Doppelleben - eine Eheschließung

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von Hauptgefreite Magane (FROG)
Online seit 11. 02. 2005
Zeitmönche haben die Geschichte auf den 23. 08. 2004 datiert
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 Außerdem kommt vor: Ktrask

Das Leben kann manchmal sehr kompliziert sein und es wird nicht einfacher wenn einen die Vergangenheit einholt und zwingt Dinge zu tun, die man nicht tun will.

Dafür vergebene Note: 12

Vorbemerkungen:
Diese Single ist quasi die erste Hälfte einer Geschichte, die ich seit dem Juli des vergangenen Jahres schreibe sie beinhaltet keinen Fall, sondern nur den Kern des Problems. Durch die Entwicklungen der vergangenen Monate habe ich es immer versäumt diese Geschichte zu erzählen, deswegen habe ich beschlossen den ersten Teil getrennt vom zweiten rauszuhauen, sodass ich zumindest einen Teil des Zuerzählenden losgeworden bin. Hier geht es also ausschließlich um Magane, die beiden Männer, die sie lieben und ihre Großeltern. Zugleich beinhaltet diese Single den ersten Teil der Vorgeschichte eines zukünftigen Mordfalles, zeigt die Motive und Konflikte der Handelnden auf und erklärt vor allem warum sich die Protagonistin niemandem anvertraut.
Nachträglich habe ich sie wieder auf ihren ursprünglichen Handlungsrahmen gekürzt. Deswegen spielt sie innerhalb von den zwei Wochen im Sommer, die ich statt mit Schreiben lieber mit Streiten zugebracht habe. Sie folgt also direkt auf die Ausbildung von Ktrask und mir.


Vor verdammt langer Zeit (etwa 42 Jahre) an einem fernen Ort (ein kleines omnianisches Dorf)


Manchmal reicht Liebe nicht aus, das wusste das Mädchen schon eine ganze Weile, sie hätte heiraten sollen, den Küfersohn, doch der - beziehungsweise seine Eltern - hatte sie verstoßen und die Verlobung gelöst. Sie hätte ihn nicht heiraten wollen, nein, sie liebte den jungen Wechter und es war sein Kind, das der Grund für das Verstoßenwerden war. Inzwischen konnte sie den Bauch nicht mehr verstecken, deswegen blieb ihr nur noch der Weg in den Wald. In Schande bei den Kräuterweibern leben, ein Kind ohne Vater großziehen, den für eine Frau einzig denkbaren Beruf ausüben: Hebamme - so wollte es Om.
Magitt glaubte nicht daran, sie glaubte nur bedingt, dass sich Gott für die Geschehnisses auf der Scheibe interessierte, sie glaubte an Richards Liebe und sie wusste, dass sie nicht so allein war wie es schien. Er würde sie besuchen, schließlich mussten Wächter ihre Augen überall haben und eines Tages würden sie einen Weg finden fern von hier zusammen zu leben.
In ihrem Fall von Wissen zu reden war vielleicht übertrieben, sie sah... seit ungefähr einem Jahr sah das Mädchen Dinge auf unbewegten Wasseroberflächen, Dinge über die sie noch nie mit jemandem gesprochen hatte, wie Spiegelungen von nicht geschehenen Ereignissen... Am Anfang hatte sie das erschreckt, doch dann hatte sie ein Muster erkannt in den Erscheinungen und schweigend beschlossen mehr über Hexen herauszufinden.
Vor wenigen Jahren waren sie noch verfolgt und verbrannt worden, so etwas blieb in den Köpfen hängen, deswegen sprach man hier nicht von Hexen, es waren Kräuterweiber, weise Frauen und Hebammen. Sie lebten im Wald, in Hütten die älter waren als die Häuser der Dörfer, wohl versteckt vor den heiligen Häschern, nur ein paar Mädchen wussten den Weg zu ihnen zu finden, doch das war damals. Inzwischen war der Weg nicht mehr so geheim und man rief die weisen Frauen öfter als früher zur Hilfe...


Ende Juli, vierzehn Tage vor der Hochzeit


Einsamkeit ist keine Frage der Gesellschaft. Sie saß auf der Fensterbank des Fensters durch das sie vor einigen Stunden die Wohnung betreten hatten und starrte in die endende Nacht, das Morgengrauen gehörte - auch in Ankh-Morpork - zu den schönsten Zeiten des Tages. Die Dämmerung war die Zeit derer, die sich nicht ins Licht trauten, die Zeit der heimlich Liebenden [1].
Von hier oben wirkte die Stadt friedlicher als sonst, nichts böses von dort unten konnte hier hochkommen um diesen perfekten Moment zu zerstören. Unten auf der Straße sang ein Musiker auf dem Heimweg passend zur Situation ein Lied von heimlicher Liebe, als wüsste er mehr als der Rest der Stadt. Vielleicht entsprach es auch nur seiner Angewohnheit mitten in der Nacht zu singen und ihm fiel grad nichts besseres ein. Das schwarze Haar zerwühlt, gekleidet in ein Betttuch, lächelte sie sanft eine Wolke an, die grade am Horizont errötete. Diese Nacht konnte nichts davon abhalten dem Tag Platz zu machen, doch blieb sie im Innern derjenigen, die sie am liebsten nicht gehen lassen wollten. Im Herzen war sie sicher aufgehoben und die Erinnerung konnte ihnen niemand nehmen.
Heute Nacht hatte sie, engelsgleich lächelnd, ihren über all die Jahre sorgsam behüteten Schatz verschenkt, als Hochzeitsgeschenk bewahrt, aus Trotz und Liebe einem Andern geschenkt. So hatte es nicht sein sollen, aber so war es, nicht märchenhaft [2], nicht perfekt und bestimmt nicht mutig.
Sie hatte nach anderen Wegen gesucht, um die Situation zu ändern, sie suchte noch immer, aber inzwischen war es fast zwecklos. Jetzt blieb nur noch durchhalten. Vielleicht würde ihre Verbindung eines schönen Tages gelöst. Bis dahin allerdings würde sie mit dem einen Tisch und mit dem andern Bett teilen und ihr zukünftiger Ehemann würde nichts daran ändern können, selbst dann nicht, wenn er von dem Doppelleben wüsste, in das er sie zwang.
Leichter Wind spielte mit dem Laken, das als improvisierte Kleid diente. Es wäre zu umständlich gewesen ihre Uniform zusammenzusuchen, dabei hätte sie den Geliebten sicherlich geweckt und das war nicht nötig, er sollte schlafen, wenn er konnte. In zwei Stunden mussten sie im Wachhaus sein, aber das war noch so weit weg. Eigentlich sollte sie glücklich sein, doch die Welt wollte das offenbar nicht.
Sie wollte weglaufen, oder doch zumindest auf neutrales Gebiet zurückkehren, weg aus dem Schlafzimmer des Geliebten... einfach laufen... einfach weg... raus aus Ankh-Morpork...
Aber diese Entscheidung war schon vor Monaten gefallen, weglaufen war keine Lösung, das hatte sie lernen müssen. In den vergangenen Monaten hatte sie gelernt sich ihren Problemen zu stellen, weil sie durch davonlaufen nur schlimmer wurden. Davon mal ganz abgesehen war sie nicht bereit ihr Leben als Wächterin in Ankh-Morpork aufzugeben, sicher, es war nicht einfach sich unterzuordnen und die 24-Stunden-Schichten waren hart, aber sie hatte hier Freunde gefunden.
Freunde bei denen man relativ sicher sein konnte, dass sie nicht um ihr Blut pokerten - obgleich auch die Pokerrunden im Mausoleum Spaß gemacht hatten, solange man sich niemals herumdrehte und niemals verlor [3] - diese neuen Freunde würden ihr helfen die Doppelbelastung zu ertragen. Mathie erwartete eine Hausfrau, er war nicht bereit zu dulden, dass sie arbeitete. Und bei der Wache balancierte sie eh schon dauernd am Rande des Rauswurfes, das würde sich sicherlich nicht bessern wenn sie ein paar mal zu spät kam, zumal sie diese ganze Sache eigentlich vor ihren Vorgesetzten verbergen wollte. Die Wache und Ktrask gehörten eindeutig einem anderen Leben an als Mathie und seine Vorstellungen von einer Ehe.
Sie konnte nur hoffen damit klarzukommen, im Zweifelsfall blieb immer noch der Gang zum Püschologen, vielleicht half es sich auszuheulen, andererseits glaubte sie kaum, dass einer der Wachepüschos ihr helfen konnte, zumal die wenigen mit Erfahrung ihre direkten Vorgesetzten waren.
Sie würde es Ktrask sagen müssen, bevor er noch die falschen Schlüsse zog - Aber wie?
Es hatte keinen Sinn hier weiter nachzudenken - so kam sie eh nicht weiter - mit einem letzten langen Blick aus dem Fenster stand sie in einer fließenden Bewegung auf und ging, nachdem sie dem Schlafenden einen Kuss zugeworfen hatte, in die kleine Küche um dort Frühstück zu machen.

***


Leis kratzte die Feder über das leicht gelbliche Papier, sonst war es absolut still umher. Mit ihrer eigenen dunkelgrünen Tinte geschrieben bekamen die Rezepte eine eigene Dimension, als gehörten sie schon immer in diese Welt... oder auch in eine ganz andere... auf jeden Fall wirkten sie nicht mehr wie die Salbenrezepturen einer jungen und unerfahrenen Hexe. "Wir haben alle unseren eigenen Stil, du kannst nicht lernen was dazu gehört, du musst es wissen", hatte die Älteste gesagt als Magitt im Wald aufgetaucht war. Man kann es nicht lernen... dafür hatte sie aber verdammt viel lernen müssen, die Wirkung von diesem und jenem Kraut und wie sie zusammen ein tödliches Gift ergeben können, manchmal glaubte sie alles sei tödlich man musste nur wissen womit man es mischen musste und in welchem Verhältnis [4].

Der Weg zu den im Wald versteckten Hütten war lange nicht mehr so geheim wie zu den Zeiten der großen Hexenverfolgungen, heute war es kein Problem mehr die von der Gesellschaft verstoßenen Frauen im Wald zu finden und wer weiß vielleicht war Hexe in nicht allzu ferner Zukunft auch in Zentralomnien ein ehrbarer Beruf, schließlich waren die anderen Länder der Scheibe lange nicht mehr so fern wie damals. Richard Wechter ging diesen Weg nicht zum ersten Mal und sicherlich auch nicht zum letzten Mal, ihn interessierte es herzlich wenig was für Signale von Ankh-Morpork ausgehen könnten wenn die Stadt von einem fähigeren Herrscher regiert würde, er wusste nichts von Diskalisierung und was seine Vorstellung von der Scheibe betraf, so war hinter den Wäldern, die die Dörfer umgaben, alles weiß und mit schwarzen Planquadraten durchzogen. Es interessierte ihn einfach nicht besonders, er vertrat seine Auffassung von Recht, von seinem Vater hatte er gelernt, dass nur sein Schwert zwischen Recht und Unrecht steht. Allerdings hatte der frühe Tod seines Vaters ihm gezeigt, dass manchmal ein Schwert allein nicht ausreicht. Im Dienst trug er neben dem (vom Vater geerbten) Schwert eine selbstgebaute Armbrust, die gewährleistete, dass zwischen Recht und Unrecht ein Bolzen und eine Menge Luft war. Als Dorfwächter war er quasi immer im Dienst, selbst wenn nichts geschah, er war der einzige, er hatte erreichbar zu sein.
Nur manchmal, so wie jetzt gönnte er sich eine Auszeit und besuchte seine Familie, wobei seine Familie nichts mit der Frau zu tun hatte, die er hatte heiraten müssen, nein seine Familie war im Wald...

Vorgestern


Es geschah wiedereinmal nichts Scheibenerschütterndes, anscheinend gab es sogar beim Verbrechen eine Art Sommerloch. Es war schon am Vormittag unheimlich warm gewesen, aber inzwischen war die Wärme einer unerträglichen Hitze gewichen. Drückend wie ein schwerer Mantel lag die Stadtluft über den Straßen und wenn man dachte, dass es draußen unerträglich sei, dann musste man nur ein größeres Gebäude mit vielen Menschen betreten um zu erfahren, drinnen war es noch schlimmer. Ein solches Gebäude war das Wachhaus am Pseudopolis Platz. Soweit es eben möglich war, waren die Wächter aus dem Gebäude geflohen, gingen Streife, darunter auch einige, die mit Streifendienst sonst gar nichts zu tun hatten, hatten auf unerfindliche Weise plötzlich frei, oder es war grad eine Großmutter gestorben. Diejenigen die nicht hatten fliehen können suchten drinnen nach einer Möglichkeit sich etwas Erleichterung zu verschaffen, mit offenen Bürofenstern, wenn man über eines verfügte, in der Hoffnung etwas Durchzug zu provozieren, oder mit, aus Protokollbögen improvisierten, Fächern.
In dem kleinen Büro direkt hinter dem Tresen, das von seinen Bewohnerinnen liebevoll "Besenkammer des Wahnsinns" genannt wurde, meditierte eine nassgeschwitzte Obergefreite über einem Buch. Nun es handelte sich nicht um irgendein Buch, sondern um DAS Buch - "Ausländisches Recht in Ankh-Morpork" - Agent Ohnedurst hatte es vorgestern nach dem Verhör wegen der Sache mit dem Troll empfohlen und die junge Wächterin damit auf eine Idee gebracht... nur leider viel zu spät, sie hatte noch zwei Tage um es zu finden, aber wie heißt es so schön "Die Hoffnung stirbt zuletzt..."
Das Buch verfügte über keinerlei erkennbare Ordnung, offenbar waren die Gesetze kreuz und quer eingefügt worden, so wie sie in der Stadt aufgetaucht waren, einige waren nachträglich für ungültig erklärt worden, einige waren an die Stadt angepasst worden... ein Inhaltsverzeichnis gab es nicht und selbstverständlich glänzte der Schlagwortkatalog ebenfalls durch Abwesenheit... eine neuere Auflage gab es nicht. Zwar hatte sie inzwischen den Absatz gefunden, der Trolle berechtigte Wegezoll auf Brücken zu verlangen, aber von omnianischem Familienrecht fehlte noch jede Spur. Das Leben konnte so... gemein - nein, das klingt kindisch... kompliziert sein und die Hitze vereinfachte die Suche nicht gerade.
Mit einem lauten Plopp sprang Erpresso vom Regal auf den Schreibtisch und trug dabei den intensiven Geruch nach altem Kaffee und ungewaschenem Dämon [5] mit sich. Entgegen der Gewohnheit normaler Kaffeedämonen fragte er: "Hey, kann ich was für dich tun? Willst du nen Kaffee... ich hätt auch noch nen guten kalten von letzter Woche?"
"Hmm? Ähm... nein Danke, mir ist schon schlecht", Magane fragte sich schon seit einer ganzen Weile nicht mehr warum der kleine Dämon grade zu ihr so nett war, während er alle anderen regelmäßig biss und beschimpfte. Sie schaute zurück auf das Buch, die Wächterin musste es finden, bevor das Gesetz sie einholte und wegsperrte.
Sie holte einen Block hervor und machte sich einige Notizen zu einem Absatz über das Bedrohen von Vampiren mit religiösen Gegenständen. Nach all den Jahren in der Gesellschaft von untoten Blutsaugern hatte sie ein besonderes Interesse an ihnen entwickelt. Die Wachevampire waren anders - obwohl man das nie so generell sagen konnte - weniger Tier, weniger Dunkelheit... oder doch nicht? ...verdammt Mädchen reiß dich zusammen über die Blut-, Knollen- und Rumsauger in der Wache kannst du nachdenken wenn du die verdammte Hochzeit verhindert hast!
Seite um Seite überflog sie die komplizierten Gesetze und fluchte dabei leise vor sich hin. Sicher - das alles war schrecklich interessant, aber sie hatte keine Zeit sich mit der Besitzregelung über tote Kanalratten auseinander zu setzen... es klopfte... sie sah auf, legte einen Zettel ins Buch und ließ es in einer Schublade verschwinden, und rief "Herein" während sie noch die neuste Ausgabe von "Bolzen und Bögen" zu sich zog.
Die Tür öffnete sich einen Spalt und der Besucher fragte leise: "Maggie, bist du allein?"
"Ach du bist das. Ja, komm rein, ich muss eh mit dir reden", Ktrask schlich beinahe in das Büro, als ob er nicht gesehen werden wollte, na vielleicht war es auch besser wenn nicht gleich alle von ihrer Beziehung wussten... andererseits gab es Dinge, die schwerlich zu übersehen waren...
"Aber doch nicht über die Trollsache, oder?"
"Nein, dazu ist alles gesagt was zu sagen ist, alles weitere ist Sache der Jury... ziemlicher Mist das alles, aber jetzt lässt es sich nicht mehr ändern... Ich hab ein ganz anderes Problem", die Obergefreite stand auf und ging einen Schritt auf den noch immer etwas unschlüssig an der Tür stehenden Triffinsziel, für einen Moment fragte sie sich ob er heute auch Bereitschaft hatte, mit dem zurückgekehrten Hauptfeldwebel Zaddam Boschnigg war der Dienstplan recht unübersichtlich geworden, in einer Einheit wie FROG waren drei von einer Sorte einfach zu viel... "ich muss dich um einen Gefallen bitten, ohne dass du mir irgendwelche Fragen stellst und es darf niemand davon erfahren..."
"Okay... du hast meine volle Aufmerksamkeit, worum geht’s?"
"Keine Fragen, ich erkläre es dir hinterher, ich möchte nur, dass du etwas siehst. Sei in drei Tagen um zwölf Uhr mittags am Tempel von Om in der Straße der Geringen Götter, aber komm in zivil, die Wache ist dort unerwünscht."
"Die Wache ist unerwünscht, aber ich soll kommen?"
"Nein, grade du bist dort extrem unerwünscht, aber ich will, dass du dabei bist, um es mit eigenen Augen zu sehen und mit eigenen Ohren zu hören", sie sah ihm seine Unzufriedenheit an, diese Aussage - ohne Erklärung - war nicht leicht zu schlucken, "Ich liebe dich, bitte denk daran, egal was geschieht", sie wusste, dass es zu spät war um einen Ausweg zu finden... es war für alles zu spät, wenn sie morgen früh nachhause kam würde sie ein letztes Mal das Kleid anprobieren und danach den Schmuck polieren den sie tragen sollte... sie wollte sich abwenden, damit er nicht sah, wie ihr eine Träne über die Wange rann, aber der Gefreite ließ das nicht zu, nach einer solchen Bitte konnte sie sich nicht einfach wegdrehen, er nahm sie schweigend in den Arm und ließ sie weinen.

***


Mit den Jahren wurde aus dem einfachen Notizbuch eine umfangreiche Sammlung der verschiedensten Rezepte, Sprüche und Weisheiten. Wer es zu nutzen wusste, der konnte hier nicht nur verschiede Wege zu einer guten Erbsensuppe finden, sondern auch einfache und schwierigere Wege um Kontakt zu den Toten aufzunehmen - die einfachen waren meist endgültig und stellten einen vor das Problem hinterher wieder Kontakt zu den Lebenden aufnehmen zu müssen - neben Liebestränken und Alltagsmagie sammelten sich Gedichte und Ratschläge.
Kurzum in ihrem Buch schrieb Magitt alles nieder was sie ihrer langsam heranwachsenden Tochter mitgeben wollte in das Leben im Dorf, das sie sicherlich irgendwann führen wollen würde. Schließlich war die Tochter einer Ausgestoßenen nicht zwangsläufig auch eine Ausgestoßene.

Gelegentlich zeichnete der Vater des Mädchens in das Buch, er vermied es zu schreiben, Worte waren nicht sein Medium. Er zeichnete mit sehr spitzer Feder Konstruktionsschemata von präzisen Waffen und filigranen Spieluhren, ballistische Modelle und Skizzen von fliegenden Vöglen - er war sich nicht sicher ob das einem Mädchen etwas nutzen konnte, aber er wollte es weitergeben, auf diese Art konnte er sich wenigstens inoffiziell zu seiner Familie bekennen.

Doch das Schicksal hatte anderes geplant, Magitt kam nie dazu das Buch ihrer Tochter Smilla zu geben. Das Mädchen verliebte sich, kehrte ins Dorf zurück und heiratete dort nach einiger Zeit den dritten Müllerssohn. Die Hexe vergaß das Buch... zu viel Wirbel wurde um diese Hochzeit gemacht. Und als des junge Paar dann begann sich mit Sumpfdrachen zu beschäftigen, da war klar, dass Drachen und das Wissen einer Hexe nicht zusammen passen.

Hochzeitstag - nicht mehr ganz so früher Morgen


Sie rannte... wie so oft versuchte sie davonzurennen, der Feind hinter(?) ihr war nicht zu sehen, sie spürte Angst, Zorn und Enttäuschung, vor ihr war alles dunkel und ungewiss. Dann plötzlich stolperte sie über ihr eigenes Kleid - woher kam das? Hatte sie nicht grade noch Uniform getragen? Schwärze. Jemand zog sie auf die Beine, sprach mit ihr, es wurde hell, sie schüttelte den Kopf und sah an sich herunter. Warum trug sie ein weißes Kleid... warum? Seltsam verzerrt hörte sie den Hochzeitsmarsch und realisierte, dass sie nach vorn geführt wurde... von ihrem Onkel, der nach dem Tod ihrer Eltern ihr Vormund gewesen war, doch auf einmal blieb er stehen und begann sie zu schütteln...
"Hey Maggie aufwachen, du hast frei, geh nach Hause!"
Sie schlug die Augen auf und realisierte binnen Sekunden, dass sie über dem Gesetzbuch eingeschlafen war, sie hatte grade mal 10% der Gesetze lesen können - verdammt - sie sah auf um herauszufinden wer sie geweckt hatte.
"Guten Morgen Skilla, wie spät ist es?"
"Halb neun, wieso?"
"Oh... Mist, Mist... verdammter Mist! Sie warten schon auf mich...", sie stand ruckartig auf und sackte sofort wieder auf den Stuhl zurück.
"Alles okay?"
"Klar, alles bestens, mir wurd nur grad flau, ich muss los, die Familie wartet, vielen Dank fürs Wecken", die Obergefreite versuchte es noch mal mit dem Aufstehen, diesmal viel langsamer.
"Vielleicht solltest du etwas essen", schlug Skilla vor als Magane an ihr vorbei ging.
"Nein Danke, mir ist schon schlecht, außerdem hab ich keine Zeit für so was."

Sie rannte... wie so oft versuchte sie davonzurennen, nur diesmal war es die Zeit gegen die sie rannte und dieses Rennen konnte sie nicht gewinnen, denn die Zeit war immer schon da wenn sie irgendwo ankam und rief ihr fröhlich "Ich bin allhier!" genau wie der Igel dem Hasen. Der Weg vom Wachhaus heim war nicht so weit, aber es kam ihr dennoch vor wie eine Ewigkeit, je näher Magane dem Haus ihrer Großeltern kam desto stärker wurde die Angst vor der ungewissen Zukunft, der Zorn auf Mathie und Enttäuschung darüber, dass sie keinen Weg gefunden hatte um diese Hochzeit zu umgehen.

"Eni, da bist du ja endlich, hast du wieder im Büro geschlafen? Willst du was essen? Ab in die Wanne!"
"Sofort Oma, ja ich habe im Büro geschlafen, nein ich möchte nichts essen", der Empfang war weit herzlicher gewesen, als sie ihn erwartet hatte, sie befolgte die Befehle ihrer Großmutter, alles musste jetzt schnell gehen, die Uniform wurde auf irgendeinen Stuhl geworfen, die Waffen hatte sie im Büro vergessen, gut, egal, baden...

Enaga wusste ganz genau dass ihr kein Ausweg blieb. Von hier führten nur zwei Wege fort, der eine mochte nicht angenehm sein, aber weitgehend erträglich, während der andere vollkommen ungangbar war. Diese Hochzeit war von ihren Eltern arrangiert worden, alles was sie jetzt noch tat um ihr zu entgehen würde das Andenken ihrer toten Eltern entehren. Das konnte sie nicht tun.

Handtücher und Unterwäsche und Unterkleid lagen schon bereit, sie trocknete sich ab und zog die Sachen an, inzwischen hatte sie sich daran gewöhnt, aber bei der ersten Anprobe hatte sie von gut der Hälfte der Sachen nicht gewusst wie man sie anzog. Weder kleine Mädchen, noch unlizenzierte Diebinnen, noch Wächterinnen trugen so was und weder das Mädchen, noch die Diebin und bestimmt auch nicht die Wächterin in ihr wollten jetzt damit anfangen. Leider hatten die drei keine Wahl.

Sie kam sich so lächerlich vor, als sie in Unterkleid, Filzpuschen und mit einem Handtuch um den Kopf ins Wohnzimmer schlurfte, aber dieses Gefühl verflog augenblicklich, als sie feststellte dass sie nicht mit ihrer Großmutter allein war. Im Wohnzimmer wuselten sieben Frauen um Kleid, Schleier, Schuhe und Schmuckkästchen herum. Magane blieb ein Augenblick um sie alle einander zuzuordnen, neben ihrer Großmutter war dort die zukünftige Schwiegermutter, mit einer ihrer Töchter und einer Schwiegertochter, dann die Tante bei der Magane - oder besser Enaga - aufgewachsen war und deren verzogene und versnobte Töchter. Womit hatte sie das verdient? Noch während sie tief durchatmete und gegen die plötzliche Übelkeit ankämpfte, wurde sie von den wild durcheinanderschnatternden Frauen entdeckt und angegriffen... Ja, es war ein Angriff, denn das erste Kleidungsstück war eindeutig eine Waffe im Kampf gegen die Frau. Sie hatte nie verstanden wieso manche Frauen freiwillig ein Korsett trugen und vor allem wie man es überlebte. Ihre Tante hielt nicht viel von vorwarnen, ihr wurde ein Knie in den Rücken gestemmt und es richtig eng geschnürt, die Wächterin glaubte nie wieder Luftholen zu können und hoffte, dass es doch bitte bald zuende sein möge. Die roten und schwarzen Sternchen tanzten noch vor ihren Augen, als sie zu einem Stuhl manövriert wurde wo ihre Schwiegermutter begann ihr Strümpfe anzuziehen. Widerstand war vollkommen zwecklos, sie bekam kaum Luft und konnte sich nicht wirklich bewegen. Gleichzeitig kämmten die etwa sechzehnjährige Tochter und die wahrscheinlich vierundzwanzig Jahre alte Schwiegertochter von Enagas Schwiegermutter ihre noch feuchten Haare und begannen eine kunstvolle traditionelle Hochsteckfrisur, in die der Schleier mit eingearbeitet wurde.

Etwa eine Stunde später hatten sie mit vereinten Kräften aus der Wächterin Magane die Braut Enaga gezaubert, die sich inzwischen zwar daran gewöhnt hatte kaum Luft zu bekommen, aber immer noch nur einen witzigen Schritt von der Ohnmacht entfernt war. Sie konnte nicht glauben was sie im Spiegel sah... das war nicht mehr sie... das war noch nicht mal annähernd die selbe Person wie die junge Frau, die gestern noch zur Übung die im zweiten Stock liegende Wohnung durch ein Fenster betreten hätte.
Dennoch ging sie in Gedanken noch mal die sprichwörtlichen vier Attribute einer glücklichen Braut durch:
Etwas Altes - die Schuhe waren schon die Hochzeitsschuhe ihrer Mutter gewesen, aufbewahrt bei ihrer Großmutter waren sie nicht, wie alles andere, in dem Brand, der ihre Eltern tötete, verbrannt.
Etwas Neues - die weißen Spitzenhandschuhe und das Kleid, es hatte ein Vermögen gekostet und war nur deswegen gekauft worden, weil der Bräutigam es nicht schon vor der Hochzeit sehen wollte, sonst hätte er es wohl selber genäht.
Etwas Geborgtes - der Schleier und der Schmuck gehörten verschiedenen entfernten Verwandten, die alle etwas zu einer glücklichen Ehe beitragen wollten... nur schade, dass die Braut, die sie schmückten, selten so unglücklich gewesen war wie an diesem Tag.
Etwas Blaues - fehlte noch...


Das Blaue kam in Form eines Brautstraußes hinter dem sich der schlacksige junge Ehemann der Tochter der zukünftigen Schwiegermutter versteckte. Er hielt ihn Enaga hin und lief leicht rot an, die beiden hatten der Tradition entsprechend als halbe Kinder geheiratet - zumindest er war immer noch eins, das schweigsame Mädchen im Hintergrund wohl nicht mehr und danach zu urteilen wie sie aussah und sich verhielt war er wahrscheinlich in einigen Monaten nicht mehr das einzige Kind in der Familie. Enaga nahm den Brautstrauß entgegen, Feldblumen - Magerritten, weiß als Sinnbild der Reinheit; Mohnblumen, rot wie die Liebe; und Kornblumen, blau für die Treue - er war wunderschön und perfekt.

Sie wurde zusammen mit ihrer jungen Schwägerin in eine Kutsche gesetzt und zum Tempel gefahren, wo sie in einem Nebenraum auf den Brautführer warten sollten. Die Braut wurde eingesperrt während die Hochzeitsgesellschaft nach und nach ankam, wie konnten sie es wagen?
"Bist du nervös?" Die Frage kam total unvermittelt, bisher hatte ihre Schwägerin noch kein Wort gesagt gehabt.
"Ja, bin ich", sie ging von der einen Spalt breit geöffneten Tür weg und setzte sich zu dem Mädchen auf einen der bereitstehenden Stühle, "ich hab geschaut ob ich den, den ich wirklich liebe dort draußen entdecken kann, aber noch ist er nicht da... zumindest finde ich ihn nicht."
"Du liebst Mathie nicht?"
"Nein, ich habe ihn vor 12 Jahren nicht geliebt und jetzt wo ich weiß was wahre Liebe ist liebe ich ihn noch viel weniger", sie sah dem Mädchen fest in die Augen, "Wie heißt du?"
"Tisarah Ant Böttcherin."
"Soso Böttcher ist er also... und seid ihr glücklich?"
"Müssen wir das nicht sein? Wir sind doch bald eine Familie..."

Währenddessen draußen vor dem Tempel


Hatte sie "zivil" gesagt? Oder "im besten Anzug"? Oder hatte sie vielleicht "zivil" gesagt und "im besten Anzug" gemeint, Ktrask fühlte sich total fehl am Platze, was sollte das hier, wer waren all diese Leute, warum war er hier? Er versuchte unauffällig einige von den Leuten zu belauschen.
"...zu alt, wenn du mich fragst..." - "...Ankh-Morpork hat sie verdorben..." - "...sie soll einen Andren haben, hab ich gehört..." - "...mich würde interessieren was sie gemacht hat bevor sie diesen unsäglichen Beruf erlernte..." - "Was ist so unsäglich an einem Wächter?"
"Nichts gegen Wächter, aber Frauen gehören ins Bett, hinter den Herd oder in den Tempel."
Der alte Mann, den Ktrask als Herrn Wechter, den Besitzer von "Wechters beste Bögen" erkannte, trat in aller Seelenruhe seine Zigarette aus und ging auf den anderen Mann zu.
"Schneyder, ich schwöre dir bei Om, sollte dein ungeratener Sohn meiner Enkelin auch nur ein Haar gegen ihren Willen krümmen, zeige ich ihn an und mache dich wegen schlechter Erziehung kalt. Hast du mich verstanden?"
"Wir sollten reingehen, es geht gleich los."
"Hast du mich verstanden, habe ich gefragt."
"Glaubst du, ich hab vor dir Angst, alter Mann?"
"Ich an deiner Stelle hätte zumindest Angst davor, eines morgens gefesselt und geknebelt an einer Wand zu erwachen... und ich hätte Angst davor, von einem Pfeil an einer wirklich unangenehmen Stelle geweckt zu werden... oder von einem Messer... wir sollten reingehen", der Alte wandte sich ab und legte im Hineingehen Ktrask die Hand auf die Schulter, um ihn so etwas an den Rand zu dirigieren, "Guten Morgen, hat sie dich hergebeten?"
"Ja, und sie wollte mir hinterher alles erklären."
"Interessante Reihenfolge... komm mit nach vorne, wenn jemand fragt, dann bist du ein entfernter Verwandter von mir, hör genau zu, bleib bis zum Ende und reg dich nicht auf. Es wird ihr Kraft geben wenn du bei ihrer Familie bist."

Zwölf Uhr Mittags


Auf einer leicht knarrzenden Orgel spielte jemand extrem schlecht den Hochzeitsmarsch. Enagas Onkel öffnete die Tür des kleinen Raumes neben der Eingangstür und bot ihr seinen Arm an um sie nach vorne zu führen, zwei kleine Stufen führten in den Hauptraum des Tempels. Die Braut bekam immer noch nur sehr schlecht Luft und durch die Aufregung und den allgegenwärtigen Zorn wurde es immer schlimmer... dann plötzlich stolperte sie über eine der Stufen, oder war es ihr Kleid?

Schwärze.

Der beißende Geruch von Riechsalz.

Jemand zog sie auf die Beine, sprach mit ihr, es wurde hell, sie schüttelte den Kopf und sah an sich herunter. Warum trug sie ein weißes Kleid... warum? Seltsam verzerrt hörte sie den Hochzeitsmarsch und realisierte, dass sie nach vorn geführt wurde... von ihrem Onkel.
Der Alptraum, genau das hatte sie heute Morgen geträumt...
Der Alptraum ging weiter... sie wurde verheiratet...

Bei diesem Alptraum brauchte man ihre Zustimmung nicht, es reichte vollkommen aus, dass ihr Vormund vor einer halben Ewigkeit einen Vertrag unterschrieben hatte. Aus der Zeremonie waren die Fragen vollständig verschwunden. So dass niemand überhaupt erst auf die Idee kam "Nein" zu sagen.

***


Magitt war nicht da gewesen, als die Farm ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes in die Luft flog, sie wurde an anderen Ende des Tals gebraucht. Niemand war dort gewesen, nur das Drachenzüchterpaar und ihr Kind. Die beiden Erwachsenen waren sofort tot, es muss eine gigantische Explosion gewesen sein. Richard Wechter war der erste bei den Trümmern, er fand die verkohlten Leichen seiner Tochter und seines Schwiegersohnes und er rettet seine Enkelin, die sich in einem Schrank versteckt hatte. Sie hatte schwere Verbrennungen an den Armen...
Später sagte man es sei ein Wunder, dass das kleine Mädchen überlebt hatte.

Am nächsten Morgen - früh um fünf


Magane saß allein in der Kantine des Wachhauses am Pseudopolis Platz, sie sah nichts, hörte nichts, aß nichts, sie weigerte sich zu denken und gab sich größte Mühe nichts zu fühlen. Das einzig Positive daran, dass die Hochzeit vorbei war, war die Befreiung aus dem Korsett gewesen, beim Umziehen hatten nicht alle verwandten Frauen geholfen - das hätte sie nicht noch einmal durchgestanden. Danach hatte es eine Feier gegeben, aber davon hatte die Braut nichts mehr mitbekommen, sie hatte sich mit ihrer Uniform unter dem Arm in das Wachhaus geflüchtet. Und nun saß sie hier... in Uniform, seit Stunden unbeweglich, sie hatte geweint, vor Wut und Verzweiflung und aus Angst, irgendwann waren ihr die Tränen ausgegangen und es war nur noch das bewegungslose dasitzen geblieben. Sie hatte Angst vor dem unvermeidlichen Zusammentreffen mit Ktrask, er hatte bei ihrer Familie in der ersten Reihe gesessen...
Sie bekam nicht mit wie die Zeit verging. Öliges Morgenlicht fiel durch ein Fenster in den Speiseraum. Die Obergefreite war allein, wäre sie es nicht gewesen, so hätte sie auch das nicht mitbekommen.
Irgendwann war sie es nicht mehr, Ktrask hatte die Kantine betreten. Als er seine Geliebte sah, hatte er die Absicht zu Frühstücken augenblicklich total vergessen, leise setzte er sich zu ihr an den Tisch, in der Hoffnung nun eine Erklärung für die Ereignisse des vergangenen Tages zu bekommen, welche ihn alles andere als glücklich gemacht hatten. Magane sah nichts, hörte nichts und fühlte nichts, wie eine Schnecke in ihrem Haus hatte sie sich vollständig von der Umwelt abgeschottet.
"Guten Morgen, Maggie."
Wie aus weiter Ferne bekam sie mit, dass man mit ihr sprach nur sehr langsam kehrte die Wächterin wieder ins hier und jetzt zurück und mit einer unglaublichen Langsamkeit schaffte sie es letztendlich aufzuschauen und zu registrieren, wer es war der dort mit ihr sprach. Als sie antwortete war von ihrer Stimme nur ein halbersticktes Flüstern geblieben, dass sich mehr erahnen als hören ließ.
"Oh nein...", das war keine Antwort... so begrüßte man niemanden, doch noch bevor sie etwas anderes sagen konnte hatte Ktrask auch schon reagiert.
"Geht es dir nicht gut? Soll ich mich woanders hinsetzen?"
"Nein..." , alles nur das nicht, lass mich jetzt nicht allein, "bleib, bitte..." Ihr Flüstern war noch immer kaum hörbar und deswegen musste der junge Mann näher zu seiner Geliebten beugen um sie überhaupt verstehen zu können. Dem Dämmerlicht war es wohl zu verdanken, dass er erst jetzt ihre geröteten Augen bemerkte, er wusste nicht was er sagen sollte, er war kein Mensch der großen Worte, aber irgendetwas sollte er sagen...
"Du siehst aus, als ginge es dir ziemlich schlecht...", eine gnadenlose Untertreibung, sie sah aus, als hätte ihre Seele in Koom Tal zwischen den Fronten gestanden und hätte nur noch mit einem sehr feinen Besen wieder zusammengekehrt werden können.
"Du warst dabei... du hast es gesehen..."
"Ja, ich habe es gesehen", Eine Feststellung? War das alles was er zusagen hatte? Oder war er nur nach außen hin so kühl und beherrscht?
"Es... es...", eine Träne kullerte über ihre Wange, Ktrask holte ein Taschentuch aus einer seiner Hosentaschen und reichte es ihr, "es tut mir Leid. Ich konnte es nicht verhindern."
"Du hast ihn nicht heiraten wollen?"
Wie kann er so ruhig bleiben? Magane schnaubte leise "Nicht wollen... deswegen bin ich hier in Ankh-Morpork, ich laufe seit Jahren davor weg..."
"Und jetzt hat dich die Vergangenheit eingeholt."
"Ja... aber... ich...", sie begann wieder zu weinen und er legte ihr den Arm um die Schulter, um sie zu beruhigen, doch es half nichts, sie weinte als hätten sich hinter ihren Augen die Schleusen des Himmels geöffnet.
"Ich bin für dich da... ich lass dich nicht allein", so hatte er sie bisher noch nicht kennen gelernt, Magane war sonst immer so stark, die Gewalttätige, die Aggressive... Sie war der Inbegriff des bösen Bullen. Kaum zu glauben, dass das die Gleiche war, die hier zusammengesunken in seinen Armen eine Sintflut heraufbeschwor. Es gab mehr zu bereden... aber in diesem Zustand war das zwecklos.
Erst eine Ewigkeit später hatte sie sich wieder einigermaßen unter Kontrolle und Ktrask, der die Zeit zum Nachdenken genutzt hatte, zog sie auf die Beine, um sie zur Abteilungsleitung zu dirigieren.
An Oberleutnant Knurblichs Bürotür fanden sie den freundlichen Hinweis, dass die Abteilungsleiterin unabkömmlich sei und man daher gefälligst ihren Stellvertreter beehren solle. Die Obergefreite stöhnte ein leises "Auch dass noch..." und ging wie automatisch zum Büro des Chief-Korporals, sie ahnte was Ktrask vorhatte, aber mit dem würde das nie gelingen.
"Du brauchst ein paar Tage Urlaub, du kannst so nicht arbeiten", flüsterte er ihr seinen Gedanken zu, als sie das Büro erreicht hatten. Sie antwortete nicht, klopfte nur fest an und hoffte, dass sie ihre Beherrschtheit bewahren konnte, sie wusste bereits, dass sie vom niemals Chief-Korporal Urlaub bekommen würde, er mochte sich nicht, dass war kein Geheimnis. Vielleicht hätte sie von Oberleutnant Knurblich ein paar Tage aus persönlichen Gründen frei bekommen, aber nicht von ihm. Sie wurde hereingebeten.
Innerlich stöhnte der stellvertretende Abteilungsleiter von FROG auf, dass er beim Lesen gestört wurde, konnte er noch grade verschmerzen aber musste es ausgerechnet durch sie sein? Innerhalb eines Augenblicks hatte er festgestellt, dass sie heute irgendwie mies aussah, irgendetwas war geschehen.
"Guten Morgen, Sör", die Obergefreite salutierte, aber es kostete sie viel Kraft sich genug zusammenzureißen, um nicht gleich wieder in Tränen auszubrechen, sie schwankte etwas. Durch die dünne Fassade der Beherrschung konnte man mit geschultem Auge deutlich sehen, dass sie die halbe Nacht geweint hatte, "hast du grade ein paar Minuten Zeit für mich?"
Araghast sah sie mit einem abschätzigen aber gelangweilten Blick an, gab aber dem Drang die Nervensäge aus seinem Büro zu werfen nicht nach und fragte stattdessen: "Hab ich eine andere Wahl?"
Magane überging die Frage, mit der Vermutung, dass der Halbvampir, der mit keinem Zucken auf ihr Auftreten reagiert hatte, darauf keine Antwort erwartete und fuhr sofort mit ihrem Anliegen fort: "Sör, ich möchte um ein paar Tage Urlaub bitten."
"Warum?"
"Wegen privaten Problemen", sie spürte wie ihr gleichzeitig das Blut in die Wangen und Tränen in die Augen schossen, wenn sie jetzt anfing zu heulen war es vorbei, dann konnte sie gleich gehen, die junge Frau schluckte und wischte sich mit der linken Hand über die Augen.
"Soso, private Probleme, geht’s etwas genauer?"
Schweigend schüttelte sie den Kopf, doch schütteln war die falsche Beschreibung für die minimale Bewegung, die mehr Kinn und Nase betraf, als den ganzen Kopf, eine solche Bewegung erwartete man nicht von einem Menschen der für gewöhnlich nicht nur mit der Tür ins Haus fiel, sondern gleich das Haus einriss. Eine andere Antwort würde er von ihr nicht bekommen, sie konnte das nicht konkretisieren, wenn sie das tat wäre die ganze Geheimhaltung umsonst gewesen. Der Chief-Korporal setzte ein unverbindliches Gesicht auf und dachte sich seinen Teil, ließ es sich aber trotzdem nicht nehmen weiter nachzubohren, wie durch einen Schleier nahm sie wahr, dass er fragte, ob jemand gestorben sei, doch da war es schon um ihre Fassung geschehen, sie weinte. Plötzlich war alles egal, sie stand auf, das war von vornherein keine gute Idee gewesen, entfernt hörte sie, während sie sich herumdrehte, noch, dass er etwas von triftigen Gründen sagte und dass sie gefälligst sagen solle was los sei.
Magane rannte die Treppe herunter und schloss sich in ihrem Büro ein, die Giftmischerin war ja doch nie da, da störte es sicherlich niemanden, wenn sie sich für ein paar Tage einfach verkroch.


[1] und die Zeit der Zwielichtigen, aber um die geht es hier nicht... auch dann nicht, wenn sie die weit größere Gruppe darstellen

[2] gläserne Schuhe drücken eh nur... und wenn man sie wirft zerbrechen sie - ungeeignet für jede denkende Frau

[3] dafür dass sie nie verloren hatte, sprach der eklatante Mangel an Bissspuren an ihrem Hals

[4] Ähnliche Theorien haben junge Alchemisten: Alles ist explosiv! Und wenn man eine rote Flüssigkeit mit einem grünen Feststoff mischt fliegt man besonders weit... in verschiedene Richtungen...

[5] man stelle sich den Geruch einer Kaffeemaschine vor, die auch ohne Pulver eine dunkelbraune Flüssigkeit produziert, wenn man sie mit Wasser befüllt und anstellt, etwa eine solche wie man sie in verwahrlosten Büros oder Studentenbuden findet - allerdings zeichnet sich dieser exquisite Geruch zusätzlich noch durch eine feine Ankhnote aus, wie sie keine rundweltliche Maschine haben kann




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Feedback:

Von Ophelia Ziegenberger

18.02.2005 19:47

Lob: Dass in dieser Geschichte kein Fall behandelt wurde war mir schnell gleichgültig. Die Hauptfigur ist lebendig und einfühlsam beschrieben in all ihren Widersprüchen, Ängsten und Überlegungen. Ich bin sehr auf die Fortsetzung gespannt.

Kritik: Die Zeit- und Gedankensprünge zwischen den Absätzen waren für mich nicht immer nachvollziehbar.

Ich empfinde diese beispielhafte Geschichte als sehr beruhigend, wenn ich mir überlege, selber auch eine solche zu schreiben, in der es lediglich um die Erlebnisse meines Charakters geht. Ich weiß spätestens jetzt, dass dies praktisch umsetzbar ist.

Von Araghast Breguyar

18.02.2005 20:00

Also am Stil gab es rein gar nichts zu meckern, der war sehr gut, wie immer.

Trotzdem habe ich mit zwei weniger bewertet weil mir einfach ganz subjektiv gesehen eine wirkliche spannende Handlung gefehlt hat. Das hier ist jetzt mein ganz persönlicher Geschmack und es sagt auch letztendlich nichts über die objektive Qualität der Geschichte aus. Reine Liebesgeschichten sind nun mal absolut nicht mein Ding, ich gehöre eher zu den Fall-Fetischisten. Nicht, daß eine Geschichte unbedingt nur aus Fall bestehen muß, aber eine Verknüpfung zwischen Fall und Privatleben, in der man quasi einen Charakter in all seinen Facetten erleben kann und die beim Leser auch Spannung erzeugt ist zumindest für mich immer noch das Idealbild einer wirklich gelungenen Wache-Mission.

Von Magane

18.02.2005 21:59

Bergs etwa das hab ich auch erwartet, es ist nicht so dass ich besonders stolz daruf bin dass ich 6 Monate brauch um etwas zu schreiben wass innerhalb von etwa zwei stunden erdacht und abgesprochen war, dieses Ding leidet halt unter der Tatsache, dass ichs kurz halten wollte... aber ich schreib auch wieder richtige Fälle *schwör*.

Was die Zeitsprünge angeht, hätt ich sicherlich einiges besser machen können, aber ganz ehrlich ich war die Geschichte inzwische so leid, ich hätte sie kein weiteres Mal lesen können. Das ist sicherlich mein größter Fehler, ich kann die Sachen irgendwann nicht mehr sehen und werde dann nachlässig.
Ein weiteres Problem dabei war dass die Benennung teilweise etwas unlogisch war, was daher kam dass ich sehr viel rausgeschnitten hab am Ende, die Rahmenhandlung kommt komplett in den zweiten Teil und ich wollte weitere Personen einführen, die aber nicht in diese 15 Tage passen... ähm naja...

Von Ophelia Ziegenberger

19.02.2005 09:59

:wink: Das erklärt es natürlich. Aber, wie gesagt... ich freu mich schon auf die Fortsetzung.

Von Magane

19.02.2005 12:00

jaaa... demnächst... vorher kommt aber noch ein Fall... ich hatte da so eine Idee... :evilgrin:

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