Autotherapeutisches Tagebuch

Bisher hat keiner bewertet.

von Obergefreite Magane (FROG)
Online seit 21. 12. 2004
PDF-Version

 Außerdem kommen vor: AteraYogi Schulterbreit

Niemand kann Magane helfen, nur sie selbst kann etwas gegen ihre Aggressionen tun... nur was? Irgendwer hat mal gesagt die Feder sei mächtiger als das Schwert... nach reiflicher Überlegung beschließt sie, sich Probleme einfach von der Seele zu schreiben, statt zuzuschlagen.

Dafür vergebene Note: 11

Eine kleine Erläuterung für all jene die Ausschnitte meiner Single kannten: Manchmal bin ich einfach zu trottelig zum glücklich sein. Dieses Machwerk ist innerhalb der letzten Woche vor Abgabetermin entstanden. Warum? Weil ich die fast fertige Single ausschließlich auf einer Diskette gespeichert hatte, die ich zwischen den drei Rechnern, an denen ich schreibe, verschlampt hab. Sollte ich sie wiederfinden, so wird sie beendet und abgeschickt, deswegen hab ich hier noch mal nachgedacht und eine andere Idee verarbeitet, sodass die beiden Geschichten trotz gleicher Handlung in sich total unterschiedlich sind. Dies ist quasi das Tagebuch, das ich in der anderen Single nur angedeutet habe. Mir bleibt nur zu hoffen, dass ich hiermit die Strafe erfülle, um sie vorher noch mal herum zu schicken bleibt keine Zeit.


Oktotag, 21. Dezember (Prolog)
Es ist eine kalte und stürmische Nacht - nein... so fängt man kein Tagebuch an - ist es aber, es ist saukalt draußen und es weht einem fast die Haare vom Kopf - ich glaube ich muss das hier wirklich noch lernen. Okay, ich habe noch nie Tagebuch geführt, und eigentlich halte ich auch nichts davon. Aber ich machs trotzdem, weil ich mir nicht anders zu helfen weiß. Ich hab Scheiße gebaut, und das nicht zu knapp - wobei... eigentlich ist fast nichts passiert - jetzt muss ich zum einen meine eigenen Probleme lösen, unblutig und mit dem Gesetz, und zum anderen diese Strafe erfüllen. "OG Magane wird für schuldig befunden, bei einer Außenmission den Tatbestand der Körperverletzung erfüllt zu haben"... eigentlich hab ich dem Kerl einen gefallen getan, die Nase war so was von krumm... "Deswegen wird hat sie täglich für die Dauer von einer Woche und unter permanenter Aufsicht von Stabsspieß Atera oder einer von ihr ausgewählten Vertretung einen Informations- und Beschwerdestand der Wache auf dem Marktplatz zu eröffnen, um den professionellen Umgang mit den Bürgern zu erlernen. Aufgabe dieses Standes ist es, dem Bürger die Arbeit der Stadtwache in den verschiedenen Formen näherzubringen und auf deren Beschwerden einzugehen"... da kommt Freude auf, der Wächter dein Freund und Helfer - verdammt ich kann so was nicht, ich bin dazu ausgebildet auf Dächern zu liegen und auf Leute zu schießen. Ich hab eine diplomatische Begabung von minus siebzehn, das gibt eine Katastrophe und hinterher sitz ich wieder beim Kommandeur im Büro und erkläre wie aus einem Informations- und Beschwerdestand eine totale Katastrophe werden konnte.
Aber das ist ja noch nicht alles, als ob es noch nicht genug wäre... "Ferner hat sie sich einer Antiaggressions- und Disziplintherapie zu unterziehen"... klingt harmlos, ist es auch eigentlich, aber nur dann wenn man nicht vom Püschologen gehasst wird. Feldwebel Breguyar gibt mir immer das Gefühl, er wüsste alles, manchmal glaube ich er kann Gedanken lesen und noch bin ich mir nicht sicher ob er tatsächlich so ein Idiot ist oder nur ein guter Schauspieler. Aber das finde ich noch raus, wäre doch gelacht. Vielleicht hätte ich Püsochlogin werden sollen, ihn zu analysieren ist zwar sicherlich eine Lebensaufgabe, aber hochinteressant. Naja, die einzige Therapiesitzung die stattfand, hatte mit Antiaggressions- und Disziplintherapie auf jeden Fall nichts zu tun. Er meinte erkönne mir nicht helfen, Therapie ist sinnlos, solange ich mich immer weiter über Mathie aufrege. Ich könnte schwören, dass er mir dazu geraten hat, ihn aus dem Weg zu schaffen - aber so etwas würde ein Schäff doch niemals tun. Auf jeden Fall werde ich nicht demnächst beim Kommandeur im Büro sitzen und mich für den heimtückischen Mord an meinem Ehemann verantworten.
Weil der Feldwebel mir nicht helfen kann - und ich nicht glaube nicht, dass Nyva mir helfen könnte, sie ist zwar ganz nett, verfügt aber nun wirklich nicht über Erfahrung - habe ich mich jetzt entschlossen dieses Tagebuch zu schreiben, schließlich bringt es nichts eine Strohpuppe zu vermöbeln, ganz zu schweigen von "unschuldigen Bürgern". Ich denke wenn ich jetzt eine Woche lang jeden tag daraus muss und mich mit Bürgern auseinandersetzen muss werde ich irgendwas in der Richtung brauchen. Morgen früh geh ich auf jeden Fall als erstes zu Stabspieß Atera und wer weiß, vielleicht wirds ja gar nicht so schlimm.


Montag, 22. Dezember (Immer schön lächeln!)
Bevor ich mit dem heutigen Tag beginne gehe ich noch mal kurz darauf ein warum ich das hier tue. Innerhalb der letzten 15 Monate, die ich jetzt bei der Wache bin, habe ich viel falsch gemacht, ich habe das Gesetz gebrochen und es noch nicht einmal bereut. Es passierte einem ja nichts, ein permanenter Eintrag in der Akte - was kümmert mich das? Dann steht da halt was von Körperverletzung, na und? Oh und natürlich die Strafe, als ob das so schlimm wäre, wenn man mal was anderes macht. Im Prinzip ist einem nichts passiert, solange man kein Stufe 3 Urteil bekam - Degradierung oder Strafversetzung, das ist übel. Aber jetzt durch die Änderung im Strafgesetz wäre meine nächste Stufe 2 Verurteilung eine Stufe 3. das will ich nicht, ich bin gerne bei FROG und war lang genug Gefreite. Na ja und wenn man sich mal anschaut, dass ich in einem Moment des Kontrollverlustes zugeschlagen hab und jetzt diese Sache am Hals hab, hab ja fast nichts getan. Son Stufe 2 Urteil hat man verdammt schnell... entweder ich änder mich, oder ich änder die Welt... Meine Situation lässt sich nicht ändern, ich bin verheiratet mit einem Mann den ich nie geliebt habe, bin schwanger von einem Mann den ich über alles liebe und habe einen Beruf, in dem ich immer bereit sein muss, einen Haushalt den ich führen muss und eine Beziehung die ich pflegen sollte - solange nicht der 48 Stunden Tag erfunden wird, renn ich nur von einem Haus zum nächsten und mach jede meiner Aufgaben allerhöchstens mittelmäßig. Das kann ich aber nicht ändern. Also muss ich anders damit umgehen lernen.
Aber komm ich mal zu heute. Bin heut morgen schrecklich früh in Stabspieß Ateras Büro aufgetaucht, die mir zu verstehen gab, dass ich Unterstützung haben würde. Ich fand das erst mal nicht schlecht, hab mir aber gleich gedacht, dass die Sache nen Harken hat, die Unterstützung ist Yogi Schulterbreit, einer der wenigen Mitrekruten, denen ich was getan habe - Mitrekruten ist vielleicht etwas übertrieben, ich war ja eigentlich schon aus der Grundausbildung raus als er kam, wir hatten kaum was miteinander zu tun. Ich hab ihn während meiner Ausbildung zum Triffinsziel angeschossen... Yogi hat einen großen Fehler er ist zu ehrlich, zu rechtschaffen, wenn er mich bewachen soll sehe ich sehr schwarz, wahrscheinlich schreibt er sogar jeden Abend einen superkorrekten Bericht an den Kommandeur...
mit all meinen kleinen Fehlerchen...
mit genauen Zeiten wann ich den Stand verlassen habe und für wie lange...
mit jedem falschen Wort, jeder pampigen Antwort...
Ich bin verloren.
Andererseits hat es auch Vorteile einen wohlerzogenen Jungen vom Land dabei zu haben, er hat, nach einem langen Blick auf meinen Bauch, den Stand ganz allein aufgebaut. Das war unheimlich nett, wenn man bedenkt dass ich ihn angeschossen habe. Yogi erscheint mir wie der perfekte Wächter, er scheint immer die Ruhe zu bewahren, sogar dann wenn die Leute zu ihm wirklich ätzend sind. Er lächelt nur und macht weiter, in Diskussionen weicht er kein Stück von seinem Standpunkt ab und bringt die Leute mit einem Lächeln und einem Nicken dazu, dass sie gehen. Ist das schon die ganze Kunst? Wenn die Leute anfangen zu nerven lächeln, nicken und dann gehen sie? Sollte es wirklich so sein, dann hab ich noch viel zu lernen, denn bisher hat es nicht wirklich funktioniert.
Zu allem Überfluss kam mittags auch noch der Schäff vorbei und übergab uns lächelnd ein Päckchen vom Kommandeur - ich ahnte Böses... und es kam schlimmer - offenbar hatte Trödeln doch Konsequenzen. Das Päckchen enthielt zwei rote Zipfelmützen mit flauschigem weißen Rand und ebenfalls flauschigen weißen Bommeln, an denen zusätzlich noch kleine Glöckchen befestigt waren - Schneevatermützen - dabei lag ein mit dunkelviolettroten Flecken übersäter Zettel, der klar machte, dass diese Dinger zu tragen seien, wenn ich meine Strafe erst zur Zeit des Schneevatermarktes auf dem Hier-Gibt’s-Alles-Platz antreten würde. Manchmal hasse ich ihn. Yogis Kommentar war, dass wir damit immerhin warme Ohren hätten und dass der Kommandeur doch an alles denke. Ich hab gelächelt und genickt und die Mütze aufgesetzt...


Dienstag, 23. Dezember ("Guten Tag, was kann ich für sie tun?")
Was haben die Leute nur gemacht bevor es unseren Stand gab? Haben sie rumgesessen und Däumchen gedreht? Scheinbar haben sie nur darauf gewartet, dass ein Informations- und BESCHWERDEstand eröffnete, damit sie dann dort ihren Müll abladen können. Es ist faszinierend wie viele willichnichtartige Wesen es in dieser Stadt gibt, sie beschweren sich über alles und jeden, von den auf der Straße spielenden Kindern, übers Wetter, bis hin zu dem starken Alkoholgeruch, der von den Glühweinbuden ausgeht. Etwa alle zwei Minuten hab ich heute "Guten Tag, Was kann ich für sie tun?" gesagt und dabei immer freundlich gelächelt und genickt wenn sie grad Mist redeten. Aufgeregt hab ich mich trotzdem und ich befürchte heut Nachmittag gegen drei hab ich eine ältere Dame so angemotzt, dass die sich sicherlich an anderem Ort über mich beschwert hat, allerdings war die auch bestimmt zum hundertsten Mal da und beschwerte sich auch zum hundersten Mal darüber, dass dieses Jahr direkt vor ihrem Küchenfenster ein Reibekuchenstand aufgebaut ist... was zum Pandämonium haben wir mit Reibekuchen zu tun? Als ob die Wache nicht schon genug am Hals hätte.
Das alles hat ein bisschen was von Tresendienst zwischen sieben Uhr morgens und halb acht, nur eben auf den ganzen Tag ausgedehnt, ich wünschte Houp wäre da und würde uns befreien. Außerdem ist es kalt, sehr kalt... und es schneit quasi pausenlos, wahrscheinlich hole ich mir eine Erkältung, wenn nicht schlimmeres an diesem Stand. Vielleicht sollte ich Laiza fragen ob sie uns einen Labordrachen ausleiht... tut sie aber sicher eh nicht und wenn glaube ich nicht, dass ein Drache gut für mich wäre. Aber der Gedanke ist verlockend, vielleicht finden wir auch eine andere Möglichkeit zum heizen, die Kälte macht mich wahnsinnig, schon allein weil man nach Dienstschluss erst die Finger auftauen muss um das falsche Lächeln abzuschrauben.


Mittwoch, 24. Dezember (Du allein gegen die Stadt)
Bürger Ankh-Morporks vereinigt euch mich zu nerven!
Ich bin sonst wirklich kein Freund von Verschwörungstheorien, aber heute...
Es fängt schon bei den allerkleinsten an, Säuglinge auf dem Arm ihrer Mutter fangen garantiert an zu plerren wenn sie bei uns vorbei gehen. Dann sind da die Kleinkinder, die fangen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an zu jammern wenn sie bei uns vorbeigezogen werden. Kinder bewerfen uns mit Schneebällen/Matschbomben. Halbstarke lachen und aus - wahrscheinlich wegen der Mützen, irgendwann zahle ich ihm das heim. (Erwachsene sind bei der Arbeit.) Rentner meinen früher sei alles besser gewesen, sie sagen Frauen gehören nicht in Uniform und schwingen dabei ihre Stöcke. Ob die wohl mit früher die paar korrupten und feigen Männer meinen, die die Wache dargestellt haben, bevor Kommandeur Rince angefangen hat aufzuräumen... Nun die Leute werden wissen wovon sie reden, vielleicht müsste ich, um das zu verstehen, vierzig Jahre älter sein und Ankh-Morpork als meine Stadt betrachten. Ich find, dass die Wache genau das ist was sie sein sollte, Hüter von Recht und Ordnung - nach den Maßstäben der Stadt - immerhin sind wir fast nicht korrupt, fast nie im Dienst berauscht (außer wenn Tibor grad mal wieder Freundschaftspreise macht), fast immer bei der Sache und für gewöhnlich befolgen wir die Gesetze.
Oder sind das nur die anderen... wo steh ich eigentlich? Ich bin ein unlizenzierter Dieb gewesen, irgendwo habe ich gelesen[1], dass die Unlizenzierten in Ankh-Morpork eine Parallelgesellschaft im Untergrund bilden, wie eine verschworene Elite... oder ehr Anti-Elite.
Da wollte ich raus, aber hab ich das wirklich geschafft?
Irgendwie verstehe ich die Leute nicht, müsste ich das nicht eigentlich, sie sind mir völlig fremd, die haben Problemchen, die ich nicht nachvollziehen kann und auch gar nicht nachvollziehen will. War der Glühwein letztes Jahr billiger? Wen kümmerts, warum nervt man die Wache damit? Hat der Betreiber des Dampfkarussells eine Gruppe Kinder bevorzugt? Will ich das wissen, was soll ich dran ändern? Und, verdammt noch eins, ich will nichts - aber auch gar nichts - von Reibekuchengeruch hören.
Yogi tut sein bestes, aber leider schafft er es nicht alle Beschwerden über das Essen abzufangen... Mit den anderen Sachen komm ich ja ganz gut klar (Nicken und Lächeln, Verständnis heucheln und ein Protokoll schreiben). Eigentlich hätte ich diese Dinge in der Grundausbildung lernen sollen, was hab ich in den sieben Monaten getan, außer rumhängen und Ausbilder ärgern. Manchmal glaube ich, es wäre besser gewesen ich wär bei Zeiten heimgekehrt und in den Wald gegangen, Oma hätte bestimmt ein gutes Kräuterweib aus mir gemacht... vielleicht hätt ich nie weglaufen solln. Ankh-Morpork ist sicherlich nicht der richtige Ort für mich, je besser ich die Stadt kennen lerne, um so mehr spüre ich, dass ich nicht her gehöre. Die Stadt und ihre Bürger sind gegen mich...


Donnerstag, 25. Dezember (Keine Gewalt ist auch keine Lösung)
Die Wache scheint einen wirklich schlechten Ruf zu haben, was die Leute einem alles vorwerfen - Willkür, unangemessene Gewalt, Trunkenheit im Dienst - selbst wenn sie recht hätten, gäbe ihnen das das Recht uns zu beschimpfen? Heute scheint der Tag der Pöbler zu sein, was einem eigentlich egal sein kann, sollen sie doch schimpfen und meckern, solange es nicht zu arg wird kann man die Leute ignorieren - ja, das geht... immer nur lächeln und nicken... und wenn man dafür angemacht wird macht man trotzdem weiter - aber auch das hat Grenzen. Heut Mittag war ein relativ junger Vater mit seinem Sohn da, der Vater fing an zu pöbeln, während der etwa 10 Jahre alte Junge daneben stand. Er wurde richtig übel beleidigend und irgendwann machte das Kind mit. Die beiden gingen ein paar Schritte weg, kamen wieder, machten weiter. Immer und immer wieder. Sie haben mich schrecklich aufgeregt. Der Junge tut mir irgendwie Leid, er kann ja nichts dafür das sein Vater ein Arsch ist... andererseits war er so frech, dass er einem kaum noch Leid tun konnte. Am liebsten hätte ich dem Vater gezeigt woher der schlechte Ruf der Wache kommt, aber mir war natürlich vollkommen klar, dass das zu riesigen Problemen geführt hätte. Also hab ich innerlich geknurrt und sie reden lassen.
Im Prinzip tue ich nichts anderes als auf zwei Schlachtfeldern zu kämpfen, auf dem einen gegen die äußeren Gegner, die alles tun um mich aus der Reserve zu locken, und auf dem anderen gegen das Tier in mir, dass beißen, kratzen und töten möchte. [2] Dieses Tier muss ich betäuben, oder tief in mir wegsperren, vielleicht ist es irgendwann mal nützlich. Und vielleicht kann ich ihm beibringen Männchen zu machen und durch brennende Reifen zu springen. Aber jetzt, jetzt muss es schweigen um meinen Beruf zu retten.
In der Auseinandersetzung mit diesem Pöbler hab ich mich immer wieder gefragt, wie Yogi es schafft so ruhig zu bleiben, er zeigt keinerlei Anzeichen von Aggression - ob ich es jemals schaffe soweit zu kommen? Will ich das überhaupt? Vielleicht ist der Sinn dieser Strafe nicht, dass ich unter den Bürgern dieser Stadt leide sondern dass ich von einem Vektor lerne mit den Leuten umzugehn. Wenn es so ist, wie soll ich dann von ihm lernen? Er ist unheimlich ruhig, aber wie er das schafft ist nicht zu erkennen. Sollte ich ihn einfach drauf ansprechen? Ehr nicht, er wird dazu eh nichts sagen können - wahrscheinlich braucht man dazu doch eine gewisse Veranlagung.


Freitag, 26. Dezember (Leben und beschweren lassen)
Dieses Amstandstehen ist unheimlich einsam, sicher, Yogi ist da und natürlich kommen Bürger, aber die beschweren sich nur und mit Yogi kann man nicht wirklich reden. Ich wünschte ich könnte mit jemandem reden, der zuhört, aber nicht nur schweigt... oder wenn das nicht möglich ist möchte ich einfach nur in Ruhe gelassen werden, aber dieses ewige Beschweren geht mir ziemlich auf die Nerven. Heute hat doch tatsächlich jemand versucht Schnapper anzuzeigen - wegen versuchten Mordes und schwerer Körperverletzung - dabei ist man doch selbst Schuld, wenn man ein Produkt aus Schnappers Bauchladen kauft und isst. Im Moment möchte ich noch nicht einmal in seiner Nähe sein, seine Schneevaterspezialwürstchen und Pasteten stinken zum Himmel, sie übertreffen sogar den Ankh, aber vielleicht liegt das auch an der Kälte, Schnappers kram ist ja heiß und auf dem Ankh liegt Schnee, beziehungsweise das was sie hier als Schnee bezeichnen.
Ich wüsste zu gerne wie Schnapper es schafft auch nach 30 Jahren im Geschäft immer noch seine Weltberühmten Würstchen zu verkaufen, ob sie wohl auf irgendeine widerliche Art süchtig machen? Inzwischen müsste jeder gewarnt sein aber sein Geschäft blüht... sehr seltsam.
Eigentlich ist alles was hier zu Essen und zu Trinken angeboten wird ziemlich ekelhaft, das einzige was überhaupt erträglich ist ist die heiße Schokolade von Mütterchen Mitthoff vom Stand gegenüber. Leider verkauft sie auch gebrannte Mandeln - mir wir schon beim Gedanken daran übel - der Geruch zieht natürlich voll zu uns herüber. Eigentlich müsste das mit der Übelkeit doch vorbei sein - Oma sagt das sei ungewöhnlich, aber nicht besorgniserregend... ich wünschte ich könnte ihr glauben - und schlafen kann ich auch nicht mehr, das macht die Arbeit auf dem Platz nicht einfacher.
Die Leute sind so laut und so unfreundlich. Die meisten sind von Glühwein, Grog und heißem Met betrunken. Nun trink ich auch gerne, aber doch nicht so früh am Tag, die fangen ja schon vormittags an, als wäre dieser Markt nur dazu da.
Inzwischen bin ich soweit, dass ich die Beschwerden einfach nur aufnehme, protokolliere und in Gedanken einfach woanders bin. Ich hör den Leuten nicht mehr zu, will mich nicht mit ihrem Dreck belasten, sollen sie sich doch untereinander zulabern...


Samstag, 27. Dezember (Bürger sind auch nur Menschen - oder so)
Irgendwie gehen mir langsam die Erlebnisse aus...
- es ist kalt
- mir ist dauernd übel
- den ganzen Tag stehen ist unheimlich anstrengend
- ich bin totmüde
- Yogi ist mir ein Rätsel
- die Leute sind unfreundlich und betrunken
- ich sehe nicht wirklich, dass wir mit unserem Stand irgendetwas ändern
- an Kerzen kann man sich nur ganz schlecht wärmen wenn ein mittelprächtiger Schneesturm was dagegen hat
- auch heißer Kakao wird kalt wenn er unter einer Schneewehe begraben wird
... aber das ist alles nichts neues, was bringt es schon wenn ich immer das selbe schreibe, das Wetter war heute besonders schlecht, deswegen waren kaum Leute auf der Straße, also hatten wir eigentlich nichts zu tun. Yogi und ich haben den ganzen Tag geredet (und gefroren), er mein,t dass es hilft wenn man sich klar macht, dass die Bürger die sich beschweren auch nur Menschen - oder andere Wesen - sind und dass sie einem nichts Böses wollen sondern nur ihre Probleme sehen, die bitteschön umgehend zu lösen sind.


Sonntag, 28. Dezember (Warum Bürger doch wie Dächer sind)
Die Leute werden immer hektischer, je näher das Schneevaterfest kommt, als würde der Weltuntergang nahen. Im Sommer, als die Sache mit dem Schwert geschehen ist, hab ich mich gefragt warum Bürger nicht wie Dächer sind. Jetzt weiß ich, dass ich mich da geirrt habe. Im Gespräch muss man immer aufpassen was man sagt, ein falscher Satz kann einem das Genick brechen, genau wie beim Klettern ein falscher Schritt den unvermeidlichen Sturz in die Tiefe nach sich zieht. Das Gemüt des einzelnen ähnelt einem Dach, es hat marode Stellen, gelegentlich mal eine besonders rutschige Schindel, oder einen losen Balken. An manchen Stellen glänzt es, an anderen rasten Tauben. Bei einem Gespräch tanzt man auf dem Dach herum und versucht nicht zu stürzen... und bei schlechtem Wetter stürzt man leichter, dann ist alles rutschiger...
Wenn ich vorher gewusst hätte, dass es so einfach ist. Man muss nur bestimmte Stellen meiden, dann geht alles glatt und man erreicht sicher was man will. Aber jeder ist anders, die meisten kennt man nicht, man bewegt sich also mit geschlossenen Augen auf einem unbekannten Dach... jetzt muss ich nur noch herausfinden wie ich die "Augen" öffnen kann und die Schwachstellen finden kann bevor ich abrutsche oder durchbreche...


Oktotag, 29. Dezember (Epilog)
Dies wird mein letzter Eintrag sein und heute Nacht werde ich sicherstellen, dass niemand jemals diese Aufzeichnungen liest, in dem ich sie oben auf dem Dach verbrenne. Tagebuch schreiben liegt mir nicht, das habe ich feststellen müssen - das passt auch nicht zu mir, ich rede nicht gern über meine Probleme, dann will ich sie auch nicht aufschreiben und wenn ich hier zurück blättere, dann sehe ich, dass das alles totaler Mist ist.
Das bin nicht ich.
Das will ich nicht sein.
Das ist jemand der zu schwach ist um sich seinen Problemen offen zu stellen.
Allein die Idee, ich könnte mir auf diesem Wege die Sache erleichtern war Schwachsinn, das hat es nicht leichter gemacht sondern nur schwerer und vor allem es kostete wertvolle Zeit Vielleicht reicht ja auch meine Willenskraft aus um die Aggressionen zu dämpfen, ich muss mir nur klar machen was mir droht, wenn ich das nächste Mal das Gesetz breche. Das Tier ordentlich wegsperren und ihm Männchenmachen beibringen. Aber dazu brauche ich sicherlich kein Tagebuch. Und auch bestimmt keine weiteren Strafen. Ich habe meine Lektion gelernt...
Mein Bericht (in dreifacher Ausführung) ist auch fertig und per Rohrpost an IA und SEALS verschickt, bei Bregs geh ich gleich noch vorbei - ist eh auf dem Weg nach oben.
Jetzt gehe ich die Streichhölzer suchen und dann gehts rauf aufs Dach, um mich von diesem Übel zu befreien.

[1] Lesen bildet, sagt man. Maggie hat - beschrieben in einer Single die momentan verschollen ist - sehr viel gelesen. Gesetzbücher, auf der Suche nach einer Möglichkeit die Ehe zu annullieren; Strategielehrbücher; Bücher über moderne Kriegführung; Bücher über Erziehung...

[2] Ja, ich weiß dass das sehr nach Pratchetts Mumm klingt... aber was soll ich tun, diesen Kampf kämpfen wir doch alle. Ich könnte jetzt hier ausführlich begründen warum auch ich dieses Bild benutze, aber ich machs kurz: mir fällt einfach kein anderes ein.




Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.

Feedback:

Von Magane

28.12.2004 12:47

*ist mal gar nicht überrascht* :o

Wui! Eine 11... und das bei den Dingen die ich in der letzten Woche gehört hab... da könnt man ja fast übermütig werden.

Von Daemon Llanddcairfyn

29.12.2004 14:38

Gna, da bin ich wohl zu kurz gesprungen und hab die Bewertungsphase verpaßt.

Ich fand es als Strafsingle unter diesem Titel 'Tagebuch' nicht schlecht. Die ersten Absätze fand ich waren (ein Ausdruck, den ich von einem mir bekannten Österreicher übernahm) vermeidbar, aber dann wurde es schlagartig besser steigerte sich. Besonders der Absatz mit den Dächern war natürlich super, hätte jeder Tag einen Gedanken mit dieser Qualität gehabt, wäre das keine 11 geworden.

Jetzt will ich natürlich nicht raten, weiter an deinem Tagebuchstil zu arbeiten und ihn von nun an als alleiniges Stilmittel zu verwenden, aber für diese Aufgabe fand ich ihn passend eingesetzt.

Ansonsten bin ich froh, dass ich nicht auf irgendwelchen Weihnachtsmärkten für die Parte.. ich meine die Wache stehen muss, um von der guten alten Zeit angemacht zu werden ;o)

Ich hätte übrigens anders bewertet, sage aber nicht wie ;oPP :o)

Von Laiza Harmonie

29.12.2004 16:31

Nun, ich hab glaub ich auch mit 11 bewertet.
Ich fands zu kurz :mrgreen: da fängt man grad an und schon ist es zu ende ;-) Ich hab mich hauptsächlich amüsiert, weil mir die Dinge so bekannt vor kamen von deinen Wahlkampftagen ;-) Vorallem dieser Vater mit diesem saudämlichen Balg *erinnert sich an den Vorfall* Die Szene hättest du ein deutig ausführlicher behandeln können :mrgreen:

Die Stadtwache von Ankh-Morpork ist eine nicht-kommerzielle Fan-Aktivität. Technische Realisierung: Stadtwache.net 1999-2024 Impressum | Nutzungsbedingugnen | Datenschutzerklärung