Die tödliche Bänefiz-Party

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von Gefreiter Steven Träumer (SEALS)
Online seit 01. 02. 2005
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Die SEALS sollen eine Party mit Anschlags-Gefahr sichern... doch das ist gar nicht so einfach.

Dafür vergebene Note: 11


Ding... Dong... Ding... Dong... Ding... Dong... Ding... Dong... die Turmuhr schlug acht Uhr.
"Ok, ich geb dir eine Stunde, verstanden? Wenn du bis dahin nicht zurück bist, komm ich da rein und mach kurzen Prozess mit allem, was da drin ist." Rib sah Steven durchdringend an. Es war offensichtlich, dass ihm nicht sehr wohl war. Ausgerechnet ihn hatten sie hergeschickt...
"Alles klar, eine Stunde. Auch wenn ich nicht glaube, dass das nötig sein sollte", erwiderte Steven, salutierte kurz und wandte sich dann der stabilen Holztür hinter sich zu.
Rib und er befanden sich außerhalb der Stadtmauern von Ankh-Morpork, aber eindeutig noch im Wirkungsbereich der Stadt. Auch hier 'draußen' standen die Häuser noch fast so dicht wie innerhalb der Mauern, nur dass gelegentlich auch etwas ungewöhnlichere Gebäude zwischen ihnen auftauchten – zu dieser Kategorie zählte auch das vor denen die beiden Wächter gerade standen.
Das ungewöhnliche an diesem Gebäude war, abgesehen von dem großem Blitzfänger, beispielsweise das riesige Teleskop, das aus einem Loch in der Decke ragte, ein Nebengebäude mit zahlreichen Schornsteinen aus denen verschiedenfarbiger Qualm austrat sowie seltsam geformte Türen und Fenster.
"Komisches Gebäude, was?", merkte Steven noch an bevor er anklopfte, musste allerdings feststellen, dass Rib sich bereits zu weit entfernt hatte, um ihn noch zu hören.
Wenige Augenblicke später bemerkte der Gefreite, dass sich Schritte der Tür näherten, der Türknauf nach unten gedrückt wurde und die Tür langsam nach innen geöffnet wurde. Neben der Tür stand ein kleiner, scheinbar recht gebildeter [1] und entsprechend alter Mann, der ihn fröhlich grinsend musterte.
"Guten Tag, Steven Träumer, Gefreiter und Rechtsexperte der Stadtwache von Ankh-Morpork", stellte Steven sich vor und reichte dem Mann eine Hand, der seine höflich schüttelte, wobei er eine Augenbraue erstaunt hochzog.
"Willhelm Funcke, meines Zeichens Astronom, Physiker und Mathematiker. Was verschafft mir die Ehre ihres Besuches, Herr Träumer?"
"Uns ist zu Ohren gekommen, Sie würden sich neuerdings mit den Quanten beschäftigen, Herr Funcke." ...und ich hab' die ehrenvolle Aufgabe bekommen, zu untersuchen, ob das nicht irgendwie gefährlich sein könnte...
"Ja, das ist korrekt. Aber treten Sie doch bitte ein." Der Mann machte eine einladende Geste und trat einen Schritt zur Seite. Steven nickte ihm zu und betrat das Gebäude. Er sah sich ehrfurchtsvoll um, denn was er zu sehen bekam, war wirklich beeindruckend:
Der Raum war voll gestopft mit hoch kompliziert aussehenden Gerätschaften, die mit verschiedensten Messgeräten verbunden waren. Durch den ganzen Raum verliefen kreuz und quer irgendwelche Kabel, die Wände bestanden aus großen Tafeln, die mit komplexen Rechnungen beschrieben waren. In einer Ecke des Raumes führte eine hölzerne Wendeltreppe auf ein kleines Podest, auf dem ein bequemer Ledersessel stand und das Guck-Loch für das Teleskop endete.
"Wow!", entfuhr es Steven, der so etwas noch nie gesehen hatte.
"Ja, mein kleines Heim der Wissenschaft...", meinte sein Gastgeber stolz, als er die Tür schloss und sich Steven zuwandte, der immer noch fasziniert von einem Gerät zum anderen starrte. Mit verschränkten Armen folgte er dem Blick des Gefreiten.
"Arbeiten Sie hier alleine?", fragte Steven nach einer kurzen Zeit des Schweigens.
"Nein, nein... nicht alleine... zu zweit. Meine Kollegin und Frau, Willhemine, sie ist gerade im Nebengebäude, und arbeitet an einer neuen Erfindung..."
"Soso... was ist das denn für eine Erfindung?"
"Oh, tut mir leid, streng geheim. Nur soviel: Es hat etwas mit den Quanten zu tun." Er zwinkerte Steven verschwörerisch zu.
"Aha. Es hat mit den Quanten zu tun...", wiederholte der Gefreite. "Ist es denn... gefährlich? Vielleicht eine neue Waffe?"
"GEFÄHRLICH?! EINE WAFFE?!" Willhelm schien nach Luft schnappen zu müssen. "Ich bitte Sie, wofür halten Sie mich? Womöglich für einen Kriminellen?! Ha! Haha! Nein, tut mir leid, da muss ich Sie leider enttäuschen: Das, woran meine Frau derzeit arbeitet, das ist weder eine Waffe, noch gefährlich...", er hielt einen Moment lang inne, und schien nachzudenken, "... wobei, was heißt gefährlich...? Ist ein Karren gefährlich, weil man damit andere umfahren kann? Ist eine Bratpfanne gefährlich, weil man damit andere schlagen kann? Verstehen Sie, was ich meine? Alles kann gefährlich sein, wenn es in die falschen Hände gerät, absichtlich oder unabsichtlich zweckentfremdet wird. Darum kann ich ihnen auch nur versichern, dass die Erfindung meiner Frau zumindest in der von ihr vorgesehenen Verwendung ungefährlich ist."
"Und was ist dann so geheim daran, dass Sie mir nicht sagen können, worum es geht?"
"Was meinen Sie denn, würde die Konkurrenz darum geben, darüber bescheid zu wissen? Mit dieser Erfindung wird uns der ganz große Durchbruch gelingen! Wir werden berühmt werden... verehrt... geliebt und gehasst...!" Während er dies sagte, hörte er auf, Steven anzusehen und betrachtete statt dessen einen Punkt irgendwo ganz, ganz weit weg.
"Ich bitte Sie," äffte Steven ihn nach, "wofür halten Sie mich? Ich bin von der Stadtwache. Welchen Grund sollte ich haben, ihren Konkurrenten, einmal ganz abgesehen davon, dass ich Sie nicht kenne, Informationen über ihre geheime Erfindung bzw. die geheime Erfindung ihrer Frau zukommen zu lassen?" Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah Willhelm jetzt durchdringend und ein wenig ärgerlich an.
Der sah einen Moment lang zurück, schien dann eine Entscheidung zu treffen.
"Das also ist der Dank? Der Dank dafür, dass ich Sie überhaupt hereingelassen habe und mich nett mit ihnen unterhalten habe, statt einfach die Tür zu zuschlagen? Hm?"
"Was hat das denn damit zu tun? Ich wüsste nicht, was Sie daran hindern sollte, mir zu verraten, worum es bei dieser Erfindung geht!"
"Wieso ist das denn so wichtig für Sie? Ich bezweifle ehrlich gesagt, dass Sie auch nur im Geringsten verstehen würden, worum es dabei geht!"
"Na, dann kann ich ja auch nichts verraten!"
Jetzt entstand eine kurze Pause in der Steven und Willhelm sich gegenseitig böse anfunkelten.
"Na gut! Wenn es denn sein muss, sollen Sie halt ihren Willen haben...", gab er nach. "Kommen Sie, setzen wir uns dafür doch erstmal besser." Er deutete auf zwei Holzhocker mitten in dem Chaos aus Gerätschaften und Kabeln, Berechnungen und, wie Steven erst jetzt feststellte, Abfällen.
Als beide es sich auf jeweils einem der Hocker einigermaßen bequem gemacht hatten, begann Willhelm.
"Also, womit fange ich am besten an...? Am besten, ich weiß erstmal, was Sie wissen... Was wissen Sie über die Quanten?"
"Dass alles irgendwas damit zu tun hat."
"Hm... dann zumindest höhere Mathematik?"
"Zählt das 'ein mal eins' dazu?"
"Physik?"
"Ich weiß, warum Äpfel vom Baum fallen."
"Aha?"
"Ist doch klar, Sie üben das Fliegen... das hab ich mal bei kleinen Vögeln gesehen, die fallen am Anfang auch immer auf den Boden." Er grinste zuversichtlich.
Willhelm hüstelte. "Nun ja... eigentlich gar keine so schlechte Idee, doch... wie soll ich sagen...? Nein, es hat einen anderen Grund. Wissen Sie, es gibt da eine Kraft, die dafür sorgt, dass Dinge sich gegenseitig anziehen, und... am besten erkundigen Sie sich dafür bei irgendwem anders."
"Ich verstehe, Sie wissen's selber nicht so wirklich, was?" Steven zwinkerte ihm vergnügt zu. "Aber keine Angst, auch das werde ich niemandem verraten."
Willhelm verdrehte die Augen. Er stand nun vor einem wirklichen Problem:
Sollte er versuchen diesem, einfach gesagt, Dummkopf, etwas über höhere Mathematik, Physik und Quanten erklären, was, wenn überhaupt, einige Jahre in Anspruch nehmen würde, oder ihn mit irgendetwas anderem abspeisen?
"Wissen Sie was, ich werd ihnen jetzt einfach einmal einen Crash-Kurs in Sachen Astronomie, Mathematik, Physik, sowie Quanten geben... dafür gehen wir am besten mal zu dem Teleskop da drüben."
Er deutete auf die Wendeltreppe, die zu dem Holzpodest führte, als beide aufstanden und sich in die entsprechende Richtung vorarbeiteten.
"Sagen Sie, haben Sie schon mal durch ein Teleskop geguckt?"
"Hm... um ehrlich zu sein, nein."
"Ausgezeichnet", entfuhr es Willhelm.
"Wie bitte?"
"Äh, ich meinte... dann wird das ja heute etwas ganz besonderes für Sie, was?"
"Ja, kann sein."
Auf dem Podest angekommen, forderte er Steven auf, sich auf den Ledersessel zu setzen und drehte das Teleskop in die entsprechende Richtung, und passte es an dessen Größe an.
"So, jetzt gucken Sie einfach mal durch das Loch hier, indem Sie ein Auge zukneifen."
Steven tat wie geheißen und auch Willhelm beugte sich nach vorn, um durch ein zweites Loch einen Blick in den Weltraum zu werfen.
"Faszinierend, nicht?"
Steven nickte. So etwas hatte er tatsächlich noch nie gesehen:
Die unzähligen weißen Flecken, von denen er immer angenommen hatte, sie würden an einer sehr hohen Decke über der Scheibenwelt angebracht, schienen unzählige Feuerbälle zu sein. Dann gab es da noch große, fliegende Felsbrocken mit Schweifen hinter sich, die bedrohlich nah zu sein schienen.
"Das große, weiße, da hinten rechts..."
"Ja, ich weiß was Sie meinen..."
"... das ist ein Spiralnebel! Ich habe ihn Nemesis getauft. Vor einigen Jahren waren wir ihm noch viel näher, doch mit der Zeit wird auch er zu weit weg sein, als dass ich ihn noch sehen könnte... zumindest mit diesen, herkömmlichem Teleskop!"
"Was soll denn das heißen?", wollte Steven wissen.
"Naja, sieh mal... alles, was du jetzt siehst, das ist die Astronomie. Auf unserer Welt eine schwierige Sache, da Groß A'Tuin sich ja ständig bewegt und die Sterne deshalb ständig ihre Position zu wechseln scheinen. Dann gibt es da ja noch die Kometen... und jeder dieser Kometen hat einen ganz bestimmten... na, sagen wir Kurs. Eine der Aufgaben der Astronomie besteht darin, herauszufinden, wie dieser Kurs aussieht. Das kann sie aber nur mit Hilfe der Physik, die wiederum versucht herauszufinden, warum zum Beispiel ein Apfel vom Baum fällt..."
"... was Sie als angeblicher Physiker aber gar nicht wissen..."
"... oder warum Kometen sich gerade so bewegen, wie sie sich bewegen und wovon das abhängt. Um das aber berechnen zu können, muss man sich teilweise aber auch mit höherer Mathematik auskennen."
"Und was hat das mit Quanten zu tun?"
"Nun... öhm... die Quanten sind so was wie... ein Hilfsmittel der Physik und Astronomie, genau! Mit ihrer Hilfe kann man bestimmte Zusammenhänge... herausfinden und erklären."
"Aha, ich verstehe. Und die Erfindung ihrer Frau?"
"Nun, da die Quanten nur sehr schwer zu verstehen sind und man sie sich noch viel schwieriger vorstellen kann... arbeitet meine Frau an einer Maschine, die diese Quanten... darstellen kann!"
"Oh! Das wäre aber eine sehr... praktische Erfindung."
"Genau das denken wir auch. Nur, dass es bisher immer noch gewisse Probleme gibt, die wir irgendwie nicht lösen können."
"Vielleicht kann ich ja helfen", bot Steven sich an.
"Ähm... vielen Dank für das Angebot, aber... da müssen wir schon selbst drauf kommen... sonst wär's ja nicht unsere Erfindung."
"Ich denke, es ist die Erfindung ihrer Frau?"
"Meine, ihre, unsere... spielt das eine Rolle?"
"Nein, nicht wirklich."
Erneut warf Steven einen faszinierten Blick durch das Teleskop.
Ding... Dong...
"Sagen Sie... haben Sie eigentlich schon andere... Welten entdeckt?"
Ding...
"Andere Welten..." Willhelm schmunzelte. "Nunja, wissen Sie, es gibt da schon einiges, was ich gesehen habe..."
Dong...
"... Dinge, die Welten gewesen sein könnten..."
Ding...
"... aber, so sehr ich das auch bedaure, keine weitere Schildkröte."
Dong...
Ganz plötzlich fuhr Steven hoch, rannte die Wendeltreppe herunter Ding... und achtete nicht auf den erstaunten Ausruf Willhelms, als er sich durch das Chaos kämpfe, zielstrebig zur Tür, Dong... um sie vor dem Fußtritt eines pünktlichen Kobolds zu bewahren, indem er sie schnell öffnete – das letzte, was er sah, war der besagte Fuß in Lendenhöhe...

"Oh, sieht ganz nach einer Punktlandung aus!", stellte Doktor Quacksalber nüchtern fest.
"Ausnahmsweise war's keine Absicht. Der Idiot hat die Tür aufgerissen, als ich sie gerade eintreten wollte...", erwiderte Rib.
"Schon klar, das sagen sie hinterher alle... aber keine Angst, er wird's überleben und abgesehen davon, dass er in den nächsten paar Tagen nur sehr ungern Wasser lassen wird, auch keine Folgeschäden erleiden."
"Tja, selbst schuld, kann ich da nur sagen... das nächste mal wird er schon besser aufpassen."

Als Steven wenige Stunden, auf einem, mit einem weißen Laken überzogenem, Holzbrett, aufwachte, wünschte er sich kaum mehr, als wieder schmerzlos zu schlafen. Doch statt zu schreien, biss er ausnahmsweise die Zähne zusammen, bis er sich soweit gefasst hatte, dass er den Doktor rufen konnte.
"Ein... Schmerzmittel... bitte...", presste er zwischen den Zähnen hindurch.
"Oh, es tut noch weh, was? Einen Moment bitte."
Doktor Quacksalber machte auf der Stelle kehrt und kam wenige Momente später mit einer Spritze zurück, die er rücksichtslos in Stevens Hüfte rammte.
"So, das wird ihnen helfen über die nächste Zeit zu kommen. Wenn es in 5 bis 10 Minuten anfängt zu wirken, werden Sie auch wieder aufstehen und das Bett für einen anderen Patienten räumen können."
Ohne eine Antwort abzuwarten machte er wieder kehrt und wandte sich anderen Dingen zu.
Wie versprochen ließen die Schmerzen nach wenigen Minuten nach und der Gefreite konnte aufstehen. Er stellte fest, dass er immer noch seine Uniform trug, sein schwarzer Mantel hing an einem Kleiderständer neben dem Bett. Schnell warf er sich diesen über und ging zur Rezeption, wo eine unfreundliche Dame mittleren Alters stand, die sich angeregt mit ihrer Kollegin unterhielt.
"Entschuldigen Sie bitte...", bettelte Steven um Aufmerksamkeit, "Entschuldigung..."
Keine Reaktion.
"Na dann geh ich halt ohne zu bezahlen..."
"Wie bitte?", fuhr in die Dame plötzlich wütend an. "Bezahlen?!"
"Ja, ich gehe doch mal davon aus, dass die Behandlung nicht gratis war."
"Nee, der Doktor untersucht vor dem Patienten eh seinen Geldbeutel und wägt dann ab, ob es sich lohnt eine Behandlung einzuleiten. Er bezahlt sich dann auch direkt selbst..."
"Ach so... na dann geh ich einfach mal..."

Der Weg zum Wachhaus war recht weit, schließlich lag die 'Praxis', ebenso wie das Gebäude, das Steven und Rib gemeinsam besucht hatten, außerhalb der Stadt. Letzterer schien sich nicht in der Nähe der Praxis aufgehalten zu haben, also beschloss (was auch immer es dabei noch zu entscheiden gab) Steven alleine zurückzukehren. Es war mittlerweile ziemlich dunkel, keiner, der an seinem Leben hing, mehr auf den Straßen. Er hätte nie gedacht, dass es hier draußen so gruselig sein könnte, Nachts... In Ankh-Morpork waren die Straßen zu dieser Zeit zumindest dürftig durch die Fackeln erhellt, die vor den Rund-Um-Die-Uhr-Offen-Läden hingen und anzeigen sollten, dass der Laden tatsächlich geöffnet hatte. Hier draußen hingegen schien es diese Läden nicht zu geben, so dass Steven die Hand vor Augen nicht sehen konnte. Er war schon einige Minuten orientierungslos in die Richtung gegangen, in der er Ankh-Morpork vermutete[2], als der unerklärliche Wunsch , zurückzukehren und bis zum Morgen in den halbwegs sicheren Wänden der Arzt-Praxis zu verbringen, Besitz von ihm ergriff.
Hoffnungsvoll drehte er sich um 180 Grad und marschierte zuversichtlich zurück, musste allerdings schon nach wenigen Metern feststellen, dass auf einmal alles ganz anders aussah, als er noch vor wenigen Momenten in die andere Richtung gegangen war – nichts hatte einen Wiedererkennungswert, nichts was auch nur den Hauch einer Orientierung ermöglichte.
"Na toll! Wirklich klasse hast du das wieder hinbekommen, Steven!", beschimpfte er sich selbst. "Und jetzt?"
Dabei breitete er die Arme aus und drehte sich auf der Stelle im Kreis bis ihm schwindelig wurde, er stolperte, hinfiel und sich den Kopf an einem ausgesprochen harten Stein stieß. Erleichtert fiel er erneut in eine leichte Ohnmacht.

Ein wenig später wurde er von einem leichten Schlag ins Gesicht geweckt. Das erste, was Steven zu sehen bekam, als er langsam die Augen öffnete, war Stahl in Form eines Dolches, der über seinem Gesicht zu schweben schien.
"Oh", entfuhr es ihm.
"Keinen Mucks, wenn du diese Nacht unbeschadet überstehen willst, Kumpel", wies ihn eine eiskalte Stimme an. Erst jetzt bemerkte er, dass eine dunkle Gestalt sich breitbeinig über ihn gebeugt hatte, sich dabei aber mit einer Hand abstützte – offensichtlich ein Anfänger.
Steven gab ihm durch ein Nicken unnötigerweise zu verstehen, dass er verstanden hatte und sich dran halten würde.
"Hast du Geld bei dir? Irgendwelche Wertgegenstände? Vielleicht Schmuck?!"
Kopfnicken – zwar hatte er nicht viel dabei, aber ganz ohne Geld war Steven praktisch nie unterwegs. Langsam tastete er mit seiner rechten Hand nach seinem Geldbeutel, löste ihn geschickt vom Gürtel und warf den Beutel einige Zentimeter entfernt auf den Boden.
Die Gestalt grummelte eine Beleidigung vor sich hin, die er nicht verstehen konnte, warf einen kurzen Blick zum Beutel, um ihn mit der Hand, die er derzeitig dazu nutzte, sich abzustützen, danach zu greifen. Dabei musste er seinen ganzen Oberkörper ein wenig nach rechts beugen und bemerkte nicht das breite Grinsen, dass Steven im Gesicht stand, kurz bevor er sein rechtes Bein angewinkelt mit voller Wucht nach oben schnellen ließ, so dass sein Knie die Weichteile des Anfängers erreichte. Während diesem schmerzvoll aufstöhnend der Dolch aus der Hand fiel, packte Steven ihn an den Armen und warf ihn seitwärts von sich, sprang so schnell wie möglich auf, um ihm einen weiteren Tritt zu verpassen.
Anschließend schnappte er sich sowohl Geldbeutel als auch Dolch und betrachtete die sich vor Schmerz windende Gestalt abwägend, die jetzt mit weit aufgerissenem Mund nach Luft schnappte, während sie sich mit beide Hände zwischen die Beine griff.
"Es wär irgendwie unfair, auf einen Gegner einzutreten, der hilflos auf dem Boden liegt...", dachte Steven laut. "Andererseits würde es sicher ungeheuren Spaß bereiten."
Der arme Mann schüttelte verzweifelt flehend den Kopf, unfähig ein Wort herauszubringen. Es folgten einige Sekunden des Schweigens, in denen Steven über sein weiteres Vorgehen nachdachte. Schließlich kam ihm eine Idee.
"Kennst du dich hier aus?", fragte er. "Ich meine, würdest du den Weg nach Ankh-Morpork finden?"
Heftiges Kopfnicken.
"Auch zum Wachhaus am Pseudopolisplatz? Du musst wissen, im Dunkeln komme ich nicht so gut zurecht..."
Wieder heftiges Kopfnicken.
"Ok, dann gebe ich dir jetzt ein, zwei Minuten, um auf die Beine zu kommen und dann spielst du den Führer für mich, während ich dir im Gegenzug verspreche, dir keine weiteren Schmerzen zuzufügen, einverstanden?"
Ein letztes Nicken.
"Ausgezeichnet", sagte Steven schließlich zufrieden, während er den Geldbeutel wieder am Gürtel befestigte.

Fünf Minuten später waren sie unterwegs, der Führer erwies sich als relativ zuverlässig[3] und sie kamen gut voran – zumindest sollte man das meinen bei dem Tempo dass vorgelegt wurde. Nachdem er allerdings erkennen musste, dass Stevens Ausdauer wesentlich größer war als die seine (was womöglich an den beiden Treffern an einer sehr konditionsraubenden Stelle lag), steuerte er schließlich tatsächlich Ankh-Morpork an – das sie dann auch wenige Minuten später erreichten.
Folgend gab Steven sich orientierungslos, achtete aber sorgsam darauf, dass er weder in die Schatten, noch in eine enge Gasse gelockt wurde, stellte aber verwundert fest, dass der Mann vor ihm nun keine Anstalten mehr machte, ihn irgendwie hereinzulegen. Er schlug, nach Stevens Einschätzung, gar den kürzest möglichen Weg zum Wachhaus ein, das sie so auch nach etwa einer halben Stunde erreichten.
"So, da sind wir", verkündete der Führer und deutete auf die wenige Meter entfernte Wache. "Ich hab dich hergebracht, wir sind jetzt quitt, oder?"
"Ich fürchte, du irrst", erwiderte Steven nach wenigen Sekunden.
Der Mann drehte sich erschrocken um. "Was? Wieso?", fragte er ungläubig.
"Ich habe dir versprochen, keine weitere Gewalt anzuwenden." Unbarmherzig packte er den Arm seines Führers und zerrte ihn zum Wachhaus. "Das hindert mich aber nicht daran, dich für deine Straftat festzunehmen, was du hiermit bist, einzusperren und anzuklagen... oder andersrum."

Kaum hatte er den Gefangenen eingebuchtet und sich wieder auf dem Weg zu seinem Büro befunden, um sich eine (seiner Meinung nach völlig gerechtfertigt- und verdiente) Verschnaufpause von einigen Stunden zu gönnen. Gewisse Schicksalsgötter sahen das anscheinend anders und so lief er Atera über den Weg.
"Hey, Steven... ein Glück, dass ich dich treffe", begrüßte sie ihn und das war eine Begrüßung die, soviel hatte Steven mittlerweile gelernt, immer Arbeit verhieß.
"Oh, hallo...", erwiderte er und versuchte dabei so überanstrengt und ausgelaugt wie möglich zu wirken.
"Ich bedaure, aber du hast heute noch nicht Feierabend – Weufolt ist plötzlich krank geworden, deshalb fehlt uns ein Mann für die... äh... Bänefiz-Veranstaltung, die in der Reich-Stein-Villa stattfindet. Vor ein paar Tagen wurde dort ein anonymes Schreiben abgegeben, in dem ein Anschlag auf eben diese Veranstaltung angedroht wurde, zahlen die Reich-Steins nicht eine ungeheure Summe. Da Reich-Steins haben natürlich abgelehnt, und die Wache darum gebeten, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Kommandeur Ohnedurst hat die Seals damit beauftragt, das zu tun. Wir sind derzeit schließlich gut besetzt... da ich zusätzlich noch um ein paar Rekruten für die wirklich dummen Aufgaben gebeten habe, konnte ich sogar eine ganze Menge Seals davon befreien, bzw. für andere Dinge einsetzen...", erklärte sie.
"Achso, ich verstehe... wo Weufolt jetzt ausgefallen ist, fehlt dir ein Wächter", folgerte Steven.
"Genau."
"Beibt mir denn etwas anderes übrig?", fragte er, obwohl er die Antwort natürlich schon kannte.

"So, da wären wir." Atera deutete auf die prächtige Villa, vor der sie nun standen. "Wie bereits erwähnt, haben wir die Villa abgeriegelt. Wächter am Haupt-Eingang, am Lieferanten-Eingang, auf dem Dach, selbst unter dem Abort haben wir zwei Rekruten postiert." Bei der Vorstellung konnte auch sie sich ein Grinsen nicht verkneifen.
"Und im Gebäude?", wollte er wissen.
"Im Gebäude haben wir drei zweier-Gruppen patrouillierender Wächter, zusätzlich hatte ich geplant ein paar zivile Wächter hinter den Punsch-Stand zu stellen, die das Geschehen ein bisschen überblicken und im Notfall einschreiten können."
"Und wo hätte Weufolt, beziehungsweise, wo soll ich eingesetzt werden?"
"Ich hatte an den eben erwähnten Punsch-Stand gedacht... du nimmst den Dienstboten-Eingang und lässt dir einen Anzug geben... die ersten Gäste sollten in etwa einer halben Stunde kommen, beeil dich also am besten."
"Mach ich, keine Angst..."

Mit schnellem Schritt (wie er ihn gewohnt war) ging Steven zum Hintereingang, an dem Silicic und Drogan Wache standen. Sie hatten zwar ihre 'gewöhnliche' Kleidung an, diese war aber außergewöhnlich gut gesäubert.
"Hallo ihr beiden", grüßte er sie.
"Hallo", grüßte Silicic zurück.
"Hallo Steven, was machst du denn hier...?", fragte Drogan.
"Weufolt ist ausgefallen, deshalb soll ich ihn vertreten", erklärte Steven.
"Achso, na dann geh nur rein... zweite Tür rechts... oder links..." Der Zwerg sah den Troll fragend an.
"Rechts", warf Silicic ein.
"... rechts ist der Umkleideraum", beendete Drogan.

Glücklicherweise hatten Steven und Weufolt etwa dieselbe Größe, daher passte ihm der für den ausgefallenen Wächter heraus gelegte Anzug auch halbwegs. Zwar stand er auf den Hosenbeinen, was nicht sehr ordentlich aussah, aber wenn er ruhig stand, würde das sicher niemand merken.
Etwas eigenwillig gestaltete sich auch nun seine Gangart, denn er versteifte die Beine aus unerfindlichen Gründen und stakste so durch die Räume, beachtete die verwirrten und belustigten Blicke der Angestellten aber einfach nicht. Jemand hatte kleine Pappschilder neben, über, oder an den Türen angebracht, die einen Hinweis darauf geben sollten, was sich jeweils hinter der Tür verbarg, doch Steven musste feststellen, dass diese Schilder keine große Hilfe waren. So erwartete ihn hinter einer Tür mit dem Hinweis 'Empfangshalle' doch das Damenbad, das er von zahlreichen Verwünschungen begleitet verließ[4].
Nachdem er also (abermals) festgestellt hatte, dass auf Schilder kein Verlass war, irrte er also auf gut Glück durchs Haus; schlimmes passieren konnte ihm ja nicht mehr, da er ja bereits ins Fettnäpfchen getreten war. So erreichte er als nächstes die Küche.
Dies war eine hochmoderne Küche, mit allem drum und dran... abgesehen von einem tausendteiligem Kochset, ein paar Dutzend Köchen mit lustigen weißen Mützen, unzähligen Kochgelegenheiten, wahlweise mit Kohle-, Holz-, oder Drachenwärme betrieben, gab es auch einen Raum zum kalt Halten von Speisen. Er hatte einmal gehört, es gäbe neuerdings auch eine speziell gezüchtete Art, die statt warmes, kaltes Feuer speien sollten...
"Entschuldigung...", wandte er sich an einen der Köche, "wie komm ich zur Festhalle?"
"Die Tür da hinten führt direkt hin." Er deutete auf eine Tür am anderen Ende der riesigen Küche, ein Schild verkündete "Damenbad".
"Ah, danke", erwiderte Steven und kämpfte sich langsam durch das Gewusel von hin- und hereilenden Köchen, meist mit spitzen, scharfen Messern in den Händen. Verwundert fragte er sich, wie sie es schafften, einen Abend lang so zu arbeiten ohne dass es schwerwiegende Verletzungen gab.
Zwei Schritte weiter traf er auf einen Koch mit nur noch einem Arm. Hatte er also doch recht...

Die Festhalle war gigantisch... es gab eine große Bühne auf der ein ganzes Orchester Platz gefunden hätte, Tische standen an der hinteren Wand, die meisten bereits mit Speisen bedeckt, rechts davon der Getränke-Stand, an dem bereits Will und Rib, der sich auf den entsprechenden Tisch gestellt hatte, Position bezogen hatten. Beleuchtet wurde das Parkett, dessen Fläche sich mit einem der mittleren Plätze der Stadt vergleichen ließ, von unzähligen Fenstern in der linken Wand, aus denen warmes Licht drang.
Steven stakste auf Rib, Will und den Getränke-Stand zu, was bei beiden zu unvermeidlichem Schmunzeln führte.
"Ist dir der Anzug zu groß?", fragte Will belustigt.
"Ja, scheint so... zumindest ein bisschen...", antwortete er griesgrämig.
"Es gibt schlimmeres...", grummelte Rib, den man wohl betäubt und ebenfalls in einen solchen Anzug gesteckt hatte, der zwar auch nicht perfekt saß, doch zumindest einen Großteil der Bandagen bedeckte, und deutete auf sich.
Steven nickte, es sah wirklich gewöhnungsbedürftig aus.
"Aber ich dachte, Weufolt würde uns helfen...?", fragte Will hoffnungsvoll.
"Scheint so, als hätte hier jeder was gegen mich... tut mir sehr leid, aber er ist ausgefallen und ich bin als Ersatz da."
"Achso... also, gleich wird der Punsch gebracht, den wir dann, sobald einer der Gäste das wünscht, in diese Gläser hier füllen. Dummerweise haben wir nur einen Schöpflöffel, deshalb werden wohl zwei von uns ziemlich unnütz dastehen."
"Was mir nur ganz recht ist...", bemerkte Rib dazu.
"Ich bin auch gerne bereit, dir bei der Arbeit zuzusehen, Will", stimmte Steven zu.
Sie nickte.
"Ach, das mit dem Tür öffnen ist übrigens... dumm gelaufen... ähm", meinte Rib.
"Oh... ist schon ok, nichts passiert. Ich hab mich nur bewusstlos gestellt um zu testen, wie du reagierst."
"Klar."
"Aber danke, dass du mich zu dem Arzt gebracht hast."
"Das hab ich nicht."
"Was?"
"Ich hab dich da liegen lassen und bin gegangen... schließlich hatte ich zu dem Zeitpunkt bereits frei."
"Oh... ok."

Wenige Minuten später betrat eine weitere, unerwartete Wächterin die Halle.
"Diese Schilder sind wirklich verwirrend...", bemerkte sie, "erst bin ich im Herrenbad und dann in der Küche gelandet."
"Ging mir nicht anders", erwiderten Rib, Steven und Will wie aus einem Mund.
"Aber was machst du denn hier? Ich dachte, das sollte eine Seals-Sache sein... von den Rekruten mal abgesehen...", wollte Will wissen.
"Atera fand, es wäre eine gute Idee, wenn ich einen kurzen Blick auf die Speisen und Getränke werfen würde... überprüfen, ob sie womöglich vergiftet sind...", antwortete Laiza.
"Na, dann mach dich schon mal an die Arbeit", meinte Rib und deutete auf die riesigen Essensmengen.

Die ersten Gäste kamen und sie hatte nicht einmal die Hälfte geschafft. Um das ganze möglichst schnell zu schaffen, hatte sie einfach ein paar Ratten, vielleicht auch Mäuse mitgebracht, denen sie ein paar Happen von allem zu probieren gab... sollte eines der Tiere tot umfallen, müssten die Gäste wohl hungern.
"Alles links von mir können sie schon essen... das rechts besser nicht", bemerkte Laiza.

Schon wenig später war die Halle gut gefüllt, das Essen war freigegeben, eine Band spielte Musik mit Steinen drin, die sich aber irgendwie von der sonstigen Musik mit Steinen drin unterschied... niemand konnte es erklären, aber irgendwie schien sie zu passen. Sie war laut, sie war steinig, sie war gut. Und passend.
Niemals hätte Steven erwartet, dass man diese Musik zu einem Ball hätte spielen können, doch er hatte sich besonders in diesem Fall gerne eines besseren belehren lassen.
Ein paar Köche traten mit einer riesigen Schüssel ein, gefüllt mit rosa-rotem Punsch, der gut gekühlt war, und damit sich das nicht so schnell ändern sollte, schwammen auch ein paar Eiswürfel darin.
Kaum hatten sie die Schüssel abgestellt, drängten die Gäste auch schon darauf zu, wurden aber von den Wächtern zurückgehalten.
"Haben Sie bitte noch einen Moment Geduld... es ist nur zu ihrer Sicherheit...", erklärte Steven geduldig, "... dauert's noch lange Laiza?"
"Manche Gifte wirken nicht so schnell... ich will nur auf Nummer sicher gehen."
"Gifte?!", fragte einer der Gäste erschrocken.
"Der Punsch ist vergiftet?!", fragte der nächste, der den ersten gehört hatte.
Wenige Sekunden später wichen alle von dem Punsch zurück, jeder hatte irgendwas von Gift gehört, die hinterste Reihe erfuhr sogar schon von einigen Todesfällen, die Geräuschkulisse wuchs, Panik drohte auszubrechen.
"Hey! Aufgepasst!", schrie Rib, "Alle wieder zurückgekommen! Hier gibt es KEIN Gift! Es gab nur ein kleines... äh... Missverständnis!"
"Der Punsch wird übrigens ab jetzt ausgegeben", fügte Will hinzu und die Gäste wechselten sofort die Richtung und drängten in Richtung des Standes.

Einige Stunden später. Die Schüssel hatte sich langsam, aber sicher geleert, den Mäusen oder Ratten ging es immer noch gut, die Stimmung der Gäste war aufgrund des Alkohols im Punsch beachtlich gestiegen. Bisher hatte sich kein Attentäter blicken lassen, es hatte keine Explosionen oder sonstige Unfälle gegeben.
Rib hatte Will mittlerweile abgelöst und füllte sich selbst ein Gläschen ein, an dem er prüfend schnüffelte.
"Viel ist da aber nicht drin...", bemerkte er, setzte das Glas aber dennoch an den Mund.
Augenblicklich reagierte Steven, schoss regelrecht zum Tisch auf dem Rib stand und schlug ihm das Glas aus der Hand, das daraufhin zu Boden fiel und in tausend Stücke zersprang.
"Alkohol bei der Arbeit – das ist ein Dienstvergehen, das solltest du doch eigentlich wissen, Rib!", fuhr er ihn wütend an. Niemand achtete auf das zerbrochene Glas, schließlich war der Alkoholgehalt im Punsch doch nicht zu unterschätzen... außerdem hatte jeder im Saal mindestens zwei, wenn nicht drei Gläser davon getrunken.
Überrascht und entsetzt starrte Rib kurz auf die Stelle an seiner Hand, wo eben noch ein Glas gewesen war, dann drehte er den Kopf langsam in Stevens Richtung.
Der bemerkte langsam, was er getan hatte. Einen Bruchteil von einer Sekunde später realisierte er dann, was das für Folgen haben würde. Einen weiteren Bruchteil später (und keinen Bruchteil zu früh) rauschte er, dicht gefolgt von einem wütendem Kobold, davon.
Kaum hatte er die Tür erreicht, aufgerissen und hinter sich zugeworfen, trat er auf eins seiner Hosenbeine, stolperte und legte sich der Länge nach hin. Während des Fallens bemerkte er noch, dass sich hier niemand außer ihm befand. Zwar würde sich das ziemlich schnell ändern, doch die Gesellschaft, die er bekommen sollte, gefiel ihm ganz und gar nicht. Plötzlich fühlte er sich ziemlich allein... mutterseelenallein, um genau zu sein.
"Gnaaaade!", wimmerte er und legte die Hände schützend über den Kopf.

Gerade war Rib damit fertig geworden, Stevens Rippen mit Knüffen und Puffen zu traktieren [5] und wollte sich nun dem Kopf zuwenden, da erklang ein schriller Schrei aus der Halle.
"Da hast du aber noch mal Glück gehabt", stellte Rib fest und bot Steven eine Hand an, die dieser dankend ergriff und sich hochwerfen ließ.
"Na, dann sehen wir doch mal nach..."

Nun herrschte wirkliches Chaos in der Halle. Alle liefen sie durcheinander, schrieen, kreischten und waren in heller Aufruhr. Will sah verzweifelt zu den beiden Wächtern herüber, die verwirrt an der Tür standen.
"Jemand ist umgekippt!", versuchte sie ihnen mitzuteilen, doch die Geräuschkulisse war viel zu stark, als dass sie dagegen hätte ankommen können.
Sekunden später brach erneut jemand vor ihren Augen zusammen, wieder Schreie, die ersten drängten nun zur Tür, wollten raus. Während Rib sich an die Wand drücken konnte, wurde Steven von den Massen zur Seite gestoßen, stolperte erneut, fiel auf den Rücken und musste noch ein paar weitere Tritte ertragen. Direkt neben ihm brach erneut jemand zusammen, niemand achtete darauf, sondern der Körper wurde auch einfach zur Seite getreten.
Etwa zwei Minuten später war für Steven zunächst alles ausgestanden, auch wenn es ihm wesentlich länger vorkam. Auf dem Gang lagen etliche regungslose Körper.
"Was war DAS?", fragte Steven, während er mühsam aufstand.
"Eine Menge aufgebrachter Bürger von Ankh-Morpork", antwortete Rib und betastete einen der Körper. "Tot", stellte er fest.
"Tot?", fragte Steven.
"Ja, tot. Er atmet nicht mehr...", erwiderte Rib.

Atera tobte nicht vor Wut, wie die meisten es erwartet hatten. Sie explodierte regelrecht.
"WIE KONNTE DAS PASSIEREN?!", brüllte sie und sah dabei niemanden bestimmtes, gleichzeitig aber alle an.
"Ähm...", wagte es einer der Rekruten sie zu unterbrechen.
"HAB ICH DICH GEFRAGT? ICH GLAUBE NICHT!", schrie sie ihn an, "ALLES WAS ICH HIER SEHE SIND 92 TOTE! 92! 92 TOTE, DIE BIS ZUR STRASSE HIN VERSTREUT LIEGEN! UND ICH WÜSSTE GANZ GERNE, WIE DAS PASSIEREN KONNTE! GEHEN WIR DOCH MAL GANZ SYSTHEMATISCH VOR..."
Eine kurze Pause entstand, in der ihre Wut ein wenig nachließ.
"Dennis, du hast den Haupteingang überwacht. Ist irgendwer kurz vor dem... Unglück hereingekommen?"
"Nein", antwortete der Lance-Korporal.
"Drogan, selbe Frage an dich, diesmal für den Hintereingang."
"Nein", antwortete dieser.
"Halbtag, du warst... unter dem Gebäude postiert?"
"Auch nichts", erwiderte der Rekrut.
"Ist einem der Trupps, die durch das Gebäude marschiert sind, etwas Ungewöhnliches aufgefallen?"
"Nein", antworteten Yogi, Johan und Michael. Die anderen nickten zustimmend.
"Kommen wir zu euch vieren...!", sagte sie und deutete auf Laiza, Rib, Steven und Will. "War bei euch was Ungewöhnliches?"
"Abgesehen davon, dass plötzlich einer nach dem anderen umgefallen ist, nein."
"Ich stelle also fest, dass bedauerlicherweise keiner der Gäste überlebt hat, dafür aber alle Wächter, Köche, sonstige Bediensteten und Tiere. Laiza, gibt es vielleicht ein Gift, das nur bei Gästen einer Party wirkt, bei dem Rest aber nicht?"
"Äh... nicht dass ich wüsste."
"Oder ein Gift, dass Menschen tötet, Tiere, insbesondere Ratten oder Mäuse aber nicht?"
"Auch nicht?"
"Tja, dann... Will, Damien und Drogan – ihr nehmt die Aussagen der Überlebenden auf... ich rede vom Personal, nicht von den Wächtern... das macht jeder für sich selbst. Wir sehen uns wieder, wenn die Ergebnisse der Untersuchungen vorliegen."

Mittlerweile waren auch einige Susi-Experten abgekommen, die einige der Leichnamen abtransportierten, um die Todesursache festzustellen. Des Weiteren wurde das ganze Gebäude abgesperrt, Proben aller Speisen und Getränke genommen, die zu finden waren. Es wurden Bilder gemacht, den Leichen wurden Blutproben entnommen.

Zwei Tage später war es dann soweit, alle Proben waren ausgewertet und Atera hatte alle beteiligen Wächter zu einer Versammlung am Wachtresen gebeten. Als endlich alle eingetroffen und einen Platz gefunden hatten, stand sie von ihrem Sitz am Tischende auf, nahm ein Blatt Papier, auf dem alle Ergebnisse zusammengefasst waren, zur Hand und ging damit um den Tisch herum.
"Zunächst einmal begrüße ich euch alle... danke, dass ihr alle so schnell Zeit gefunden habt. Ich werde euch allen nun sagen, was Sache ist. Hiernach sind alle Gäste an den Folgen eines Giftes gestorben, das auch in den Resten des Punsches gefunden wurde. Es handelt sich hierbei um ein geruch- und geschmackloses Gift, dass nach kurzer Zeit jedes Lebewesen relativ schmerzlos tötet..."
"Aber das kann doch nicht sein!", schrie Laiza auf. "Ich hab doch den Ratten davon zu trinken gegeben... sie leben doch immer noch!"
"Naja... mittlerweile sind sie leider doch tot... nachdem kein Gift in ihrem Körper gefunden werden konnte, wurden ihnen winzige Mengen des Giftes injiziert und sie starben binnen weniger Sekunden."
"Das ist aber seltsam...", bemerkte jemand, zustimmendes Gemurmel folgte.
"Ja, doch kommen wir nun zu den Verdächtigen. Das heißt, eigentlich gibt es nur eine Person mit einem Tatmotiv. Sein Name ist Albert Schuhflicker, er war Hilfskoch an dem Abend. Wie wir herausfinden konnten, lautet sein eigentlicher Name Albert Reich-Stein, er ist also eigentlich ein Sohn der toten Gastgeber. Doch seine Eltern erkannten schon recht früh, dass sie ihn nicht wollten, wandten sich an eine Agentur, einer Firma der Schnapper Gms(ehr)bH, die den Kontakt zwischen reichen Eltern mit dummen Kindern und armen Eltern mit schlauen Kindern vermittelt. Albert wurde also ausgetauscht, er ist ein so genanntes Austauschkind. Sein Stiefbruder hat sich offenbar schon vor Jahren mit dem Geld seiner Eltern abgesetzt, doch das tut nichts zur Sache. Albert wusste von dem Tausch, wusste von seiner wahren Abstammung, wurde aber von seinen Eltern und anderen Adeligen immer wie der Dreck behandelt, der er war. Soviel zum Motiv. Bei der Durchsuchung seiner wenigen Habseligkeiten wurde zusätzlich eine leere Phiole gefunden, in denen das Gift gewesen sein könnte."
"Aber wir können ihm doch gar nichts anhaben, wir haben keine Beweise!", mischte Steven sich ein, "Außerdem haben wir nicht mal den Hauch einer Idee, wie er das überhaupt hätte bewerkstelligen können!"
"Ist der Verdächtige denn während der Party in die Nähe des Punsches gekommen?", fragte Atera nach einer Weile.
"Nein, das hätte ich sicher bemerkt", antwortete Will.
"Auch sonst ist dir niemand aufgefallen, der vielleicht etwas in den Punsch getan hat... ein lebensmüder Komplize vielleicht?", wollte Atera nun wissen.
"Nein, das auch nicht."
"Dann denkt alle noch mal nach, ob euch irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen ist – an einem der Gäste, den Köchen, dem Punsch oder sonst was...", ordnete die Abteilungsleiterin der Seals an.
Es gab eine Pause, in der die Wächter schwiegen, und die meisten sich Gedanken zu den Morden machten.

"Sagt mal...", meinte Laiza plötzlich, "da waren doch so komische Dinge im Punsch, um ihn kalt zu halten..."
"Genau!", stimmte Steven zu. "So Dinger, die wohl im Kühlraum in der Küche hergestellt oder aufbewahrt wurden..."
"Also an einem Ort, an dem Albert hätte an sie rankommen können, ohne dass jemand Verdacht geschöpft hätte...", fügte Will hinzu.
"Und sie bestehen aus geruchlosen, geschmacklosen Flüssigkeiten, wie Wasser, oder...", mischte Atera sich wieder ein.
"Gift!", riefen alle Anwesenden zugleich.

Weitere drei Tage später wurde Albert der Prozess gemacht. Die Beweislast war erdrückend genug, ihm ein Geständnis zu entlocken, so dass seiner Verurteilung nichts mehr im Wege stand. Die Giftspritze erschien zunächst als geeignete Art der Hinrichtung, doch Lord Vetinari hatte offensichtlich einen guten Tag, da er beschloss, dass bereits genug durch dieses Gift gestorben waren – schließlich einigte man sich darauf, ihm den Kopf abzuschlagen.

Fast ganz Ankh-Morpork hatte sich zur Hinrichtung auf dem Hier-Gibt's-Alles-Platz eingefunden, umgeben von motivierten Verkäufern, deren Großteil schon jetzt behauptete, den ECHTEN abgeschlagenen Kopf zu besitzen, während Albert noch ziemlich lebendig auf der hastig zusammen geflickten Bühne stand und alle Adeligen der Scheibenwelt verfluchte.
Steven hatte kein Interesse dem Spektakel beizuwohnen, sondern spazierte gelangweilt durch die wie leer gefegten Straßen, in denen die Diebe selbst jetzt, bei strahlendem Sonnenschein, Türen knackten und Fenster einwarfen, um die Bewohner der jeweiligen Räume mit dem nicht-mehr-Vohandensein der meisten Einrichtungsgegenstände zu erfreuen. Da er weder Lust hatte sich um alle zu kümmern, noch des Lebens überdrüssig war, begnügte der Gefreite sich ausnahmsweise damit, ihnen bei der Arbeit zuzusehen und so neben den mehr oder weniger gewöhnlichen Dieben auch welche mit speziellen Taktiken zu beobachten.
Die bemerkenswertesten waren wohl eindeutig die Reinschmeisser. Das waren Trolle, die ihre meist deutlich kleineren Kollegen mit Hilfe eines kräftigen Wurfs durch die Fenster, bzw. Löcher in den Wänden, in die höheren Stockwerke beförderten und sich von ihnen dann die Tür gewaltlos öffnen zu lassen.
Natürlich konnte so etwas nicht immer gut gehen... daher dauerte es auch nicht lange bis sich eines der Geschosse eines solchen Reinschmeissers hoffnungslos verirrte und mit seinem Kopf gegen Stevens Schädel krachte.

Manchmal stehen auch Götter mit dem falschen Fuß auf... an solchen Tagen suchen sie sich meist ein geeignetes Opfer und machen ihm das Leben zur Hölle. Nie würde Steven verstehen, warum es ihn so oft zu treffen schien.

[1] Eine dicke Hornbrille, ein weißer Laborkittel und eine hohe, von tiefen Falten durchzogene Stirn wiesen ihn als solchen aus.

[2] Anders gesagt: Immer der Nase nach...

[3] Nur 3 Fluchtversuche innerhalb der ersten 53 Sekunden.

[4] Egal, wie viele weibliche Wesen sich in einem Gebäude aufhalten, zumindest eines von ihnen scheint immer das Bad zu besetzen

[5] Natürlich achtete er darauf, ihm keine schweren Verletzungen zuzufügen... so was gab immer Ärger




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Feedback:

Von Daemon Llanddcairfyn

28.02.2005 16:23

Hoioi.

Irghs, was sag ich da jetzt wie... deine Geschichte war reichlich zusammengewürfelt, ich glaube, es waren drei 'Fälle' drin. Und das fand ich eigentlich gar nicht so schlecht, es war so eine Art "Ein Tag im Leben eines Seals" und die Sache mit den Uhrschlägen am Anfang war nett, als ich dahinterstieg, was das soll, dachte ich: Uh, oh, Rib wird das Haus sprengen.

Allerdings bieten sich hier schon mehrere Einwände zur Möglichkeit: Es war halt eben nicht "Ein Tag im Leben eines Seals", sondern "Ein Tag im Leben der Frogs". Häuser werden gestürmt, Massenaufzüge veranstaltet, 92 Menschen sterben... So etwas würde ich vielleicht noch Dog abnehmen, wenn es in einer Gilde stattfindet, vielleicht auch Rum, kann ja mal vorkommen, für Seals ging es mir ein wenig zu sehr von der Substanz weg.

Aber auch das empfand ich noch gar nicht als Knackpunkt, wir wollen ja nicht wirklich anfangen, Abteilungszuständigkeitsfragen in die Bewertung einfließen zu lassen, alles würde zusammenbrechen ;o)

Ich habe deine Single zuerst gelesen: Als ASCII in Word kopier tund ausgedruckt, keine Pokalworte unterstrichen und so, einfach mal gelesen. Und DANN habe ich erfahren, welches die Pokalworte waren. ... ARGH! Besonders die Reinschmeißer waren ein Tiefschlag, noch schnell auf die letzten drei Sätze reingequetscht, sorry, aber mach doch nicht sowas, das war aua. *nickt*

So, jetzt den Beitrag zu einem ordentlichen Ende bringen... erm... Die kleinen Stücke, der Dialog mit dem Wissenschaftler, der Einsatz an sich, auch die erwähnten 'letzten Sätze' waren im Stil sehr ordentlich und - wie oft in Seals-Singles - von einer gewissen 'Wärme'... ihr werdet wissen, was ich meine. Alsoschreibe er eine Geschichte aus einem Guß, vielleicht mit einem Eselskarren darin, und ich werde äußerst gerne in den Ribbonbereich klicken :o)

- dae

Von Cim Bürstenkinn

28.02.2005 17:00

Ich muss mich ein wenig wundern. Der Moderator von "Lob, Anerkennung und Verbesserungen" ergiesst sich die Hälfte (wurde bereits von 3/4 gesenkt, aber weniger ist wirklich nicht mehr statthaft ;-) ) seines Beitrags über seine eigene bunte Vorstellung der Wache, und hätte beinahe vergessen, dass es um die erfreuliche Mission von Steven geht. Schön, dass er sich gegen Ende des Ergusses dann selber davon distanziert....

Ich komm dann später nochmal .....

Von Daemon Llanddcairfyn

28.02.2005 17:10

Wenn du es auf '1/4' änderst, nehme ich die Kritk an ;o)

Von Kanndra

28.02.2005 17:50

Ich fand die Sache mit dem Astronomen am Anfang irgendwie... überflüssig. Man merkte, dass du sie nur geschrieben hast, um "Spiralnebel" einzubauen. Zumindest war das mein Eindruck. Obwohl ich Ribs "Beinahe-Einsatz" an der Tür als Highlight der Single empfunden habe. Es hat gut zu seinem Char gepasst.
Das ist erstmal das, was mir aufgefallen ist.

Von Steven Träumer

28.02.2005 18:33

Ich glaube, ich sollte die Anleitung nochmal [b:22dc2403e1] sehr ordentlich [/b:22dc2403e1] durchlesen, denn irgendwie hatte ich mit dem Endergebnis erst morgen gerechnet :ugly: :scheinheilig:

Zunächst einmal muss ich wohl sagen, dass das Ende wirklich etwas... *räusper* dürftig war, selbst für mich :D
Was aber wohl daran lag (wie oft hab ich mir vorgenommen die Mission zumindest 2 Wochen vor Monatsende anzufangen...?), dass es an besagtem letztem Abend vor Abgabe war, ich ziemlich müde, erschöpft und unkreativ wurde :roll:
[i:22dc2403e1] Den entsprechenden Arschtritt dafür hab ich mir bei mehreren Gelegenheiten selbst verpasst *g* [/i:22dc2403e1]


Dann noch etwas zu dem Wissenschaftler:
EIGENTLICH sollte das auch nicht so 'leer' im Raume stehen, sondern der Auftakt zu einer weiteren 'Episode', einem weiterem Fall, wenn man es so nennen will, der aber bei einer ersten Erarbeitung etwas zu lang geworden wäre (Vielleicht hat es der ein- oder andere auch im Forum mitbekommen), es hätte sich um Scheibenwelt-Computer gehandelt.
Da ich aber schon allein zich Seiten allein mit der Funktionsweise dieser Dinger 'verbraucht' hab, hab ich´s dann doch lieber gelassen.

Von Ophelia Ziegenberger

02.03.2005 21:04

Lob: Du hast die einzelnen Absätze sehr schön gestaltet und formuliert. Es hat Freude gemacht, die Beschreibungen und Dialoge und die tollen Interaktionen zu verfolgen. Die Idee mit den Eiswürfeln war klasse eingebaut. Ich habe zwar schon einige Geschichten gelesen, in denen dieses flüchtige Gut ausschlaggebend war, bin aber trotzdem nicht darauf gekommen.

Kritik: Die unglaublich vielen Toten haben mir nicht zugesagt. Das fand ich übertrieben.

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