen stellen möchte", antwortete Scoglio.
"Eruptiv nicht da."
"Ich Eruptiv einige Fragen stellen möchte."
"Eruptiv keine Fragen beantworten."
"Ich Eruptiv einige Fragen stellen möchte."
"Ich gesagt haben,..."
Scoglio schlug dem anderen Troll zur Betonung seiner Worte fest auf den Kopf.
"Au!"
"Ich Eruptiv einige Fragen stellen möchte. Jetzt sofort!"
"Gut, ich verstanden! Ich dich gerne zu ihm bringen."
Die beiden Trolle verschwanden nach ihrem ethnischen Geplänkel durch die große Tür in die Lagerhalle und Scoglio wurde an rund zwanzig arbeitenden Trollen, offenbar der Nachtschicht, vorbeigeführt. Am Ende der Halle fragte Scoglio, indem er auf einen Troll zeigte, der die Arbeiten zu beaufsichtigen schien:
"Das Eruptiv sein?"
"Ja, das er sein. Eruptiv?" Der Troll wandte sich an seinen Chef. "Dieser, äh, Herr dich sprechen wollen."
Eruptiv drehte sich überrascht um und musterte Scoglio.
"Dann du uns bitte alleine lassen", sagte er zu seinem Angestellten.
Als dieser gegangen war, sagte Eruptiv:
"Du mich also sprechen wollen. Wer du überhaupt sein?"
Scoglio holte seine Dienstmarke hervor.
"Gefreiter Scoglio, Stadtwache. Ich..." Der Wächter wurde von einem Hustenanfall des Töpfers unterbrochen, der daraufhin leise sagte: "Das wir lieber draußen besprechen." Somit gingen die beiden Trolle durch eine Tür auf den Hinterhof, auf dem einige Haufen Ton gelagert waren.
"Was ihr mir jetzt schon wieder vorwerfen wollen? Ich nichts getan."
"Ich dir gar nichts vorwerfen. Ich nur deine Hilfe brauchen bei meinen Ermittlungen."
"So? Dann fang mal an." Eruptiv schien sehr erleichtert zu sein.
"Ich wissen wollen, ob du etwas darüber wissen, wer derzeit das Platte verbreiten."
"Platte? Nein, das ich nicht wissen, mir leid tun. Ich nichts mehr damit zu tun haben."
"Das ja sein mag, aber du nicht irgendetwas gehört haben? Oder deine Angestellten etwas wissen?"
"Meine Angestellten? Niemand von ihnen etwas damit zu tun haben."
"Du sicher sein? Oder ich sie lieber selber fragen."
"Nein, nein! Das nicht nötig sein."
In dem Moment kam ein dritter Troll auf den Hof, um etwas Ton zu holen. Eruptiv ließ ihn kurz warten und sagte:
"Du doch auch bestätigen können, dass niemand, der hier jetzt arbeiten etwas mit Platte zu tun haben, oder?"
"Ja, sicher!"
"Ich es dir ja gesagt haben." Eruptiv hatte sich wieder zu Scoglio umgedreht.
"Aber du ihm schon von Franatus erzählt haben?"
"Wie?" Eruptiv drehte sich wieder um. "Du still sein und wieder reingehen."
"Ich nur dachte, es ihm helfen würde. Wo er doch Pla..."
"Du jetzt reingehen!" Eruptiv schrie fast.
"Wer denn dieser Franatus sein?", erkundigte sich Scoglio.
"Nichts. Niemand."
"Ach, das jetzt doch nichts nützen. Du mir schon sagen kannst, wer er sein. Wo er doch Pla..."
"Ist ja gut. Ich es dir sagen. Franatus früher hier gearbeitet haben und er Platte verkaufen."
"Ah, das interessant sein. Wo er sich denn aufhalten?"
"Hm, ich nicht genau wissen. Du es ja mal in Steinig's Taverne versuchen kannst."
"Steinig's Taverne... in der Affenstraße, nicht wahr?"
"Ja, genau."
"Dann ich es mal da probieren. Wenn dir noch etwas einfallen, du es ja in der Wache melden kannst." Scoglio verabschiedete sich von Eruptiv, der da stand wie ein ziemlich großer Haufen Elend, und verließ die Töpferei, um die Trolltaverne aufzusuchen.
In der Zwischenzeit hatte sich auch die Gefreite Lady Silvia mit dem Bild des Toten auf den Weg gemacht, um dessen Identität ausfindig zu machen. Sie vermutete, dass dieses am ehesten in einer Taverne möglich war und so hatte sie die Geflickte Trommel aufgesucht.
Selbst zu dieser frühen Stunde war das Lokal gut besucht. Nun stand sie an der Theke und wartete darauf, dass der Wirt zu ihr kam.
"Was kann ich für dich tun?", fragte dieser nach einiger Zeit.
"Ich möchte wissen, ob euch dieser Mann bekannt ist", antwortete die Szenekennerin und zeigte ihm dabei die Ikonographie.
"Mmh, ich kenne einige Leute, aber dieser ist mir unbekannt. Aber versuch es doch mal bei Lot Wonk." Der Wirt zeigte auf einen Mann, der in einer Ecke der Taverne saß. "Ich kenn keinen, den der nicht kennt."
"Ich suche ja auch niemanden, der alle kennt, die Ihr kennt. Da könnte ich ja auch Euch fragen. Ich suche jemanden, der auch alle kennt die ihr nicht kennt."
Der Wirt stockte, um das eben Gehörte zu verstehen.
"Genau das meinte ich auch, glaube ich."
Also bedankte Lady Silvia sich für die Information und ging durch die Trommel zu Lot's Tisch. Sie zog sich einen zweiten Stuhl heran und setzte sich zu ihm, ohne dass der Mann ihr Beachtung schenkte. Die Wächterin räusperte sich und sagte: "Herr Wonk?"
Endlich reagierte der Angesprochene und er musterte die vor ihm Sitzende mit einem Blick, der sie ziemlich nervös machte.
"Was gibt's?"
"Äh, man hat mir gesagt, dass Ihr viele Leute kennt."
"Das ist richtig."
Silvia holte das Bild wieder hervor und sagte:
"Dann kennt Ihr doch vielleicht auch diese Gurke?"
"Bitte was?"
"Ich... ich meinte natürlich, diesen Mann?"
[5]"Mmh, vielleicht. Das kommt ganz darauf an, wieviel Ihr mir zahlt", sagte Lot Wonk, nachdem er die Wächterin noch einmal verwundert gemustert hatte.
Das habe ich erwartet. Aber zum Glück bekommen Szenekenner dafür gewisses zusätzliches Geld, dachte Lady Silvia.
"Nun gut, ich gebe Ihnen zwei Dollar." Sie kramte in ihren Taschen und legte das Geld auf den Tisch. Bevor die anderen Gäste es sehen konnten, hatte Wonk das Geld blitzschnell verschwinden lassen. Dann sah er sich das Bild genauer an und fing an zu sprechen.
"Ich kenne den Mann tatsächlich. Er war einige Male hier in der Taverne. Hat eine Schwäche für Hunde wie es scheint."
"Wie hieß er?"
"Sein Name..." Lot überlegte eine Weile. "Ich meine, er heißt Johan Lepew. Warum sagst Du -hieß er-?"
"Das war aber noch nicht alles, was Ihr über ihn wisst, oder? Was für einen Beruf hat er denn gehabt?"
"Wie ich schon sagte, versteht er sich gut mit Hunden. Er ist in dem Verein für
Welpenschutz offenbar ein ziemlich hohes Tier."
"Der Verein für Welpenschutz? Kümmert sich wahrscheinlich um junge Hunde, oder? Wo ist der denn aufzufinden?"
"Das weiß ich jetzt leider nicht. Da müsst Ihr schon Johan Lepew selbst fragen. Warum habt Ihr euch denn nach ihm erkundet, wenn ich fragen darf?"
Als Lady Silvia zu dem Entschluss gekommen war, dass er das tatsächlich dürfe, antwortete sie: "Er ist tot. Und ich..." Jetzt geriet sie ins Stocken. Konnte sie einfach sagen, dass sie eine Wächterin war? Wozu war sie dann überhaupt in Zivil hier? Sie beschloss, lieber kein Risiko einzugehen und fuhr fort: "... wollte nun mal eben wissen, wer er war, als ich ihn gefunden hatte. Ich brauche die Informationen für den Verein der, äh, Toten Volkszählung. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, eine Liste aller Verstorbenen in dieser Stadt aufzustellen."
"Tot? Woran ist er denn gestorben?"
"Das, äh, weiß ich nicht. Aber ich muss jetzt auch gehen und die Informationen weiterleiten." Die Szenekennerin stand rasch auf und verließ die Geflickte Trommel.
Scoglio betrat Steinig's Taverne. Die wenigen Trolle, die noch da waren, blickten nur kurz zu ihm auf und widmeten sich dann wieder ihren eigenen Angelegenheiten. Der Wächter ging zur Theke und wartete, bis der Wirt aufhörte, Krüge zu polieren und sich an ihn wandte.
"Wenn du noch etwas trinken wollen, du dich beeilen. Ich gleich schliessen."
"Nein, ich nichts trinken wollen. Ich nur wissen wollen, ob Franatus hier sein."
"Franatus? Ach, du etwas Platte haben wollen, oder?" Steinig zwinkerte dem Gefreiten zu.
"Äh... ja, genau."
"Er aber im Moment nicht hier sein."
"Wann er denn normalerweise hier anzutreffen ist?"
"Er immer einer meiner ersten Gäste sein. Morgen du es ja ab 14 Uhr probieren können."
"So früh du schon aufhaben?"
"Ja. Ich viel Geld verdienen wollen." Der Wirt schmunzelte.
"Gut, dann ich morgen nochmal vorbeikommen."
Scoglio verabschiedete sich und verließ die Taverne wieder. Da er bis um 14 Uhr nicht weiter ermitteln konnte, beschloss er, sich noch ein wenig auszuruhen, um dann wieder um 12 Uhr in Atera's Büro zu sein.
Am Mittag war das Büro der SEALS-Abteilungsleiterin mal wieder voll. Die beiden Szenekenner Lady Silvia und Scoglio hatten gerade ihre Ermittlungen geschildert und nun überlegten die anwesenden SEALS, wie die Ermittlungen weiter gehen sollten.
"Rea Dubiata von SUSI hat die Leiche noch obduziert, und bestätigt, dass Platte als Todesursache definitiv ist. Allerdings dürfte er es nicht ganz freiwillig genommen haben, den einige seiner Fingernägel sind abgebrochen, und eine Lippe ist blutig geschlagen. Darüber hinaus hat der Tote Druckstellen am Unterkiefer. Offenbar wurde ihm der Mund gewaltsam geöffnet. "
Atera legte den SUSI-Bericht wieder auf ihren Schreibtisch.
"So wie es aussieht, müssen wir wohl darauf warten, was dein Gespräch mit diesem Franatus bringt, Scoglio. Deswegen schlage ich vor, dass du dich mit einer kleinen Gruppe auf den Weg machst und ihr unmittelbar danach weiter ermittelt - irgendetwas wirst du ja von Franatus erfahren können. Wenn er tatsächlich Platte verkauft, wird er dir ja sagen können, woher er das bekommt. Und dann könnt ihr da mal ein wenig für Recht und Ordnung sorgen." Atera schaute in die Runde. "Habt ihr noch irgendwelche Fragen dazu?"
Die Wächter schüttelten den Kopf - was sollten sie schon fragen? Im Moment war zwar noch unklar, wie die Ermittlungen vonstatten gehen sollten, aber das würde sich ja wohl nach Scoglio's Gespräch ergeben.
Also ging die Gruppe - Scoglio, Lady Silvia, Will Passdochauf, Steven Träumer, Yogi Schulterbreit und Rib - los.
"Sollen wir jetzt wirklich alle zu dieser Taverne laufen? Reingehen können wir ja doch nicht alle. Da sollten wir doch lieber hierbleiben und warten, bis Scoglio mit den nötigen Informationen zurückkommt." Yogi blickte die anderen skeptisch an.
"Aber dadurch ginge zu viel Zeit verloren. Du hast doch Atera gehört - wir sollen unmittelbar nach dem Gespräch die Ermittlungen weiter aufnehmen. Aber wenn ihr meint, dass ihr nicht mit zur Taverne gehen wollt, können wir uns ja auch beim Wachhaus in der Kröselstraße treffen. Ich gehe dann noch mit Scoglio mit und pass auf, dass er keine Dummheiten anstellt", sagte Rib lächelnd.
"Und wenn er aus irgendeinem Grund Probleme mit diesem Franatus bekommen sollte, kannst du den ja mit deinen Binden einwickeln."
Die sechs Wächter lachten und gingen weiter durch die überfüllten Straßen Ankh-Morporks. Als sie ans Paradies kamen, gingen der Troll und der Gnom, beziehungsweise die Mumie, zu Steinig's Taverne und die anderen Wächter weiter zum Wachhaus.
Als Scoglio und Rib die Taverne in der Affenstraße betraten, war kaum Kundschaft da. Scoglio ging zur Theke und fragte Steinig, ob Franatus nun da sei. Der Wirt zeigte auf einen großen Troll, der in einer düsteren Ecke der Taverne saß und einen Felsstaubbecher vor sich stehen hatte. So ging Scoglio zu dem Troll herüber und Rib kletterte auf einen Balken, der sich über dem Tisch befand, sodass er alles gut mitbekommen konnte.
Als sich Scoglio gesetzt hatte, fragte sein Gegenüber:
"Was du wollen?"
Scoglio beugte sich vor.
"Ich gehört haben, dass du Platte verkaufen."
"Wer dir das gesagt...ach, egal. Du sowieso zu spät kommen. Ich kein Platte mehr verkaufen können."
"Wieso?"
"Mein bisheriger Lieferant mir kein Platte mehr geben dürfen, wenn er weiterhin wollen Platte verkaufen. Dieser verdammte Verein alles aufkaufen und nichts für andere übrig lassen."
"Hm, vielleicht ich dir da helfen kann. Ich noch einige alte Kontakte zu Platte-Schmugglern in, äh, Klatsch haben. Da ich dir Platte besorgen könnte. Aber dazu ich die aktuelle Lage hier in der Stadt wissen muss. Ich mich schon länger nicht mehr damit befasst haben. Was das denn für ein Verein sein?"
"Die sich Verein für Welpenschutz nennen."
Scoglio glaubte, nicht richtig zu hören und auch Rib musste aufpassen, dass er vor lauter Verwunderung nicht von seinem Balken fiel.
"Moment mal... Verein für
Welpenschutz?"
"Ja. Du wirklich noch nicht davon gehört haben? Die lauter junge Hunde aufnehmen und sie dann so abrichten, dass sie das in Phiolen versteckte Platte zu den richtigen Leuten bringen."
"Das ja interessant sein. Du denn wissen, wo man diesen Verein finden?"
"Ja, sicher. Ich ja lange genug versucht habe, durchzusetzen, dass ich doch weiterhin Platte verkaufen darf. Du sie finden kannst in der Filigranstraße, direkt neben der Kaufmannsgilde. Aber wofür du das wissen wollen?"
Scoglio versetzte Franatus unter dem Tisch einen Tritt gegen das Schienbein.
"Dummer Troll! Ich denen mit Platte doch nicht zu nahe kommen darf."
"Ach so, klar! Ich das nicht bedacht haben."
Scoglio sah kurz hoch zu Rib, der ein triumphierendes Lächeln im Gesicht hatte. Er wollte sich schon für die Informationen bedanken und sich erheben, als ihm noch etwas einfiel.
"Ach ja, du vielleicht einen gewissen Johan Lepew kennen?"
"Aber sicher! Er eine der Vorstände dieses Vereins sein. Aber ich glaube, er sich nicht gut mit den anderen dort verstehen. Äh, wofür du das denn jetzt schon wieder wissen wollen?"
"Du wirklich dumm sein! Das du nicht wissen? Dann du auch die Antwort nicht verstehen würdest."
Scoglio trat ihm noch einmal gegen das Bein.
"Au! Wenn du meinen..."
"Also gut. Ich dir danken für die Informationen, aber ich jetzt wieder gehen muss. Ich mich dann demnächst mit dir in Verbindung setzen, wenn ich dir Platte geben kann."
Der Wächter erhob sich und ging zur Tür. Auf halbem Wege holte ihn Rib ein, der unbemerkt von dem Balken gesprungen war und zusammen verließen sie die Taverne. Als sie auf der Straße standen, sagte Rib:
"Jetzt ist die ganze Sache ja um einiges klarer geworden."
"Ja, aber man nicht diesen Franatus verhaften müsste? Immerhin er auch Platte verkauft hat."
"Ach, darum können wir uns auch noch später kümmern. Jetzt müssen wir erstmal diesem seltsamen Verein auf den Zahn fühlen."
Yogi, Steven, Will und Silvia waren gerade in die neueste Ausgabe der Times vertieft, als Scoglio und Rib in der Kröselstraße eintrafen. Die vier unterhielten sich angeregt, sodass sie die beiden anderen Wächter erst bemerkten, als Scoglio fragte: "Etwas Interessantes da drin stehen?"
Die vier schreckten auf.
"Ja. Die berichten schon von dem Tod dieses Johan Lepew. Haben sogar einen
Nekrolog gebracht", erläuterte Will.
"Wieso weiß denn diese Zeitung schon wieder davon. Wir haben den Tod doch erst vor einigen Stunden entdeckt. Und von euch hat ja keiner etwas ausgeplaudert, oder?", wollte Rib wissen.
"Nein, das nicht. Aber ich nehme an, dass dieser Lot Wonk sein Wissen an die Times verkauft hat", meinte Lady Silvia.
"Na toll. Aber wie dem auch sei. Wir haben vorhin einiges herausgefunden und deswegen sollten wir jetzt schnell weiter ermitteln."
"Was habt ihr denn herausgefunden?"
Rib fasste kurz die Ergebnisse der Nachforschungen zusammen und sagte dann:
"Wir werden jetzt also zu diesem Verein für Welpenschutz gehen und den Laden stilllegen. Die Aussage von Franatus müsste doch eigentlich dafür reichen, die Obersten dort festzunehmen. Oder was meint unser Rechtsexperte dazu?"
"Auch wenn Franatus schon viel ausgesagt hat, müssen wir denen noch ein Geständnis abringen. Aber ich denke, das sollte kein Problem sein. Die Beweislast ist zu erdrückend."
"Das stimmt schon, aber sollte man diesen Franatus nicht vielleicht mitnehmen, damit er dann vor Ort nochmal gegen die aussagen kann?", warf Yogi ein.
"Sicherer wäre es auf jeden Fall. Aber glaubt ihr, dass er einfach mit uns Wächtern mitgehen wird? Immerhin hat er ja auch bis vor kurzem etwas Illegales getan."
"Wir nicht einfach darüber hinwegsehen können? Wenn wir ihm sagen, dass er nicht bestraft werden? Es doch wohl irgendwelche Gesetzeslücken geben, durch die wir ihn nicht müssen verhaften."
"Mmh. Das wäre vielleicht möglich, wenn er von nun an der Wache behilflich ist. Er könnte als Informant für dich arbeiten, Scoglio, oder..."
"Ach, wir finden dann schon etwas", sagte Rib ungeduldig. "Jetzt gehen wir erstmal schnell zu Steinig's Taverne zurück, damit wir ihn da noch antreffen. Aber diesmal alle zusammen."
Kurze Zeit später standen die sechs Wächter vor der Taverne in der Affenstraße.
"Ich gehe wieder mit Scoglio alleine dort hinein. Ihr wartet hier in der Nähe", entschied Rib und betrat dann mit Scoglio zum zweiten Mal an diesem Tage die Taverne.
Drinnen schauten sich die Beiden kurz um, sahen Franatus noch am selben Tisch sitzen und gingen dann zielstrebig auf ihn zu. Scoglio setzte sich an den Tisch und auch Rib nahm dieses Mal auf dem Tisch Platz.
"Nanu? Was du denn wieder hier machen?", brummte Franatus.
"Ich dir etwas sagen muss. Ich bin der Stadtwache angehörig und durch unser Gespräch vorhin wir in unseren Ermittlungen ein ganzes Stück voran gekommen sein."
"Du Wächter sein?" Franatus war sichtlich aufgebracht. "Dann du mich nur ausgehorcht haben."
"Ja, das ich zugeben, aber du dich erstmal beruhigen. Um dem Verein das Handwerk zu legen, wir deine Hilfe brauchen. Du nochmal aussagen sollen, wenn wir dort sein."
"Aber ihr mich nicht verhaften, weil ich auch Platte verkauft haben?"
"Eigentlich wir das müssten, aber wenn du uns jetzt helfen und auch später noch, zum Beispiel als mein Informant, für uns arbeiten, dann wir dich nicht verhaften."
"Und wenn ich euch nicht helfen?"
"Dann ich sehe mich gezwungen..."
"Das Erpressung sein!"
"Nein, das ist die Macht des Gesetzes." Rib hatte sich aufgerichtet und ging auf dem Tisch auf Franatus zu. "Also wirst du uns wohl oder übel helfen müssen."
"Schon gut, schon gut, ich verstanden!"
"Dann komm jetzt mit!"
Rib sprang vom Tisch und die beiden Trolle erhoben sich. Zusammen verließen sie Steinig's Taverne und gingen, nachdem Rib den Troll mit den anderen Wächtern bekannt gemacht hatte, zur Filigranstraße.
Vor dem Gebäude des Welpenschutz-Vereins stoppte die Gruppe.
"Und was jetzt? Wie kommen wir da rein?"
"Durch den Eingang vielleicht?"
"Ja, super! Die werden garantiert nicht einen Haufen Wächter einfach so hereinbitten."
"Hast du etwa einen besseren Vorschlag?"
In diesem Moment kam Yogi Schulterbreit, der kurz hinter der Hausecke verschwunden war, wieder zurück und sagte: "Ja, ich schon! Da vorne, um die Ecke, steht so was wie ein Nebeneingang offen."
"Ein Nebeneingang? Offen? Und der ist nicht bewacht?"
"Ich habe zumindest keine Wachen gesehen."
"Dann gehen wir einfach da rein. Wenn wir ersteinmal drinnen sind, kann nichts mehr schief gehen."
Also gingen die sechs Wächter und Franatus um die Ecke und Rib sagte: "Wartet hier! Ich werde mal eben schauen, ob der Eingang wirklich frei ist."
Er verschwand durch das offene Tor. Nach kurzer Zeit sah er um die Ecke und winkte den anderen.
"Yogi hatte Recht. Hier ist wirklich niemand."
So folgte ihm der Rest der Gruppe. Sie standen nun auf einem Hof, von dem zwei Türen wegführten. Die eine ins Innere des Gebäudes hinein und die andere durch eine Mauer vermutlich zu einem anderen Teil des Hofes. Sie gingen alle auf das Gebäude zu, bis auf Scoglio, der sich der anderen Tür näherte.
"He, Scoglio! Was machst du da?",zischte Yogi.
"Ich nur nachsehen, was auf der anderen Seite der Tür sein."
"Nein, lass das! Komm sofort zurück!"
Doch der Troll hatte die Tür schon geöffnet. Daraufhin fingen einige Hunde an zu jaulen. Erschrocken schloss der Szenekenner die Tür wieder.
"Da drin nur die ganzen Hunde sein."
"Aber wer weiß, ob das jemand gehört..."
Will wurde dadurch unterbrochen, dass ein Zwerg, der plötzlich in dem Eingang zum Gebäude stand, zornig rief: "Was macht ihr hier? Ihr habt kein Recht, hier zu sein! Seht zu, dass ihr verschwindet."
"Moment. Gehe ich Recht in der Annahme, dass dies hier der Verein für Welpenschutz ist?"
"Ja, natürlich. Ihr habt unsere jungen Hunde ja scheinbar gefunden."
"Dann erkläre ich Euch hiermit für verhaftet."
"Was? Wieso das denn?"
"Illegaler Drogenhandel", meinte Yogi mit einem Schulterzucken. "Sagt Ihnen das was?"
Vor Wut schnaubend griff der Zwerg zu einem
Klappspaten, der zufällig an der Hauswand lehnte.
"Der Reaktion nach zu urteilen, ja."
"Ihr aufpassen! Das sein Thor Thorson, einer der besten
Hammerwerfer überhaupt", warnte Franatus.
"Aber ein Klappspaten ist kein Hammer. Damit kann er bestimmt nicht so gut werfen."
Trotzdem zogen sich die Wächter ein wenig zurück und gingen zur Vorsicht hinter den beiden Trollen in Deckung.
"Ach was! Bevor er einen von uns trifft,..." begann Rib und stürmte auf den Zwerg zu.
"Aber übertreib's nicht!", ermahnte ihn Steven.
Bevor Thor die Gelegenheit bekam, den Spaten zu schleudern, war der mumifizierte Gnom schon an ihm hochgelaufen und rammte seinen Kopf gegen den des Zwerges.
"Und ich bin Rib, einer der besten Kopframmer überhaupt!"
Der Zwerg wankte ein wenig, blieb aber stehen und sagte:
"Dafür war ich immer der Beste im Eine-Mumie-auswickeln-und-zu-etwas-anderem-verknüpfen."
Blitzschnell formte er aus dem zappelnden, fluchenden Gnom ein Packet aus Mullbinden mit einer hübschen Schleife. Er sagte noch grinsend "Ein Präsent?", als ihn Scoglios Faust am Kopf traf und schlafen legte.
"Wächter nicht nehmen Geschenke! "
"Gut, das wäre erledigt!"
"Und was machen wir jetzt mit dem da?" Silvia zeigte auf den Zwerg. "Lassen wir den hier einfach so liegen?"
"Ja, warum nicht? Scoglio, du kannst ihn ja da vorne irgendwo in die Ecke legen", sagte Rib, der seine Binden inzwischen wieder halbwegs an die richtigen Stellen gebracht hatte.
Als der Troll wieder zurückkam, betrat die Gruppe gemeinsam das Gebäude.
"Und wo finden wir jetzt die Vereinsoberhäupter?"
"Wir gehen einfach diesen Gang entlang. Irgendwann werden wir schon auf jemanden treffen."
Steven Träumer behielt Recht. Schon nach kurzer Zeit kam ihnen ein Mann entgegen.
"He, wer seid ihr?"
"Gestatten, Chief-Korporal Rib, Stadtwache!"
"Und warum seid ihr hier? Ist es jetzt sogar verboten, junge Hunde aufzunehmen und groß zu ziehen?"
"Kommt drauf an. Wenn diese Hunde dazu abgerichtet werden, Platte abzuliefern..."
"Ha! Wie kommt ihr denn darauf, ihr habt ja keinerlei Beweise."
"Na ja, wir haben die Aussagen von Franatus hier."
"Der? Ich kenne ihn, was gelten schon Aussagen von Kriminellen?"
"In diesem Fall ziemlich viel!"
"Aber er ist doch nur ein... ein Felsen."
"Felsen? Niemand mich ungestraft nennen so", grollte der Troll und ging wutentbrannt auf den Mann zu.
"Nicht, Franatus, du dich zurückhalten! Wir den noch brauchen."
Scoglio trat vor und griff ruckartig nach Franatus. Dadurch stolperte dieser und die beiden Trolle fielen taumelnd gegen die Wand.
"Neiin! Ihr dummen Trolle!"
Durch den Aufprall war ein Teil der dünnen Wand eingestürzt und hinter ihr erkannten die staunenden Wächter riesige Mengen an Platte.
"Wahnsinn!", war alles, was Will sagen konnte, bevor der Mann zu fliehen versuchte. Doch Yogi war schneller und hielt ihn sicher fest.
"So! Wenn ihr nur die Welpen aufnehmt, kannst du mir dann vielleicht erklären, warum ihr hier so viel Platte lagert?"
"Ist ja gut, ich geb's ja zu! Alles was ihr gesagt habt, ist richtig!"
"Ah, schön das zu hören."
Während sich die Trolle, die den Sturz ohne größere Verletzungen überstanden hatten, aufrappelten, fragte Steven:
"Du bist aber nicht der einzige hier, oder? Führ uns sofort zu den anderen!"
Da dem Mann ohnehin nichts anderes übrig blieb, führte er die gesamte Gruppe zu einem Raum, in dem drei andere Männer zusammensaßen. Diese wollten aufspringen, doch als sie die beiden Trolle bemerkten, blieben sie lieber sitzen - eine Flucht war wohl kaum möglich.
"Sind das etwa alle?"
"Ja."
"Und der Zwerg, der noch draußen herumliegt. Und Johan Lepew!", fügte Silvia hinzu.
"Richtig, Johan Lepew!" Rib wandte sich an die Männer. "Er wird das Platte, was ihn umgebracht hat, nicht freiwillig genommen haben, oder?"
"Wie, das wisst ihr auch?" Einer der Männer sank in sich zusammen. "Dann bleibt uns ja wohl nichts anderes übrig, als auch das zuzugeben. Ja, wir haben ihn die Droge schlucken lassen. Wir wussten nicht, das es ihn umbringen würde, aber er ist selbst schuld. Er hatte sich gegen uns stellen und uns alle verraten wollen."
"Nur hättet ihr ihn nicht einfach so in der Straße liegen lassen sollen." Rib wandte sich an die Kommunikationsexpertin Will Passdochauf. "Will, schick doch mal eben eine Taube an den Kommandeur, dass ein paar FROGs hier alles durchsuchen sollen. Ich glaub nicht so recht, das hier keiner mehr ist. Und außerdem muss das ganze Platte sichergestellt und diese Leute hier abgeführt werden."
Will schrieb eine Nachricht und ging nach draußen, um die Taube loszuschicken und Rib sagte noch:
"Solange bis die anderen kommen, bleiben wir hier. Aber ich denke, dann haben wir uns einen Abend im Eimer verdient."
Die sechs Wächter und Franatus, der auch mit ihnen gekommen war, saßen um einen Tisch herum, der durch eine Kerze erhellt wurde und auf dem sie jeder ein Bier stehen hatten - oder was sie, je nach Rasse, sonst gerne tranken.
Sie unterhielten sich über das eben Erlebte und schließlich fragte Franatus:
"Und ihr mich wirklich nicht verhaften?"
"Ich werde nochmal mit unserem Kommandeur sprechen, aber du hast ja schließlich zur Lösung dieses Falles beigetragen. Da wird er wohl hoffentlich ein Auge zudrücken", antwortete Steven.
Eine Zeit lang sprach keiner von ihnen ein Wort, doch dann sagte Scoglio:
"He, jetzt ich endlich weiß, woher dieser gute Duft kommen. Und ich richtig Hunger haben."
Dann beugte er sich vor und griff nach der Kerze.
"Nein, Scoglio, das kann man nicht essen! Das ist eine
Zimtkerze!", wies ihn Yogi lachend zurecht.
Doch plötzlich jaulte etwas unter ihrem Tisch.
"Nanu? Was ist das denn?"
Scoglio wurde ein wenig verlegen - eine für einen Troll höchst untypische Reaktion.
"Äh, das einer der Welpen sein. Ich nichts dafür kann, aber er mir einfach nachgelaufen, als wir vorhin noch alle Hunde befreit haben."
"Na, du kannst ihn ja auch abrichten. Aber so, dass er dir bei deiner Arbeit als Szenekenner helfen kann."
Wie zur Bestätigung jaulte der Hund zufrieden, und Scoglio sah lächelnd zu ihm hinunter.
[1] Einige Glücklose "Kunden" wurden zuerst stolze Besitzer eines Milchschaumaufschlägers für Linkshänder, der ihnen kurz darauf gestohlen wurde. Wenn selbiges Kücheninstrument dann noch an ihnen zur Tatwaffe wurde konnte man schon von einem schlechten Tag des Betroffenen reden
[2] im wesentlichen Verpackungsmaterial von ... na ihr wisst schon ... Milchschaumaufschläger für Linkshänder
[3] Die Schleuder war eine Erfindung der Ameise 123442224, einer regelrechten Ausnahmeerscheinung unter den Mycetophylax simplex. Auf der Basis von mit Pilzmycel veredelten Rohstoffen, hat 123442224 - seine Freunde nannten ihn kurz 12344222 – diese Schleuder erfunden. An jenem Abend wäre der grosse Tag des Selbstversuches gewesen. Aufgeregt lief er zwischen der Abschussrampe und dem Zielgebiet – wo niemand anderer als er stehen sollte – hin und her. Dann endlich drückte er auf den Auslöser,rannte zum Zielgebiet schloss die Augen um das konditionierte Inspirationspartikel zu empfangen – und wurde zum Opfer von Michaels Fuss der gerade auf Streife war. Das Partikel traf wie gesagt seine grosse Zehe ( unter der sich ein recht flacher 12344222(4) befand, und eine Weile Michaels Begleiter im verschwindenden Profil des Stiefels von Machwas wurde. Ohne es zu wissen hatte der Vektor an diesem Abend die Welt gerettet. Denn wenn das Partikel sein eigentliches Ziel erreicht hätte, hätte die Ameise das Mycel Royal erfunden, was die Ameisen auf das 1.000-fache ihrer normalen Größe hätte wachsen lassen, was wiederum das unrühmliche Ende der Scheibenwelt in ihrer heuteigen Form bedeutet hätte.
[4] Eine Kampfsportart, die aus Klatsch stammt. Die Zu-Kung Kämpfer verrenken sich bei ihren Kampfbewegungen derart, dass sie manchmal bleibende Schäden erleiden.
[5] Die Szenekennerin hat nach einem Sturz auf einigen Tempelstufen, der eine bleibende
Erinnerungslücke bei ihr hinterlassen hat, das Problem, dass ihr, insbesondere wenn sie nervös war, das Wort "Gurke" herausrutschte, ohne dass sie etwas dagegen machen konnte.
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