In einem Büro geht eine Bombe hoch. Es sterben drei Menschen. Wer ist der Attentäter? RUM ermittelt.
Dafür vergebene Note: 12
Früh morgens, AM, Diamantengässchen Es war früher Morgen. Diejenigen Gestalten Ankh-Morporks, die ihr Geld in der Nacht mehr oder weniger legal verdienten, verkrochen sich gerade in ihre Daunenbetten, sofern sie welche hatten, die anderen, die tagsüber arbeiteten, erhoben sich von ihren Schlafstätten und begannen sich für den neuen Tag zurecht zu machen. Das Licht des neuen Tages kroch langsam über die Stadt. Irgendwo in den Schatten hörte man einen Schrei. Auch gestorben wurde schon an diesem wunderschönen Herbsttag.
Das Licht gab sich mittlerweile alle Mühe den
Spiralnebel [1], der vom Ankh aufgestiegen war, aus dem Diamantengässchen zu vertreiben. Die Straße glitzerte feucht, dort wo das Licht den Nebel gerade entwirrt und vertrieben hatte. Drei Gestalten gingen durch diese morgendliche Friedlichkeit auf ein Haus zu, öffneten die Tür und betraten wenige Minuten später ein Büro.
"Also, im Testament stand wir sollen diesen Tresor öffnen. Ich bin schon gespannt wie viele Diamanten da drin sind", sagte Bernato Scorbic zu seinem älteren Bruder Alberto.
Dieser nickte und flüsterte dann so, dass Nikolas Käfig, seines Zeichens Anwalt und Bekannter der Familie Scorbic, es nicht hören konnte:
"Wenigstens dafür war der Kleine gut, wurde ja auch Zeit, dass wir das Geld auch noch bekommen."
Käfig zog einen Umschlag hervor.
"So hier ist der Schlüssel für den Tresor, Herr Scorbic. Wenn Sie ihn dann also öffnen wollen."
Bernato nahm Käfig den Schlüssel aus der Hand und wendete sich zu dem großen Metallschrank, der vermuten ließ, dass er nicht nur unwichtiges Papier oder wertlosen Kram enthielt. Das Schloss schien sehr massiv und es hatte den Anschein, dass der Schrank ohne den passenden Schlüssel nicht zu öffnen wäre. Bernato wog den Schlüssel in der Hand.
"Wollen wir das nicht zusammen machen, liebster Bruder", wand Alberto ein.
Gemeinsam steckten sie den Schlüssel ins Schlüsselloch und drehten ihn. Das Schloss klickte. Die beiden Männer sahen sich an und grinsten. Sie öffneten die Tür.
Der Rauch verzog sich langsam.
"Verdammt, da war gar nichts drin, nur Rauch, der hat uns um unser Erbe geprellt", ließ sich Alberto vernehmen.
"Mistkerl, ich mochte ihn nie", meinte Bernato.
Nikolas Käfig sah sich um, er fand es seltsam, dass er sich selbst auf dem Boden liegen sehen konnte, noch dazu so zugerichtet. Langsam dämmerte es ihm.
"MEINE HERREN, KÖNNTEN WIR DANN GEHEN?"
Tod stand hinter Alberto und Bernato.
Bernato drehte sich um, setzte zu einer herrischen Antwort an, erst dann bestätigten ihm seine toten Augen, dass er den wahrhaftigen Tod vor sich hatte. Er senkte die Augen und sah nun auch sich selbst auf dem Boden verteilt liegen.
"Wi...wie...wir sind tot?" fragte Alberto, dem jetzt so einiges aufging.
"SO SIEHT ES AUS, WENN SIE DANN KOMMEN WÜRDEN. JE NACH GLAUBEN, KÖNNEN SIE JA DANN DIREKT MIT IHREM HERRN BRUDER SPRECHEN", Tod durchtrennte die Lebensfäden.
"Der Mistkerl hat uns nicht nur betrogen, sondern auch umgebracht", sagte der verschwindende Geist Albertos. Doch dies interessierte hier niemanden.
In einer Ecke hauchte eine weiße Ratte, die zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen war, ihr Leben aus.
"Quiek", sagte ein kleines, weißes Skelett in Form einer Ratte und schaute Tod und den Geistern der Männer nach.
"Was für eine Sauerei", beschrieb Lupos die Szene, die sich ihnen darbot. Kathiopeja würgte und rannte nach draußen, sie war noch nicht lange bei RUM und solche Anblicke wirklich noch nicht gewöhnt, aber auch den anderen Anwesenden rebellierte der Magen. Den Ermittlern und Spurensichern bot sich ein Bild des absoluten Chaos, überall lagen Papiere verstreut, immerhin hatte sich der Tresor mit den Diamanten in einem Büro befunden. Ein Stuhl lag zerbrochen an der Wand, der Schreibtisch war umgeworfen worden. Von dem Tresor waren nicht mehr als Metallspäne übrig. Auch von den drei Männern, die sich im Büro befunden hatten, war nicht mehr viel zu erkennen. Einzig Nikolas Käfig war noch zu identifizieren da er nicht so nah am Tresor gestanden hatte, die Brüder Scorbic waren bis zur Unkenntlichkeit zerfetzt worden. Die Wucht der Explosion war gewaltig gewesen, selbst im gegenüberliegenden Haus waren die Fenster zu Bruch gegangen.
"Wer sind die Toten? Hat da jemand schon eine Ahnung?" fragte Rina, Abteilungsleiterin von RUM und auch etwas blass um den Mund, selbst ihr war so etwas noch nicht oft untergekommen.
Gnomen est Nomen nickte. "Wir wissen dass dies das Büro von Eric Scorbic ist. Allerdings ist er schon vor einigen Wochen gestorben, wie eine Dame aus dem Haus gesagt hat. Sie meinte auch, dass sie vor einiger Zeit, also noch vor der Explosion, seine Brüder Alberto und Bernato ins Haus hat kommen sehen. Dabei war noch ein anderer Mann, den kannte sie aber nicht." Gnomen zeigte auf Nikolas Käfig.
Rina nickte und drehte sich um. "Stump, du und Agnetha findet bitte heraus, wo die beiden Brüder gewohnt haben, was sie gemacht haben und so weiter. Vor allem wäre es gut, wenn ihr die Familien, sofern sie welche hatten, über das hier Vorgefallene informiert und euch schlau macht, was die zwei bzw. drei Männer hier wollten. Vielleicht kriegt ihr ja auch raus, wer dieser", auch sie zeigte auf Käfig, "ist."
"Ay Mä'am", sagten Stump und Agnetha, wenn auch nicht begeistert. Ihnen schien es, als hätten sie die unangenehmste Aufgabe an diesem Vormittag bekommen. Angehörige über das Ableben von Verwandten zu informieren war nun wirklich nicht der angenehmste Schob.
Mittags in Rinas BüroDie Abteilungsleiterin von RUM saß an ihrem Schreibtisch und versuchte sich einen Reim auf diese seltsame Sache im Büro Eric Scorbics zu machen. Die Spurensicherer hatten eindeutig Spuren von Pulver Nr. 1 gefunden. Eine Verkettung unglücklicher Umstände? Oder ein Mord, ein Anschlag? Den Assassinen sah so etwas nun gar nicht ähnlich, außerdem war nirgends eine Quittung gefunden worden. Rina seufzte. Es hätte ein so schöner, langweiliger Tag werden können. Sie hatte sich vorgenommen, als sie zur Arbeit ging, einfach an ihrem Schreibtisch zu sitzen und nichts zu tun.
Es klopfte.
"Herein", rief die Scheffin von RUM.
Die Tür öffnete sich und herein traten Stump, Agnetha und Carisa.
"Ah, habt ihr was herausfinden können?" fragte Rina ungeduldig.
"Em, nun ja, also, wir waren bei der Familie von Bernato, das war der mittlere der drei Brüder, soweit wir wissen. Naja, Familie kann man es auch nicht nennen, er hatte nur eine Frau, eine gewisse Lucina, mit ihr haben wir gesprochen", begann Stump.
"Soso, und wie hat sie die Nachricht aufgefasst, ich hoffe doch, ihr ward einfühlsam", sagte Rina.
"Ja, also, Agnetha hat sie im Arm gehalten, so um Trost zu Spenden und so..."
"Das ist jetzt nicht dein Ernst", Rina sah entsetzt zu den beiden Wächtern.
"Doch, komischerweise schien das diese Lucina auch gar nicht zu stören", fuhr Stump fort, während Agnetha nur auf den Fußboden blickte. Mittlerweile wusste sie von ihrer durchschlagenden Wirkung gegen verstopfte Nasen. Als sie hereingekommen waren, hatte die Gefreite sofort die Fenster in Rinas Büro geöffnet, damit diejenigen unter ihnen, die einen Geruchssinn hatten, nicht zu sehr leiden mussten.
"Wahrscheinlich hat sie keinen Geruchssinn, so wie damals der eine Rekrut, vermute ich", stellte Stump weiter dar, "na ja, wie auch immer. Frau Scorbic schien nicht weiter erschüttert zu sein, schien fast froh über das Ableben ihres Mannes. Sehr verdächtig. Sie hat uns jedenfalls erzählt, was die beiden Männer und der dritte- er heißt übrigens Nikolas Käfig, ist, nein, war Anwalt", hier rümpfte der Gefreite ein wenig die Nase. Wie nahezu jedes vernünftige Lebewesen mochte auch er Anwälte nicht sonderlich, "und außerdem ein Freund der beiden Brüder Bernato und Alberto – also, was die eigentlich in Eric Scorbics Büro, das ist der jüngste Bruder gewesen, wollten. Es ist nämlich so, dass in Erics Testament den beiden Brüdern einen Teil seines Vermögens vermacht wurde, weil sie die einzigen Angehörigen von Eric waren. Frau Scorbic meinte, dass vermutet wurde, dass dieser Teil wohl rein aus Diamanten bestand, Diamanten im Wert von mehreren Millionen Dollar, die in diesem Metallschrank aufbewahrt wurden."
"Gut, also, die beiden glaubten, jede Menge Diamanten zu finden, der Anwalt war wohl da, um die ganze Sache rechtlich abzusichern, nur die Spurensicherung hat keinen einzigen Diamanten gefunden, soweit ich weiß", resümierte Rina, als Stump mit seinem Bericht geendet hatte. "Wir sollten vielleicht mal prüfen lassen, ob da jemand eingebrochen ist vorher und da die Diamanten aus dem Schrank genommen und eine Bombe da gelassen hat."
"Ist schon geschehen", schaltete sich Carisa ein, "an der Eingangstür zum Büro waren keine Spuren und auch sonst sieht gar nichts nach einem Einbruch aus, das haben die Spurensicherer mir eben gesagt."
Rina nickte.
"Aber Mä'am, warum ich eigentlich da bin, ich sollte mich ja mal ein wenig im Umfeld dieser Brüder umgehört, also über Kontaktleute und so. Da die beiden Brüder ja in einem recht alten Haus wohnen und darauf wiederum ein paar mir bekannter Wasserspeier leben und die ja so manches hören, weil sie da halt schon lange sitzen, habe ich die mal gefragt, ob sie was wissen und außerdem hab ich noch mit dem alten Butler der Familie geredet."
Na, das klappt ja wie am Schnürchen, dachte Rina,
so sollten alle Fälle laufen, heute Abend haben wir den Fall gelöst.
Laut sagte sie: "Na dann schieß mal los, was du herausgefunden hast. Achja, Stump und Agnetha, ihr geht mal zu Pyronekdan und bittet ihn, sich mal umzuhören, ob einer seiner Kontakte etwas über einen größeren Diamantenverkauf gehört hat, wir müssen herausfinden, ob sich nicht doch jemand an dem Schrank zu schaffen gemacht hat und dabei Diamanten gestohlen hat. Anders kann ich mir diese Sache nämlich nicht erklären."
Die beiden Gefreiten nickten, salutierten und verschwanden aus Rinas Büro.
Carisa holte Luft. "Ja also, mir ist als erstes Mal gesagt worden, dass die Brüder sich wohl nicht so wirklich mochten, besser gesagt, Bernato und Alberto mochten ihren jüngeren Bruder absolut gar nicht." Die Wasserspeierin pausierte kurz, es war recht warm im Raum und sie musste überlegen, was sie Rina noch alles berichten musste. Carisa kramte ihren Notizblock hervor und las darin. Ihre Scheffin wartete geduldig.
"Mmm, ja genau, da war also Eric, der ist von seinen Brüdern wohl ziemlich fies übers Ohr gehauen worden, sagt der Butler. Die beiden haben es geschafft, das Testament ihrer Eltern so aufzusetzen, dass sie alles erben und Eric gar nichts. Er hat aber trotzdem gut leben können, weil er ein geschickter Diamantschleifer war, angeblich der Beste der ganzen Stadt. Die Wasserspeier meinten," Carisa versuchte ihre eigene Schrift zu entziffern, was dadurch erschwert wurde, dass sie die Aussagen der anderen Wasserspeier wortwörtlich übernommen hatte, "äh, ja, sie meinten, dass es oft zu hören war, wie die beiden Brüder vor dem Tod ihres Bruders davon sprachen, wie absolut toll es wäre, wenn sie bald auch das Vermögen von Eric besitzen würden."
"Sie haben ihn aber doch nicht umgebracht oder gab es da einen Mordfall?" fragte Rina etwas verwirrt.
"Nein, nein, der Butler sagte...Moment wo steht's denn, ah da...also er sagte, dass Eric eines natürlichen Todes gestorben ist. Er war schon lange krank, hatte irgendetwas Unheilbares. Tut mir leid, den Namen der Krankheit konnte ich echt nicht verstehen. Irgendwas in der alten Sprache."
Rina nickte.
"Sonst irgendetwas was uns weiterbringt?"
Die Gargoyle schüttelte den Kopf.
"Dann werden wir wohl abwarten, ob die Spurensicherer noch etwas entdecken oder ob die anderen beiden was rausfinden, was auf einen Diebstahl mit Mord hinweist."
"Achso, etwas noch, die Wasserspeier meinten, dass die Ehefrau von Bernato, diese Lucina, und er in letzter Zeit wohl Probleme hatten, haben häufig gestritten. Und Alberto Scorbic hatte keine Frau oder Familie, das hat der Butler gesagt."
Carisa schaute Rina an, diese schien über etwas nachzudenken.
"Mä'am, was soll ich jetzt machen?"
Rina schaute auf und sagte: "Vorerst wohl nichts. Abwarten, ob noch irgendwelche Ermittlungen Klarheit in die Sache bringen, mir kommt das so komisch vor. Vielleicht war es ja wirklich ein Unfall."
"Aber", wand Carisa ein, "warum hat ein Diamantenschleifer Pulver Nr.1? Diamant sprengt man doch nicht, die sind doch viel zu klein. Soweit ich weiß, das ist mir mal erzählt worden, werden von Diamantenschleifern nur Zähne von Trollen verwendet. Die sind nicht so groß, dass man sie mit großer Wucht sprengen müsste, oder?"
Rina nickte, sie wurde einfach nicht schlau aus dieser Sache.
"Wir treffen uns heute Nachmittag um fünf Uhr wieder hier. Sag das bitte den anderen, Lance-Korporal."
Carisa salutierte und verließ den Raum.
"Mmm, aus diesem Blickwinkel habe ich das noch gar nicht gesehen", murmelte Rina, nachdem sie den Artikel zum Fall in der Mittagsausgabe der
Times gelesen hatte. "Ein Toter als Mörder, wie das wohl zu behandeln wäre? So was hatten wir noch nie." Sie legte den Artikel zur Seite. Neben einem Bild der Ermittlungstruppe bei der Arbeit stand folgendes:
Am heutigen Morgen starben bei einer gewaltigen Explosion im Diamantengässchen drei stadtbekannte Personen. Die Toten sind die Brüder Scorbic und Nicolas Käfig, Anwalt der Familie. Bernato Scorbic, der jüngere der beiden Brüdern, hinterlässt eine Ehefrau, die nun sein gewaltiges Vermögen erbt. Ebenso erbt sie vermutlich das Vermögen ihres Schwagers, der keine Nachkommen hinterlässt.
Die Wache versucht derzeit einen Täter zu finden, kommt aber wie so oft nicht weiter. Es scheint als hätte Eric Scorbic, der vor kurzem verstorbene jüngste Bruder der Scorbics, seinen beiden Brüdern nur einen Schrank voll Pulver Nr. 1 hinterlassen, anstatt seinen gewaltigen Schatz an Diamanten. Das wäre dann quasi ein "Dreifachmord Post Mortem".
Von unserem Redakteur: Fritz SchreiberEs war später Nachmittag und die an dem Fall beteiligten Wächter hatten sich bei Rina zu einer Tiemsitzung zusammengefunden.
"Das klingt doch verrückt", meldete sich Stump zu Wort. "Ein Toter als Mörder, daran glaube ich nicht. Wenn jemand tot krank ist und weiß, er muss bald sterben, hat er doch wohl besseres zu tun, als einen Schrank mit Pulver Nr. 1 zu füllen und zu hoffen, dass die Brüder nach seinem Tod diesen aufmachen. Also ich glaube eher, dass da eine ganz und gar lebendige Person hinter steckt."
"Aber ist es nicht komisch, dass nirgends Diamanten aufgetaucht sind? Ich habe mich umgehört und es weiß wirklich niemand was von Diamanten", sagte Pyronekdan.
"Was denkt ihr? Wer hätte einen Vorteil davon, dass die beiden Brüder sterben? Irgendwelche Geschäftspartner, die noch dazu die Diamanten gut gebrauchen könnten?" warf Rina in die Runde.
Die Anwesenden grübelten.
"Also ich finde schon sehr komisch, dass Lucina Scorbic so ruhig war, wie ihr erzählt habt", wand sich Carisa zu Stump und Agnes. "Vielleicht kam es ihr ja nur gelegen, dass ihr Mann nicht mehr ist, vielleicht hat sie einen Geliebten? Noch dazu könnte sie mit den Diamanten sicher einiges anstellen, oder wie seht ihr das?"
"Ich schlage vor, dass irgendwer diese Lucina mal ordentlich in die Mangel nimmt. Ich find das schon sehr komisch. Da sterben ihre nächsten Verwandten und sie kümmert sich nicht mal weiter drum", sagte Romulus.
"Das ist ein guter Vorschlag, denke ich. Die Spurensicherung hat übrigens keine weiteren Erkenntnisse über den Fall gebracht", sagte Rina. "Es sind jetzt fünf von unserer Abteilung an diesem Fall. Ich würde sagen, zwei von euch verhören Frau Scorbic, Stump und Agnetha sind da wohl geeignet, euch kennt sie schon, Carisa, du befragst den Butler mal noch genauer und schaust dich im und am Haus etwas um, ohne das jemand das mitbekommt, vielleicht bringt das ja noch was. Noch irgendwelche Ideen oder Einwände?"
"Mmh, Romulus und ich könnten uns ja mal schlau machen, wie das mit dem Testament von Eric genau war", schlug Pyronekdan vor.
"Gute Idee, dann mal los. Wir treffen uns dann erst morgen früh wieder, hoffentlich mit Ergebnissen."
Die Wächter verschwanden. Zurück blieb Rina, die noch immer nicht schlau aus dieser Sache wurde.
Pyronekdan und Romulus liefen in Richtung Hiergibt's-alles-Platz.
"Meiner Information nach, war Herr Seitwärts, ein alter Freund der Eltern von Eric Scorbic, damit beauftragt, das Testament zu eröffnen und auch zu vollstrecken. Das stand in der
Times als Eric gestorben war", sagte Pyronekdan.
Ihr Weg führte die beiden Wächter über den Hiergibt's-alles-Platz zum Platz der Gebrochenen Monde und von dort in die Hüpfergasse. Vor einem Haus blieb Pyronekdan stehen.
"Hier ist es", sagte er.
Der Werwolf schaute nun seinerseits auf die Klingelschilder und zog schließlich an dem Seil neben dem obersten Schild. Es bimmelte.
Nach einer Weile, zog er ein zweites Mal am Klingelzug. Wieder ein nicht zu überhörendes Bimmeln.
"Ja, ja, ich komm ja schon, ein alter Mann kann nicht so schnell", hörten die beiden Wächter im gleichen Moment eine gebrechlich klingende Stimme. Die Tür wurde geöffnet.
"Ja bitte, sie wünschen?" fragte ein kleines Männchen, das schon einige Lenze auf dem Buckel hatte.
"Stadtwache Ankh-Morpork, Romulus von Grauhaar mein Name und dies ist mein Kollege Pyronekdan", er deutete auf Pyro, "wir kommen wegen dem Testament von Eric Scorbic, dass sie vor einigen Wochen eröffnet haben."
Heribert Seitwärts schaute die beiden Wächter erstaunt an.
"Was hat denn die Wache damit zu schaffen?" fragte er.
"Das erklären wir ihnen gern", antwortete Romulus, "dürfen wir eintreten?"
"Aber natürlich, entschuldigen sie, auf meine alten Tage, bin ich nicht mehr so schnell, bitte treten sie ein", Seitwärts trat zur Seite und machte eine einladende Bewegung.
Carisa befand sich wieder beim Hause Scorbic, mittlerweile war es dämmrig geworden. Dieses Mal war sie ohne Stump und Agnetha gegangen. So konnte sie besser ins Haus gelangen und sich umschauen. Aufgrund ihrer Spezies hatte die Wasserspeierin kaum eine Chance irgendwo verdeckt eingeschleust werden zu können, was für sie ein Grund war, sich darauf zu spezialisieren, möglichst unauffällig zu sein und mit ihrer Umgebung verschwimmen zu können. Dies bedurft zwar hin und wieder etwas Farbe und Verkleidung, aber in Schatten und vor Mauern und Steinen schien Carisa tatsächlich zu verschwinden. Man sah selten, dass die Gargoyle die Farbe ihrer "Haut" wechselte, aber auch ihr war es möglich rot oder blass in diversen Nuancen zu werden. Gerade hatte ihre Haut eine rötliche Tönung, da die Wand hinter ihr aus rotem Backstein gemauert war.
Bevor sie den Butler befragte, wollte sie sich noch ein klein wenig umschauen. Vorsichtig stieg sie aufs Dach des Hauses, nickte den anderen Wasserspeiern zu und öffnete ein Dachfenster. Trotz ihrer Größe und ihres Gewichts lies Carisa sich sehr leise auf den Dachboden gleiten. Innerlich stöhnte sie. Dieses leise Auftreten war eine Tortur, sie musste alle Muskeln im Körper kontrollieren und man kann sich ja vorstellen, was das bedeutet, wenn diese Muskeln aus Stein sind.
Die Wächterin schaute sich um. Sie stand in einem großen Raum, der sich über die ganze Fläche des Hauses erstreckte. Es gab keine Wände im Raum außer an einer Tür, hinter der sich die Treppe befinden musste, da sonst nichts auf einen anderen Zugang zum Dachboden schließen ließ.
Überall standen Kisten und Schränke, Carisa stöhnte, das alles musste sie jetzt durchschauen. Sie hasste es in den
Habseligkeiten anderer Leute herumzustöbern, was man da so fand, waren meistens Liebesbriefe aus jungen Jahren und peinliche Fotos. Auf so was konnte Carisa verzichten. Aber vielleicht würde es heute ja zu einem Erfolg führen. Vielleicht fand sich etwas, was auf den Mord schließen lassen konnte. Die Wasserspeierin machte sich daran die Kisten durchzusehen. Nach einigen Minuten hörte sie unten im Haus die Klingel schellen. Stump und Agnetha waren also zum Verhör angekommen. Carisa hatte die beiden auf dem Weg vom Wachhaus begleitet und sich erst kurz vorm Anwesen Scorbic von ihnen getrennt.
"Guten Abend, Frau Scorbic, wir hätten da noch ein paar Fragen an sie", begann Stump das Verhör. Er hatte nicht wirklich viel Lust noch eine längere Zeit Dienst zu schieben, er hatte heute eigentlich früh nach Hause gewollt.
"Ja bitte, wenn das so ist, legen sie los", antwortete Lucina Scorbic.
"Wir haben Informationen, dass sie in letzter Zeit öfter mit ihrem Mann gestritten haben", sagte Agnetha, "und sie sind doch außerdem die einzige, die vom Ableben der beiden Brüder einen Vorteil hat, oder?"
Lucina nickte. "Ich dachte mir, dass sie fragen würden. Ja, wir haben in letzter Zeit gestritten, und ja, ich erbe dies alles. Obwohl es eigentlich Eric gehört haben sollte."
"Wie meinen sie das?" fragte Stump.
"Nun, sie müssen wissen, mein Mann und sein älterer Bruder haben vor Jahren ihre Eltern über einen Trick dazu gebracht, ihr gesamtes Vermögen an sie zu vererben. Eigentlich wollten die beiden aber Eric alles vermachen, weil sie ihn einfach am liebsten hatten. Die beiden haben sehr früh den Charakter ihrer beiden älteren Söhne erkannt. Ich selbst habe leider viel länger gebraucht um Bernatos wirkliches Gesicht zu erkennen."
"Ah ja", lies sich Agnetha vernehmen.
"Und sie haben natürlich gar kein Interesse an dem Geld und dem Haus?" erwiderte Stump Frau Scorbic.
"Ich hatte mich schon vor einiger Zeit entschieden, meinen Mann zu verlassen. Lieber wollte ich
mutterseelenallein leben, als mit so einem Menschen. Das habe ich ihm auch so gesagt. Heute, nach dem Besuch in Erics Büro, wollte er beim Anwalt die genaueren Details einer Trennung klären."
"Dann passt das aber gut, dass er dies nicht mehr erledigen konnte", sagte Agnetha.
"Ja, da haben sie recht und ich gebe auch zu, dass ich es nicht schade um die beiden finde, aber damit zu tun habe ich definitiv nichts."
Stump beugte sich zu Agnetha hinüber, hielt sich die Nase zu und flüsterte: "Wir können ihr nichts nachweisen, vor allem weil sie ja auch den ganzen Tag zu Hause war, das hat der Butler ja eben gesagt. Klar, der kann lügen, aber wir kommen hier nicht weiter. Vielleicht findet Carisa ja noch was."
Die Göttin des Ankh nickte.
"Nun Frau Scorbic, das war es erst einmal, aber halten sie sich zur Verfügung", sagte Stump und stand auf. Auch Frau Scorbic erhob sich.
"Gut, ich habe nicht vor zu verreisen. Auf Wiedersehen."
Die beiden Wächter grüßten und verließen dann den Raum.
Im Büro Heribert Seitwärts stapelten sich Bücher. Überall waren sie aufgetürmt und die Wächter konnten auf Anhieb keinen Arbeitsplatz erkennen. Auch an den Wänden befanden sich Bücher, die Regale gingen bis unter die Decke.
"Bitte treten sie ein", Heribert Seitwärts bedeutete den Wächtern den Raum zu betreten. "Kleinen Moment, ich mach zwei Stühle frei." Der kleine Mann wuselte kurz durch die Büchermengen und plötzlich waren zwei Stühle zu sehen. "Bitte setzen sie sich."
Pyronekdan und Romulus sahen sich an, dann gingen sie zu den Stühlen.
Heribert Seitwärts begab sich an einen besonders großen Bücherstapel ihnen gegenüber und zauberte dazwischen einen weiteren Stuhl hervor.
"So, die noch ein wenig zur Seite", jetzt sahen die Wächter ihn wieder. Er hatte einige Bücher zur Seite geschoben und saß an einem Tisch, ebenfalls über und über mit Büchern aber auch mit Papier bedeckt.
"Nun, dann legen sie mal los, warum sie nach Eric Testament fragen", sagte Seitwärts.
"Wir ermitteln in einem Mordfall, der in direktem Zusammenhang mit dem Testament zu stehen scheint", begann Romulus, "die beiden Brüder von Eric wollten heute morgen ihr Erbe im Tresor in Erics Büro holen und es ging eine Bombe hoch. Beide sind tot."
"Und der Inhalt des Tresors?" fragte Anwalt erstaunt.
"Außer der Bombe? Nichts", antwortete Pyronekdan.
"Wir würden gerne wissen, wie das Testament genau lautet, waren die Brüder die Alleinerben?" fragte Romulus.
Seitwärts überlegte, dann kramte er in einem Papierstapel und zog ein Blatt hervor.
"Nein, waren sie nicht", antwortete er. "Eric hat verfügt, dass Lucina Scorbic alles erbt, außer den Inhalt des Tresors, der ging an seine Brüder, und die klatschianische Heiligenstatue in seiner Wohnung, die ging an Al Kemi di Hassan."
"Wer ist Al Kemi di Hassan?" fragte Pyronekdan.
"Ich glaube er ist einer der wenigen Freunde von Eric. Er erwähnte, dass vor einigen Jahren ein
Austauschkind aus Klatsch bei ihm war, da muss er so 16 gewesen sein. Die zwei standen, glaube ich, seitdem im Briefkontakt, aber gesehen haben sie sich nie wieder. Ich habe gehört, dass er Mönch in irgendeinem klatschianischen Orden ist."
"Der hätte also wohl kaum einen Grund den Tresor auszuräumen", vermutete Romulus. "Vermutlich wusste er gar nichts vom Inhalt", erwähnte Heribert.
"Außerdem wäre das wohl schwer zu rekonstruieren, wir haben ja keine Spuren", sagte Pyro.
"Also hat nur Lucina ein Motiv, sie hat ja sonst alles bekommen. Motiv: Habgier", stellte Romulus fest.
"Das glaube ich weniger, Frau Scorbic schätze ich nicht so ein", erwiderte Heribert.
"Nun ja, wir werden sehen. Sonst noch irgendetwas im Testament erwähnt?" fragte Romulus.
Seitwärts schüttelte den Kopf.
"Gut. Dann danke für ihre Hilfe", sagte Pyronekdan und erhob sich.
Sie gaben Heribert Seitwärts die Hand und gingen vorsichtig aus dem Raum. Trotzdem streifte Romulus noch einen Stapel der Bücher, der bedrohlich zu wanken anfing, dann aber doch stehen blieb.
Die beiden Wächter verließen das Haus. Endlich ein Motiv, dachte Romulus.
"Lass uns Feierabend machen, morgen früh ist Besprechung, dann klärt sich vielleicht das ein oder andere", schlug Pyro vor.
Der Werwolf nickt, er freute sich schon auf einen Absacker im Eimer.
Am Pseudopolisplatz trennten sie sich. Pyronekdan ging nach Hause, Romulus zielstrebig Richtung Eimer.
Carisa hatte gut zwei Stunden auf dem Dachboden verbracht. Jetzt war sie auf dem Weg zurück zur Wache. Den Butler hatte sie nicht mehr befragt. Das was sie gefunden hatte, reichte erstmal aus.
Sehr interessante Erkenntnisse, dachte die Wasserspeierin. Morgen die Besprechung würde sicher Klarheit bringen, aber jetzt war erst mal Feierabend.
Die Gargoyle blieb stehen, ja hier war ein schöner Platz zum Abendessen. Sie setzte sich an einen Schornstein. Vor ihr lag die Stadt, die jetzt einen friedlichen Eindruck machte, jetzt da sich das Licht gerade zurückzog. Carisa liebte diesen Moment, ihre Haut schimmerte rötlich von der am Rand verschwindenden Sonne. Sie beugte sich über ihre Tasche und holte ein Stück Granit hervor. Sie drehte es in der Hand und biss dann herzhaft hinein. Einige Minuten später landete eine Taube mit einer perfekten
Punktlandung auf Carisas Schulter.
"Hallo Hermine", begrüßte die Wasserspeierin ihre Lieblingstaube und kramte nach einigen Taubenkeksen.
"Guruuuhhhh", antwortete die Taube.
Am nächsten MorgenDie am Fall beteiligten Wächter standen vor Rinas Büro. Die Abteilungsleiterin von RUM war noch nicht da.
"Sie könnte ja wenigstens Bescheid geben, wenn sie später kommt", grummelte Romulus. Der Abend im Eimer war lang geworden und er hätte eindeutig mehr Schlaf benötigt.
"Das kann ja doch jedem mal passieren", verteidigte Carisa die Scheffin.
Nach einer Viertelstunde kam Rina endlich.
"Tut mir leid, ich war noch beim Patrizier, er wollte die Neuigkeiten zum Fall hören. Auch wenn ich glaube, dass er eh schon alles weiß. Nur verraten hat er nichts. Er hat aber angeordnet, dass, wenn wir bis heute Abend keine stichfesten Beweise finden, die auf den Täter hindeuten, die Akte geschlossen wird." Während sie dies sagte, schloss sie ihr Büro auf und bedeutete den Wächtern einzutreten.
"So, nun", sagte Rina, "was habt ihr gestern noch herausgefunden."
Nach einer halben Minute hob sie die Hand.
"Langsam bitte, wie wärs, wenn alle nacheinander sprechen und nicht alle zusammen?"
"Sehr vernünftiger Vorschlag", grinste Romulus. "Darf ich anfangen?"
Rina nickte.
"Ja also, Pyro und ich waren bei Heribert Seitwärts, der das Testament von Eric eröffnet hat. Interessant ist, dass Lucina Scorbic alles geerbt hat, außer den Inhalt des Tresors und irgendeine Heiligenstatue."
"Sie hätte also ein Motiv, auch den Rest noch haben zu wollen, oder?" platzte Stump heraus.
"Ja und sie hat noch mehr ein Motiv, sie hatte eine Affäre mit Eric", warf Carisa ein.
Die anderen starrten sie an.
"Eine Affäre?" fragte Agnetha ungläubig.
Carisa nickte, "ich habe Liebesbriefe gefunden. Ist allerdings schon einen Moment her, die Affäre, geschrieben haben sie sich aber noch länger. Sie muss auch regelmäßig bei Eric zu Besuch gewesen sein."
"Habt ihr irgendetwas aus Lucina rausbekommen?" fragte Rina Stump und Agnetha.
Die beiden schüttelten die Köpfe.
"Sie war wohl kurz davor sich von Bernato zu trennen. Der wollte gestern eigentlich noch die genaueren Trennungsmodalitäten klären", sagte Stump. "Nur kam er dazu ja nicht mehr. Sie erbt also jetzt doch alles, sonst hätte sie wohl nichts bekommen von Bernatos Vermögen."
"Das deutet also alles darauf hin, dass Lucina den Tresor ausgeräumt und dann ihren Mann noch umgebracht hat", fasste Rina zusammen.
"Ja, aber wir haben dazu ja keine Beweise, das sind ja nur Vermutungen", warf Romulus ein.
"Wie wäre es, wenn wir Lucina mit diesen Vermutungen mal konfrontieren, vielleicht kommt ja noch was heraus", schlug Carisa vor.
"Ja, dumm, dass wir keine Zeit haben, zu klären, ob Lucina irgendwann in letzter Zeit in Erics Büro war, aber wir könnten trotzdem mal einige Nachbarn im Diamantengässchen befragen", sagte Rina.
"Ok, dann gehen Stump und ich zu Lucina", sagte Romulus. "Carisa und Agnetha befragen die Nachbarn."
"Ich muss leider heute Vormittag zu Rince", unterbrach Pyronekdan, "ich muss eine Aussage wegen eines
Dienstvergehens machen."
"Ja, habe davon gehört", nickte Rina. "Ich würde vorschlagen, wir treffen uns um drei Uhr wieder hier und schauen, was wir an Informationen noch bekommen haben. Einverstanden?"
Die Anwesenden nickten, dann verließen sie den Raum.
Agnetha lief neben Carisa her. Die Wasserspeierin sagte nichts, sie grübelte darüber nach, wer diesen Anschlag sonst noch gemacht haben könnte, außer Lucina oder der tote Eric.
"Sagen sie mal, Mä'am, wie kann das sein, dass es überhaupt gar keine Spuren gibt?" fragte Agnetha.
"Keine Ahnung, ich kanns mir nur so erklären, dass die Spuren, die da sind, einfach nicht auf einen Täter schließen lassen, weil der Täter in diesem Büro entweder gearbeitet hat oder dort einfach ein und aus gegangen ist. Ach und bitte, lass das Mä'am weg, ja? Du hast mich vorher doch auch nicht als Vorgesetzte gehabt", antwortete Carisa.
Agnetha nickte. Das mit den Vorgesetzten und wie sie anzusprechen waren, war ihr doch soweit klar, nur, dass die Vorgesetzten dann sagten, sie solle es lassen, das war ihr noch nicht ganz eingeleuchtet. Entweder so oder so, dachte sie. Aber diese Mischungen...
Auf dem Weg ins Diamantengässchen mussten die beiden Wächterinnen durch Ankh-Morporks Viertel der käuflichen Zuneigungen. Hier und da wurde ihnen etwas zugerufen, aber sie achteten nicht weiter darauf. Als sie durch die Springstraße gingen, begegneten sie Drei Hungrige Mäuler, die Ihnen fröhlich zuwinkte.
"Hallo ihl zwei, wie geht es euch?" fragte sie.
"Gut, danke der Nachfrage, wir hängen gerade an einem verzwickten Fall", antwortete Agnetha.
Carisa nickte dazu.
"Na, wenn ihl mal ein wenig Entspannung blaucht, da um die Ecke", sie deutete die Straße hinunter, "da gibt es einen neuen Laden nul fül Flauen. Egal was fül eine Spezies, die können alle bedienen." Sie grinste.
Agnetha schaute etwas verwirrt nach Carisa, die aber nur ihrerseits am grinsen war.
"Was meinst du?" fragte Agnetha.
Aber Drei lachte nur und sagte dann, dass sie noch etwas besorgen müsse und Agnetha doch Carisa fragen solle.
Agnetha schaute Carisa an. Diese fragte sich, ob Agnetha wirklich nicht wusste, was Drei gemeint hatte. So wie junge Frau blickte, musste es wirklich so sein.
"Em, nunja, wie soll ich dir das jetzt erklären. Sag mal, du weißt schon, womit die Frauen hier ihr Geld verdienen?"
Sie erntete nur einen fragenden Blick.
"Ich dachte, sie seien Näherinnen und die nähen doch Kleidung, oder?" antwortete Agnetha ihr.
Die Wasserspeierin seufzte innerlich.
"Ok, wie wärs, wenn wir einfach mal kurz in den Laden, von dem Drei sprach, reingehen?" schlug sie vor.
Agnetha nickte, eine neue Erfahrung war immer gut.
Carisa ging in Richtung des
Puur lee famme, sie hatte schon von dem Etablissement gehört und war auch neugierig darauf. Der
Reinschmeißer vor dem Gebäude forderte die beiden freundlich auf, einzutreten, was sie dann auch taten. Agnethas Geruch ließ die Augen der Näher tränen, weshalb keiner der Herren auf die beiden Wächterinnen zuging. Zu sehen war aber trotzdem genug. Agnethas Augen wurden vor Verwunderung immer größer.
Romulus und Stump standen im Wohnzimmer der Scorbics. Der Butler hatte sie hereingelassen, aber gesagt, dass die Dame des Hauses noch fort sei. Auf die Frage, wo sie denn hin sei, sagte der Butler, dass Lucina Scorbic dabei wäre, ihren Besitz zu verkaufen, da sie, wenn der Mord an ihrem Mann geklärt sei, nach Genua umziehen wolle.
"Warum will die wohl weg von hier?" fragte Stump.
"Vielleicht hat sie doch Dreck am Stecken", vermutete Romulus.
Der Butler trat ein.
"Wünschen die Herrschaften etwas zu trinken, während sie warten?"
Die Wächter schüttelten die Köpfe.
"Aber ich hätte da noch eine Frage", sagte Romulus, "hätten sie etwas dagegen, wenn ich mich ein wenig im Haus umschaue?"
"Sicher nicht, ich denke auch, dass die Hausherrin nichts zu verbergen hat", antwortete der Butler.
Romulus nickte. "Herzlichen Dank."
Als der Butler gegangen war, meinte Stump:
"Du willst dich umsehen?"
"Ja, vielleicht finde ich etwas Pulver Nr.1 oder einen anderen Beweis, zum Beispiel jede Menge Diamanten."
"Ach, du willst dich soo umsehen?"
Der Werwolf nickte bedeutend und verschwand dann in den ersten Stock des Hauses.
Erst nachdem sie das
Puur lee famme verlassen hatten, traute sich Agnetha zu fragen:
"Was genau haben die Leute da gemacht?"
"Spaß gehabt", antwortete Carisa. Von wegen "für alle Spezies etwas", dachte sie, keinen einzigen Wasserspeier hatte sie zu Gesicht bekommen und auf Nachfrage hieß es auch nur, dass das Etablissement so etwas Exotisches nun auch nicht hätte.
"Spaß? Man macht so was nur wegen Spaß?" fragte Agnetha ungläubig.
"Nun ja, eigentlich macht man es, um sich fortzupflanzen. Sag mal, haben dir deine Eltern gar nichts darüber erklärt, wo du herkommst und so?" antwortete Carisa.
Agnetha blickte zu Boden. Wie sollten denn Eltern ihr etwas erklärt haben? Was waren Eltern überhaupt? Aber wenn es etwas mit Herkunft und Entstehung zu tun hatte, wollte sie dieses Gespräch lieber nicht fortsetzen. Zumal Carisa froh zu sein schien, dass Agnetha nicht mehr weiter fragte.
Die beiden Wächterinnen gingen weiter Richtung Diamantengässchen.
Kurz vor dem Haus, in dem Erics Büro gewesen war, hielt Carisa an.
"Ich denke, wir befragen erst mal die Hausbewohner im Haus wo Erics Büro ist, dann vielleicht mal gegenüber."
"Im Haus haben wir doch schon alle nach Auffälligkeiten gefragt", erwiderte Agnetha.
"Ja, aber vielleicht haben die anderen falsch gefragt."
Carisa zog an einem Klingelseil, das zur untersten Wohnung gehörte.
Nach einer Weile öffnete ein altes Mütterchen.
"Stadtwache, mein Name ist Carisa von Escrow und das ist meine Kollegin Agnetha vom Ankh."
"Vom Ankh?", krächzte ihr Gegenüber, "na so riecht sie auch."
"Nun, wir würden gerne wissen, ob ihnen etwas Ungewöhnliches aufgefallen ist in letzter Zeit", sagte Carisa.
"Ungewöhnliches? Der große Knall gestern", antwortete die alte Frau.
"Ja, vielleicht vor dem Knall? War seit dem Tod von Eric Scorbic jemand in dem Büro, wissen sie das?" fragte Agnetha.
"Wer ist Eric Scorbic?" erwiderte die Alte.
"Na, der dem das Büro gehörte", antwortete Agnetha, "und wir würden gerne wissen, wer in den letzten Wochen in dessen Büro war."
"Kenne ich nicht, ich wohne erst seit einer Woche hier", bedeutete die alte Frau mit einem Schulterzucken.
"Aha, naja, trotzdem danke für ihre Mithilfe", sagte Carisa und schob Agnetha an dem Mütterchen vorbei, "wir müssen dann noch die anderen Hausbewohner befragen, auf Wiedersehen."
Die alte Frau nickte und verschwand wieder in ihrer Wohnung.
"Das hätte sie ja auch gleich sagen können", murrte Agnetha.
"Aber sie wusste doch gar nicht, dass wir was über die letzten Wochen wissen müssen."
"Stimmt auch wieder", gab Agnetha zurück.
Die beiden Wächterinnen machten sich auf den Weg ins nächste Stockwerk. Gegenüber von Erics Büro klopften sie an eine Wohnungstür.
"Nichts, absolut gar nichts."
Das war das Ergebnis von Romulus Untersuchungen in den oberen Räumen des Hauses.
"Wie, gar nichts?" fragte Stump ungläubig, "da muss es doch irgendwelche Beweise geben." Er war mittlerweile fest davon überzeugt, dass Lucina Scorbic die Mörderin war.
"Nichts, was in irgendeiner Form auf unseren Fall hinweisen würde. Ich habe keine Spuren von Pulver Nr. 1 noch von Diamanten, außer denen im Schmuckkästchen, gerochen. Also entweder die Bombe ist woanders gebaut worden und die Diamanten gut versteckt, aber nicht hier im Haus, oder Lucina hat wirklich nichts mit der Sache zu tun. Wobei ich eher das vermute. Ich glaube, wir haben es hier wirklich mit einem bereits verstorbenen Mörder zu tun", fasste der Werwolf zusammen.
"Ja aber ein Mann, der tot ist, kann doch keine Bomben bauen", erwiderte Stump.
"Stimmt, aber er könnte sie ja vor seinem Tod schon in den Tresor gelegt haben. Nur lässt sich das nicht nachweisen, weil in seinem Büro ja alles voll von seinen Spuren ist."
Stump nickte. Das war wirklich zu verzwickt. Er hoffte, dass Lucina bald auftauchte und etwas zur Klärung des Falls betragen würde.
In diesem Moment öffnete sich die Tür. Frau Scorbic trat an.
"Ah, da sind sie ja", sagte Stump, "wir haben noch ein paar Fragen an sie. Dies hier ist mein Kollege Chief-Korporal von Grauhaar."
"Sehr erfreut", Lucina nickte Romulus zu, "wie kann ich ihnen also noch weiterhelfen?"
"Nun, wir würden gerne etwas über ihr Verhältnis zu Eric wissen", begann Romulus.
"Was gibt es da zu wissen? Wir waren befreundet, schon sehr lange, haben uns regelmäßig gesehen. Außerdem war er der Bruder meines Mannes, wenn der ihn auch nicht sehr mochte", antwortete Lucina.
"Und die Beziehung, die sie zu Eric hatten, was ist damit?" fragte Stump ganz direkt.
"Das? Das ist doch schon ewig her, vor der Ehe mit meinem Mann. Ja, Eric und ich waren ein Paar, wir wollten sogar heiraten. Heute begreife ich nicht mehr, wie es meinem Mann gelungen ist, mich zwei Wochen vor der Heirat davon zu überzeugen nicht Eric sondern ihn zu heiraten."
"Sie haben die Beziehung zu Eric also komplett aufgegeben und auch nie wieder begonnen?" fragte Romulus etwas ungläubig.
"Richtig. Wir haben uns regelmäßig getroffen, aber rein freundschaftlich. Eric hat meine Entscheidung akzeptiert. Sicher war er verletzt, aber er hatte seinen Bruder schon lange durchschaut und war mir deshalb nicht böse."
"Soso, wann waren sie denn das letzte Mal in Eric Büro?" fuhr Stump fort.
Lucina überlegte. "Das muss etwa eine Woche vor seinem Tod gewesen sein. Er wollte mir noch ein paar Unterlagen geben, die nach seinem Tode erledigt werden mussten. Eric hatte kaum Freunde, er hat nie wieder eine Frau gefunden, die ihm gefiel oder eher gesagt, der er gefiel, und ich war die einzige, der er vertraute."
"Wieso meinen sie, dass er nie wieder eine Frau gefunden hat? Wie lange waren sie denn mit ihrem Mann verheiratet?" Romulus war etwas erstaunt darüber.
"Wir sind, ich meine, wir waren acht Jahre verheiratet. Ich war 22 Jahre alt. Ich denke, dass die meisten Frauen wohl Erics Äußeres abgestoßen hat. Ein großer Pigmentfehler im Gesicht, vom rechten Auge bis zum linken Mundwinkel. Nicht wirklich ein schöner Anblick, wenn man auf das Äußere wert legt. Das war auch ein Grund, warum seine Brüder ihn so oft gehänselt haben und ihm auch später das Leben noch so schwer machte. Das Mal hat ihn zum Außenseiter gemacht."
"Ich verstehe", nickte Romulus. Er schaute zu Stump hinüber, der kaum merklich mit den Schultern zuckte. "Nun, ich denke, wir haben keine Fragen mehr. Herzlichen Dank für ihre Mithilfe."
"Gerne. Muss ich mich jetzt weiter zu Verfügung halten? Ich bin dabei meinen Umzug nach Genua zu organisieren und wollte in zwei Wochen fort. Mich hält hier nichts mehr. Ich möchte ein neues Leben anfangen", antwortete Lucina.
"Nein, ich denke, wir brauchen sie nicht mehr. Wir werden die Ermittlungen wohl noch heute abschließen. Wir werden ihnen eine Mitteilung schicken, was genau heraus gekommen ist", sagte Stump.
Die beiden Wächter standen auf und verließen den Raum. Draußen verifizierten sie die Aussagen von Lucina noch einmal, indem sie den Butler befragten. Dieser bestätigte sämtliche Angaben Lucinas. Die Unschuld Frau Scorbics war damit bewiesen. Ohne Beweise für die Tat blieb nur die Möglichkeit, den Beschuldigten als unschuldig anzuerkennen.
Auch Carisa und Agnetha hatten kein Glück. Niemand hatte eine Person zu Erics Büro gehen sehen, seitdem er verstorben war. Die Nachbarn bestätigten, dass Lucina Scorbic regelmäßig bei Eric gewesen war, zuletzt etwa eine Woche vor seinem Tod, aber seitdem war niemand mehr dort gewesen.
"Keine Beweise, kein Mörder", sagte Carisa.
Agnetha nickte.
"Scheint so, als hätten wir es mit einem perfekten Mord zu tun."
"Vielleicht war es ja wirklich Eric, der aus dem Jenseits noch eine Rechnung mit seinen Brüdern beglichen hat", erwähnte Agnetha.
Die Wasserspeierin hob die Schultern.
"Wir können nichts beweisen. Ich denke wir gehen zurück zur Wache und sehen, ob Romulus und Stump noch neue Erkenntnisse haben."
Es war mittlerweile später Nachmittag. Carisa hatte Mittags Hermine mit einer Mitteilung zur Wache geschickt, sehr zum Leitwesen Rogis, die mit Hermine absolut nicht klar kam, weil sich diese absolut nichts beibringen ließ. Die Gargoyle hatte geschrieben, dass Agnetha und sie länger brauchten, weil die Befragungen sehr in die Länge zogen.
Die Glocken schlugen gerade mehr oder weniger gleichzeitig sechs Uhr, als die beiden Wächterinnen am Pseudopolisplatz ankamen. Sie gingen sofort zu Rinas Büro, wo die anderen am Fall beteiligten Wächter schon auf sie warteten.
Erwartungsvoll schauten sie die beiden an.
"Wir haben nichts herausbekommen. Lucina war das letzte Mal scheinbar eine Woche vor Erics Tod im Büro, seit seinem Tod hat niemand mehr das Büro betreten", antwortete Carisa auf die fragenden Blicke.
Rina seufzte. "Wir haben also nichts, keine Beweise, jede Menge Mutmaßungen, aber nichts Stichfestes."
Die Anwesenden nickten.
"Naja, dann werden wir wohl hiermit die Akte schließen. Nicht gerade befriedigend, ich weiß, aber hat jemand noch eine Idee, wie wir noch Beweise finden könnten?"
Kopfschütteln war die einzige Antwort auf diese Frage.
"Gut, dann ist hiermit die Ermittlung abgeschlossen. Ihr könnt Feierabend machen. Mal sehen was morgen bringt. Vielleicht einen Fall, den man lösen kann. Romulus, du schreibst bitte die Benachrichtigung an Frau Scorbic, ich schreibe den Bericht. Danke euch allen."
Die Wächter salutierten und verließen das Büro. Nein, befriedigend war das nicht, aber ihnen war allen klar, hier konnte man nichts machen.
"Lasst uns in den Eimer gehen und was trinken", schlug Pyronekdan vor.
Die Aussicht auf etwas Alkoholisches erhellte die Gesichter, die Wächter verließen das Wachhaus und gingen Richtung Eimer.
EpilogEinige Tage nach Ende der Ermittlungen, an ihrem 30. Geburtstag, klingelte es an der Haustür Lucina Scorbics. Der Butler führte einen Kurier ins Wohnzimmer, das mittlerweile so gut wie leer geräumt war. Einzig ein Tisch und ein Stuhl standen noch in dem großen Raum.
"Ich haben den Auftrag, ihnen diesen Koffer zu übergeben, mit den herzlichsten Glückwünschen zu ihrem Geburtstag", sagte der Kurier zu der erstaunten Lucina und hielt ihr einen Lederkoffer hin.
Sie nahm den Koffer entgegen und legte ihn auf den Tisch.
"Dankeschön", sagte sie und drückte dem Kurier fünf AM-Dollar in die Hand. "Für ihre Bemühungen."
Der Kurier verbeugte sich leicht und verließ den Raum.
Lucina wandte sich dem Koffer zu und öffnete ihn vorsichtig.
Vor ihr erstrahlten wunderschön geschliffene Diamanten in allen Formen und Größen. Ihr war bewusst, dass dies der Inhalt aus dem Tresor Erics war. Oben auf den Diamanten lag ein Umschlag. Sie nahm ihn in die Hand und öffnete ihn. Er enthielt eine Karte, auf der in fein säuberlicher Handschrift stand:
Geliebte Lucina, ich wünsche dir zu deinem dreißigsten Geburtstag alles Gute. Leb für uns beide. Dein Eric.--Ende--Nachwort:In dem Buch "Der Geschichtenerzähler" von Jostein Gaarder beschrieb der Autor eine Synopsis für einen Roman, die er als "Dreifachmord Post mortem" betitelt war. Da dieser Titel den Inhalt vortrefflich trifft, habe ich mir erlaubt, ihn zu übernehmen, da diese Single aus der Synopsis entstanden ist.
[1] Als Spiralnebel wird der Nebel bezeichnet, der auf seinem Weg vom Ankh in die Gassen der Stadt von Thaumischen Strahlen getroffen wird und deshalb in sich verdreht ist. Ansonsten ist er ganz normaler, feuchter Nebel
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