Zwei komplett verschiedene Menschen sterben. Und das mitten in Reas Silvesterdepression..
Dafür vergebene Note: 13
Vorwort
Mir gingen viele Gedanken durch den Kopf als ich diese Single schrieb. Nicht so sehr die Verbrechensbekämpfung, sondern einige Menschen, die mir wichtig sind. Zum einen ist da Sören, dessen Geburtstag ich nicht mitfeiern kann, obwohl ich mich monatelang darauf gefreut habe. Diese Single ist eines seiner beiden Geburtstagsgeschenke. Als zweites Sörens Mutter (Nein, nicht die in dieser Single!), eine Frau, die ich sehr bewundere. Das sie ihr Herz nicht in einem Einkaufswagen herum schieben muss ist alles, so groß ist es. Sie kümmert sich ehrenamtlich um die Menschen, die nichts mehr zu hoffen haben und ist einer der besten Menschen die ich je getroffen habe. Ohne sie hätte ich Sören wohl nie kennengelernt und wäre wohl auch nicht zur Wache gekommen.
Kekse und Truthahnsandwiches
Rea streifte die ehemals weiße, nun hauptsächliche rote Schürze ab und hängte sie an einen Haken. Sie warf ihren Umhang über die Schultern, zog sich Schal, Handschuhe und Wollmütze an und verließ dann das gerichtsmedizinische Labor. In der Eingangshalle blickten ihr einige SEALS neidisch hinterher, als sie ihrem Feierabend entgegen schritt und sie ihre Nachtschicht anzutreten hatten.
Es gibt Tage, an denen man die Jahreszeit riechen kann. Der heutige Abend gehörte zu so einem Tag und nicht einmal der Gestank des Ankhs konnte diesen Geruch vertreiben. Wenn man an den Geruch von Winter denkt, dann erinnert man sich an frische Bratäpfel, Zimt, Kerzenwachs und Knieweich. Doch wenn man aus den Spitzhornbergen kommt, dann riecht Winter nach sehr viel mehr. Der Geruch von klirrender Kälte, frischer Schnee, kalte Steine, gefrorenes Holz und glattes Eis. Es sind mehr Ahnungen als Gerüche, doch wer schon einmal an einem Eiszapfen gelutscht hat, der weiß, wie das gefrorene Wasser riecht. Es ist ein geruchloser Duft, es ist als ob man die pure Kälte wahrnimmt. Es ist der wahre, naturreine Winter. Rea dachte an zu Hause. Zu Hause in den Spitzhornbergen. Die weißen Landschaften, der Schnee auf den Dächern, die gefrorenen Wege, die Schmiedefeuer, an denen sich die Frauen Geschichten erzählten und die Männer Holzteller schnitzten. Sie atmete tief ein und der Geruch des Winters trug sie fort in ihren Erinnerungen an die Heimat, bis sie bemerkte, dass sie immer noch vor dem Wachhaus stand. Einige Menschen waren stehen geblieben und starrten sie an, wie sie da stand, mit leicht gerecktem Kopf und geschwollener Brust vom tiefen Einatmen. Sie sah aus, als wolle sie gleich eine Rede halten. Rea wurde rot und setzte sich in Bewegung, als sei nichts geschehen.
Sie schlug nicht den gewohnten Weg ein, der sie über die Glatte Gasse zur Schlechten Brücke führte, wo sie wohnte, heute hatte sie noch etwas zu erledigen.
"Söri-Schatz? Da ist Besuch für dich!", die tiefe, raue und Angst einflößende Stimme von Frau Eltsam schallte den Treppenaufgang hinauf. Sie war bei den Göttern nicht unfreundlich, doch von vielen unzufriedenen Kunden gegerbt worden, als seien ihre Stimmbänder ein Stück Leder. Die roten Locken der rundlichen Frau umspielten ihr Gesicht mit einer Grazie die von ihrem restlichen Körper nicht zu erwarten war, doch ihre Augen verrieten eine mütterliche Liebe allen anderen Wesen gegenüber, insofern sie kein Brot kaufen wollten. Endlich hörte man Schritte auf den hölzernen Treppenstufen und Sekunden später erschien ein ehemals schwarz gekleideter Sören. Seine Kleidung war mit Mehl bedeckt, in seinen Haaren hingen Teigreste und in seiner rechten Hand hielt er noch immer ein Nudelholz. Er sah ein bisschen grimmig aus, die Spitznamen die seine Mutter mit Vorliebe bei Besuchen seiner Freunde gab, hatten ihm noch nie gefallen. Rea lächelte nachfühlend. Es war nicht einfach, eine solche Mutter zu haben.
"Abend Rea", sagte er. "Wir backen gerade Kekse. Das Schneevaterfest ist nicht mehr weit."
"Deshalb bin ich hier."
"Wegen den Keksen? Wartet einen Moment!" Frau Eltsam warf Rea einen glücklichen Blick zu und wackelte aus dem Verkaufsraum der Bäckerei in ein Hinterzimmer.
"Ähm, nein, ich..", wollte Rea antworten, doch dann ließ sie es dabei bewenden und sah Sören wieder an. "Du kannst das nicht machen. Wir wollten alle gemeinsam feiern!"
"Das weiß ich doch", erwiderte Sören und biss die Lippen aufeinander. "Aber ohne einen Raum können wir's vergessen."
"Das ist nicht dein Ernst. Es ist Silvester und es ist dein Geburtstag und du willst einfach aufgeben nur weil du den einen Raum nicht bekommst?" Mittlerweile war Frau Eltsam zurück in die Bäckerei gekommen und hielt den beiden Wächtern ein Tablett frisch gebackener Kekse hin, die alle kleine Mängel hatten. Mal fehlte der Rüssel eines Schweins, mal der Kufe eines Schlittens.
"Das ist eine ganz neue Idee von uns!", Sörens Mutter strahlte. "Und die Konditoren können uns nichts anhaben, ha, probier mal!" Gehorsam bis Rea in den Keks. Er war noch warm, doch dass war wohl das einzig positive daran. Es war ein Vollkornkeks, was soviel bedeutete wie dünn gebackenes Brot. Dieses machte Zwergenbrot jedoch starke Konkurrenz und im Gedanken verabschiedete sie sich schon mal von ihren Zähnen. Als die Bäckerin den Verkaufsraum wieder verlassen hatte, räusperte sich Sören.
"Hör mal, ich habe eben nicht das Geld uns jeden x-beliebigen Raum zu mieten. Und hier ist es für sechs Leute einfach zu klein." Er sagte das so einfach. Er hatte eine Familie, mit der er stattdessen feiern würde, Olga-Maria hatte immer noch ihre Schwester und Herr Made wohnte im Schrank des Hauptgefreiten Narrator, doch was hatten Mindy, Frän und, nicht zu vergessen, sie selbst? Der Gedanke an ein einsames Schneevaterfest machte sich in ihrem Kopf breit. Sie, in ihrem besten Kleid vor einem selbst gekauften Geschenk und einem Truthahnsandwich, nur in Gesellschaft ihrer Ratten und des Weckdämons. Traurig schüttelte sie den Kopf um die Gedanken zu vertreiben. Sören legte seine Hand auf ihre Schulter. "Tut mir verdammt leid."
"Sören! Fluch verdammt noch mal nicht vor einer Dame!" erschallte die Stimme von Sörens Mutter aus dem Hinterzimmer. Reas rechter Mundwinkel erhob sich für einige Sekunden zu einem Lächeln, fiel dann aber wieder kraftlos zurück in einen ausruckslosen Gesichtsausdruck.
"Na gut. Es ist dein Geburtstag. Entschuldige die Störung.", mit diesen Worten verließ sie die Bäckerei. Selbst der Wintergeruch konnte sie nicht mehr aufheitern.
Nun gut, man konnte daran nichts ändern. Sie gelangte zu ihrem Stammlokal. Jeden Mittwoch gönnte sie sich ein größeres Essen, an einem Einzeltisch am Fenster. Der Wirt begrüßte sie freundlich, während er ein Glas abtrocknete.
Sie setzte sich und sah dach draußen. Gegenüber lag ein größeres Anwesen. Rea hatte bereits viel von den Bewohnern des großen Hauses gehört. Angeblich war die Hausherrin eine verrückte Dichterin, die ihr Leben in vollen Zügen genoss, während ihr Mann, gutmütig und eigentlich beliebt, nun schon sein Wochen an einer schweren Krankheit litt. Ein kurzer Weg, von hohen Bäumen gesäumt, führte hinauf zur Tür der Villa. Ein kleiner Junge, vielleicht acht Jahre alt, war damit beschäftigt, das letzte Laub auf dem Weg zusammenzufegen.
Martens großer Tag
Marten war glücklich. Stolz schlossen sich seine Hände um die 40 Cent, die er heute verdient hatte. Er traute sich nicht, die in seine Tasche zu stecken. Er wollte es fühlen, seinen Erfolg. Wie stolz würde Mutter auf ihn sein! Er lächelte im Stillen, während er die engen Gassen der Schatten entlang ging. Das Geld würde er seiner Mutter geben, doch eines würde er behalten.
"Kirschen", hatte der alte Mann gesagt. "Ich mag sie nicht, aber du hast sicherlich Lust auf etwas Süßes, oder?" Den ganzen Tag hatte er dafür gearbeitet. Was würden die anderen Jungen in seiner Straße sagen, wenn sie sahen, dass er mitten im Winter Kirschen essen konnte? Gut, sie waren eingemacht, natürlich, aber Kirschen blieben Kirschen. Er bog in die Sirupminenstraße ein und hielt auf die Näherinnengilde zu. Hier gab es immer etwas zu holen. Die Frauen der Näherinnengilde hatten große Herzen für kleine Jungen, immerhin waren sie ihre zukünftige Kundschaft. Doch zuerst wollte er sich einige der Kirschen genehmigen. Er setzte sich an eine stille Ecke, auf die Treppe zu einem Haus, welche ein Vordach überschattete. Die wenigen, in seinen Händen heiß gewordenen Münzen schob er nun doch in seine Tasche, denn er brauchte beide Hände, um das Glas zu öffnen. Er schob sich die erste Kirsche in den Mund, kaute genüsslich und genoss die Süße. Selten gab es zu Hause so etwas Köstliches. Seine Mutter musste das Essen unter ihm und seinen drei Schwestern gut aufteilen, seit Vater gestorben war. Zumeist kam sie dabei zu kurz. Er aß eine weitere Kirsche, dann noch eine. Schließlich schob er sich gleich drei Kirschen gleichzeitig in den Mund. Bei den Göttern, schmeckte das gut! Gierig trank er den süßen Kirschsaft, leckte sich über die Lippen, schloss die Augen und schämte sich. Er sollte seiner Mutter etwas aufheben, opferte sie denn nicht alles für ihn? Und seine Schwestern verdienten auch etwas davon. Immerhin war bald Sylvester. Gut, es waren noch einige Kirschen im Glas. Er schraubte es wieder zu und begann, seine Finger abzulecken. Erst jetzt bemerkte er, wie die Kälte durch seine Kleidung kroch. Dabei trug er fast die gesamte Kleidung, die er besaß. Er rieb die Hände gegeneinander. Wie lange saß er schon hier? Seine Mutter machte sich sicher schon Sorgen. Sie mochte nicht, dass er nachts noch durch die Gassen strolchte. Er wollte aufstehen, doch er war so müde. Er war auf einmal wirklich müde. Was war los? Er war es doch gewohnt, hart zu arbeiten. Ihm wurde heiß. Er begann zu schwitzen. Mühsam raffte er sich auf, ging ein paar Schritte und musste sich dann schon wieder an einer Hauswand festhalten. Plötzlich war ihm eiskalt. Er zitterte am ganzen Leib, sein Magen krampfte sich zusammen. Jetzt wusste er es: Zu viele Kirschen auf einmal! Das war es. So eine Nahrung war er nicht gewöhnt. Doch dass würde schnell wieder vorbeigehen. Jetzt wurde ihm wieder heiß, Schweiß rann über seine Stirn und hielt sich in seinen Augenbrauen fest, als er das Bewusstsein verlor. Es war wie ein Traum. Er sah seine Mutter und seine Schwestern. Es war Frühling, Kirschbäume blühten, er hörte leises Vogelgezwitscher. Seine Mutter strich ihm über den Kopf und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. "Ich hab dich lieb", flüsterte er ihr zu.
Weckdämonen und Seife
"Bingley- Bingley-BEEEP!", rief der Weckdämon auf dem Nachttisch. "Guten Morgen, Lea. Es ist.."
"Ich heiße nicht Lea", ertönte eine Stimme aus den tiefen von mehreren Decken und Kissen.
"Bingley-Bingley.."
"Jaja, ist ja schon gut." Rea steckte die Nase unter der obersten Decke hervor, beschloss dass es zu kalt war und zog die Decke wieder über ihren Kopf.
"Bingley-Bing-"
"Ja doch!", sie hielt inne, grummelte etwas sogar ihr unverständliches und warf die Decken zurück. Langsam kroch sie aus dem Bett. Es war ein kalter Morgen- Im Fenster konnte man sehen, dass es die Nacht über geschneit hatte. Eisblumen am Fenster verklärten die Sicht auf den zehn Zentimeter hohen Schnee auf der Fensterbank.
Der Vorteil daran, eine Hexe zu sein, ist, dass man nie zu wenig Kleidung trägt. Unter mehreren Schichten Wolle und einem einer tief ins Gesicht gezogenen Mütze verdeckte Rea jegliche Angriffsfläche für die Kälte. Mehrere Unterröcke würden sie auch im Winter warm halten, immerhin hatte sie auch die Winter in den Spitzhornbergen überlebt. Sie zog sich zwei paar Handschuhe über und verließ ihre Wohnung. Auf der schlechten Brücke, Reas zu Hause, ging es geschäftig zu. Menschen, deren bis zu den Augenbrauen gezogenen Mützen und bis zur Nase gewickelten Schals nur einen kleinen Sehschlitz freiließen, hasteten im kalten Wetter zu welchen Zielen auch immer. Nur Mrs. Tuff, die immerfreundliche Nachbarin schien das Wetter nicht davon abzuhalten, die Leute in ein Gespräch zu verwickeln. Rea machte einen großen Bogen um sie. Eigentlich mochte sie Mrs. Tuff, denn wenn man mit ihr sprach brauchte man selbst eigentlich nie zu reden, doch bei dieser Kälte lockte das nicht wesentlich wärmere gerichtsmedizinische Labor gewaltig. In der Sirupminenstraße war vom Schnee kaum noch etwas gesehen. Nur seitlich an den Häusern gab es hohe Schneetürme, aus denen Kinder bereits Schneemänner formten. Dies hatte alles seinen Sinn, denn schon jetzt staute sich der Verkehr an Karren. Irgendwo musste ein Karren umgekippt sein, denn die Fahrer der Karren fluchten lauthals über die Schneeglätte. Rea beschloss, den Verkehr zu umgehen und von ihrer üblichen Route über die Glatte Gasse abzuweichen und stattdessen in die Gasse davor einzubiegen. Ein kleines Eselgespann rumpelte ihr über den hohen Schnee entgegen, ansonsten sah Rea nur noch zwei Personen am Ende der Gasse. Es war nur eine Sekunde der Unachtsamkeit und Rea wurde der Boden unter den Füßen weggerissen. In der Nacht musste eine Pfütze übergefroren sein und ließ sie nun auf die Nase fallen.
"Verd..", sagte Rea zwischen zusammengebissenen Zähnen. Sie beendete das Wort nicht, denn der vertraute Geschmack von Seife machte sich in ihrem Mund breit
[1]. Sie ächzte gequält, rieb sich das rechte Handgelenk, mit welchem sie den Sturz hatte abfangen wollen und nun höllisch schmerzte. Sie befühlte es vorsichtig. Nein, gebrochen war nichts. Sie versuchte den Schnee aus ihrem Haar zu schütteln und hielt dann jäh inne. Dort war etwas. Aus einem hohen Schneeberg lugte... eine Hand. Sie war klein - ein Kind! Nur wenige Finger ragten aus dem Weiß hervor, doch es war ganz klar eine Hand. Sie begann zu graben. Dort lag ein Junge. Bedeckt mit zehn Zentimeter hohem Schnee hatte man ihn nicht entdeckt. Sie fühlte sofort nach dem Puls, doch ihre Befürchtung bestätigte sich. Der Junge, kaum acht Jahre alt, war tot. Erfroren? Rea glaubte es nicht. Erfrorene sahen anders aus, von diesen hatte sie in den Spitzhornbergen genug gesehen. Seine Kleidung war fast trocken. Sein Körper musste schon kalt gewesen sein, als es begonnen hatte zu schneien. Dieser Junge war anders gestorben. Aber wie? Nun, es gab nur einen Weg, dies herauszufinden. Sie grub den Jungen nun ganz aus. Sein Körper war starr. Rigor Mortis. Der Kleine war erstaunlich leicht für sein Alter. Trotzdem war sie froh, als sie endlich das Wachhaus am Pseudopolisplatz erreicht hatte. Die Blicke der Leute waren geradezu bohrend gewesen. Wer lief schon mit einem kleinen Jungen, steif wie ein Brett, durch die Gegend? Sie stieß die Tür mit dem Fuß auf und betrat das Foyer. In einer kleinen Gruppe standen die SEALS, die Rea schon am Vorabend gesehen hatte. Unter ihnen hatte sich eine Pfütze gebildet die sich ständig vergrößerte. Ihre Uniformen waren völlig durchnässt. Sie schauten ein bisschen höhnisch drein. Kein Wunder, wer die ganze Nacht im Schnee auf Streife war, war froh, wenn nun andere arbeiten mussten.
"Hast du dir Arbeit mit nach Hause genommen, Rea?" rief einer aus der Gruppe. Die Gefreite ignorierte dies. Sie nickte den beiden Rekruten am Tresen zu und ging dann schnurstracks zur Gerichtsmedizin.
Noch war niemand dort. Schnaufend legte sie die kleine Leiche auf den Tisch. Mit Kindern ist es anders, dachte sie. Sie hatten ihr Leben noch vor sich gehabt. Erwachsene sind selbst für sich verantwortlich, doch ein Kind? Sie betrachtete den Jungen genauer. Seine Augen waren geschlossen, Schnee hing noch in seinen Haaren und in seinem Gesicht. Sie besah sich die Kleidung: Zwei Hosen, übereinander gezogen, ein dickes paar Wollsocken, zwei Hemden und ein dicker Mantel. Das hätte von der Wärme her in der letzten Nacht genug sein sollen, auch wenn der Stoff bereits alt und zerschlissen war.
Die Tür öffnete sich und Rea nahm automatisch Haltung an.
"Morgen." Der Hauptgefreite Jack Narrator erwiderte den Gruß. Dann zog er die Augenbrauen hoch und betrachtete den Leichnam auf der Bahre.
"Ich habe mich doch eben mit dem Hauptmann unterhalten. Wie kommt eine Leiche hierher? Er hat nichts davon gesagt."
"Ich habe ihn gefunden."
"Du?"
"Ja. Ich. In der Nähe der Sirupminenstraße. Unter dem Schnee. Und Nein er ist nicht erfroren", kam Rea den nächsten Fragen des Gerichtsmediziners zuvor. Der Hauptgefreite trat näher und besah sich den Jungen, dann nickte er. "Hast du die Spurensicherung schon losgeschickt?"
"Nein, ich bin auch eben erst gekommen. Außerdem sind die Straßen total verschneit. Von Spuren wird wohl nicht viel übrig sein." Reas Blick verweilte auf dem toten Jungen. Langsam schmolz der Schnee und winzige Wassertröpfchen glitzerten im Licht.
"Hmm. Ich werde trotzdem jemanden schicken. Sicher ist sicher." Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ den Raum.
Schau mal bei den Leichen nach!
Ainu kratzte sich mit dem Hinterbein am Kopf, wofür sie von Hauptmann Daemon einen strafenden Blick kassierte. Sie und Frän Fromm, eine Vampirin, hatten heute Tresendienst, was bis jetzt zum größten Teil darin bestanden hatte, Frau Willichnicht abzuwimmeln. Frän hatte dabei große Geduld bewiesen. Doch Wasserspeier waren nicht so gut im Reden, dafür konnten sie sehr gut beobachten. Was Ainu gesehen hatte gefiel ihr sehr. Sie war noch nicht lange bei der Stadtwache und sie mochte das rege Treiben im Foyer. Zu Hause war es nie so interessant gewesen. Gerade eben war eine kleine Frau mit einem Jungen auf den Armen durch die Tür gekommen.
"Das ist Rea, sie arbeitet in der Gerichtsmedizin", hatte Frän ihr zugeflüstert.
"Wir sind befreundet." Gerichtsmedizin? Befreundet? Ainu kannte solche Wörter gar nicht. Wieder etwas Neues und Interessantes. Die Türen des Wachhauses am Pseudopolisplatz öffneten sich und ließen einen kalten Wind und eine kleine, dünne Frau in den Raum. In ihren Augen standen Tränen und sie rannte mehr als dass sie ging. Völlig außer Atem stand sie erst einige Sekunden vor Frän, welche sich Hilfe suchend nach dem Hauptmann umdrehte. Dann endlich hatte sich die Frau soweit gefasst, dass sie sprechen konnte.
"Ich suche meinen kleinen Jungen!" Ihre Stimme klang hysterisch und von Tränen erstickt. "Er ist heute Nacht nicht nach Hause gekommen!" Die Frau zitterte am ganzen Leib. Frän versuchte beruhigend zu lächeln. Es gelang ihr nicht, denn Vampirzähne sehen alles andere als beruhigend aus.
"Keine Angst, wir finden ihn schon. Wie sieht er denn aus?"
"Blond, blaue Augen, so groß." Ainu horchte auf. Sie blinzelte und drehte dann den Kopf zu der Frau. Diese erschrak, sie hatte den Wasserspeier für eine Steinfigur gehalten.
"Wänn ich Sie wärrrä, würrrrde ich in där Gärrrrichtsmädizin nachsähän." Die Frau wurde blass. Dann fiel sie zu Boden.
"Rekrutin Ainu! Du kannst ihr doch nicht gleich so etwas sagen! Und woher meinst du überhaupt, zu wissen, dass der Junge dort ist?"
"Ainä Frrau hat ihn gärradä härrain gätrrragen."
"Das stimmt!", rief Rekrutin Fromm, die neben dem ohnmächtigen Körper der Frau kniete und ihr Luft zufächelte. "Gefreite Dubiata kam eben mit einem toten Jungen auf dem Arm hier durch."
"So ein Mist."
"Lafft mich durch, ich könnte Ärftin fein!", rief die Stimme einer Igorina. Rogi Feinstich, irgendjemand der schnell dachte musste sie gerufen haben, bahnte sich einen Weg durch die Wächtertraube, die sich um die ohnmächtige Frau und Frän gebildet hatte.
Rea versuchte, die Kleidung des Jungen auszuziehen. Dies war einfacher gesagt als getan, denn der Junge war stocksteif. Schließlich nahm sie eine Schere und begann, das Hemd aufzuschneiden. Dabei fiel ihr etwas auf. Unter seinen Armen und am Rücken war die unterste Schicht der Kleidung gefroren. Sie war also nass gewesen. Der Junge musste kurz vor seinem Tod stark geschwitzt haben. Sie klopfte an den Kasten des Diktierdämons, aus welchem leises Schnarchen zu hören war. Sie schaute hinein. der Dämon schlief mal wieder.
"Guten Morgen! Aufstehen!" Der Dämon rührte sich nicht. Dann klopfte es an der Tür. Rea legte schnell ein Tuch über den halbnackten Körper des Jungen und rief dann "Herein". Ein leises Kratzen war an der Tür zu hören, dann öffnete sie sich. Ein kleines, dunkelblaues Wesen in GRUND-Uniform trippelte herein. Anstatt zu salutieren machte es Männchen. Rea lächelte. Was für ein niedlicher Wasserspeier! Sie widerstand der Versuchung, ihm über den Kopf zu streichen und salutierte auf die normale Art und Weise. Der Wasserspeier zog die Lippen auseinander. Zwischen seinen Zähnen steckte ein Zettel. Rea zog ihn heraus.
Foyer stand darauf, mehr nicht. Also machte sie sich auf den Weg dorthin.
Nicht jetzt!
Der große, schwarze Hund wurde kaum bemerkt. Er trug ein Bündel im Maul, was ihn vielleicht sonderbar machte, aber das hier war Ankh-Morpork. Er hätte schon Radfahren oder Balletttanzen müssen, um wirklich Aufmerksamkeit zu erregen. Er schlüpfte durch ein großes Eisentor. Das Salz, mit dem der Weg gestreut war brannte an den Pfoten, doch er wollte im Schnee keine Spuren hinterlassen. Ein kleiner Seitenweg führte zum Dienstboteneingang. Die Tür war nur angelehnt. Er stieß sie mit der Nase auf, lief hinein, stupste die Tür wieder zu und lief zum Küchenschrank. Der Geruch von Menschen kam aus dem Nebenraum. Sie unterhielten sich. Die Stimmung war gedrückt, selbst in seiner menschlichen Form hätte er das gespürt. James stellte sich auf die Hinterpfoten, öffnete die große Tür des begehbaren Küchenschrankes und zog sie dann umständlich wieder zu. Es war dunkel, doch er brauchte kein Licht zum Sehen. Genau dort war die Klappe. Wie viele Male hatte er sie bereits verwendet? Er wusste es gar nicht mehr. Hoffentlich war sie in den letzten drei Jahren nicht eingerostet. Nein, sie quietschte nur leise. Der schmale Gang führte steil nach oben, Spinnweben zierten ihn und der Geruch von Ratten stieg penetrant in seine Nase. Dann erreichte er den kleinen Vorraum. Immer noch dunkel, aber hoch und breit genug um sich zu verwandeln und anzuziehen.
"So, mein Guter, nun legst du dich hin und schläfst ein wenig. Ich gehe jetzt zum Arzt, damit er dir neue Medizin verschreibt!"
"Ich brauche keine Medizin, Sanotthe. Hast du dich schon umgehört, ob mein Sohn endlich in der Stadt ist?"
"Nein, ist er nicht. Es tut mir Leid, aber ich habe drei Nachrichten geschickt und er antwortet nicht." Stille folgte. Drei Nachrichten?, dachte James. Er hatte nicht eine erhalten. Nur durch einen Zufall hatte er überhaupt davon erfahren. Am liebsten wäre James jetzt aus seinem Versteck gesprungen und hätte diesem alten Biest den Hals umgedreht. Er beherrschte sich, das konnte er seinem Vater nicht antun.
Schritte hallten durch den Raum. Eine Tür öffnete und schloss sich. Die Schritte wanderten weiter, bis sie selbst für sein empfindliches Gehör erstarben. Er öffnete die Tür und betrat den Raum. Der Mann auf dem Bett sah kaum noch aus wie sein Vater. Er war dürr und mager, seine Haut war eingefallen und blass und seine Augen starrten ins Leere. Wie eine Leiche, dachte James unwillkürlich. Er ist schon tot, ich bin zu spät. Nein, er war nicht tot, deutlich konnte er das Herz pochen hören. Unregelmäßig zwar, aber stark genug.
"Vater", sagte er leise und trat einen Schritt vor zum Bett. Der Mann drehte den Kopf. Ein Lächeln hauchte der Maske der Krankheit ein wenig Leben ein. "Vater."
"James." Die Stimme des Mannes war schwach. "Ich dachte..."
"Ich habe nicht eine ihrer Nachrichten erhalten. Ich denke nicht, dass sie überhaupt eine geschickt hat."
"Das würde sie nicht tun!" James grinste gequält. Die letzten Stunden seines Vaters und er wollte streiten. Das war nicht richtig. Er setzte sich auf einen Rollstuhl, der neben dem Bett stand und nahm die Hand seines Vaters in die Seine.
"Ich bin so froh dich zu sehen."
"Du kannst es fühlen, nicht war? Riechen, vielleicht sogar hören." Der Mann, der gar nicht so alt war wie er nun schien, versuchte sich im Bett aufzusetzen. Er schaffte es nicht. Er schien nicht nur zu schwach dazu zu sein, doch seine Muskeln schienen ihm nicht mehr zu gehorchen. Vorsichtig griff James seinem Vater unter die Arme und zog ihn ein wenig hoch, so dass er aufrecht gegen die Kissen gelehnt saß. Bei den Göttern war sein Vater schwach. James konnte sich noch erinnern, als sie beide durch die Hallen des Hauses getobt waren und er ihn durch die Luft gewirbelt hatte. Es war als wäre es gestern gewesen, doch es waren bald fünfzehn Jahre.
"Es ist nicht so schlimm wie es aussieht", sagte James' Vater und blickte dabei aus dem mit Eisblumen verzierten Fenster. "Sterben ist nicht so schlimm. Nicht mehr, jetzt wo du hier bist."
"Ich hätte nicht gehen dürfen. Wenn sie nicht gewesen wäre..."
"Rede nicht so über deine Stiefmutter. Sanotthe ist eine gute Frau, sie kam nur mit deiner... Art nicht klar."
"Edel ausgedrückt, Paps."
"Ihr hättet euch aneinander gewöhnt." Sie schwiegen eine Weile, dann ergriff James' Vater wieder das Wort. "Es geht immer schneller. Gestern noch war ich eine Weile draußen gewesen. Sanotthe ist nicht so gut was die Organisation des Haushalts angeht. Sie schreibt ihre Bücher.." Er hustete, holte dann röchelnd Luft und schloss für einen kurzen Augenblick die Augen. "Das Laub war immer noch nicht gefegt, und als ich zum Himmel sah, da wusste ich, dass ich ihn zum letzten Mal sehe." Er blickte hinüber zum Fenster. Der Himmel war grau und es hatte wieder begonnen zu schneien. Noch immer hielt James die Hand seines Vaters. Er konnte fühlen, wie der Puls schwächer wurde.
"Nicht jetzt!", Tränen versuchten sich den Weg aus James' Augen zu bahnen. Er kämpfte dagegen an, doch gegen seinen wahren Feind, den Tod, konnte er nichts tun. Mit aller Kraft drehte Thomas von Ostend den Kopf und blickte in die Augen seines Sohnes. Man hatte ihm immer gesagt, sie hätten die gleichen Augen. Blaßblau und wohl ein klein wenig zu weit auseinander. Doch nun schimmerten Tränen in den Augen des jungen Mannes. Im Augenwinkel sah er ihn. Im schwarzen Unhang, eine Sense in der knochigen Hand. War es nur eine seiner Halluzinationen? Er hatte sich in letzter Zeit viel eingebildet, Dinge gehört, die es nicht gab, doch dort stand der Tod. Stumm nickte er ihm zu. Dann starb er.
Abschied einer Mutter
Die Frau in dem kleinen Besprechungszimmer sah aus wie ein Bündel Kleider, den jemand achtlos hingeworfen hatte. Zusammengekauert saß sie auf dem Stuhl. Nur ihr leises Schluchzen offenbarte, dass sich in den Kleidern ein Mensch verbarg. Rea schluckte. Die kleine Wasserspeierin, wie Rea erfahren hatte war sie weiblich, schlug unwirsch mit ihrem Schwanz hin und her. Die Gefreite ging auf die Frau zu.
Erinnerungen kamen auf. Wie lange war es her gewesen, als sie und ihre Adoptivmutter, gemeinsam in einer Gewitternacht einem toten Kind auf die Welt geholfen hatten. Drei Jahre? Vier? Sie wusste es nicht mehr. Doch den Moment, als sie das kleine Etwas für einen kurzen Moment in den Armen gehalten hatte, würde sie nie vergessen. Die Mutter, vollkommen kraftlos auf dem Lotterbett, hatte immer noch nach ihrem Kind geschrieen. Sie hatte nicht aufgehört, bis Rea es ihr in den Arm gelegt hatte. Dann hatte sie es gewiegt, leise gesummt, als ob es in der fernen Welt wo es nun war sie immer noch hören konnte. Die Frau schrie nicht, doch der Ausdruck in ihren Augen war derselbe, als sie zu Rea aufsah. Ihre Augen waren blutunterlaufen und blickten anklagend in die grausame Welt.
Rea setzte sich neben die Frau. Von nahem betrachtet wirkte sie jünger. Sorgen und Armut hatten sie alt gemacht, doch Rea schätzte sie auf gerade mal dreißig. Dunkelbraune, fettige Strähnen hingen in ihr Gesicht und Tränen rannen über ihre Wangen.
"Wie heißen Sie?", fragte Rea vorsichtig. Die Frau sah auf und starrte der Gefreiten ins Gesicht.
"Marion Bradly", die Stimme klang trocken, aber gefasster, als Rea es erwartet hatte. "Ich möchte ihn sehen."
"In Ordnung." Rea führte Mrs. Bradly durch die dunklen Gänge, bis sie die Gerichtsmedizin erreicht hatten. Sie war sich nicht sicher, ob es erlaubt war, Fremde dort hinein zu lassen, doch im Grunde genommen war ihr dies egal. Der Respekt, den sie normalerweise allen Regeln, seien sie nun sinnvoll oder nicht, gegenüber erwies, ließ beim Anblick eines leidenden Menschen nach.
Sie öffnete die Tür. Stärker als sonst wurde ihr der intensive Leichengeruch bewusst, doch im Gegensatz zu Mrs. Bradly war sie daran gewöhnt. Sie versuchte nun, Sicherheit vorzuspielen. In solchen Situationen war es besser, wenn man zumindest so tat als hätte man die Kontrolle über alles.
Das Leichentuch lag noch über dem kleinen Körper, nur dir Füße, geschmückt mit einem nicht ausgefüllten Identifikationskärtchen, ragten darunter hervor. Marion blieb neben ihr stehen. Schweigend blickten die beiden Frauen auf das Tuch, bis Rea endlich den Mut dazu aufbrachte, dass dreckige Stück Leinen zu entfernen. Die Mutter, die bis eben noch schluchzend da gestanden hatte, verstummte. Zärtlich strich sie mit der Hand über die Wange ihres Sohnes mit einer Maske des Schmerzes auf dem Gesicht. Lautlos rannen Tränen über die Wangen von Mrs. Bradly, tropften auf das Leintuch und das kleine, engelsgleiche Gesicht.
Eine Weile war es still. Nur das leise Schluchzen Mrs. Bradlys war zu hören. Gespenstisch hallte es in dem Raum, als ob alle Mütter dieser Welt weinten.
"Ich bin keine schlechte Mutter!", begann Marion, ihre Stimme immer wieder von Tränen unterbrochen. "Ich kann nichts dafür! Er sollte abends zu Hause sein... aber in diesem Alter... Er kam einfach nicht nach Hause. Morgens ging er immer los und versuchte, irgendwo Arbeit zu finden... Ich wollte das nicht! ...Ich konnte ihn nicht davon abhalten. Dann kam er gestern nicht nach Hause. Es ist nicht meine Schuld."
"Nein, das ist es nicht", sagte Rea und zweifelte nicht einen Moment daran.
"Wie heißt er?" Rea wählte bewusst die Gegenwart. Mütter, die Angst vor einer Geburt hatten, fragte man nicht, wie ihr Kind heißen solle, sondern wie es heißt. Man durfte sie nicht zweifeln lassen, dass alles gut gehen würde. Ähnliches galt sicherlich auch für den Tod, schloss Rea. In den Gedanken einer werdenden Mutter ist das Kind schon lebendig. In den Gedanken einer trauernden Mutter bleibt es lebendig. Daher Gegenwart, nicht Vergangenheit. Das Kind
ist ihr Kind, es wird es niemals
gewesen sein.
"Marten."
"Ich möchte Ihnen anbieten, mit sich einem unserer Püschologen zu unterhalten. Es tut gut, mit jemanden darüber zu sprechen." Im Gedanken fügte sie hinzu, dass sie dafür nämlich nicht die richtige Person wäre. Leichen waren einfach. Sie redeten zumeist nicht und waren durchaus einfach im Umgang.
James jagte durch die Straßen von Ankh-Morpork. Irgendwas war faul an der Sache. Sein Vater hatte seltsam gerochen. Nach Tod, ja, aber auch nach Metall. Metall in größerer Menge. Dann drängte sich ein anderer Gedanke in den Vordergrund. Sein Vater war tot. Unwiederbringlich. Für immer von dieser Welt verschwunden. Nur sein Körper lag noch in dem großen Bett in seinem Zimmer. Er dachte an den schwachen Puls, an die blasse Haut und die zittrige Stimme. Seine Pfoten berührten den kalten Schnee kaum. Er musste laufen, laufen. Weg von diesen Gedanken an die Endgültigkeit des Geschehenen, weg von der Angst vor dem Anblick des Todes. Laufen!
Kirschen
Endlich war Rea wieder allein. Sie holte ihr Sezierbesteck aus der Tasche, legte es auf die Bahre und betrachtete den Jungen noch einmal. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er etwas in der Hand hielt. Verkrampft hatte sich seine Hand darum geschlossen, als hätte er sich in den letzten Sekunden daran geklammert. Es knackte, als sie die Finger mit roher Gewalt öffnete. Klirrend fielen drei Münzen auf den Seziertisch. Dreißig Ankh-Morpork Cent. Wo hatte er die her? Und wenn schon, ein Motiv für einen Mord bot das nicht.
Sie musste eine Schere verwenden, um den Körper zu entkleiden. Der Junge war übersät von blauen Flecken, wohl eine Folge vom Leben in Ankh-Morpork. Die Knie waren aufgeschlagen, doch ansonsten war der Junge vollkommen gesund. Ein wenig dünn vielleicht, doch noch immer gab es keinen Grund anzunehmen, er sei einfach so umgefallen. Rea nahm ihr Skalpell und begann mit der wahren Gerichtsmedizinerarbeit. Schnell fand sie ein intaktes Herz, für Stadtluft ziemlich saubere Lungen und einen gefüllten Magen. War dem jungen schlecht geworden und er hatte sich in den Schnee gelegt, um zu verschnaufen? Das war denkbar. Sie schnitt vorsichtig durch die Magenschleimhaut, konnte aber nicht vermeiden, dass einige Spritzer des Inhalts ihre Schürze erreichen. Sie zog die Nase hoch bei dem Gestank. Eilig holte sie ein Becherglas und füllte die dunkle, rotbraune Masse mit Hilfe eines extra für solche fälle gestalteten Löffels aus dem Magen.
"Wie das meinen Appetit anregt..", dachte sie sarkastisch und schraubte einen Deckel auf den Becher.
James lief schneller. Er hatte eine Idee. Seine einzige Hoffnung. Eilig trugen seine Pfoten ihn in Richtung Pseudopolisplatz.
Das Innerste
Rea stellte das Glas vorerst auf den Schreibtisch. Sie hatte nichts weiter Sonderbares in dem Körper des Jungen gefunden und schrieb das nun auf. Sie sah auf, als sich die Tür öffnete und ein, wie eigentlich immer, gutgelaunter Herr Made das gerichtsmedizinische Labor Jack Narrators betrat. Er hob die Kaffeetasse zur Begrüßung und entdeckte dann das Glas mit dem Mageninhalt. "Lecker", sagte er ernsthaft und wollte das Glas öffnen. Als er Reas erschreckten Gesichtsausdruck sah, grinste er und stellte es wieder zurück. "Was ist los? Sonst lachst du über solche Sachen", sagte der Obergefreite gespielt schmollend.
"Nicht bei dieser Leiche. Er war noch ein kleiner Junge."
"Tot ist tot", sagte Made und sah zu dem Seziertisch hinüber. Der tote Junge war mittlerweile wieder mit einem Tuch abgedeckt. "Mitgefühl solltest du in diesem Tschob nicht an dich ranlassen."
"Das weiß ich selbst", sagte Rea ein bisschen schroff, weil sie wusste, dass er Recht hatte.
"Sag mal," versuchte Made das Thema zu ändern, "Was ist da eigentlich drin in dem Glas. Sieht aus wie Kirschen!"
"Ja, seltsam, nicht?", Reas Ton war jetzt wieder sachlich. "Im Winter gibt es gar keine Kirschen. Und Obst ist in Ankh-Morpork sowieso ziemlich teuer. Der Junge hatte nicht viel Geld.."
"Eingemachte Kirschen vielleicht?" Als ehemaliger Zuckerbäcker kannte er sich mit Kirschen aus. Sie war doch immer wieder der krönende Abschluss einer Torte, die obligatorische, eingemachte Kirsche.
"Stimmt. Aber trotzdem. Sieh mal wie voll das Glas ist. Er hat wohl ein ganzes Glas eingemachte Kirschen gegessen."
"Hast du nie Heißhunger auf Schokolade?" Rea wurde leicht rot.
"Nur selten... Aber das mit den eingemachten Kirschen ist eine gute Idee."
Made grinste. "Mach dir nicht so einen Kopf um den Jungen. Das wäre ein großer Fehler!" Natürlich war das ein großer Fehler, Rea wusste es auch. Made verabschiedete sich wieder, seine Besuche hatten selten einen Grund, außer dass er wusste, dass er Rea damit ein wenig aufheitern konnte. Fast den ganzen Tag nur mit dem Sezieren von Leichen zu verbringen war nicht einfach. Warum redete man nicht einfach mit einer von ihnen? Sie musste das Glas ins Labor bringen, schob dies aber auf später auf. Sie ging noch einmal zu dem Jungen. Marten. Sie betrachtete sein Gesicht. Unschuldig und - letztendlich - tot. Es erinnerte sie an etwas, dass ihre Adoptivmutter vor Jahren zu ihr gesagt hatte, als sie sie gefragt hatte, warum es ihr nichts ausmachte, Totgeburten zu holen, oder Mütter und Kinder sterben zu sehen.
"Es macht mir schon etwas aus", hatte sie gesagt. "Doch ich weiß, dass Geburt und Tod Anfang und Ende eines Kreises sind."
"Das verstehe ich nicht", hatte Rea geantwortet. "Ein Kreis hat doch weder Anfang noch Ende!"
"Eben."
Rea hatte sich noch lange gefragt, was es bedeutete. Doch auf einmal wusste sie es. Sie sah es in dem Gesicht des Jungens und es war ihr unerklärlich warum sie es verstand. Es machte auf einmal Sinn, ohne dass sie es hätte erklären können. Vielleicht war es der Wille der Götter, vielleicht aber auch die Grausamkeit des Lebens, doch es war Teil eines Ganzen. Sie fühlte sich dem zugehörig, genauso wie Marten ihm zugehörig gewesen war, oder, nein, immer noch war. Der Kreis versinnbildlichte jedoch nicht das einfache Gestell einer Wiedergeburtenkette, auch wenn es diesem recht Nahe kam. Es war auch nicht der Lebenszyklus, der durch die vier Jahreszeiten dargestellt wurde. Es war wie eine Mischung von Beidem und es war.. einfach. So einfach, so verständlich, so einleuchtend. Jeder hätte darauf kommen können, Geburt und Tod waren Anfang und Ende eines Kreises.
Die Obergefreite Isis versuchte gerade, die Beschaffenheit eines seltsamen Pulvers festzustellen. Vorsichtig gab sie einige Tropfen Säure dazu. Nur eine winzige Menge träufelte sie darauf. KNALL! Auf dem Tisch gab es eine kleine Explosion, die ihr um ein Haar die Augenbrauen angesengt hätte. Sekunden später klopfte es an der Labortür.
"Herein!", rief die Mumie. Sie drehte sich zur Tür. "Guten Mittag, Rea" sagte sie und salutierte. Die eintretende Wächterin erwiderte den Gruß und kam, sehr zu Isis' Freude gleich zum Punkt. "Ich habe Arbeit für dich. Der Mageninhalt eines Jungens."
"Irgendwelche Anhaltspunkte wonach ich suche soll?"
"Es sieht nach eingemachten Kirschen aus, deshalb sollte man sich auf Gifte fokussieren, die.."
"..beim Einmachen entstehen", beendete Isis den Satz. "Da gibt es gar nicht mal so viele wie man immer meint. Möglicherweise habe ich das Ergebnis schon heute Abend."
Rea machte sich auf den Weg zurück in die Gerichtsmedizin. Auf dem Weg dorthin fing sie der Hauptgefreite Jack Narrator ab. "Filigranstraße oder Kurze Straße?", fragte er. Rea sah ihn verdutzt an und wunderte sich worum es ging. Dann sah sie zwei Briefe in den Händen des Gerichtsmediziners, doch ehe sie antworten konnte drückte er ihr schon einen der beiden in die Hand. "Du nimmst die Kurze Straße. Die Filigranstraße ist nämlich nicht so weit zu laufen." Rea nahm den Zettel entgegen.
"Okee", murmelte sie und begann im gehen zu lesen.
Anzeige wegen Mordes in der Kurzen Straße Ecke Straße Schlauer Kunsthandwerker. Alter Mann. Starb heute morgen.Kurze Straße Ecke Schlaue-Kunsthandwerker Straße. Sie las die kargen Informationen auf dem Blatt und ging dann los.
Die Muse
Sanotthe von Rhüffel-Ostend saß über ihrem neuesten Buch. Achja, wie die Trauer sie zu neuen Höhen der Dichtkunst führte. Wie lange war sie mit ihm verheiratet gewesen? Fünf Jahre? Überdurchschnittlich lange, für sie zumindest. Oben waren sicherlich schon die Bestatter am Werk. Sie wollte bei dieser ekelhaften Arbeit nicht dabei sein. Es gab jetzt wichtigeres zu tun. Ihre Aufzeichnungen waren vollendet. Es gab nichts Schöneres, nichts Einfacheres als einen guten, langsamen Tod. Nichts inspirierte sie mehr. Andere Leute machten seltsame Verrenkungen im Garten um von den Göttern Einfälle für ihr nächstes Buch zu erhalten. Sie musste lediglich töten. Nun, was hieß da lediglich. Es war ein enormer Aufwand. Niemand sollte es bemerken und man musste das Dahinsiechen genießen. Nur das grausame Leiden des Sterbenden war befriedigend genug, um in einem Buch seine Vollendung zu finden. Und heute hatte sie einen der Höhepunkte ihrer Karriere erlebt. Nur zu schade, dass sie nicht dabei gewesen war, als seine Seele den Leib verlassen hatte. Jedoch war dies auch nicht der wichtigste Teil der Prozedur. Wichtig war die Antizipation des Todes. Wie herrlich war es gewesen, als er eine Weile lang geglaubt hatte, in einem Feld voll Blumen zu sitzen. Es war einfach, jemandem ein Messer ins Herz zu rammen. Sie hatte es bereits getan. Damals, in Quirm, hatte eine Dienstmagd dran glauben müssen. Wie sie sich gewehrt hatte, wie sie geschrieen hatte nach ihrer Mutter! Sie hatte danach ein Gedicht über eine sterbende Tochter geschrieben.
Ich schrie nach dir,
Kaum konnt' ich atmen
Und nun da mir's den Atem stiehlt.
Ich ruf nach dir,
Ich schreie auf,
Nimm mich in deine Arme,
Verlass mich nicht,
Die mich führt' zum Licht,
Die will ich nicht verlassen!
Die letzten beiden Zeilen hingen nun, oft in kleinen Stickereien, in vielen Häusern. Doch es war ihr zu schmutzig gewesen. Das ganze Blut, der Kampf, die Angst, etwas falsch zu machen, so dass sie zu schnell starb.
Bei ihrem ersten Ehemann hatte sie Gift genommen - und wäre beinahe aufgeflogen. So schnell, hatte der Arzt gesagt, starb niemand an Herzinfarkt, vor allem, da ihr Mann damals jung und gesund gewesen war. Sie hatte ihn getötet. Nun, es war eine Kurzschlusshandlung gewesen, doch der Arzt hatte es nicht anders gewollt. Er hätte doch nur den Totenschein unterschreiben müssen, dann hätte sie ihren Mann beerdigen können. Nun, es war noch mal alles gut gegangen. Langzeitgifte. Das war die Lösung gewesen. Am Anfang zeigten sich nur winzige Symptome. Grippe, Schwäche. Doch dann war es wie bei einer künstlich hervorgerufenen Krankheit. Langsames Dahinsiechen und keiner merkte etwas. Sie begann wieder zu schreiben. Ein Roman sollte es werden und sie war schon mitten drin. Es sollten die letzten Wochen eines kranken Mannes sein und die Öffentlichkeit würde glauben, sie hätte damit den Tod ihres Gatten verarbeitet.
Eine seltsame Krankheit
Es schneite immer noch. Eisig peitschte der Wind jetzt durch die engen Gassen. Auf der Kurzen Strasse hatte sich ein langer Stau von Ochsenkarren gebildet. Manche waren mit ihren Rädern im tiefen Schnee stecken geblieben und einige Trolle versuchten sie wieder heraus zu schieben. Ein Berg aus Schnee hatte sich auf Reas Mütze gebildet, als sie and dem Haus ankam. Es war tatsächlich direkt gegenüber ihrem Stammlokal. Oft hatte sie den breiten Weg, der zu dem großen Haus hinaufführte schon betrachtet, doch sie hatte ihn noch nie beschritten. Das Tor war offen und Rea betrat andächtig die Allee aus kahlen Bäumen. Der Weg war mit Salz gestreut worden und der Schnee, der neu darauf fiel schmolz beim hinsehen. Über dem Tor war ein hölzernes Wappen angebracht. Eine Rose lag senkrecht auf einem vierzackigen Stern, über der wiederum ein Pfeil lag, der nach rechts deutete.
Sie klopfte an die große, zweiflüglige Tür, die von einem Hausmädchen geöffnet wurde. Ihre Augen waren blutunterlaufen und dunkle Ringe zeichneten sich unter ihnen ab. Ihre Haut war fahl, fast durchsichtig, so dass Rea einzelne Adern darunter erkennen konnte.
"Sie wünschen?", fragte eine hohe, vom Weinen kratzige Stimme. Rea hielt ihre Marke hoch.
"Mein Name ist.." Weiter kam sie nicht.
"T-treppe hoch, re-rechts, zweite Tür l-links", schluchzte das Hausmädchen. "Sie.. Sie sind nicht d-die Erste. B-Bitte ver-verhalten Sssie sssich ruhig, ihre Ladyschaft mag es ni-nicht, w-wenn zuviel Lärm im Haus ist...."
Rea folgte den Anweisungen. Als sie die Treppe hinaufging, sah sie eine RUM-Uniform in einer Tür verschwinden. Sie war also tatsächlich nicht die Erste. Hinter der zweiten Tür links entdeckte sie Charlie Holm und eine Leiche. Der Hauptgefreite grüßte nur kurz und begann dann die Medikamente aus einem Schränkchen herauszunehmen und Proben davon einzupacken. Rea ging an das Bett. Ein Himmelbett, mit dunkelroten Sammetvorhängen. An einem der vier Pfosten war eine Glocke befestigt, in der Mitte des Zimmers lag ein Tablett. Ein Kaffeefleck hatte sich auf dem Teppich ausgebreitet umgeben von Porzellanscherben. Offensichtlich hatte ein Zimmermädchen den Toten entdeckt, als sie ihm das Frühstück hatte bringen wollen. Nun, das gehörte nicht zu ihrer Aufgabe. Sie wand sich wieder der Leiche zu. Bleich wie das Laken lag der Mann da. Seine Augen waren geschlossen. Sein letzter Blick hatte wohl jemandem gegolten, der in dem nebenstehenden Sessel gesessen hatte. Die rechte Hand war seltsam verkrampft, als hatte er sie heben wollen, kurz bevor er starb. Rea zog die Decke herunter. Der Mann trug einen seidenen Pyjama, dessen schillernd schwarze Farbe einen seltsamen Kontrast zu seiner fahlen Haut bot. Vorsichtig zog sie das Pyjamaoberteil ein wenig hoch, als sie ein Blitzlicht bemerkte.
"Kannst du mich nicht vorher warnen?", fragte Rea. Charlie Holm zuckte die Schultern. Aus seinem Ikonographen drang das Geräusch wilden Gekritzels. "Nichts für ungut, aber ich muss doch die genaue Position des Toten festhalten." Mit einem großen Kraftakt drehte Rea die Leiche um. Sie bat Charlie, den Rücken des Toten zu ikonographieren, auf dem sich ein besonders schönes Exemplar von Totenflecken zeigte. Die Falten seinen Pyjamas waren darauf noch sichtbar. Während Charlie sich dem Tablett auf dem Boden widmete, drehte Rea die Leiche wieder um. Sie zog seine Lider hoch. Starre, hellblaue Augen sahen ihr ausdruckslos entgegen. Dann öffnete sie seinen Mund. "Bei allen Göttern!" In seinem Mund befanden sich nur Zahnstummel, die meisten von ihnen schwarz. Das Zahnfleisch zeigte Paradonthose in einem Stadium, dass bereits blanker Knochen sichtbar
war. So etwas kam allgemein selten vor. Die Leute verhungerten, bevor sie solche Zähne bekamen, denn an Kauen war so nicht mehr zu denken. Sie schloss den Mund des Mannes wieder und betrachtete seine Haare. Seine Kopfhaut war wie ein Schlachtfeld. Es wuchsen nur kurze, struppige Borsten darauf, rote Stellen wiesen auf Geschwüre hin. Vorsichtig zupfte sie an einem Haar, es bot kaum Widerstand. Haarausfall und Geschwüre am Kopf. Sie schluckte. Die Fingernägel waren nicht besser. Gelb und marode waren sie aus seinen Fingerkuppen gewachsen. Es war einfach.. ekelhaft. Dabei konnte der arme Kerl ja nichts dafür. Man hatte ihn doch umsorgt wie ein Baby, darauf ließen zumindest die vielen Medikamente schließen, die Charlie Holm gerade aus dem Nachtschränkchen räumte.
"Entschuldigung?"
"Ja?" Rea drehte sich um. Ein Mann mit grauem Haar und tiefen Falten stand vor ihr. In seinen Händen hielt er eine Mappe.
"Ich bin der behandelnde Arzt und ich schätze, du bist die Gerichtsmedizinerin?"
"Ja", sie sah ihn misstrauisch an. Was wollte er von ihr. Wenn er ein Arzt war, dann hatte er den Mann wohl eher umgebracht, als eine Krankheit.
"Ich denke du kannst das hier sicherlich gebrauchen. Es ist seine Akte. Ich weiß bis heute nicht, was ihm fehlte. In der Wache hat man sicherlich bessere Möglichkeiten, es herauszufinden..."
"Warum haben Sie das nicht dem zuständigen Ermittler gesagt?"
"Was versteht der denn davon?" Rea nickte. Sie wusste noch immer nicht, wer überhaupt zuständig dafür war. Der Arzt nickte auch. Er verabschiedete sich und wünschte ihr in einem seltsam vertraulichen Tonfall viel Glück.
Rea betrachtete noch einmal die Leiche und sah dann in die Akte. Sie blinzelte, dass konnte so doch nicht stimmen! Es war nur fünf Wochen her, dass sich erste Symptome gezeigt hatten. Der Mann hatte über Schlaflosigkeit und Taubheitsgefühle in den äußersten Extremitäten geklagt, doch dann veränderte sich der Zustand des Kranken immer wieder drastisch. Dann hatte er an starken Magenschmerzen gelitten. Doch der Arzt hatte erstaunlicherweise richtig gehandelt. Die verabreichten Medikamente hatten jedoch nicht angeschlagen. Das war äußerst seltsam, zumindest eine Verbesserung seines Zustandes hätten sie hervorrufen müssen. Einige Tage später hatte der Kranke an Durchfall gelitten und wieder hatten die Medikamente, die eigentlich hätten wirken müssen, nicht angeschlagen. Seltsam war auch, dass grundlos Schmerzen auftraten, vor allem an Händen und Füßen, ohne dass es einen Grund dafür gegeben hätte. Wutausbrüche waren vermerkt gewesen, in denen der Kranke fast hysterisch geschrieen hatte. Im Großen und Ganzen war nur eine Entwicklung des Mannes konstant gewesen, der allgemeine Gesundheitszustand hatte stetig abgenommen. Doch gestern war dem anders gewesen. Laut der Akte hatte der Tote dann sogar das Bett verlassen und war an die frische Luft gefahren worden, mit dem Rollstuhl, der neben seinem Bett stand. Das war ein trügerisches Zeichen. Nach so langer Krankheit war eine plötzliche Verbesserung der Gesundheit mehr ein Zeichen für einen baldigen Tod. Es war, als würde der Körper noch einmal jegliche Energie zusammenraffen, nur um glorreich unterzugehen.
"S-sind Sie damit-t fertig?", die Stimme des Dienstmädchens klang immer noch verheult. Ihr Gesicht sah nicht viel besser aus. Sie hatte versucht, ihre Tränen zu überschminken, doch der schwarze Lidstrick war verflossen, ebenso wie der Puder, der ihr gerötetes Gesicht hatte verbergen sollen. Mit der Zustimmung des Spurensicherers räumte sie nun die Porzellanscherben auf das Tablett. Rea sah das Mädchen freundlich an, als eine Frau in der Tür erschien. Sie war gekleidet in Brokat und Seide, ihre Frisur war turmhoch und ließ ein eigentlich hübsches Gesicht streng und erhaben wirken.
"Hilda! Was belästigst du die Leute!"
"Ich, ich wollte doch nur aufräumen!", sagte das Dienstmädchen kleinlaut und starrte zu Boden. Dann, als hätte sie sich selbst vergessen, knickste sie so tief, das Rea glaubte, sie könne von selbst nicht wieder aufstehen. Wider Erwarten schaffte sie es doch und ging eilig aus dem Zimmer.
Das Gesicht der Hausherrin war steinhart als Rea ihr höflich zunickte.
"Sind Sie hier endlich fertig?", fragte die Hausherrin mürrisch und dennoch hochnäsig.
"Ja, ich denke schon.."
"Gut, dann kann ich ja die Bestatter rufen."
"Nein, ich nehme ihn mit. Ich gebe ihnen Bescheid, wenn sie ihn beerdigen können." Der Blick in den Augen der Hausherrin veränderte sich. War es Angst? "Wir werden ihrem Mann nichts tun, keine Sorge.", sagte Rea, etwas unsicher. Sanotthe von Rhüffel-Ostend sagte nichts.
Ratten und Wappen
Als Rea in die Gerichtsmedizin zurückkehrte, stand bereits jemand vor der Tür und wartete.
"Olga!", freute sich Rea, als die das Gesicht der Gefreiten im Halbdunkel des Flurs erkannte. "Was treibt dich denn hierher?"
Olga salutierte förmlich und grinste dann. "Hier, ich hoffe das bringt dich weiter. Das lag da, wo du den Jungen gefunden hast." Rea nahm die Tüte entgegen. Darin war ein Einmachglas, in dem ein wenig dunkelrotes Zeug und einige Kirschen schwappten. Sie starrte es an. Die Prägung auf dem Deckel sagte ihr etwas. Sie konnte sich schon immer nutzlose Details besonders gut merken. Ein Stern, darüber eine Rose, über der ein Pfeil, nach rechts deutend, lag. Rea starrte ihre Freundin an.
Rea saß am Schreibtisch und studierte die Akte von Thomas von Ostend. Gleichzeitig aß sie. Bei allen Göttern, dachte sie, der Mann hatte mindestens acht verschiedene Krankheiten, die alle wie aus dem Nichts auftauchten, teilweise wieder verschwanden und enormen Schaden hinterließen. Laut der Akte war er allein gestorben, doch war sein Blick nicht auf den Sessel gerichtet gewesen?
Rea beendete ihr Mittagessen und ging dann zu von Ostends Leiche hinüber. Sie begann, den Leichnam zu öffnen, doch als sie den ersten Schnitt gesetzt hatte, wich sie entsetzt zurück. Es stank fürchterlich. Alle Leichen stinken, teils nach Verwesung, teils nach dem, in dem sie gelegen hatten, doch es war bei weitem nicht so entsetzlich wie bei diesem Mann. Es stank wie bei einer Exhumierung im Hochsommer!
Rea legte das Skalpell wieder beiseite und nahm ein Fläschchen aus ihrer Tasche. Es enthielt Lavendel in einer so hohen Konzentration, dass man normalerweise nur einen Tropfen in einen Liter Wasser (Zwei Tropfen bei Wasser aus dem Ankh), geben musste, um einen guten Inhalationssud gegen Kopfschmerzen zu erhalten. Jetzt jedoch hielt Rea das Fläschchen unter die Nase und atmete tief ein. Nach einem kurzen Brennen in den Nebenhöhlen stellte sich eine angenehme Geruchsunempfindlichkeit ein. Sie holte noch einmal tief Luft und setzte dann den Schnitt fort. Was sie befürchtet hatte war tatsächlich wahr. Die Leiche war, man konnte es kaum anders beschreiben, innerlich verrottet. Die Lunge glich der eines Zauberers, schwarz und verschrumpelt, als wäre der Mann Kettenraucher gewesen, was jedoch nicht zutraf. Das Herz wies Verstopfungen der Gefäße auf, doch die verordnete Diät des Arztes hatte kaum Fett enthalten, daran konnte es also nicht liegen. Die Magenschleimhaut, oder das, was davon übrig war, war so stark angegriffen, dass der Mann wohl seit Tagen nichts mehr zu sich genommen hatte. Geschwüre verengten den Darm an machen Stellen so sehr, dass sich davor jedoch immer noch halbverdaute, verrottete Nahrung finden ließ. Sie war sich mittlerweile sicher, dass es Gift war. Welches wusste sie nicht, doch sie konnte sich einfach nicht daran erinnern, welche Krankheit solche Schäden hinterließ. Vorsichtig zupfte sie einige der übrig gebliebenen Haare aus und brachte sie ins Labor.
James beobachtete das Haus bereits seit Stunden. Wächter waren ein- und ausgegangen, jedes Mal hatte ein verstörtes Dienstmädchen die schwere Tür geöffnet. Dann hatten sie den Leichnam seines Vaters hinaustransportiert. Es war so unwirklich. Vor wenigen Jahren noch hatte er in diesem Haus gelebt. Er hätte alles haben können, wenn sein Vater diese grässliche Frau nicht geheiratet hätte. Sie war ihm von Anfang an unsympathisch gewesen, doch der Hass hatte sich gesteigert, mit jedem Tag, den sie in seiner Nähe verbrachte. Sie hatte ihm das Leben zur Hölle gemacht, weil er ein Werwolf war, weil er anders war. Doch hätte er gewusst, was passieren würde, hätte er gemerkt, was für eine Macht diese Frau über seinen Vater haben könnte, er hätte Ankh-Morpork nie verlassen. Er war sich sicher, dass sie seinen Vater umgebracht hatte. Und er war sich sicher, dass er es hätte verhindern können.
"Oh, Rea. Ich bin gerade fertig geworden!" Die Obergefreite Isis lächelte fröhlich und reichte Rea ein Blatt Papier.
"Botulinus-Toxin
[2]?" Rea staunte nicht schlecht.
"Ja, seltsam, nicht war? Und auch noch in dieser Konzentration. Die normale Menge an Botox in einem Einmachglas Kirschen ist gar nicht messbar, aber hier? Das muss jemand wissentlich dazugetan haben."
"Der Junge wurde also vergiftet? Das ist noch seltsamer, denn alles was er bei sich trug waren 40 Cent." Isis sagte nichts. Sie hatte das Einmachglas entdeckt, das Rea bei sich trug.
"Ach, ja. Hier!", Rea stellte das Einmachglas auf den Tisch. "Ich schätze, die Kirschen waren vorher hier drin. Jetzt wo du weißt wonach du suchst, sollte es nicht schwierig sein, es zu bestätigen."
Die Obergefreite nickte und besah sich dann das kleine Säckchen, dass Rea ihr gab. "Was ist da drin?"
"Haare."
"Und wonach suchen wir?"
"Es müsste auch Gift darin sein. Irgendetwas was die Organe besonders stark angreift."
"Kein Problem." Isis sah der Gefreiten hinterher, als sie das Labor verließ. Ständig etwas neues, dachte sie. Doch zum Glück hatte sie jetzt jemanden in der Ausbildung, der den ganzen Kleinkram erledigte und so mehr Zeit, sich auf solche ominösen Haare zu fokussieren. Sie öffnete den Deckel und roch vorsichtig daran. Es war geruchlos. Sie nahm einen der Spatel, tat etwas davon in ein Schälchen und wandte sich dann an den Labordrachen.
Als Laborratte lebte man ein ziemlich einsames Leben. Gefährlich war es zudem noch und wenn sich die Chance ergab, warum sollte man dann nicht den Käfig verlassen? Vorsichtig schnupperte Punky an seinem Käfiggitter, das er eben, nach einer langen Nacht, offen vorgefunden hatte. Es roch nach Abenteuer und so beschloss er, endlich einmal die kleine Welt des Kaninchendrahts zu verlassen. Gekonnt kletterte er das Regal hinunter, lachte einigen anderen Ratten höhnisch zu und sprang dann auf den Labortisch.
Der Mensch, oder das, was wie ein Mensch aussah, aber bei weitem nicht so roch, hatte ihm den Rücken zugedreht und diskutierte mit dem verschlafenen Labordrachen. Dann sah Punky sein erstes Abenteuer. Jemand hatte ihm Zucker hingestellt, eine kleine Schüssel Zucker. Vorsichtig richtete stellte er sich in die Schale, immer bedacht darauf, sie nicht umzuwerfen. Er leckte am Zucker. Dann noch einmal. Es schmeckte gar nicht wie Zucker. Ihh, Bääh! Wer stellte ihm denn so was hin? Als er bemerkte, wie der Mensch sich umdrehte, ließ er davon ab und versteckte sich hinter einem großen, weißen Gefäß. Seine Zeit würde kommen.
Isis war am verzweifeln. Keine ihrer Proben ging auf, nichts half. Sie hatte die Haare zerrieben und dann getestet. Grüne Stichflammen entstanden, wenn man es entzündete. Ein klarer Hinweis auf Metall, nur welches? Sie konnte das Pulver zehn Mal aufkochen, der Schmelzpunkt blieb derselbe und ihm war keine Substanz zuzuordnen. Dann versuchte sie Nachweismethoden anderer Art. Sie gab Säuren dazu, Basen, suchte nach einer zu vergleichenden Chemikalie. Sie nahm die große Büchse Brom vom Regal. Vielleicht konnte sie damit etwas erreichen. Es quiekte. Hinter dem weißen Gefäß hatte sich eine Ratte versteckt. Sie lag auf dem Rücken und versuchte fieberhaft, sich über den Bauch zu streichen.
Isis nahm Punky in die Hand. An seinen Nasenhaaren hingen weiße Kristalle. Er hatte von dem Pulver gefressen und hatte es war ihm nicht bekommen.
Rea saß am Schreibtisch und hakte eine Liste ab. Die Liste waren die Krankheiten, die der Arzt des Toten erkannt hatte und Rea verglich sie nun mit den Ergebnissen der Obduktion. Doch ihre Gedanken schweiften ab. Das Schneevaterfest war nicht mehr weit. Immer wieder bekam sie Visionen, wie sie am Silvesterabend alleine in ihrem Zimmer saß. Ihr Sarkasmus hatte heimlich still und leise diese Vision bearbeitet und nun trug Rea in dem mentalen Bild auch noch ein Partyhütchen und blies einsam in eine sich aufrollende Papiertröte. Grimmig schaute sie auf ihr Papier, als es klopfte. Isis betrat das Büro und sie sah auch nicht viel glücklicher aus als Rea.
"Punky ist krank", sagte die Laborantin.
"Bitte, wer?", fragte die Gerichtsmedizinerin. "Eine Laborratte. Er scheint von dem Haarpulver gefressen zu haben." Die Obergefreite zog die Ratte aus ihrem Laborkittel und reichte sie Rea. Punky bewegte sich kaum noch. Er zappelte nur leicht, als Rea ihn in die Hand nahm und sie sich anschaute. Sie öffnete den Mund der Ratte. Nichts Besonderes. Die andere Seite jedoch erwies sich als aufschlussreicher.
"Darmverschluss!", sagte Rea. Sie sah die Laborantin an, die sofort schaltete.
"In den Haaren war Strychnin?"
"Es wäre möglich, doch Strychnin wirkt schneller, wenn ich mich richtig erinnere. Der Mann dort hat über einen Monat gebraucht um zu sterben." Sie wies hinüber zum Seziertisch und strich dabei der Ratte sanft über den Bauch. "Es ist auf jeden Fall ein Schwermetall. Grüne Flammfärbung.."
"Quecksilber? Arsen?", begann Rea die Liste der ihr bekannten metallischen Gifte.
"Thallium", fügte Isis hinzu.
Die Wächterinnen schauten sich an. Hektisch stand Rea auf und zog ein Buch aus dem Regal. Da stand es, schwarz auf weiß. Die Krankheitsanzeichen glichen sich buchstäblich wie aufs Haar. Taubheitsgefühle, Magenschmerzen, Wadenschmerzen.. "Warum möchte man jemanden langsam und grausam vergiften, wenn man es mit Botulinus-Toxin viel einfacher und schneller haben kann?", dachte Rea laut. "Das", sagte Isis, "ist wohl eher das Problem von RUM."
Sie erfuhr es aus der Zeitung. Das war nichts Ungewöhnliches. Als Gerichtsmedizinerin hatte man eben kaum die Möglichkeit, direkt bei der Ergreifung eines Täters mitzuwirken. Nur selten waren die Verletzungen einer Leiche so sehr von Bedeutung, dass man sie in die Ermittlungen mit einbezog. Sie trauerte ein wenig darum, doch sie hatte es selbst gewählt. Sie dachte wieder an Marten, der kleine Junge war durch Zufall gestorben. Schicksal. Die Frau von von Ostend, Sanotthe von Rhüffel-Ostend, hatte ihren Mann ermordet, um ein Buch darüber zu schreiben. Vermutlich war dies schon einige Male passiert, immer in anderen Städten. Die Schriftstellerin war geständig und hatte dem Ankh-Morpork Times Reporter zugerufen, sie würde nun wohl ein Buch über ihre Gefängnishaft schreiben. Es gab zwei Gründe, warum sie aufgeflogen war. Zum Einen hatte ihr Stiefsohn James von Ostend Anzeige erstattet. Und zum Anderen hatte Rea erkannt, dass es tatsächlich keine Krankheit war, die von Ostend getötet hatte, sondern eine sehr hinterhältige, kaum nachweisbare Vergiftung.
Und dann war da Marten. Zeugenaussagen hatten ergeben, dass er am Tag vor seinem Tod das Laub der von Ostends gefegt hatte. Thomas von Ostend hatte ihn mit ein wenig Geld und einem Glas eingemachter Kirschen entlohnt. Was er jedoch nicht gewusst hatte war, dass seine Frau mit einem Besuch ihres Stiefsohnes gerechnet hatte und den kleinen Vorrat an eingemachten Kirschen mit Botulinus-Toxin vergiftet hatte, da sie schon damit gerechnet hatte, dass er Verdacht schöpfen würde. James von Ostend hatte eingemachte Kirschen immer geliebt, hatte das Personal gesagt. Letztendlich war ein wildfremder, unschuldiger Junge dem zum Opfer gefallen. Doch unter der Zeitung hatte etwas viel erfreulicheres gegeben. Es war wie ein Deus Ex Machina, der darunter hervorgelugt hatte. Ein Brief. Eine Einladung.
Der Weihnachtsmade
Die Reste eines Schweinebratens lagen auf dem großen Tisch in der Bäckerei Eltsam. Herr Eltsam diskutierte mit Rea darüber, dass an einem dritten Glas Wein nichts auszusetzen sei, denn immerhin beugte Wein einem schwachen Herzen vor. Die Wächterin lehnte immer wieder dankend ab, nachdem ihr Argument, dass Wein nur in kleinen Dosen gesund sei an Herr Eltsams Gegenrgument, dass man Wein in Dosen nicht kaufen könne, er käme nur in Fässern und Flaschen; letztendlich scheiterte.
Mindorah indessen unterhielt sich angeregt mit Sören über sein Bewerbungsgespräch. Sörens Mutter trug unablässig Nachtische auf, als es auf einmal klopfte. Sören öffnete die Tür. es war mucksmäuschenstill. Eine Figur, groß, in rotem Mantel und roter Mütze, die beide mit weißem Fell umrandet war stapfte in die Stube und brachte einen Haufen Schnee mit hinein.
"Hohoho!", rief er.
Die Menschen am Tisch rührten sich nicht, eben sowenig Sören, der an der Tür erstarrt war.
"Was, habt ihr geglaubt, ich käme nicht mehr vorbei?", rief Herr Made, grinste und nahm die Mütze ab. "Ward ihr denn auch alle brav?" Draußen fiel der Schnee. Viele kleine Flocken fügten sich zu einer dichten, strahlendweißen Decke zusammen. Sie bedeckte den Dreck, das Grau und Schwarz des Verbrechens, doch verschwinden lassen konnte er sie nicht. Die Stadt wirkte wie ein Kind im Taufkleidchen, weiß und unschuldig, nur darauf wartend, dass sie sich bald, nach dieser kurzen Feier der Liebe und Freude, zurückverwandeln konnte, in das graue Monster, dass sie wirklich war.
[1] Rea genoss die strenge Ausbildung einer Hexe. Helena Dubiata war davon überzeugt, dass Lügen und Flüche nicht in Kindermünder gehörten. Daher wusch sie jedes Mal, wenn Rea gelogen oder geflucht hatte, deren Mund mit Seife aus. Noch heute lügt oder flucht Rea nur ungern, denn die Erinnerung an Seifenlauge im Mund ist nicht gerade angenehm. Dafür hat sie jedoch ein makelloses Gebiss.
[2] Botulinus-Toxin ist heute besser bekannt unter dem Namen Botox. Es ist ein hochwirksames Nervengift und war schon in den Zeiten der Römer bekannt. Es entsteht wenn man Fleisch, vor allem Schweinefleisch, einmacht. Heute verwendet man Botulinus-Toxin vor allem in der Kosmetischen Chirurgie oder als Biowaffe. Ich finde es immer wieder lustig, dieses Gift. Es heißt ganz einfach "Wurst-Gift" und stinkreiche Promis spritzen es sich ins Gesicht. Now, figure that out.
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