Aus dem Zellentrakt der Wache dringen seit ein paar Nächten so schaurige Geräusche, daß die Insassen um Verlegung in den Keller bitten. Was geht dort vor sich?
Dafür vergebene Note: 13
Aktenberge über Aktenberge - Lewton fluchte leise vor sich hin. Vor allen bei den weitschweifigen 'Beobachtungen
unbescholtener Bürger' mußte er stets volle Konzentration bewahren; galt es doch in all dem Geseiher über die böse Nachbarn herauszufinden, ob überhaupt ein Verbrechen vorlag. Widerstrebend griff er den nächsten Vorgang und brummte halblaut während des Lesens:
"Also, eine Ziege violett bepinselt, weil sie gerade durch den Zaun vom Nachbarsgrundstück lugte, während er das Holz anstrich,... hm ja, kann ein Versehen sein... AHA! ... 'rächte dieser ehrenwerte Barbar im Ruhestand sich, indem er mir meine eigene Ziege briet und mir die abgenagten Knochen in den Vorgarten warf...'; ... mal Rascaal fragen, ob er da mit mir und einem Rekruten hinw..."
'Pling! poing, pling, pling!' erscholl es aus dem Zellentrakt.
"Wassn' nu' schon wieder!" grollte der Hauptgefreite und lief entnervt zu den Gefangenen.
Dort angekommen, erblickte er die enthusiastisch mit ihren Näpfen und Essbesteck auf die Gitterstäbe einhämmernden Schurken.
"Wurd' auch Zeit!" murrte ein schmierig aussehendes Kerlchen und das Blechcrescendo verstummte..
Lewton seufzte. Natürlich hatte sich wieder einmal Erwin Grämlich, ein Betrüger ohne Gildenlizenz, zum Wortführer
aufgeschwungen.
"Was darf es denn dieses mal sein?" schnarrte der Wächter seine häufig eingeübte Tirade herunter. "Darf es etwas Leckeres aus dem Currygarten sein oder vielleicht der 'KriegtIhrAuchZuElftNichtAlle' Teller von Harga? Vergeßt es: Schnapper stellt uns seine Pasteten und Würstchen aus Macke-Tinggründen kostenlos zur Verfügun..."
Erwin fuhr ungeduldig dazwischen: "Es geht nicht ums Essen!"
"Ach?"
"Wir verlangen die sofortige Verlegung in den Keller!" forderte der Betrüger störrischen Blickes.
Lewton gaffte den Wortführer der 'Revolte' mit vor Fassungslosigkeit unsäglich dämlichen Gesichtsausdruck an, fing sich jedoch, bevor er sich die Kinnlade ausrenkte: "Ihr wollt freiwillig in diese feuchtkalten,schimmeligen Löcher?"
Ein Verdacht stieg in ihm auf:
"Wollt uns anschließend wohl wegen gesundheitsschädigender Unterbringung verklagen... NIXDA, abgelehnt!"
"Har har har, ganz im Gegenteil!" Grämlich ließ nicht locker. "Wenn ihr uns weiterhin allnächtlich mit dieser
schauderhaften Geräuschkullisse aus euren Umkleiden traktiert, DANN verklagen wir euch beim Patrizier!"
Wenig später schlenderte ein gutgelaunter Werwolf in Korporal Rascaals Büro und fragte diesen:
"Rascaal, Lieblingsknollenjäger, willst Du eine Untersuchung hier im Wachehaus leiten?"
Die nächsten Worte ließ er sich auf der Zunge zergehen: "Ist eine Nachtschichtsache!"
*Kurz darauf im Büro des Kommandanten*
"Gut, Lewton, nun lass Dir bitte heute Nacht Deinen Pelz wachsen und finde heraus, wer den Radau macht!
Ohnedurst, lege mir den Bericht dann auf den Schreibtisch!" bestätigte Rince den neuen Auftrag.
*In der Nähe des Zellentraktes*
Lewton war völlig irritiert: gleichzeitig von seinem Kollegen ausgehend und beim Eingang zu den Umkleiden
nahm er eine wohlbekannte, beinahe den 'Duft' des Ankh überdeckende Geruchsfarbe wahr, parallel jedoch ein dazugehöriges fremdes Speichel-Aroma.In der Untoten-Umkleide selbst jedoch war niemand und es herrschte überall Ruhe.
"Dann warten wir halt noch etwas und verstecken uns in der Abstellkammer nebenan." schlug Rascaal vor.
Etliche Stunden später wurde ihre Geduld belohnt: durch die einen Spalt offene Tür sahen sie, wie eine hochgewachsene Gestalt fast lautlos in die Umkleide schlich.
Dann ging es auch schon los, unterbrochen von angewidertemem Geflüster:
"Chlllt... bah wie eklig! Chlll... grmpf, wi-der-wär-tig! Chlllllllllllllllllllllt... *bärks* - daran werde ich mich nie gewöhnen!"
Ungläubig starrten der Korporal und Lewton in die Umkleide: ebenso eifrig wie ungeschickt saugte dort die Vampirin Gefreite Chloe Rote-Bete-Knollen aus. Als sie die ehrfurchtsvoll staunenden Kollegen bemerkte, zuckte sie zusammen, das die Knollen ihr aus den Händen fielen und in alle Richtungen davonkullerten.
Rascaal riß sich zusammen und fragte die beschämt zu Boden starrende Wächterin mit leiser Ironie in der Stimme:
"Na, auch endlich auf den Geschmack gekommen? Weshalb fragst Du nicht jemand, der etwas davon versteht?"
Tonlos erklärte Chloe: "Nun, mein neuer Unlebensabschnittsefährte ist vegetarischer Vampir, wie ihr, Sir.
Da ich ihm zu Liebe das Blutsaugen aufgeben möchte, zog ich mich immer hierher zum Üben zurück.."
Mitfühlend hakte Rascaal nach: "Warum in Offlers Namen wendest Du dich dann nicht einfach an mich? Ich hätte
Dir jederzeit geholfen und werde das auch ab sofort tun."
Chloe ärgerte sich innerlich maßlos über sich selbst, als sie bemerkte, dass sie nun den letzten Rest Fassung verlor.
Von Schluchzern durchsetzt gestand sie:
"Na - ich war doch immer so gemein... *schnief*... zu Dir...
*schnief*, wegen der Rote Bete... da traute ich mich nicht, Dich zu fragen *heul*!"
Gerührt sammelte Rascaal mit ihr gemeinsam die Knollen vom Boden auf: "So, jetzt sieh mir einfach gut zu, damit Du ein
Gefühl dafür bekommst..."
Während dieser bizarren Szene bemerkte Lewton, wie ihn selbst ein Kloß im Halse zu drücken anfing.
Mit verstellt brummigem Tone sprach er: "Dann will ich den Einsteigerkurs in die Tischsitten nicht länger stören! Der
Fall ist scheinbar abgeschlossen."
Glücklich lächelnd arbeitete der Hauptgefreite am folgenden Tag seine Akten durch. Bereits den gesamten Vormittag war es
schon fast verdächtig ruhig im Gefangenentrakt gewesen. 'Sieht so aus, als gäbe Erwin zur Abwechselung mal Ruhe!'
frohlockte Lewton.
'Pling! poing, pling, pling!' ging da der Radau wieder los, begleitet vom Gebrüll einer schneidend-schleimigen Stimme:
"Weg mit dem Fraß! Wir wollen richtiges Essen!"
Ende
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