Tirron

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von Feldwebel Cim Bürstenkinn (SEALS)
Online seit 05. 01. 2005
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 Außerdem kommen vor: Humph MeckDwarfRinceRascaal OhnedurstAtera

Nach einigen Jahren wird die Arbeit nunmal zur Privatsache...

Dafür vergebene Note: 14


Liebe Leser!
Einige von Euch werden wegen der Ämter und Funktionen sowie Titel und Abteilungszugehörigkeiten in dieser Mission überrascht sein. Die einfache Erklärung ist: sie spielt vor etwa einem Jahr. Zum Beispiel gab es da einen Hauptmann MeckDwarf, der Ausbildungsleiter und nicht Susi-Chef war, einen Hauptmann Daemon, der DOG-Chef und nicht Ausbildungsleiter war. Hauptmann Rascaal Ohnedurst war damals noch die rechte Hand unseres ex-Kommandeurs Hauptmann Rince und nicht sein Nachfolger und Liza Harmonie war damals einfach noch eine blutige Anfängern. Larius dahingegen war ..... Larius wofür ich ihm herzlich danke :).
Ich hoffe, das reicht soweit zur Erklärung. Alle, die ich vergessen und vielleicht auch noch falsch dargestellt habe bitte ich um Verzeihung, aber ihr habt ja keine Ahnung was das Alter einem Wächterhirn alles antut.....



"Sie wünschen?" Der Rekrut hinter dem Tresen sah den Fremden in der dunklen Kutte misstrauisch an. Ein langer musternder Blick, verschleiert von der Kapuze des Umhangs, traf den jungen Mann. Schließlich wurde dem großen Wächter das Schweigen zu unangenehm.
"Hören Sie..."
"Wie ist Dein Name Rekrut?" Die Stimme klang tief, ruhig und desinteressiert.
"Wächter Weissnich."
Langsam schoben zwei narbige Hände die Kapuze nach hinten und enthüllten einen kahl geschorenen Kopf mit zahlreichen Tätowierungen.
"Und wer hat die Ehre Dein Ausbilder zu sein?"
Unauffällig drehte Weissnich seine Handfläche nach oben und richtete sich zu neuer Größe auf als er sagte: "Lance-Korporal Rogi Feinstich, ist meine Ausbilderin, mein Herr! Darf ich nun ...."
Doch der Mann stapfte bereits die Stufen nach oben.
"Hee! Bleiben Sie stehen, Sie können hier nicht einfach reinmarschieren. Glaub ich!"
Tatsächlich blieb der Eindringling stehen und drehte sich um.
"Mein Junge, du hast keine Ahnung was ich alles tun kann. Bring mich nicht dazu es dir zu zeigen."
Etwas in der Art des Kerls schien Weissnich zu sagen: lass die Finger davon. Aber gleichzeitig war er ein Mann, der sich seiner Stärke und seiner Aufgabe bewusst war [1]
Er fuhr sich durch die Haare und machte sich auf eine Konfrontation gefasst, als
"Fällt Dir nach einem halben Jahr nichts besseres ein als Rekruten zu ärgern?" vom oberen Ende der Treppe ertönte.
Die Seals-Chefin hatte die Hände vor der Brust verschränkt, und sah genervt nach unten.
"Hallo Schäffin!", grüßte der Glatzköpfige monoton. Erst jetzt fiel Weissnich auf, dass der Fremde ziemlich abstehende Ohren hatte, die seiner Bedrohlichkeit aber vor allem seiner Ernsthaftigkeit nicht förderlich waren.
"Soll ich den Kerl vor die Tür setzen, Frau Atera?", fragte er so männlich und lässig wie es ihm ohne Vorbereitung möglich war.
Atera schüttelte den Kopf. "Zuerst wird mir der Feldwebel sicher erzählen wollen was eigentlich los war. Nicht wahr Bürstenkinn?"
Cim zwinkerte dem Rekruten noch einmal zu und ging dann endgültig nach oben, um seine Geschichte zu erzählen.


****Sechs Monate früher*****



Tirron schlich durch die dreckigen Straßen der Schatten. Es war früher Nachmittag und der Gestank hier näherte sich seinem Höhepunkt. Sein Umhang ließ anhand der Krümmung nur vermuten, dass er bucklig war. Sein Kopf ruckte unruhig hin und her, was selbst seine klebrigen Haare zerzauste und es notwendig machte die schwarzen Strähnen mit seltsam durchgebogenen Fingern aus der Stirn zu streichen. Schweiß stand auf seiner Stirn - ein Zeichen der Anspannung und Erwartung die er seinem Treffen mit Ihr entgegenbrachte.
Tirron gestand es sich großzügig ein: Er hatte ein kleines Problem mit Frauen. Nicht was man allgemein darunter verstand. Nein, er kam einfach sehr schlecht damit zurecht, wenn er von einer zurückgewiesen wurde.
Selbstverständlich passierte das auch sehr selten und er konnte seine Auserwählten schnell für sich gewinnen. Meistens verlor er dann bald das Interesse und verließ das Weibsstück wieder. Aber hin und wieder, ganz selten erdreistete sich eine ihn abzuweisen, und in solch einem Falle sorgte er dafür, dass diejenige das schnell bedauerte.
Meistens fing er sehr diffizil an und sorgte dafür, dass tote Katzen und Hunde den Weg seiner Widerspenstigen säumten. Anfangs natürlich fremde Tiere, damit sie sich einreden konnte, dass es hier eigentlich um jemand ganz anderen ging.
Schnell wurde er deutlicher, nagelte Hühner an den Türstock. Rief mitten in der Nacht ihren Namen, und so fort.
Wenn er soweit war ihr zu verzeihen, ihr noch eine Chance zu geben, und noch einmal zu fragen, lagen üblicher Weise einige Wochen harter Arbeit hinter ihm.
"Willst Du dass der Horror aufhört?", lautete dann sein Friedensangebot und zumeist taten die Frauen alles damit er aufhörte, oder sie schickten ihm Brüder, Freunde, Verwandte etc. um ihm auf unfreundliche Weise zu erklären, dass er seine Annäherungsversuche einstellen sollte. Nun für solche Gelegenheiten hatte Tirron ein paar Freunde. Ganz spezielle Freunde, die Leute verschwinden lassen oder zumindest überzeugen konnten.
Emilia Page war dieses Mal die Glückliche um die sich alles drehte. Natürlich war sie längst zur Stadtwache gelaufen, aber die konnten wenig tun, solange nichts passiert war.
Er war angekommen. Kichernd fixierte er die alte Eichentür in dem verkommenen Haus in der Hundfellgasse. Niemand, der nicht unbedingt musste, kam hierher und sah man von einigen Bettlern ab, die am Straßenrand in den Abfällen und Überresten der Zivilisation lagen, gab es keine Zeugen. Und natürlich würden diese Bettler nichts sehen, wenn man ihnen danach ein paar Cent als Belohnung gab.
Da wurde die Klinke langsam nach unten gedrückt.
Blitzschnell presste sich Tirron gegen die bröckelige Hausmauer, dessen von der Stadtluft zerfressene Mörtel ihn weich wie morsches Holz begrüßte.
Sie war es! Und sie hatte ihre beiden Söhne dabei. Das war ein großer Vorteil, denn sie würde nicht wollen, dass sich irgendetwas hässliches ereignete wenn die beiden Kinder dabei waren.
"Hallo Emilia!", sagte er mit seiner schnurrenden Stimme und winkte ihr mit der linken Hand. Er hätte sich elegant von der Wand lösen und vor ihr aufbauen wollen. Jedoch hatte sich das Heft seines Dolches in der Mauer verfangen, und er wurde erst mit einem taumelnden Schritt und einem schmatzenden Geräusch wieder losgelassen, mit dem ein gehöriger Teil der Fassade auf ihn einprasselte..
"Neiiiiiin!", schrie Emilia nun. "Lass mich zufrieden!"
Doch Tirron lachte nur, während er sich die Stuckreste vom Umhang putzte. Nicht mehr lange! Sie war schon erstaunlich reif.
"Du glaubst doch nicht", seine Hände begannen an den Kindern herumzustreichen, dann wieder an ihrer Mutter, und seine kalten, feuchten Hände jagten Schauer über ihren Rücken.. Er unterbrach seine Gefummle nur durch eine allumfassende Geste, "dass Dich hier jemand wahrnimmt, oder?" Blitzschnell fuhr seine Hand zu seiner Waffe, spielte dann aber nur mit dem Heft herum, während er ihre schlanken Hüften mit gierigen Blicken musterte.
"Du bist in Ankh-Morpork, Kleines. Selbst wenn ich euch allesamt abstechen und langsam aufessen würde, wäre es jedermann egal. Niemand würde.."
"Cim, bist Du da?", ertönte plötzlich eine laute Stimme in der Hundfellgasse und Tirron erstarrte.
"Ein andermal, Emilia! Heute hattet ihr bloßes Glück, nächstes Mal dann ich!", damit wandte sich Tirron zum Gehen.
Da sprang einer der Bettler auf, stürmte auf den Mann zu, sprang und trat ihn zwischen die Schulterblätter. "Das hast Du Dir so gedacht, du verdammtes Aas!" Tirron war von dem Angriff völlig überrascht und stürzte vornüber.
"Ah ähhh Cim! Ich hoffe ich störe nicht!", rief Feldwebel Larius de Garde dem SEALS-Wächter hinterher, und entschied sich gegen ein Händeschütteln.
Eine weise Entscheidung, denn der Vektor hatte seine Hände zu Fäusten geballt und trat damit immer wieder nach dem stöhnenden Tirron.
"Du..vdt..Idt..", versuchte Bürstenkinn es, aber es wollten keine rechten Wörter aus dem Munde kommen. "Daaaaa", er trat den am Boden liegenden Tirron noch einmal in die Seite, und baute so genug Energie ab um die aus Zorn entstandene Sprachblockade zu beseitigen.
"Mein geschätzter Larius! Ob Du störst? Aber nicht doch. Ich liege gerne stundenlang mit diesen Pennern", er zeigte auf die restlichen Bettler, "im Dreck, um diesem menschlichen Abschaum", er zeigte auf den zusammengekrümmten Tirron, "den wir im Verdacht haben mehrere Frauen ermordet zu haben, auf frischer Tat zu ertappen, nur um dann von Dir unterbrochen zu werden, bevor er auch nur irgendetwas strafbares gemacht hat. Frau Page hier wird sicher gerne weiter in Angst und Schrecken leben, weil dieses durchgeknallte Subjekt hier übermorgen wieder aus der Haft entlassen wird, in die wir ihn wegen einer lächerlichen Belästigung stecken können. WAS...", er formte die Hände zu Krallen und wünschte seine Finger könnten kleine Blitze in den Himmel schleudern um ihn dramatischer aussehen zu lassen, als er zu dem großen Wächter hoch sah, "IST ES, das nicht warten konnte bis ich wieder zurück in der Wache bin?"
Langsam dämmerte es auch Tirron, dass er noch einmal Glück gehabt hatte. "Ihr könnt mir nichts anhängen!", ließ er vom Boden verlauten, wurde aber sofort wieder das Opfer eines beifälligen Trittes.
"Äh soso", sagte Larius und reichte dem SEALS einen Brief mit dem Kommandeurs-Siegel. "Das ist der Grund warum ich Dich suchte. Deine Kollegen sagten mir nicht, dass Du hier verdreckter Ermittler spielst. Ich schlage vor, du liest das zuerst und dann versteckst Du Dich, und wartest bis der Kerl da wieder kommt. Bis bald!" Damit ging der junge Tatortsicherer flott, aber ohne sichtbare Eile davon, und ließ seinen Kollegen sprachlos zurück.
"Geht das jetzt so weiter?", fragte Emilia Page und sah Cim ängstlich an. "War alles umsonst?"
Cim zuckte hilflos mit den Schultern. "Es tut mir leid, Madame. Ich werde natürlich noch einmal mit dem Kerl reden, aber Sie wissen ja wie verstockt er sich gezeigt hat."
Kopfschüttelnd und ohne Gruß ging Emilia Page mit ihren beiden Söhnen im Schlepptau davon.
Tirron hatte sich mittlerweile aufgesetzt und rieb sich breit grinsend die Schulter.
"So? Du findest die ganze Sache also lustig?", fragte Cim sehr ruhig und setzte sich zu dem Mann auf den dreckigen Boden[2].
"Ich weiß gar nicht warum Sie mich attackiert haben, Herr Major! Ich hab einfach nur ein wenig mit der lieben Emilia gescherzt. Sie wird das doch nicht ernst genommen haben? Immerhin hat sie mich dazu ermutignn..."
Der Feldwebel war ihm an die Kehle gesprungen und würgte ihn nun leidenschaftlich. Dabei hatte er selbst einen Blick aufgesetzt, der Tirron vermittelte, dass dem Wächter die ganze Sache recht nahe ging. Ohne im Griff um Tirrons Kehle nachzulassen näherte er sich seinem Gesicht, bis sich ihre Nasen beinahe berührten.
"Wir machen jetzt einen kleinen Spaziergang. Vielleicht siehst Du dann alles ein wenig anders!" Er stand auf und zog den Psychopathen an seiner Kehle hoch. Als er stand lockerte er endlich seine Hände und stieß ihn über die Strasse.
"Sei doch so nett und mache einen Fluchtversuch", bat der Wächter beiläufig. "Dann bin ich nämlich zum Abendessen zu Hause."
Was er nicht sah, war die junge Frau mit ihren beiden Söhnen, die ihnen in gehörigen Abstand folgten. Was er nicht wusste: Er würde einige Zeit nicht mehr zum Essen nach Hause kommen.

* * *


Ein total verdreckter, stockbesoffener Wächter taumelte in sein Büro am Pseudopolisplatz. Sein Unterbewusstsein beschäftige sich eifrig mit der Frage wie er es eigentlich geschafft hatte, die Treppe in den ersten Stock hochzugehen. Dann fiel er besinnungslos neben seinem Tisch auf den Teppich und schlief.

Auf dem riesigen Piratenschiff stand Kapitän Cim Bürstenkinn hinter dem Ruder und sah wie die eingespielte Mannschaft ihre Arbeit tat. Es tat gut dem wohlgeölten Uhrwerk zuzusehen, das an der Takelage zog, die Reling schrubbte, oder in den Wanten hing.
"Galeere auf 11:00 Uhr", meldete Larius vom Ausguck, "darf ich sie rammen, Käptn?"
Sklaven, dachte Cim für sich, die würden eine Menge Geld bringen in Klatsch. Außerdem war die Rudergaleere kein Gegner für den mit Katapulten bestückten Dreimaster.
"Kein Rammen, Maat! Dabei würden wir die Fracht beschädigen. Ich geh ans Steuer, und Ihr bereitet Euch auf das Entern des alten Kahns vor!"
Und so war es auch. Kampflos ergab sich der Kapitän des Handelsschiffes und Cim ging in den Laderaum.
Da war er: angekettet neben einem riesigen schwarzen Hünen, saß Tirron, mit nackten von der Peitsche gezeichneten Oberkörper, und sah ihn traurig an.
"Wenn Du reden willst, sag es einfach!", schlug der Rudersklave Cim vor. Was eigentlich eine Frechheit war.
"Ha! Was sollte ich mit einem Sklaven besprechen!"
Jetzt erst bemerkte er die starke Seitenlage der Galeere. War es eine Falle? Sie musste Wasser schöpfen. Die ganze Sache war eine Falle um ihn....


Er schreckte hoch und der Kübel mit Wasser traf ihn voll ins Gesicht.
"Wow! Wenn ich daran denke wie viel Knieweich notwendig ist, um dich so zuzurichten könnte man neidisch werden!"
Atera stand mit hochgezogenen Augenbrauen [3] vor den Resten ihres Stellvertreters und schüttete die letzten Tropfen auf ihn.
"Aber eigentlich sagte ich: wenn Du darüber reden willst, fang einfach an! Was sollte das mit dem Sklaven? Und was ist gestern mit diesem Freak passiert, dem Du auflauern wolltest?"
"Er ..er macht eine Reise. Ich glaube, ich sollte mich mal waschen. Ich scheine nicht ganz salonfähig zu sein."
"Tu das!", nickte Atera, "Es ist schon fast Mittag, und eigentlich solltest du ein Vorbild sein. Wenn du nicht mehr riechst wie Ikari aus dem Mund komm zu mir ins Büro. Wir müssen etwas besprechen!"

Eine der wenigen angenehmen Einrichtungen im Wachehaus am Pseudopolisplatz waren die warmen Duschen. Wie man sich denken kann, war die Sumpfdrachen - betriebene Apparatur nicht ganz billig, und dementsprechend schwer zu begründen. Angeblich gelang es überhaupt erst, als Rince begann verdeckte Ermittler, die zuvor in einem Kuhstall in Deckung gegangen waren, als Boten einzusetzen.
Der Patrizier erkannte wohl die sanfte Erpressung, war aber auch nicht gewillt noch länger stinkende Depeschen oder fleckige Pergamente zu bekommen.
An diesem Tag verstand Cim die Notwendigkeit von Duschkabinen sehr gut, und es dauerte beinahe zwei Stunden bis ein rotbackiger Feldwebel einige sehr erschöpfte Sumpfdrachen zurückließ und glänzend und wohlriechend zu seinem Büro zurückging.
Er formulierte noch schnell ein Schreiben an Frau Page, das sie fröhlicher stimmen würde, drückte es einem Rekruten in die Hand, als der Wahnsinn über ihn hereinbrach.

"DER WAR ES!" Eine alte Frau mit einem Pelzmantel, der wohl auf ihren sozialen Status hinweisen sollte, und einer Platzwunde auf der Stirn, die wohl darauf hinweisen sollte, dass sie überfallen worden war, stand neben dem Wachetresen und zeigte auf Cim, der sich verwirrt umdrehte. Der kleine Pudel auf ihrem Arm fletschte wie zur Bestätigung der Worte seines Frauchens zornig die Zähne.
"Der Wüstling hat mein Haus überfallen, den Butler und mich niedergeschlagen und wäre nicht mein Hund Fiffy gekommen - es wäre wohl noch Schlimmeres passiert! Immerhin hat er eine extrem wertvolle Perlenkette gestohlen!"
"Wie ist Ihr Name, gnädige Frau?" Cim war vorsichtig näher gekommen, doch die Frau und ihr Tier wirkten ehrlich beunruhigt.
"Sie wissen genau, dass ich Lady Laterland bin. Zumindest wussten Sie es vor einigen Stunden noch." Hilfesuchend richtete sie ihren Blick an die umstehenden Wächter " Kann BITTE irgendjemand diesen Kerl verhaften?"

* * *


Emilia saß zitternd in ihrer kleinen Wohnung. Sie hatte die Hände vor der Brust überkreuzt als wäre ihr kalt und wippte vor und zurück. Wäre doch nur ihr Mann noch da. Wäre er doch nie Alchemist geworden. Hätte er doch diesen einen Versuch nicht gemacht.
Samuel ihr älterer Sohn brauchte nicht lange um herauszufinden, dass mit seiner Mutter etwas nicht in Ordnung war.
"Was ist denn, Mama?" Die Worte rissen sie etwas aus ihrem Delirium und besorgt legten sich seine Hände auf ihre Schultern, während sein kleinerer Bruder Isam die beiden mit großen ängstlichen Augen beobachtete.
Ihr Mann war weg und würde nie mehr wiederkommen. Genauso wenig wie 45 andere seiner Kollegen. Und sie hatte im letzten Jahr bewiesen, dass sie sehr wohl in der Lage war auch ohne ihn zu überleben. Wie oft hatte es Situationen gegeben, die wie Sackgassen gewirkt hatten und erst im letzten Moment hatte sie eine Lösung gefunden.
Der Wächter hatte sich für sie eingesetzt und nun saß er in der Patsche. War es nicht ihre Pflicht ihm zu helfen? Aber was wurde dann aus ihren Kindern? Diese Leute waren einflussreich und konnten sie auslöschen wie eine Fliege. Konnte sie es verantworten ihre Familie dieser Gefahr auszusetzen? Niemals.
"Kommt her zu mir!" Sie breitete ihre Arme aus und beide flogen beinahe zu ihr, so erleichtert waren sie. "Es wird alles gut werden! Es wird alles gut!", wiederholte sie immer wieder, vielmehr um sich selber als die Kinder zu überzeugen.

* * *


Der diensthabende Rekrut beruhigte die alte Dame und brachte sie endlich in einen anderen Raum um ihre Aussage zu Protokoll zu nehmen. Im Wesentlichen sei Cim angeblich gestern gegen 8:00 Uhr abends vor ihrer Tür gestanden und habe sich mit seiner Dienstmarke Einlass erschwindelt. Als sich die Tür hinter ihm geschlossen hätte, hätte er sofort den Butler niedergeschlagen, wäre nach oben gehetzt und hätte die Gemächer von Lady Laterland nach Wertgegenständen untersucht. Angelockt vom Lärm, den er verursacht hätte, wäre die Lady mit ihrem kleinen Schoßhund am Arm hereingekommen und hätte Cim zur Rede gestellt. Dieser sei erschrocken und Richtung Treppenhaus geflohen, nicht ohne der Lady noch einen Schlag mit einer Kerze zu versetzen.
Natürlich wurde der stellvertretende Abteilungsleiter der SEALS nicht so schnell verhaftet, aber die Anschuldigungen waren ernst genug, um Ermittlungen einzuleiten.
Myra Schwertschleifer brach auf, um der Sache auf den Grund zu gehen und SUSI würde Spuren bei Laterland sammeln. Letztere mussten ihn zwar mit Sicherheit entlasten, aber es blieb die Frage was die alte Frau zu dieser Aussage gebracht hatte. Gab es jemand, der ihm ähnlich genug sah, um die Lady zu täuschen?
Auf jeden Fall war er gestern zur besagten Uhrzeit im ... Wo bei allem Dämonen war er gestern gegen 8:00 gewesen? Er hatte im Eimer begonnen zu trinken, aber dann? Er würde in mühevoller Kleinarbeit, seine Kneipentour rekonstruieren müssen.
Da sah er ihn vor sich.

* * *


"Der Butler?" Atera hat Myra gebeten ihr sofort zu berichten, wenn sie von Lady Laterland zurückkommen würde. Rina würde ihr diese kleine Überschreitung ihrer Zuständigkeit wohl verzeihen.
"Er hat die Geschichte der alten Dame voll bestätigt. Cim hat ihm was von Routine-Befragung in einem Raubfall erzählt, und gleich niedergeschlagen als er im Haus war. Sieht nicht so toll aus, Tery!"
Die Zombie-Wächterin nickte. In was war der Kerl da schon wieder reingeraten?
"Gibt's schon was Neues von SUSI? Ich nehme an, die waren mit dir dort?"
"Sogar schon vor mir!", antwortete die Ermittlerin, "Gnomen ist noch dort. Aber Alice hat die ersten Sachen zur Untersuchung gebracht und sollte bald..."
Es klopfte und ohne zu warten wurde die Tür geöffnet und die rothaarige SUSI-Spurensicherin stand in Ateras Büro. "Stör ich?"
"Kommt drauf an!", brummte die SEALS-Schäffin. Erwartungsvoll streckte sie die Hand aus, und Alice gab ihr eine Mappe.
"Kein Zweifel?", fragte sie während sie weiter las. Alice zuckte mit den Schultern
"Das doofe Fingerabdrucksystem hat seine Macken, aber wir haben so viele Übereinstimmungen gefunden. Cims Hand muss in dem Schlafzimmer gewesen sein!"
"Ich denke, wir sollten ihn beschatten lassen, damit wir wissen was wirklich passiert ist. Danke Euch vorerst", und die beiden Frauen wandten sich zu gehen, als die Tür aufgerissen wurde und ein nervös wirkender, dürrer Rekrut hereingestolpert kam und "Ein Überfall!" rief.
Ihr war klar, dass Johan Schaaf nichts dafür konnte, aber irgendjemand sollte für ihre schlechte Laune büssen.
"Ist das wirklich das, was Du in GRUND gelernt hast? Kein Anklopfen ? Keine Meldung? Raus! Und dann von vorne!"
Der Rekrut tat wie ihm geheißen war, verließ den Raum, klopfte an, wartete artig und nach einer Minute sagte Tery endlich "herein".
Vorbildhaft trat der Rekrut ein, und meldete:
"Sir! Wächter Johan Schaaf, Dienstnummer 200888-N-021103 meldet: Überfall auf Pelzwarenhändler Eduard Gerb. Nach Aussage von Herrn Gerb wurde der Überfall heute nachmittags knapp nach 3:00 Uhr von einem Wächter durchgeführt, dessen Beschreibung der von Feldwebel Bürstenkinn ähnelt."
Tery stützte den Kopf auf ihre Hand und versuchte die richtige Entscheidung zu treffen. Ein Räuspern von Johan Schaaf zog erneut ihre Aufmerksamkeit auf ihn. "War das ... gut, Sir?"
Atera schloss die Augen.

* * *


Für einen Augenblick hatte Cim das Gefühl etwas Wichtiges vergessen zu haben. Dazu kam dieser stechende Kopfschmerz, der ihn mit einem Male überfallen hatte und ihm beinahe den Verstand raubte.
Doch er wollte seinen Doppelgänger auf keinen Fall entwischen lassen. Die ganze Wache war überzeugt, dass er ein Schwerverbrecher war und ihm auf den Fersen. Er musste Beweise für seine Unschuld finden. Und einer ging gerade in eine Buchhandlung rein.
Er begann zu laufen "Diesmal nicht", dachte er, während er das Schwert zog, "diesmal nicht!"
Die Tür stand noch offen. Cim sprang einfach in den Laden und riss seinen Doppelgänger zu Boden. Das Schwert hielt er erhoben, jederzeit bereit damit zuzuschlagen.
Dann drehte er den Mann vorsichtig um.
Es war faszinierend. Der Schnurrbart, die warzige Nase, die schielenden Augen, nicht zu vergessen die Glatze. Und dennoch....
"Sicher sind Sie überrascht", erklärte er dem Buchhändler, "dass wir uns so ähnlich sehen! Aber glauben Sie mir, das hat keinerlei natürlichen Ursprung!"
"Äh, wie sie meinen, Sir!", war die etwas unsichere Antwort des verängstigten Verkäufers.
"Los rede! Haben sie Dich aus Omnien hierher gebracht?" Der Feldwebel schüttelte den am Boden liegenden Mann, der ihn ängstlich ansah.
"Wüaden schie bitte das Schweat schenken?", sagte der Mann mit brüchiger Stimme. Ein einzelner Zahn hing lose im Mund des Kerls, und Cim kam die ganze Situation schlagartig absurd vor. Wie konnte der Mann ihm so ähnlich sehen, ohne ihm...im geringsten ähnlich zu sehen?
"CIM!", donnerte Daemons Stimme vom Eingang. Die Tür stand immer noch offen, und er hielt eine auf ihn gerichtete Armbrust in seinen Händen. "Ich sage jetzt etwas, was ich nie wieder zu einem anderen Wächter sagen wollte: bitte, bitte, bitte steig von dem alten Mann runter!"
...dem alten Mann... Die Tatsache sickerte langsam durch den Nebel. Er hatte einen alten Mann niedergestoßen und bedroht. Was war eigentlich los mit ihm, und warum tat sein Kopf dermaßen weh?
"Findest Du er sieht mir irgendwie ähnlich, Dae?"
Der Hauptmann schüttelte angewidert den Kopf. "Nein Mann. Hör auf mit dem Unfug und komm her. Deine Verlobte ist hier! Warum hast Du bloß den Juwelier überfallen?"
"Ich war auf der Jagd nach meinem Doppelgänger..", aber er war sich klar, dass er wohl eher einen Spaziergänger als einen Doppelgänger erwischt hatte. Verwirrt ließ er das Schwert fallen. Er musste nachdenken.
"Was ist nur los mit Dir, Schatz?", fragte Timara verstört und er fuhr herum. Sie machten nur alles komplizierter. Er brauchte Abstand. Musste nachdenken. Und er brauchte was gegen diese Kopfschmerzen!!
"Glaubst Du wirklich, dass ich schuldig bin, Daemon?"
Schulterzuckend erhielt er die nahe liegende Antwort "Du weißt verdammt gut, dass unser Job nicht viel mit 'Glauben' zu tun hat. Ich persönlich glaube daran, dass jedes Mordopfer eine gute Chance hat als Baum wiedergeboren zu werden und fange trotzdem nicht an, junge Triebe zu befragen."
Als Cim die Augenbraue nach oben zog, fügte er hinzu:
"Ok, aber nicht mehr so oft wie früher! Kommst Du jetzt freiwillig mit oder muss ich Dich erst bewegungsunfähig machen?"
Entschlossen sagte Cim: "Ich liebe Dich, Timara, aber ich muss ein paar Sachen ins Lot bringen. Bitte glaub an mich!"
Damit sprang er, ungewiss ob er selbst noch an sich glauben konnte, in einem Scherbenregen durch die Auslagenscheibe, rollte sich auf der lehmigen Strasse ab, und verschwand in der nächsten Seitengasse.
"Danke, dass Du nicht geschossen hast, Daemon!", sagte eine etwas verzagte Timara zu dem Hauptmann.
"Hmm", brummte er als Antwort. "Das nächste Mal lade ich das Ding aber!"

* * *


Immer wenn man sich über eine Sache, ein Gefühl oder ganz allgemein eine Entscheidung klar geworden ist, tritt eine gewisse Erleichterung ein. Man darf dieses Gefühl freilich nicht mit richtig oder falsch vermengen, es ist einfach nur das deutliche Zeichen, dass ein innerer Kampf beendet wurde. Die Güte der Entscheidung entscheidet sich oft erst wesentlich später, manchmal sogar nie.
Emilia hatte auf jeden Fall entschieden, sich nicht in die Angelegenheiten des Wächters verwickeln zu lassen. Das war sie ihren Söhnen aber auch sich selber schuldig. Wer war sie denn schon? Wie hätte sie ihm jemals helfen können? Froh diese Sache endlich hinter sich gebracht zu haben, rief sie ihre beiden Kinder zu sich und umarmte sie.
"Alles wird gut!", versprach sie "Ihr dürft bloß niemanden erzählen, was wir gestern gesehen haben, ok?"
Just in diesem Moment würfelte Schicksal einen 6-er Pasch, und sein "Strrrrrike" klang laut durch die göttlichen Hallen. Als Einsatz stand das weitere Geschick der kleinen Familie auf dem Spiel, und just als Emilia ihre beiden Söhne fest in den Arm nahm und ihnen das Gefühl von Geborgenheit und Liebe geben wollte, wurde die Tür aufgetreten und zwei fremde Männer traten herein.
Instinktiv schob sie die Kinder hinter sich, doch die Frage "Was wollt ihr" blieb ihr schon im Ansatz im Hals stecken, als sie Tirron im Türrahmen auftauchen sah.
Sie wehrte sich nicht, als die fremden Männer ihre Söhne wegbrachten, und sie wehrte sich nicht als ihr klar wurde, dass nun alles nicht gut werden wurde.

* * *


Keuchend und schwitzend war Cim endlich in dem alten Versteck angekommen. Es wurde kaum mehr verwendet und dementsprechend wenig Ausrüstung war auch hier zu erwarten.
Nach einer schnellen Bestandsaufnahme nannte er etwas knöchernen Zwieback, Dörrobst, einen Sack mit schrumpeligen Kartoffeln sein eigen. Das rostige Messer, mit dem maximal über den diffizilen Umweg der Blutvergiftung getötet werden konnte, ließ er liegen, weil er mit Messern ohnedies gut ausgestattet war.
Immerhin fand er bald noch ein brüchiges Seil, das er sich um die Leibesmitte schnürte. Er nahm sich von dem Zwieback und ließ sich zu Boden fallen – nur um gleich wieder aufzuspringen. Etwas hatte ihn gestochen, und stach immer noch. Er griff nach hinten und zog eine Perlenkette aus seiner Hosentasche. Der offene Verschluss hatte sich wohl bemerkbar gemacht.
"Hab ich die Laterland wirklich überfallen?", fragte er sich laut, "Warum?"
Da wurde er rüde in seinen Überlegungen gestört.
"Ich will keine Königin, mir genügt die MUT-16,..", trällerte da jemand fröhlich ein Rekrutenlied. Und Cims aktueller Glücksträhne folgend musste dieser jemand natürlich Hauptmann Humph MeckDwarf sein. "Verdammt", formte Cim lautlos mit den Lippen, wo der Grund-Ausbildungsleiter war, konnten eine Horde Rekruten nicht weit sein. Er musste frei bleiben, um herauszufinden was hier passierte....

* * *


MeckDwarf hatte bereits von weitem gesehen, dass Cim sich just dort versteckte wo er seine Anti-Terror-Übung abhalten wollte. Auch er kämpfte einen inneren Kampf mit sich.
Auf der einen Seite konnte er den ständig herablassenden, "obercoolen" Kerl so gut leiden wie ein Glas Ankh-Wasser zum Frühstück. Auf der anderen Seite war sich Meck sicher, dass Cim wahrscheinlich nicht einfallsreich, aber sicher nicht bösartig genug war, um plötzlich alte Frauen, Juweliere und Pelzhändler zu überfallen. Jeder, der den SEALS-Wächter kannte, war überzeugt, dass er hereingelegt worden war, nur beweisen konnte es noch keiner.
Der GRUND-Chef gab sich einen Ruck und beschloss ihm zu helfen.
"Sorg dafür, dass die Leute gegen 6:00 Uhr hier sind, Kanndra!", rief er seiner Ausbilderin zu, die zurzeit allerdings in der Kröselstrasse, also etwa 20 Minuten Fußmarsch entfernt war, und wesentlich mehr Probleme damit gehabt hätte zu verstehen was MeckDwarf sagte als Cim.
"Das sollte sogar ein Seals-Wächter verstanden haben", dachte sich der Hauptmann und wandte sich zum Gehen, als es dunkel wurde und nach Kartoffeln roch.
Bevor er reagieren konnte, waren seine Hände mit einem Seil an den Körper gefesselt, der bis zur Hüfte in einem Kartoffelsack steckte.
"Cim lass den Quatsch, ich ..", konnte der Gefesselte noch los werden, als ein weiteres Stück Seil den Sack in seinen Mund zwängte, und dort einen unerfreulichen Geschmack nach verfaulten, erdigen Kartoffeln verbreitete.
"Sorry, Mc. Ich kann nicht riskieren, dass Du mich jetzt einsperrst. Aber Du musst mir eines glauben: Das tut mir mehr weh als Dir, von meinen Kopfschmerzen ganz abgesehen", damit wuschelte Cim die Haare des Hauptmanns noch einmal durch den Sack hindurch und lief davon – froh die Sache ohne wesentliche Gewaltanwendung hinter sich gebracht zu haben.
MeckDwarf fluchte an seinem Knebel vorbei und schimpfte sich selber für seine Nachgiebigkeit. Aber viel unangenehmer war: wenn er nicht bald aus dem Sack raus kam, würde er im Mittelpunkt einer Menge von Rekruten stehen, die den Auftrag hatten sich hier für die Nachtübung vorzubereiten, und die Wache um eine unerfreuliche Anekdote bereichern....

* * *


Erneut war Cim auf der Flucht, wählte diesmal aber ein Versteck in dem er hoffentlich keine Würdenträger der Wache antreffen würde: die Gosse. Zwischen Bettlern und Unrat suchte er sich ein kuscheliges Plätzchen am Boden und beschmierte Gesicht und Umhang mit Dreck. Zu einem der namenlosen Gestalten dieser Stadt neben ihm sagte er: "Das mit dem Waschen wird völlig überschätzt. Außerdem hält es ohnedies nicht lange. Du hast nicht zufällig irgendwas gegen Kopfschmerzen?" Stummes Kopfschütteln und eine eindeutige Handbewegung sagten: Rede nur, wenn Du hier als Bettler sitzen bleiben möchtest rück erstmal was raus.
Als das erledigt war, versuchte Cim die Dinge zu sortieren.
Er war Duschen gegangen. Dann war auch schon diese alte Schachtel gekommen und hatte ihn beschuldigt.
Davor?
Er hatte Tirron bei dem Sklavenhändler abgeliefert und wollte den Preis, den er erzielt hatte vertrinken. Damit hatte er im Eimer begonnen, und dann...das war seltsam. Er erinnerte sich nur an zwei relativ billige Lokalrunden, und dann? Blackout!
Eigentlich vertrug er Alkohol ganz gut. Das war vor der Entziehungskur von Atera auch eine Überlebensfrage bei den SEALS gewesen. Woher kam dieses schwarze Loch nach ein paar Getränken? Nicht mal mit Knieweich wäre das zu begründen gewesen.
Hatte er jemand beleidigt? Was war davor?
Oder hatten Tirron Freunde, die sich nun .... erschöpft schlief er ein und schreckte hoch, als der Morgen bereits dämmerte. Plötzlich sah er es ganz klar vor sich: Tirron hatte die Stadt nie verlassen.
Und was war dann mit....... Er sprang auf und lief los. Der bewusstlose Bettler wachte kurze Zeit später wieder auf und schwor sich künftig freundlicher zu Gästen zu sein.

* * *


"8:00 Uhr Innenhof!", lautete der knappe Befehl, den die Rohrpostdämonen, die Brieftauben, und die Vorgesetzten ihren Mitarbeitern weitergaben. Der Kommandeur hatte etwas zu sagen.
Und so stand dann Rince zur Frühstückszeit [4] vor einem behelfsmäßigen Rednerpult aus alten Getränkekisten, auf denen "Vorsicht Flaschen" stand.
Links hinter ihm stand Rascaal und schien mit düsterer Miene "Passt auf, oder ihr kriegt einen Interview-Termin" zu sagen.
"Wächter!", begann das füllige Oberhaupt der Stadtwache und beendete das Raunen und Wispern im Innenhof, "Leider erhärteten sich die Indizien, dass Cim Bürstenkinn mehrfach straffällig geworden und mehrere unlizenzierte Diebstähle begangen hat. Ja, Rib?"
Der Hauptgefreite hatte zappelnd aufgezeigt und begann erleichtert zu sprechen.
"Sir, ich wollte nur darauf hinweisen, dass man nicht straffällig geworden hat sagen kann. Der richtige Satz hätte also ...", doch der richtige Satz wurde der Stadtwache niemals verkündet, weil Robin Picardos Ellbogen Rib luftlos verstummen ließ.
Verwirrt schüttelte Rince den Kopf und wollte zu seiner Rede zurückkehren, doch ein Murren war unter den Wächtern laut geworden, die knapp davor standen ihrem Unmut kund zu tun.
"Beruhigt Euch! Mir gefällt die Sache ebenso wenig wie Euch und ich verspreche, dass wir der Sache mit allem Ernst nachgehen werden, wenn wir seiner habhaft werden. Offenbar verübt jemand in seinem Namen und mit seinem Aussehen Verbrechen, und solange er vor uns flieht, können wir wenig dazu beitragen, ihn vor falschen Anschuldigungen zu schützen.
Wie auch immer: der Befehl Cim Bürstenkinn bis auf weiteres als normalen Verbrecher zu behandeln stammt direkt vom Patrizier. Jeder, der ihn bei seinen Machenschaften oder beim Versuch sich dem Gesetz zu entziehen unterstützt, wird es mit dem Herren links hinter mir zu tun bekommen, und selbst in eine Zelle einziehen."
Rib ersparte sich den Hinweis, dass Rascaal inzwischen rechts hinter dem Kommandeur stand.
"Seid versichert, dass es primär im Interesse von Cim aber auch der Wache ist, dass er schnell in Schutzhaft kommt, denn auch die Gilden werden langsam darauf aufmerksam, dass friedliche Bürger, die ihr Schutzgeld rechtzeitig bezahlt haben, plötzlich zum Opfer eines wild gewordenen Wächter werden. Ich nehme an, ihr könnt Euch ausmalen wie die Gilde auf so was reagiert, wenn sie ihn erwischen."
Er machte eine Pause, aber niemand meldete sich.
"Bis auf weiteres war es das! Wegtreten!"
Die Versammlung zerstreute sich und kaum ein Wort wurde gesprochen. Jedoch teilten sich Atera und Daemon mit Kopfbewegungen mit, wie es weitergehen würde.
Wie selbstverständlich folgte der Hauptmann der SEALS-Schäffin und wurde dabei von seinem Stellvertreter begleitet.
"Wir müssen diesen Schwachsinn ein Ende setzen!", platze es aus Robin heraus, merkte aber sofort, dass beide Abteilungsleiter stumm weitergingen und endlich das Büro von Atera betraten.
Atera gefror regelrecht, als sie sah, dass ihre Kröte "Sir Henry" nicht wie üblich zufrieden auf seinem Platz saß, sondern sich ängstlich in die äußerste Ecke des Büros verkrochen hatte und am ganzen Körper zitterte.
"Was ist mit meinem Liebling?", zirpte die Zombie-Wächterin und hob die fauchende Kröte vorsichtig hoch.
"Das frage ich ihn seit ich hier hänge", hörten sie von der Decke, "ob er keine Fledermäuse mag?", beendete Rascaal den Satz, während er elegant auf dem Boden landete.
Drei Augenpaare fixierten den IA-Stammagenten, während nach und nach schnell verstummende SEALS-Wächter in dem Büro eintrudelten.
"Schön, dass ihre alle da seid!", begann Rascaal, als Will Passdochauf hereinkam und in Folge der Überfüllung nicht sah, wer vorne stand.
"Ok, was tun wir, um Cim da rauszuholen?" Tyriel Parra machte ihr mit den Zeigefingern vor dem Mund klar wer vor der Menge gerade stand.
"Mir war natürlich klar, dass ihr die Worte unseres geliebten Kommandeurs nicht ernst nehmen werdet. Deswegen auch dieses kleine Privatissimum"
Er hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt und wollte ein wenig "einher" schreiten. Leider stand ein recht unangenehm berührter Dennis Schmied genau hinter ihm und hemmte jedes weitere Wandern.
"Geht an Eure Arbeit und verdrängt den Namen Cim Bürstenkinn aus Euren Köpfen bis ihn Euch der Kommandeur wieder in Erinnerung ruft!", begann Rascaal zu donnern, "Der Patrizier hat klare Anweisungen gegeben, dass nur ein Wächter befugt ist dem Feldwebel zu suchen. Ihr würdet ja doch nur versuchen ihm zu helfen und dabei alles noch schlimmer zu machen."
"Du kommst in mein Büro, verängstigst meine Kröte und die anderen Wächter. Verzeih bitte, wenn ich nicht zu zittern beginne. Wer wird denn dieser von höchster Stelle definierte Wächter sein, wenn ich fragen darf?", die SEALS-Schäffin war heftiger geworden als sie vorgehabt hatte, aber das ganze ging ihr nun auf die Nerven.
Es wurde auch nicht besser, als Rascaal antwortete: "Ist das wirklich eine Frage?"

* * *


Ein Gefühl von hilfloser Übelkeit stieg in ihm auf, als er sah, dass die Tür der ärmlichen Wohnung aufgebrochen war.
Was war nur mit seinen Instinkten los? Warum hatte er nicht gleich an eine Verbindung gedacht? Nun war wahrscheinlich alles zu spät. Befürchtungen beschlichen ihn und wurden mit jedem Schritt Richtung Tür schlimmer. Seine Hand zitterte, als er die Schnalle nach unten drückte und er zwang sich alles zu vergessen, was er an Opfern von Gewalttaten schon gesehen hatte. Ein eventueller Täter war vielleicht noch in der Wohnung und er wollte ihm zumindest keine Chance zur Flucht geben, wenn es so war.
Er drückte die Tür, die quietschend nachgab, auf, und sah in die Wohnung. Seltsam friedlich lag sie vor ihm, so als wäre Emilia nur kurz aus dem Haus gegangen. Nur eines störte den Frieden: Die Spur aus Bluttropfen, die vom Küchentisch zur Tür des einzigen anderen Raumes führte, in dem die kleine Familie schlief und die Kinder sonst spielten. Bilder von aufgeschlitzten Bäuchen und offenen Kehlen versuchten seine Aufmerksamkeit zu brechen und Cim schüttelte den Kopf um sie loszuwerden; verbannte sie dorthin wo auch der Kopfschmerz darauf lauerte wieder wichtig zu werden. Langsam zog er einen Dolch aus dem Lederwams und ging langsam auf die Tür des Schlafzimmers zu.
Es war ruhig, viel zu ruhig hier. Wie sehr hätte er sich ein Schluchzen oder ein Weinen gewünscht, das dieser Grabesstille ein Ende bereitete.
Endlich packte er den Knauf und riss die Tür mit einem Ruck auf.

* * *


Ein augenscheinlich sehr alter Stuhl stand inmitten eines dunklen Kreises, der aus Onyx bestand und nahtlos in den polierten Granitboden integriert war.
Das Eichenholz aus dem der Stuhl gezimmert war, zeigte mannigfache Intarsien, Bilder und Reliefe von lachenden aber auch vor Schmerz schreienden Menschen, von edlen Rittern und schrecklichen Kreaturen, von hoch aufragenden Türmen und finsteren Verließen. Die eine Hälfte des Kreises wurde von Statuen eingenommen, die aussahen, als wären sie gerade aus dem Stuhl geschlüpft, doch allesamt waren sie bewaffnet, und allesamt sahen sie sehr bedrohlich aus.
Getrennt durch zwei Kohlebecken, die etwas Rauch und ein mattes, rötliches Licht an die ebenfalls aus Granit geschlagenen Wände zauberte, standen weitere, ebenfalls alte, aber schmucklose Stühle. Und Gestalten in bodenlangen, grauen Umhängen und Kapuzen, die das Gesicht völlig verdeckten, saßen darauf und sahen zu ihr.
Denn eine blonde Frau saß auf dem Stuhl im Zentrum des Kreises und sah ausdruckslos auf die Bürste in ihrer Hand. Ihr Gesicht war nicht anders als perfekt zu nennen. Ihre ebenholzfarbene Haut spannte sich über absolut symmetrischen Züge, die von blonden, zu Strähnen geflochtenen Haaren eingerahmt wurden, die bis zum Boden reichten und locker über den sonst nackten Körper fielen, der jeder Beschreibung trotzte. Sie allein wusste wer unter den Kapuzen steckte. Und sie allein gab hier die Befehle. Es war beinahe makaber, dass die Regel besagte, dass jeder außer ihr völlig verhüllt sein musste und nur sie ihre wunderbare Blöße preisgeben durfte.
"Tritt vor Levian!", befahl sie gleichsam in einem Ton, der jeden Widerspruch hinfort fegte. "Berichte dem Rat vom Fortgang unserer Angelegenheiten!"
Eine kleine gebückte Gestalt erhob sich von einem der Stühle und machte ächzend einen Schritt auf die blonde Frau zu. Er war verhüllt wie jeder andere auch, der außen am Kreis saß, aber man erkannte deutlich, dass sich unter dem Umhang ein älterer Mann mit einem massiven Buckel verstecken musste.
"Herrliche!", begann er mit leicht vibrierender Stimme, einziges Anzeichen seiner Anspannung, und einer tiefen Verbeugung "Alles läuft wie geplant und der Wächter war ein Geschenk des Himmels. Der Patrizier ist bereits höchst besorgt und hat dem Kommandeur Befehle in der Angelegenheit gegeben, die uns dienlich sein werden! Bald schon.."
Sie hob Einhalt gebietend die Bürste und sofort schwieg der Levian genannte.
"Was ist mit diesem...", sie suchte stirnrunzelnd nach dem Namen und sprach ihn endlich mit tiefster Verachtung aus, "Tirron. Seine Vorliebe für Gewalt gegen Kinder und wehrlose Frauen ist zutiefst irritierend und könnte sich in den Geschichtsbüchern negativ auswirken. Seid ihr Euch seines Wertes sicher, denn ich kann Euch nicht ersparen, meine Ablehnung ihm gegenüber in eine Waagschale und das Vertrauen Euch gegenüber in die andere zu legen. Seid getrost, es geht für Euch aus, doch knapp!"
Erneut verbeugte sich Levian. "Wunderbare! Auf dem Weg zum Ziel muss man oft absonderliche Wege gehen. Wir werden seine Dienste in dieser Sache nicht mehr lange benötigen, jedoch erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass seine Stimme im Zusammenspiel mit der Droge eine einzigartige...."
"Kommt nicht in Frage!", sie war aufgesprungen, und hatte diesmal auf jedes diffizile Zeichen verzichtet. Ein Keuchen ging durch die Runde als sie mit ihrer vollen Schönheit konfrontiert wurden. Levian fiel auf die Knie und drückte die Stirn auf den Granit.
"Es ist widerwärtig genug, dass ihr auf solch einen Mann gestoßen seid ohne ihm sofort das Leben zu nehmen. Auf jeden Fall will ich nach Erledigung der Geschichte mit dem Wächter den Bericht seiner gerechten Strafe erhalten. Setzt euch nun wieder!"
Ohne ein weiteres Wort, kroch Levian zu seinem Stuhl zurück und setzte sich wieder darauf.
"Bald schon", sie wanderte nun hin und her, wohl wissend welche Wirkung sie auf die Ratsmitglieder hatte, "werden sich unsere Ziele erfüllen, und diese Stadt wird aus der Barbarei befreit sein. Seid ihr bereit große Verantwortung zu übernehmen, denn Eure Zeit ist nahe!"
"Wir sind bereit!", wiederholten sie im Chor, beinahe betäubt von ihrer Schönheit.
Nur einer war sich sehr genau bewusst was er sagte. Er war bereit und die Verantwortung würde größer sein, als sich die Wunderbare jemals vorstellen konnte.

* * *


Es war Mittag und die Sonne ergoss sich wie ein zäher Brei auf die Scheibenwelt und ließ die Stadt unter ihrer glänzenden Dunstwolke dampfend vor sich hin stinken.
Der Wächter ging zielstrebig auf den Feinkostladen "Burgers Deli" am Hier-gibt's-alles-Platz zu. Schon von weitem grüßte der Besitzer, Herr Burger, seinen Stammgast und fing bereits an, das Fleisch für ihn vorzubereiten.
"Hallo, Herr Bürstenkinn! Ich nehme an wie immer? Fast gut durch und mit viel Zwiebel und Knoblauch?"
Doch anstelle einer Antwort zog der SEALS-Wächter das Schwert und deutete auf die Kassa.
"Ich verstehe nicht..", stotterte der Ladeninhaber, doch der Wächter schlug auffordernd mit der Klinge auf die Theke des Ladens.
"Seid ihr denn nicht bei Sinnen, Herr Bürstenkinn? Ihr wisst doch, dass bei mir nichts zu holen ist. Meine Tageseinnahmen werden jeden Nachmittag abgeholt und... neiiin"
Der kleine Verkäufer wurde rüde vom Schwert des Wächters unterbrochen, das nun in Kopfhöhe ausholte und ihn wohl getroffen hätte, wäre es nicht von einer anderen Klinge im letzten Moment gestoppt worden.
"Bist Du nun auch im Mordgeschäft, Bürstenkinn?", zischte Rascaal wütend hervor und drängte den Feldwebel mit ein paar Schlägen von Burger weg. Cim parierte die Angriffe mehr schlecht als recht und seine linke Hand war so um das Heft der Waffe verkrampft, dass seine Knöchel weiß hervortraten.
"So schlecht ist es also um die Kampfausbildung der SEALS bestellt? Ich werde ein ernstes Wort mit Atera reden müssen!"
Damit täuschte der Vampir einen Angriff auf die rechte Seite seines Gegners vor, setzte dann aber doch einen Schlag nahe des Heftes an, und hebelte mit einer Drehung die Waffe aus seiner Hand. Verblüfft starrte Cim ihr hinterher, als sie im hohen Bogen davon segelte und knapp neben dem Feinkosthändler im Boden stecken blieb.
Waffenlos und verwirrt stand der Feldwebel da und der Vampir packte ihn blitzschnell am Genick.
"Weißt Du was ich nicht verstehe?", begann der IA-Agent im Plauderton, "Wenn ihr die Wahl habt einen von über 100 Wächtern nachzumachen, warum bei allen Kerkerdimensionen kopiert ihr nicht einen Gutaussehenden? Oder ist das schwieriger?" Er drehte sich zu Burger um und sagte: "Vielen Dank, mein Herr! Sie haben die Stadtwache dabei unterstützt einen gesuchten Verbrecher dingfest zu machen. Und nein, es ist nicht Cim Bürstenkinn!"
Burger war endlich aus seiner Starre erwacht. "Ich hab mich schon über die Schweigsamkeit des Herrn Feldwebel gewundert. Darf ich Euch etwas anbieten, Herr Leutnant?"
Doch Ras winkte ab. "Vielen Dank, aber ich stehe nicht so auf Knoblauch!"
Während er den Feinkostladen verließ, erklärte er dem Gefangenen: "Weißt Du, er hat recht! Vielleicht behalten wir Dich und ersparen uns in Zukunft das Gequassel des Omniers."

* * *


Auf der einfachen Strohmatratze lag Emilia mit weit aufgerissenen Augen, die unbewegt an die Decke starrten. Ihr Kleid war mehrfach zerrissen und offenbarte den Blick auf zahlreiche Bisse und Blutergüsse. Hilflose Wut ließen Tränen aus Cims Augen fallen. Warum war es so einfach Schaden anzurichten und so schwierig ihn wieder gut zu machen? So unendlich mühsam ihn zu vermeiden und Böses zu verhindern bevor es begangen wurde.
Er sank zu Boden, lehnte den Kopf gegen den Türrahmen und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen. Die Schmerzen waren dabei nicht sehr hilfreich.
Dennoch entging es ihm nicht: beinahe unsichtbar aber doch so deutlich bildete sich da eine Träne im linken Auge von Emilia, gewann an Volumen und kullerte die Wange hinunter, um von der Matratze aufgesaugt zu werden.
Cim richtete sich auf, um sich zu überzeugen, dass es nicht nur eine Wunschvorstellung war. Doch da fingen auch ihre Lippen zu zucken an und ganze leise konnte man "Meine Babys!" hören.
Jede Vorsicht hinten anstellend sprang er auf und umarmte die übel zugerichtete Frau.
"Du lebst!", stellte er selbst weinend fest, "Om sei Dank, du lebst!", und schluchzend klammerte sich die junge Frau an ihn.
"Meine Babys! Sie haben meine Babys mitgenommen!" Erneut stieg Zorn in Cim auf. Wie viel Genugtuung konnte es einem Mann bereiten, das Leben von zwei kleinen Kindern zu zerstören? "Wir kriegen das wieder hin!", stellte er einfach fest, und zweifelte keine Sekunde, dass dem so war.

* * *


Rasch hatte sich Emilia ein anderes Kleid angezogen und in Zeitraffer erzählt was sie gesehen hatte.
"Zunächst war ich natürlich mehr als verbittert darüber, dass der Kerl einfach so davonkommen sollte. Aber dann dachte ich mir, zumindest sollen meine Kinder sehen, dass er ins Gefängnis gebracht wurde. Nur: Du brachtest ihn nicht ins Gefängnis. Ich bin fertig!"
Cim drehte sich um und nickte. "Bestenfalls hätten wir ihn zwei Tage festhalten können und hinterher wäre Dein Leben erst recht in Gefahr gewesen. Ich dachte mir, eine Sklavengaleere wäre genau das richtige für ihn, auch wenn das nicht ganz so üblich ist. Zumindest gibt es keine Regelung, die gezielt verbietet, dass man einen Verdächtigen verkauft."
"Nun", fuhr Emilia fort als sie das Haus verließen, "ich war ja auch sehr von dieser neuen Wendung angetan und hab meinen Kindern erzählt, dass Tirrons Schicksal nun weitaus schlimmer als Gefängnis sein würde. Wir blieben aber versteckt, weil ich mir unsicher war, wie gern Du es sehen würdest, dass wir Dir folgten.
So warteten wir also eine Weile, besprachen das Abendessen und wollten auch schon aufbrechen, als plötzlich Tirron in Begleitung von zwei Männern, die ich nicht kannte aus dem Handelskontor kam und recht zielstrebig dahin schritt. Es war schon spät und meine Babys hatten Hunger", sie musste schlucken, um nicht erneut zu weinen, zwang sich aber weiterzusprechen, "aber wir folgten ihnen in gehörigem Abstand. Zweimal hätten wir sie beinahe verloren, aber seine beiden Begleiter waren so groß, dass wir sie rasch wieder fanden. Nach etwa dreißig Minuten verschwanden sie endlich in einem piekfeinen Haus am 'Kurzen Weg' und ich wartete wieder. Lange diesmal, und mehrfach kamen fremde Leute aus dem Haus und betraten es wieder.
Endlich, nach zwei Stunden kam ein Eselskarren und zwei Männer zogen Dich von der Ladefläche und brachten Dich in das Haus. Ich erschrak furchtbar und wenn ich etwas mehr Mut oder Verstand gehabt hätte, wäre ich wohl sofort zur Wache gelaufen und hätte ihnen alles gesagt. Aber ich hatte solche Angst, und stattdessen blieb ich in unserem Versteck und wartete.
Kaum eine Stunde später bist Du endlich wieder raus gekommen und ich war zuerst erleichtert. Als ich Dich eingeholt habe, hast Du aber nur gerade ausgesehen und kein Wort gesprochen. Ich bin Dir also weiter gefolgt und Du bist in das Anwesen der Laterlands gegangen und wenig später mit Schmuck und Geld wieder dort weggegangen. Mir war klar, dass Du Probleme hattest, aber noch immer konnte ich niemanden davon erzählen.
Ich bin endlich nach Hause, meine Kinder waren todmüde und hungrig wie Wölfe, und hab beschlossen niemanden von der Sache zu erzählen. Ich bin so feige. Bitte verzeih mir."
Aber Cim musste das eben gehörte erst einmal setzen lassen. Dann ließ er Emilia alles noch mal erzählen und dann waren sie bei Timara angelangt.
"Cim!", sie sah ihn verwirrt an, dann die junge Frau neben ihm, dann wieder ihn, "Was tust Du? Die ganze Stadt sucht nach Dir! Bist du..."
Er unterbrach sie. "..unschuldig? Ja, wenn man von Dummheit absieht. In der Lage es zu beweisen? Hoffentlich bald! Bitte pass auf Emilia hier auf, ihre Kinder sind in Gefahr und das ist zum Teil meine Schuld. Ich melde mich bald bei Dir!"
Damit küsste er sie und machte sich wieder auf den Weg.

* * *


"Hallo Cim!"
Tirron lehnte lässig an der Hausmauer und spielte mit einem Dolch.
"Gehorche!"
Cim blieb in der Tat stehen und hörte zu.
"Ich wollte es noch mal ganz deutlich machen: Das nächste Mal, wenn Du den Patrizier siehst, wirst Du anfangen bis 200 zu zählen. Du kannst doch bis 200 zählen?"
Cim nickte steif, bewegte aber sonst keinen Finger.
"Wunderbar. Also bis 200 zählen. Dann springst Du vor, ziehst den Dolch, den ich Dir gegeben habe und rammst ihn Vetinari in die Seite. Du hast ihn doch noch? Danach nimmst Du Dir das Leben, sofern das nicht bereits Deine Kollegen für Dich übernommen haben. Alles klar?"
Cim nickte ohne auch nur den Hauch einer Emotion zu zeigen.
"Gut dann. Wie üblich wirst Du alles vergessen, aber diesmal wirst Du furchtbare Bauchschmerzen haben bis wir uns wieder sehen! Tue jetzt weiter was Du zuvor getan hast! Frei!"
Cim ging weiter und Tirron blickte ihm amüsiert hinterher, als er sah wie der Wächter sich den Bauch rieb. Sein Auftraggeber würde mehr als zufrieden sein.

* * *


Natürlich hatte die Galeere längst abgelegt und war mittlerweile auf dem Weg nach Klatsch, aber Cim wusste nur zu genau, wo sich die lokale Niederlassung des Händlers und sein "Lager" befanden.
Die Geschichte, die Emilia erzählt hatte, schrie nach blutiger Vergeltung, aber er besann sich seiner Aufgabe als Vektor, denn in erster Linie galt es nun einmal die Kinder zu retten.
Danach würde er sich ein paar Tage frei nehmen und dafür sorgen, dass dieser Tirron schmerzhaft dahinscheiden würde. Die Kopfschmerzen waren mittlerweile wie alte Bekannte von ihm und behinderten ihn kaum mehr. Dennoch wäre es erfreulich gewesen sie los zu werden.
Vor dem Tor des Lagers stand ein hünenhaft gewachsener Söldner und stützte sich auf den vor ihm stehenden Bihänder.
Der SEALS-Wächter wusste, dass DIESE Konfrontation eigentlich nicht notwendig und darüber hinaus gefährlich war, aber zum einen bewachte der Kerl diesen Ort des Leidens und zum anderen wollte sich Cim das einfach gönnen.
Er marschierte also schnurstracks auf ihn zu und wurde prompt mit den Worten "Halt wo.." aufgefordert stehen zu bleiben. Natürlich hätte der Söldner den Satz gerne noch fertig gesprochen, aber Cim hatte ihm mit voller Wucht gegen den Bihänder getreten und damit ... nun dahin geschlagen wo es selbst dem stärksten Mann ohne Suspensorium weh tat. Der arme Kerl brach verkrümmt zusammen und jammerte, während der Wächter einfach weiterging.
Die Auktionstribüne stand gerade leer, nicht jedoch die Käfige dahinter.
Der Sklavenhandel war nicht nur in der Stadtwache eine eigenartige Sache. Es gab keine Gilde dafür, weil die Aquisition der Sklaven eigentlich Angelegenheit der Diebes- oder Schmugglergilde war, deren Verkauf wiederum Sache der Händlergilde. Die aktuelle Situation war aus Sicht des Patriziers wohl am ehesten so zu beschreiben: Macht mir keinen Ärger, dann mach ich euch auch keinen. Und damit blieb alles in bester Unordnung.
An diesem Tag sollte dieses friedliche Geben und Nehmen und der florierende Handel jedoch einen kleinen Einbruch erleben.
Ein Schloss nach dem anderen wich der Axt, die Cim in Ermangelung eines Schlüssels verwendete, doch erst beim fünften Käfig stammelte ein gennuesischer Seefahrer der "Pech in Spiel!" gehabt hatte und so in diese Lage gekommen war: "Knaben sind verkauft. Altes Mann gekommen!"
"Hier", er reichte ihm die Axt und zeigte auf die restlichen Käfige, "sperr ihnen bitte auf. Ich muss noch was erledigen!" Damit machte er sich auf die Suche nach dem Hausherren.
Nebenbei stellte er sich die philosophische Frage, ob er als Vektor eher verpflichtet war, die Rechte der Sklaven oder des Sklavenhändlers zu schützen, oder später jene der Käufer, die also die Sklaven so was wie rechtmäßig erworben hatten.
Just in diesem Moment kam Ernesto Frejano aus seinem Haus gelaufen, eine große Tasche unter dem Arm und nach einer Kutsche rufend. Bald wurde sein Rufen erhört, wurde aber unerfreulicher Weise beim Versuch die Kutsche elegant zu besteigen plötzlich gepackt und hineingestoßen.
"Hallo, Ernesto! Ich hab Dich mindestens ein Tag und zwanzig Stunden nicht mehr gesehen!"
Schuld und Schweiß standen dem kleinen dicken Mann im Gesicht. "H-h-hallo Bürstenkinn!", stammelte er - unsicher was hinter der Freundlichkeit versteckt war.
"Ich hoffe, Du hast einen netten Profit im Weiterverkauf meines Verdächtigen gemacht, den Du ja unbedingt nach Klatsch bringen solltest, wenn ich mich recht erinnere!" Der Wächter sah den Händler so zornig an, dass dieser kurze Zeit zitterte wie Espenlaub.
"Aber reden wir nicht über vergangene Dinge. Du hast heute zwei Knaben verkauft. Sag mir an wen und gib mir die Kaufsumme zurück. Dann bin ich auch schon wieder eine Staubwolke."
Cim hatte nun einen Dolch gezogen und putzte sich demonstrativ die Fingernägel. Bei jedem Rumpler der Kutsche ließ er den Dolch in Ernestos Richtung schnellen.
"Du weißt doch, da-da-dass ich das nicht da......", begann der Schwitzende in einem letzten Versuch seine Ehre zu retten, doch da schnellte schon Cims Hand vor und packte ihn bei der Kehle.
"Entweder Du sagst mir sofort wohin du die beiden Knaben verkauft hast oder ich schneide dir jeden Körperteil einzeln ab. Die Zunge erst am Schluss, damit ich dich schreien und reden hören kann. Also?"
"Lord Sedrick von Ken. 250 AM-Dollar!", schrie Ernesto beinahe und fing heftig zu weinen an. Gleichzeitig zog er einen Geldbeutel aus der Tasche und hielt ihn dem Wächter wortlos hin.
Cim gab dem Kutscher das neue Fahrtziel bekannt und tätschelte Ernestos Wange.
"Nana, mein Junge. Fühlst Du Dich jetzt nicht wesentlich besser? Wer steckt hinter der ganzen Sache?"
Ernesto wäre am liebsten aus der Kutsche gesprungen. "Es ist irgendeine Geheimorganisation. Sie brauchen Tirron für etwas und Du warst ihnen wohl im Weg!"
Cim nickte. "Noch ein kleiner Tipp. Sieh zu, dass du heute Abend nicht mehr in der Stadt bist. Sollte ich Deine Visage noch einmal hier sehen, fange ich diesmal ohne Einleitung bei deiner Zunge an. Das verspreche ich dir!"
Bald waren sie beim Anwesen von Sedrick de Ken und die Kutsche brachte den Sklavenhändler weg. Cim hatte einen prallen Geldbeutel in der Hand, er selber fühlte sich aber leer. Es waren also wieder mal irgendwelche Leute im Hintergrund aktiv. Niemand kannte sie, keiner konnte ihre Existenz nachweisen. Erneut musste er sich ermahnen, dass es wichtigeres gab als philosophische Abhandlungen über moralisches Verhalten und er klopfte bestimmt an das Eingangstor eines Hauses, das nach altem Geld nur so stank.
Und so alt wie das Geld, war auch der Kopf der durch den Sehschlitz lugte und "Se wünschen?" fragte.
Cim zwang sich zur Ruhe und mit schmeichelnder Stimme sagte er immer noch ein wenig undiplomatisch:
"Hör zu Du alter Tattergreis! Richte Deinem Herren aus, er soll die beiden Kinder unverzüglich frei lassen, sonst komme ich zu Euch rein und ihr wünscht Euch die beiden Knaben nie gesehen zu haben!"
Die Klappe wurde vor ihm zugeworfen und er verdammte sich dafür, nicht zu denken bevor er etwas sagte. Die Kinder hatten einfach schon zu viel mitgemacht, als dass ein alter reicher Knacker jetzt das Recht hätte, es noch schlimmer zu machen.
Schon wollte er wieder gegen das Tor hämmern, als es geöffnet wurde.
"Men Herr est hocherfreut, über das Enteresse, dass de Stadtwache am Wohlbefenden der Knaben hat und erwartet Euch jetzt!"
Cim sah den Butler etwas misstrauisch an. "Waren das seine Worte?"
Eine buschige Augenbraue begann ihre Wanderung nach oben.
"En der Tat waren se das! Solltest Du nicht en der Lage sen das zu verstehen übersetze ech gerne: Schweng Denen Hentern ren! Der Alte well met Dir wegen der Kender reden!"
'Ich brauche dringend Urlaub', dachte sich der Wächter, doch als sich das Tor hinter ihm schloss, sah er sich zwei geladenen, entsicherten Armbrüsten gegenüber, die von zwei recht gut trainierten Männern gehalten wurden.
"Das soll necht ungastlich werken, Herr Wächter", beruhigte ihn der Butler, "Dennoch darf ech daran erennern, dass ehr etwas unwersch wart. Eure Waffen bette, aus Secherhetsgründen!"
Widerwillig gab Cim die offensichtlicheren seiner Dolche ab, als er den gellenden Schrei eines Kindes von oben hörte.
"Ganz ruheg!", sagte der Butler ohne sich umzudrehen, "Wer gehen ohnedes rauf!"
"Eins kannst Du Dir sicher sein, Diener! Ich werde Euch für jedes Haar, das ihr den beiden gekrümmt habt, zur Rechenschaft ziehen, und wenn es das letzte ist, was ich mache!"
"Dem sehe ech gelassen entgegen. Ehr sed wohl kaum en der Lage jemanden zu drohen!"
Erneut ließ ein gellender Schrei Cims Haare zu Berge stehen, dass Gelächter, das dem Schrei folgte, wollte aber nicht so recht ins düstere Bild passen, das er sich gerade ausgemalt hatte.
Endlich stand er bei der Tür uns sah sie.
Das Zimmer war riesengroß und in himmelblau bunten Bordüren gehalten. Von den beiden Himmelbetten abgesehen, war es mit Schaukelpferden, Rutschen, Zinnsoldaten, Puppen, Stofftieren und anderen Spielzeugen gefüllt. An einem kleinen Tisch saß ein alter Mann mit einem Weinglas und schaute den Kindern glücklich zu.
Gegenwärtig stritten sie um einen Teddybären, den Cim in dem Zimmer mindestens fünfmal mit verschiedener Kleidung sah. Natürlich setzte sich der Ältere und Stärkere durch und der Jüngere schrie erneut als ginge es um sein Leben.
Der alte Mann hatte schneeweiße Haare, ein gepflegtes Spitzbärtchen, und pflückte gerade eine Weintraube aus einer Schale mit Obst und Nüssen.
"Glaubt ihr immer noch, den beiden drohe hier Gefahr, Herr Wächter? Im Gegenteil bin ich entschlossen, den beiden Waisenkindern alles zu bieten, was sie sich nur jemals vorstellen können! Welches Schicksal hätte die beiden wohl sonst erwartet? Ich nehme an, ihr seid ganz gut darin Euch so was auszumalen, sonst wäret ihr nicht mir soviel Elan hier hereingekommen."
Cim war noch nicht fähig etwas zu sagen. Er war erleichtert und irgendwie schien ihm irgendwo die Luft auszugehen.
"Mein Sohn ist früh gestorben", erzählte Sedrick von Ken weiter. "Er hat mir keine Enkel hinterlassen und bald wird der Name "von Ken" ausgestorben sein, wenn ich nichts dagegen tue! Warum sollte ich mir keine Enkel adoptieren?"
Jetzt erst entdeckten die beiden Kinder den Wächter und die Erinnerung an das was ihnen nun fehlte wurde übermächtig
"Wo ist Mama?", fragte der Ältere, und "Mama ist?" der Jüngere. Cim wurde sich jetzt erst bewusst, dass er keinerlei Ahnung hatte wie die beiden hießen.
"Ihr könnt ihnen weder Glück noch eine Mutter kaufen, Lord Ken, denn erfreulicher Weise haben sie noch eine. Om sei Dank sind die beiden nur Halb- und nicht Vollwaisen." Er hielt ihm den Geldsack von Ernesto vor die Nase, "Hier habt ihr auch den Kaufpreis zurück. Ich fürchte die beiden werden auf ihre Mutter nicht lange verzichten wollen!"
Der Alte sank in seinem Stuhl zurück. Das Geld fiel unbeachtet zu Boden. "So nehmt die Beiden und geht. Offenbar ist es mir bestimmt einsam und als letzter meiner Familie zu sterben!"
Es war hart, aber es war wohl das richtige. Oder gab es vielleicht eine noch richtigere Lösung für das Problem?
Breit grinsend antwortete der Wächter, "Ich hab heute zwar tierische Kopfschmerzen, aber ich wette man kann Glück zumindest schenken!"

* * *


Wenig später war Cim endlich auf dem Weg zur Wache, um seine Angelegenheiten dort in Ordnung zu bringen, und die Suche nach Tirron, bislang eher eine Privatsache, endlich zur Sache der Exekutive zu machen.
Er hatte den Pseudopolisplatz kaum betreten, als ihn auch schon die Rekruten Malochax und Johan Schaaf wortlos eskortierten und zum Kommandeur brachten. Lange Zeit blieb dieser in seine Unterlagen vertieft und ignorierte sowohl Cim als auch die Rekruten.
"Lasst uns alleine", sagte er endlich, eine letzte Unterschrift unter das Dokument vor ihm setzend und sah zu dem Feldwebel auf.
"Cim", begann er mit finsterer Miene, "ich hoffe dir ist klar, dass ich mir ein anderes Betragen erwarte. Unser Termin war vor zwei Stunden und selbst jetzt mussten Dich die Rekruten beinahe mit Gewalt herbringen! Was macht denn das für ein Beispiel!"
"Entschuldigung?", Cim war völlig verwirrt.
"Na gut, na gut.", wischte der Kommandeur die Sache vom Tisch, "Sei einfach etwas pünktlicher in Deinem neuen Amt und wir werden keine Probleme mehr haben."
Er verstand immer noch kein Wort. "Sir, ich ... was?"
Nun war es an Rince fassungslos zu sein. "Lest eigentlich nie jemand meine Memos? Larius hat Dir vorgestern eine Urkunde gebracht und ich hoffe sehr, Du hast sie nicht verloren, denn es war eine Heidenarbeit sie zu verfassen."
Cim dachte schuldbewusst an eine sehr, sehr, sehr, sehr schmutzige Uniform und sagte nur, "Nein, Sir, ich denke, ich habe das Schriftstück noch. Ich kam nur noch nicht dazu es zu lesen!"
"Soso. Na egal, da stand nur drinnen: per sofort erkläre ich Feldwebel Cim Bürstenkinn zum Leiter der Abteilung SUSI. Feier, Feier, fröhlich sein! Alles klar?"
"Um ehrlich zu sein, nein, Sir! Zuletzt wurde ich, nicht ganz unverständlicher Weise, diverser Verbrechen beschuldigt. Darf ich Dich fragen was damit ist?"
Kurze Zeit schien Rince in seinen Erinnerungen zu graben, als sich sein Gesicht aufhellte.
"Ach die alte Sache. Rascaal hat Deinen Doppelgänger längst dingfest gemacht und Dich entlastet. Jetzt sei aber nicht böse, wenn ich mich verabschieden muss, meine Frau kocht heute Schweinsbraten. Es wäre sehr unhöflich und eine unverzeihliche Dummheit da zu spät zu kommen. Wir sehen uns spätestens nächste Woche bei der Zeremonie beim Patrizier!"
Damit hetzte er aus seinem Büro, und war erstaunlich schnell verschwunden.
Mit müden Schritten ging Cim durch den Gang. Die Perlenkette in seiner Gesäßtasche schien eine Tonne zu wiegen, und mit schleppenden Schritten kam er zu seinem Büro - wo ihn bereits Rascaal erwartete.
"Gratuliere zur Ernennung!", sagte der Vampir ohne nach Glückwunsch zu klingen. Er packte den Feldwebel bei den Schultern und schob ihn zum Ausgang.
"Was soll das, Ras? Ich dachte, die Sache mit dem Doppelgänger hätte alles geklärt?", fragte Cim verwirrt, ließ sich aber weiterschieben.
Ein missbilligendes Grunzen kam als Antwort. "Halt mich nicht für dumm, junger Mann!"
Cim wollte stehen bleiben, wurde aber erneut weiter geschoben.
"Glaubst Du, ich weiß nicht, dass ich den Doppelgänger finden sollte? Aber Dein Freund Tirron hat uns ein wenig unterschätzt."
"Tirron ist ganz sicher nicht mein Freund", protestierte Cim. "Dürfte ich erfahren, wohin ich gerade gegangen werde?"
"Zur Unsichtbaren Universität, Cim. Zur Universität."

* * *


"Und das ist wirklich nötig?"
Ein kleiner buckliger Magier zog den letzten Lederriemen an und Cim war nun völlig bewegungsunfähig auf einem Stuhl festgezurrt.
"Alles nur zu deinem Besten, Cim!", versicherte Rascaal ihm. "Das hier ist Bentimor. Sein Spezialgebiet ist Hypnotik und Illusionszauber. Mit anderen Worten genau unser Mann."
"Er muss das hier trinken!", sagte Bentimor und reichte dem Vampir ein Reagenzglas, der es Cim schulterzuckend an die Lippen hielt.
"Er ist kein Mann von vielen Worten. Los, trink das hier, ich hab schließlich noch ein paar wirklich interessante Dinge zu tun heute."
Der Trank roch eher nach dem Endprodukt eines ausführlichen Verdauungsprozesses, als nach einer Flüssigkeit, die man freiwillig schlucken sollte. Cim bemühte sich an Himbeersaft zu denken als es seine Kehle hinunterfloss, zumindest so lange er noch klar denken konnte.
Ein Blitz schlug in seine Schläfen und trat im Hinterkopf wieder aus.
.........Fäuste, die ihn immer wieder schlugen......Tirrons lachendes Gesicht...."lasst ihn leben ich weiß was besseres"...."GEHORCHE!"...."überfalle Lady Latterland"...."Du wirst Dich an nichts erinnern"
Ein Blitz schlug in seine Schläfen und trat im Hinterkopf wieder aus.
......."Gehorche"....."überfalle den Pelzhändler"...."Du wirst Dich an nichts erinnern"
Ein Blitz
....Töte Vetinari....Töte Vetinari, und dann töte Dich selbst.....

Endlich war es vorbei.
Cim kannte das Gefühl sehr gut. Der Tag nach dem ausgelassenen Fest das in einem Blackout geendet hatte, und ein "guter Freund", der dir erbarmungslos alle Peinlichkeiten erzählt, die in aller Öffentlichkeit passiert waren, auch wenn es wie eine Geschichte über einen Fremden klingt. Niemand machte so etwas mit ihm außer ihm selbst.


Eine Woche später: Während der Zeremonie bei Vetinari:

Tirron wartete in einer kleinen Seitengasse und beobachtet den Patrizierpalast. Er war sich zwar seines Planes, seiner Fähigkeit und des Wächters sicher, konnte aber trotzdem eine leichte Nervosität nicht leugnen. Levian, der Chef des Geheimbundes, der ihn mit der ganzen Sache beauftragt hatte, würde den gewaltigen Rest der Bezahlung im Moment des Todes von Vetinari übergeben. Tirron hatte gar kein Interesse daran welche gewaltigen Verbesserungen die Stadt unter der neuen Führung erfahren würde, denn sein Schiff wartete bereits im Hafen und würde in dem Moment ablegen, in dem er an Bord kam.
Kurz lenkte ihn eine hübsche junge Frau ab, deren Hüfte vorbeiwippte und er pfiff ihr anzüglich hinterher.
Das war auch so eine Sache. Emilia war nicht mehr auffindbar, was ihm leid tat, denn er hätte sie gerne noch eine Weile mit der Hoffnung erpresst, sie würde ihre Kinder jemals wieder sehen. Aber bald konnte er sich jede Frau kaufen, die er wollte. Würde das den gleichen Spaß machen? Nun, er würde es bald...
"Verzeihen Sie, mein Herr!" Er fuhr herum. Vor ihm stand ein Mädchen mit großen, hellblauen Augen und langen gelockten schwarzen Haaren, aus denen ihre Stupsnase frech hervorschaute.
"Nette Augenbrauen! Was gibt's, Kleine?", fragte Tirron mürrisch. Frauen sprachen ihn nicht an. Frauen gingen ihm aus dem Weg. "Nun? Was willst Du?", brüllte er nun fast.
"Sie sind...!", stotterte sie, und wich einen Schritt zurück. "..verhaftet?"
Tirron duckte sich eher instinktiv, als dass er den Schatten gesehen hätte und Ktrask knallte in die Hauswand hinter ihm. "Eine Falle!", durchfuhr es ihn. Alles war geplatzt. Er stieß das Mädchen zur Seite und rannte. Geld oder nicht: sein Schiff wartete.

* * *


Ein augenscheinlich sehr alter Stuhl stand inmitten eines dunklen Kreises, der aus Onyx bestand und nahtlos in den polierten Granitboden integriert war.
Das Eichenholz aus dem der Stuhl gezimmert war, zeigte mannigfache Intarsien, Bilder und Reliefe von lachenden aber auch vor Schmerz schreienden Menschen, von edlen Rittern und schrecklichen Kreaturen, von hochaufragenden Türmen und finsteren Verliesen. Die eine Hälfte des Kreises wurde von Statuen eingenommen, die aussahen, als wären sie gerade aus dem Stuhl geschlüpft, doch allesamt waren sie bewaffnet, und allesamt sahen sie sehr bedrohlich aus.
Getrennt durch zwei Kohlebecken, die etwas Rauch und ein mattes, rötliches Licht an die ebenfalls aus Granit geschlagenen Wände zauberte, standen weitere, ebenfalls alte, aber schmucklose Stühle. Und Gestalten in bodenlangen, grauen Umhängen und Kapuzen, die das Gesicht völlig verdeckten, saßen darauf, und sahen zu ihr.

"Tritt vor Levian!", befahl die blonde Frau gleichsam in einem Ton, der jeden Widerspruch hinfort fegte. "Berichte dem Rat vom Scheitern unserer Angelegenheiten!"
Levian trat nicht vor, sondern wurde von zwei ölig glänzenden Hünen in die Mitte des Kreises gestoßen.
"Herrin! Erbarmen!", erhob er flehend die Hände. "Unser Plan wurde entdeckt, Vetinari sitzt nach wie vor auf dem Thron und der verfluchte Tirron ist geflohen. Bitte verzeiht mir mein Versagen!"
Die Wunderbare stand auf und ein Raunen ging durch die Vermummten. Lachend ging sie zu ihm und half ihm auf – ja, sie berührte ihn. "Ach komm doch, Levian. So schlimm ist das alles doch gar nicht!"
Unsicher die Stellen befühlend, wo ihre Hände ihn berührt hatten, sagte er "Nicht?"
"Aber nein", rief sie beschwichtigend, "Auch die kleine Intrige, die Du gegen mich gestrickt hast, finde ich nicht schlimm. Solange es Dich motiviert ist so was natürlich voll ok. Schlimm ist aber", und sie änderte schlagartig den plaudernden Ton in einen wütenden, hasssprühenden Keifton, "dass Vetinari jetzt von uns weiß, nach uns suchen und bekämpfen wird. Du", sie zeigte mit ihrer Bürste auf ihn, "hast uns unseres größten Vorteils beraubt den wir besessen hatten. Dafür, Levian, sollst Du nun sterben wie Du schon immer befürchtet hast zu sterben."
Die Bürste fixierend wich er zurück, flüsterte immer wieder "Erbarmen" oder "Ich mache es wieder gut", aber bald hatte er den Kreis aus Vermummten erreicht, die nicht zurückwichen.
Sie war ihm gefolgt und ohne ein weiteres Wort zu verlieren, legte sie ihm nun die Bürste an die Wange.
Sein Haar wurde lang, weiß, spärlich, fiel aus. Seine Wangen eingefallen, seine Haut spröde grau, und seine Zähne traten prominent unter den dünnen Lippen hervor.
Mit einem letzten "Aaah" fiel er nach vorne und bevor er den Boden noch erreichte zerfiel er zu Staub.
Beschwingt kehrte sie zu ihrem Stuhl zurück.
"Nun gut, meine Herren. Ich warte auf neue Vorschläge für die Nachbesetzung von Levian. Und natürlich auf einen neuen Plan!" Sanft lächelnd bürstete sie ihre Haare und sah den Dienern beim Saubermachen des Granitbodens zu.

* * *


"Anfänger!" Cim keuchte und hätte ihn nicht der Zorn angetrieben, wäre er ob des Tempos mit dem er zum Perlendock lief, wohl schon vor Erschöpfung umgekippt. "Sie schickt zwei Anfänger."
Venezia war der Meinung gewesen, dass die Festnahme von Tirron eine gute Übung für Laiza Harmonie und Ktrask sein könnte. Immerhin war es auch nur ein unbedeutender, einzelner Mann. Den beiden war kein Vorwurf zu machen, denn sie kannten den Erpresser, Vergewaltiger und Kinderräuber nicht.
Aber Cim würde ihn jetzt nicht entkommen lassen. Er sah bereits die hochragenden Masten der angelegten Schiffe. Jetzt galt es das schnellste davon zu finden und den Flüchtigen zu verfolgen.
Die Barkasse fiel ihm sofort ins Auge. Wahrscheinlich war sie einem größeren Kriegsschiff abhanden gekommen auf denen dieser Typ gerne als Beiboot verwendet wurde.
Das 12 Meter lange Boot hatte zwei Masten, eine große Anzahl an Ruderern, konnte sich unter Last immer noch durch Flusswindungen schlängeln und wenn es sein musste unter voller Takelung pfeilschnell auch lange Strecken über See zurücklegen.
Cim schätzte die Chance, dass es sich beim Kapitän der Barkasse um einen Schmuggler handelte für höher als 50 Prozent, aber darum ging es hier nicht.
Er nahm die Perlenkette, die er bislang wohl irgendwie verdrängt hatte und zerschnitt vorsichtig die Schnur an denen die wertvollen, weißen Kugeln aufgereiht waren. Vorsichtig verstaute er die Perlen in seiner Tasche.
"Kapitän!", rief er dann laut ohne eine Reaktion zu bekommen. "Was ist jetzt? Geniert Ihr Euch für das traurige Etwas, das ihr Schiff nennt?" In der Tat war es sogar recht säuberlich und in weißen Buchstaben war "Elvira" an den Bug gemalt worden.
"Wer spricht hier schlecht von meinem Schiff?", krächzte die viel zu helle Stimme des Kapitäns. Der Junge war wohl etwa 19 Jahre alt und entsprach so ganz und gar nicht dem Klischee eines alten Seebären.
"Also....", Cim war sich plötzlich nicht mehr ganz so sicher, ob er hier richtig war. 'Ach was solls', dachte er sich. "Ich brauche ein schnelles Schiff, um jemand zu verfolgen, der eben die Stadt verlassen hat. Seid ihr schnell? Und wann könnt ihr ablegen?"
Nun war es an dem "Kapitän" den Wächter abfällig zu mustern "Wenn ihr wohin wollt, nehmt die Postkutsche. Ich glaube nicht, dass ihr Euch leisten könnt von mir herumgefahren zu werden. Außerdem ist die "Celesti" auch ein recht schnelles Schiff."
Der Kerl war besser informiert als man glauben sollte, dachte sich Cim. Er griff in seine Tasche und holte einige Perlen hervor. "Hälfte jetzt, und die andere Hälfte wenn ihr mich heil wieder in Ankh-Morpork absetzt?"
Der junge Mann überlegte nur kurz. "Enim!", rief er erstaunlich laut, "hol die Bagage aus der Kneipe! Wir müssen eine Fregatte einholen!"

Sein Name war Edwin und er hatte ein schnelles Schiff mit dem er offenbar umgehen konnte, denn mit einer Mischung aus Rudern und Segeln schossen sie den Ankh hinab, überholten viele der schwer beladenen Kauffahrer und sahen endlich nach einigen Stunden das kreisrunde Meer vor sich glitzern - und die Fregatte "Celesti", die Tirron offenbar genommen hatte.
Der Wächter war hoch erfreut, dass sich seine Hartnäckigkeit bezahlt gemacht hatte.
"Habt ihr euch schon Gedanken gemacht, was wir tun sollen, wenn wir sie erreichen?", fragte der Kapitän.
"Nun", begann Cim, "ich bin mir unsicher, ob ich den Kerl lieber solange untertauchen sollte bis keine Blasen mehr aufsteigen, oder mit ihm als Köder Haien angeln gehe."
"Die Fregatte da vorne hat eine Mannschaft von etwa 100 Seeleuten und eine Bewaffnung von rund 30 schweren Ballistas. Wir haben eine Ballista, 5 Leute und werden uns nicht auf eine Konfrontation einlassen. Ist das klar?"
"Was schlägst Du also vor, Edwin?" Cim merkte, dass einiges in dem jungen Kapitän steckte, und war froh auf ihn vertraut zu haben.
"Nun ich würde mal freundlich fragen, ob Du an Bord kommen darfst, und den Rest regelst Du mit dem anderen Kapitän!"
Also war es beschlossen. Nach vier Stunden, es wurde langsam düster, waren sie auf Rufweite heran und Cim rief: "Feldwebel Cim Bürstenkinn bittet an Bord genommen zu werden!" Wenig später kletterte er eine Strickleiter nach oben.

Kapitän Lars Volgjurt entsprach schon eher den Bilderbuchvorstellungen eines Seebären. Vielmehr wurden die Bilderbücher nach ihm erstellt. Er war über zwei Meter groß, hatte einen roten Vollbart und eine breite, entzündete Narbe zog sich über sein linkes, eingefallenes Augenlid.
Er saß hinter einem prächtig verzierten Schreibtisch und sah gedankenverloren auf die Papiere vor ihm
"So!", er richtete sich auf, "ihr wollt also Tirron haben."
"Genau", bestätigte Cim, "Er ist mehrfach der Vergewaltigung, des versuchten Mordes, Beteiligung an verräterischen Komplotts und Freiheitsberaubung angeklagt und wird dementsprechend steckbrieflich gesucht."
"Hier auf dem Schiff und hier auf dem Meer aber nicht!", sagte Lars gleichgültig. "Deine Uniform gilt hier nicht besonders viel, wie Du Dir denken kannst!"
Cim nickte bedächtig. "Das ist richtig, aber vielleicht wollt ihr ja wieder mal in einer Stadt anlegen in der die Uniform hier das Gesetz darstellt."
"Droht ihr mir; Wächter?", donnerte Lars nun und sein verbliebenes Auge richtete sich zornig auf Cim.
"Aber nein doch. Alles was ich möchte, ist den Kerl schnappen bevor er entkommt, und weiteres Unheil anrichtet. Ich bin auch bereit dafür zu bezahlen!"
Er legte eine Perle auf den Schreibtisch des Kapitäns, der sie grinsend in seine Brusttasche fallen ließ. "Damit hast Du mal Deine Fahrkarte hier bezahlt und wir bleiben im Gespräch. Das bedeutet aber noch nicht, dass ich sonst was für Dich tun kann."
"Heißt das, Du beschützt den Kerl?"
Lars zuckte mit den Schultern. "Er hat sich hier an Bord nichts zu schulden kommen lassen, und hier bin ich das Gesetz. In diesem Sinne würde ich Dich auffordern ihm kein Haar zu krümmen, sonst lasse ich Dich zur Abschreckung für andere am Fockmast aufhängen! Was Du in El Kinte mit ihm machst ist mir herzlich egal, aber bis dahin bin ich für ihn verantwortlich."
Grummelnd verließ Cim die Kajüte des Kapitäns und stand vor Tirron. "Gehorche!", sagte dieser sofort, dann traf ihn auch schon Cims geballte Faust.

* * *


Emilia rannte den langen dunklen Gang entlang. Wo waren nur ihre Kinder? Sie konnte sie nicht finden und der dreckige stinkende Kerl war hinter ihr her. Sie konnte schon seinen Atem riechen und spürte regelrecht wie sich seine ungewaschenen Finger nach ihr ausstreckten, da stolperte sie und er war über ihr. Weg. Nur weg....
Emilia riss die Augen auf, und brauchte ein paar Sekunden um zu realisieren, dass sie wirklich in dem hellen Raum mit den bunten Blumentapeten lag, dass nun ihr Schlafzimmer war und gleich neben dem Zimmer ihrer Söhne lag.
Schnell streifte sie den Schauder des Albtraumes ab und öffnete die Tapetentür zu ihren Kindern. Die beiden schliefen noch zufrieden und eng zusammengekuschelt in ihrem vergleichsweise riesigen Bett.
Noch immer konnte sie nicht glauben, dass sich doch noch alles zum Guten gewandt hatte. Der alte Mann hatte sie offiziell als Tochter adoptiert, was ihre Kinder zu Enkeln und Erben des ganzen Reichtums machte. Wenn sie daran dachte schwindelte ihr beinahe.
Vorsichtig schloss sie die Tür, ging in ihr Bad und versuchte sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass es doch so was wie Hoffnung gab.

* * *


Cim gestand sich ein, dass es nicht die diplomatischste Vorgangsweise war, aber er fühlte sich jetzt für vieles entschädigt. Der Vorteil war, dass sie Tirron geknebelt und in Ketten gelegt hatten. Immerhin konnte er, wie Cim aus eigener Erfahrung wusste, mit seinem Mund einiges anrichten.
Weniger erfreulich war die Tatsache, dass sie den Feldwebel gleich neben dem Schwerverbrecher angekettet hatten. Cim fieberte der Ankunft in El Kinte entgegen und träumte davon dem Kerl die Rechnung zu präsentieren. Immerhin war auch er im Ausland nicht an die Gesetzmäßigkeiten von Ankh-Morpork gebunden, sondern nur an jene des fremden Landes.
Bis El Kinte waren es noch zwei Wochen und Cim wollte die Zeit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Immerhin war ER nicht geknebelt.
"Weißt du, was ich dir immer schon sagen wollte, Tirron? Deine Mutter hat dich nich geboren, sondern im Schlachthofweg am Boden gefunden. Die andere hätten gedacht, es wäre nur ein seltsam geformter Kuhfladen, aber deine alte Frau....."
So ging es eine sehr lange Zeit. Die Seeleute, die ihnen Essen und trinken brachten, hatten sich Wachskugeln in die Ohren gesteckt, während sie Tirron fütterten und so kam nur Cim in den Genuss die Beschwerden, die der Verbrecher vorzubringen hatte anzuhören, und zu verhöhnen.
Aber endlich war der große Tag da und sie ankerten vor der Küste von El Kinte.
Als die Ladung gelöscht war, wurden die beiden Gefangenen nach oben geführt und in ein Boot gesetzt. Am Strand waren sie endlich wieder frei, und standen hasserfüllt und barfuss nebeneinander.
"Ich mach dir jetzt einen Vorschlag", begann Cim endlich zu sprechen, "Ich nehme diesen Knebel und stecke ihn Dir in den Mund, fessle Dich mit diesen Fesseln, und Du kommst ohne Gegenwehr wieder mit zurück nach Ankh-Morpork."
"Oder was, kleiner Wächter?", fragte Tirron höhnisch, während er sich seine wundgescheuerten Gelenke rieb.
Nun leider war das Schicksal an einer Alternative nicht interessiert. Denn als Tirron lachend einen Schritt nach hinten machte, stieg er auf einen Seeigel, der zwischen den Steinen im seichten Wasser lag und sich von der Brandung umspülen ließ. Schreiend fiel Tirron, einen Fuß umklammert zur Seite, und traf mit seiner Schläfe einen spitzen Stein an dem Muscheln klebten – aber nicht genug. Das Meerwasser färbte sich rot, als er mit dem Gesicht nach unten auf der Oberfläche trieb. Cim versuchte verblüfft mit den Ereignissen Schritt zu halten, stellte aber lachend fest, dass der Kerl, den er quer übers Meer verfolgt hatte, ausgerutscht war und sich zufällig selbst erledigt hatte.
"Ich kann endlich nach Hause!", er grinste breit. Es gab ja doch noch Gerechtigkeit. Es gab... ein Schlag auf seinen Kopf legte sein Bewusstsein vorerst auf Eis.

Als er wieder aufwachte, lagen die Ketten unerfreulich fest an seinen Beinen und Händen, und sein Kopf schmerzte, als hätte jemand.... achja, sein Kopf schmerzte, weil jemand mit einem großen harten Gegenstand darauf eingeschlagen hatte.
"Ist hier jemand?", versuchte er zu rufen. Das war sicher ein Missverständnis." Das ist sicher ein Missverständnis", rief er, doch niemand schien seine Sprache zu verstehen.

Scheinbar eine Ewigkeit lang wurde er gefüttert, getränkt, von den anderen Insassen rasiert, tätowiert, verprügelt, oder er lernte in einem neuen klatschianischem Dialekt "Das ist ein Missverständnis" sagen.
Endlich nach fünf Monaten wurde er aus der Zelle gebracht und einem kritisch vor sich hinschreibenden Mann vorgeführt.
"Was haben sie also verbrochen?", wurde er in abgehackten Worten von dem Richter gefragt, und Cim erzählte seine Geschichte.


* * *



"Und was hast Du jetzt vor?", fragte Atera ihren ehemaligen Stellvertreter, "du hast sicher schon gehört, dass McHumph jetzt Abteilungsleiter von SUSI ist."
Cim zuckte mit den Schultern. "Ich war immer ein Seals-Wächter, und werde immer einer sein."
Etwas zaghaft fügte er hinzu: "Kann ich meinen Job als Vektor wieder haben?"


--ENDE--




[1]  Immerhin hatte Rogi sie ihm vor 2 Stunden noch einmal erklärt und aufgeschrieben.

[2] was den Zustand des Bodens eindeutig verschlimmerte

[3] und lief damit Gefahr sie zu verlieren

[4] Schon daran konnte man erkennen, dass es ihm ernst war. Immerhin musste er eine seiner Hauptmahlzeiten um 15 Minuten verschieben.

Zählt als Patch-Mission.



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Feedback:

Von Magane

12.01.2005 13:02

Ähm... wow!

Genau so hab ich auch gewertet.
Kritik hab ich keine.
Sehr schön dass, du mit einer [i:676a09e137]ernsten[/i:676a09e137] Mission 14 Punkte erreicht hast... (das zeigt mir, dass auch die ankommen können)

Von Ophelia Ziegenberger

12.01.2005 14:21

:D Gewertet hab ich nicht... *hüstel* ...aber ich muss sagen: Nicht schlecht! Wirklich nicht schlecht! Ich hab die Geschichte in einem Ruck runtergelesen und fand sie ausgezeichnet. *gratulier*

Von Romulus von Grauhaar

12.01.2005 14:27

Ich fand die Single auch sehr gut, wobei ich leicht unter dem Endergebnis gewertet habe.
Richtig groß kritisiern kann ich nicht viel, mir ist so die ein oder andere winzige Inkonsistenz (z.B. als Mc noch GRUND-AL war, war Rogi noch bei FROG) aufgefallen, mir hat (was wieder mal meine Subjektive Meinung ist) ein klein wenig der Humor gefehlt und an sonsten fand ich es stellenweise ein wenig schwer zu verstehen, was das ganze jetzt eigentlich soll, vielleicht habe ich mich dafür bisher zu wenig mit deinem Charakter befasst, aber ich fand ihn stellenweise ein wenig unnötig brutal, was dann mehr so im Nebensatz beschrieben wurde.
Naja, man kann Korinthen kacken, ich wollte halt irgendwie schreiben was mir konkret aufgefallen ist, womit man vielleicht was anfangen kann, alles in allem war es eine sehr schöne Single, und ich würd mich sehr freuen in zukunft wieder etwas mehr von dir zu lesen :) Grats zum verdienten Ribbon!

Von Rogi Feinstich

12.01.2005 15:39

Romulus was mc und mich angeht hast du etwas entscheidendes über lesen
[quote:a690a6cb73]****Sechs Monate früher*****[/quote:a690a6cb73] ;)
Die erste szene in der ich namentlich erwähnt werde ist also aktuell zumindest halbwegs weisnich is ja schon weg :-D
Was die single angeht kann ich da ansonsten Romulus zustimmen.

Von Venezia Knurblich

12.01.2005 17:02

Als einfache Geschichte fand ich die Geschichte sehr schön, aber - wie auch Romulus schon sagte - mir hat der Humor gefehlt... ich meine nicht, daß die Geschichte grundlegend hätte lustig sein müssen, sondern der hintergründige Humor, den man auch in ernste Sachen einfließen lassen kann... hätte man dem Ganzen andere Namen verpasst, hätte die Geschichte in jeder anderen Fantasywelt spielen können und das ist es auch, was bei meiner Bewertung die letzte Note zur 15 gekostet hat, weil das für mich für die Scheibenwelt unabdingbar ist.
Alles in Allem: Super Stil, klasse Geschichte, gute Beschreibungen... aber ein Quentchen mehr Humor müsste es für mich für die Bestnote schon sein.

Von Sallien Elonie Amenda von Seherr Dertief

12.01.2005 22:18

Bitte wie? :mata:
da war doch humor... oder bin ich jetzt blöd geworden?
also ich fand die singel genial! ihr habt einfach zu hohe ansprüche. *einschleim* :wink: :D
nee schmarn :P mir hat die singel richtig gut getaugt. nur dasse an manchen stellen wirklich nicht leicht zu verstehen war. und der Chara kam mir etwas sehr widersprüchlich vor... ansonsten hab ich nix zu meckern.

gruß Sally

Von Cim Bürstenkinn

13.01.2005 08:48

Liebe Leute!

Vielen Dank für Euer freundliches Urteil, vor allem aber für die Hinweise auf jene Punkte wo ihr Verbesserungspotential gefunden habt.

Ich werde versuchen das in Zukunft zu berücksichtigen.

lg, Cim.

Von Silicic

19.01.2005 11:35

Hi,

ich hab das Max. hier bewertet, weil für mich die Story alle Elemente eines "Film Noir" hatte.

Von Humph MeckDwarf

19.01.2005 12:04

Hallo!

Ich schwöre, ich wollte es VOR der Notenvergabe lesen, aber ich hatte mich um einen Tag verrechnet und danach hab ich mir dann doch Zeit gelassen, dein Werk zu lesen.

Was soll man dazu sagen? Typisch Cim? Nein, passt nicht, die Scheibe musste nicht gerettet werden, es gab keine fleischfressenden Monsterpflanzen :ggg: (ich denke mal, du weißt, was du ernst nehmen musst und was nicht ;-), is ja nicht so als wär ich besser in solchen Sachen :-)) Zum ernsthaften Teil:

Mir nicht ganz klar, warum es Leute gab, die keinen Humor fanden, ich hab n paar Mal gelacht (und das reicht mir) Vielleicht versteht man den nur als Österreicher? Sallien wäre ja Bayerin, die versteht österreichischen Humor noch. Und da auch ich keiner bin, der viel Humor in eine Single einbauen kann, stört mich das auch net besonders. Übrigens hab ich mich schon gefragt, wann diese Szene endlich rauskommt, nachdems ja doch länger her ist, das du mich nach einem Ok fragtest (die Humph-Szene).
Das Romulus das entscheidende überlesen hat, hatten wir auch schon.

Hm, ja, mir fällt nicht viel ein zu kritisieren. Was Persönliches: McHumph würd ich in einer Single nicht schreiben. Vor allem Atera würde mich nicht so bezeichnen, vl machts ja Cim (das Meck wird ja von jedem Wächter anders geschrieben, manche machens nach dem realen Mc, manche (nominell Ras) schreiben Mac, ich und manche andere halten sich an den Charanamen und schreiben Meck). Ja, vielleicht sagt Cim ja McHumph, weiß ich nicht, klingt halt nach nem Chatnamen. Die unterschiedliche Beschneidung meines Namens war allerdings auch innerhalb der Single zu lesen. Aber sonst gibts nicht wirklich was zu meckern. Das fünf Monate in einem Satz überbrückt wird lässt vielleicht das Ende zu abrupt erscheinen. Vor allem: Wie hat SUSI mehrere Monate ohne AL durchgehalten? Du wirst innerhalb der Single zum SUSI-Chef, am selben oder am nächsten Tag wirst du weggeschifft, heißt: Die gesamte Zeit deiner Periode warst du als Wächter nicht vorhanden; ich schätze aber, der Kommandeur hätte spätestens nach dem ersten Monat einen neuen SUSI-AL bestimmt. Das haut vielleicht net ganz hin. Aber das ist nur sehr leise Kritik und passiert durch: Es liegt schon so lang rum, ich wills zu Ende haben.

Ergo: Für mich ne 15; tolle Single mit kleinen Holperern, die ich geflissentlich ignorieren kann. Singles die man nicht mehr weglegen kann sucht man ja leider mit der Lupe bei so vielen Singles.

Von Cim Bürstenkinn

21.01.2005 02:20

Danke für das wirklich tolle Feedback, Mc/Meck/Mac/mchumph/meckdwarf :)
Die Iterationen Deines Namens haben tatsächlich zwei Gründe:

1. Sie sind alle im Umlauf, und dem muss Rechnung getragen werden :-D
2. 50 % der Zeit bin ich mir unsicher, wie Du wirklich heisst, was wohl eine klare Folge von Punkt 1 ist.

Das mit dem selben Tag an dem Cim verschifft wurde, verstehe ich nicht so ganz, weil ja die Zeremonie bei Vetinari nicht wirklich den Dienstantritt signalisieren sollte sondern nur der offizielle Anlass dazu war.


Eine Woche später: Während der Zeremonie bei Vetinari:
Sollte genug Zeit sein, um alle meine Tätigkeiten als SUSI-AL unterzubringen ;).


Ansonsten: Gegen Ende wurde ich etwas "atemlos". Die Szenen in El Kinte auszuführen hätte ich als übertrieben empfunden, mässig interessant und wahrscheinlich wären wieder irgendwelche fleischfressende Monster in die Geschichte gerutscht ;)

lg, Cim

Von Humph MeckDwarf

21.01.2005 10:38

Ja, man kann eben nicht viel kritisieren bei einer guten Single ;-) Heutzutage ist ne 14 eh schon die heimliche 15, weils immer schwerer wird, auf Gold zu schwimmen...

@Name: Naja. Für mich hat jede Abkürzung auch eine eigene Aussprache. Vor allem Atera hätte mE nach nie McHumph gesagt ;-) (einfach weils die Mischung aus Nach- und Vornamen ist und sowas ungewöhnlich ist :-P)

@Woche: Okay, das hab ich wohl überlesen. Hieße aber nur, dass du halt ne knappe Woche da warst und dann weg. Hätte der Kommandeur wohl auch Konsequenzen ziehen müssen (die man ja locker als kleinen Satz im Atera-Cim-Dialog einbauen hätte können)

@lange weg: Mhm, schon klar, dass das zu beschreiben ewig lang und langweilig gewesen wäre. Ich glaube allerdings, es wäre dynamischer gewesen, wenn du an dem Punkt, wo Tirron nen Unfall hat abgebrochen hättest und in die "Jetzt-Zeit" zurück gekehrt hättest. Ich denke, es wäre weit schöner und runder gewesen, wenn du anstatt den zwei daherplätschernden Sätzen es im Dialog noch kurz erklärt hättest, was passiert ist. (Ala: Atera schaltete sich ein: "Und was ist dann passiert? Du hättest sofort das nächste Schif bla bla...") Da hätte man sicher auch noch den unvergleichlichen Charme und Humor Cims rausbringen können ;-).

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