Beschissen fühlen und werden

Bisher hat keiner bewertet.

von Korporal Rib (SEALS)
Online seit 02. 12. 2004
PDF-Version

Phase Eins: Der Aufbruch



Dafür vergebene Note: 9

Das Ende einer Trilogie ist der Anfang einer Neuen. Wie Laiza und Bregs nimmt Rib aktuelle Ereignisse als Begründung über sein Wächterdasein nachzudenken. Doch in dieser Trilogie entscheidet sich nicht das wie, sondern das ob.

WICHTIG: Hier in dieser Geschichte geht es um das Verhältnis von FIGUREN zueinander, nicht von Spielern. Im Gegenteil: Rib, die Figur, kann nur Probleme mit Figuren bekommen, deren Schreiber ich respektiere und so einschätze, dass sie mit dieser Situation auch umgehen können, ohne eine Spielebene zu verlassen. Wie eben Harry oder Ras. Alles andere würde das Wesen des Spiels verletzen.
Achja, danke an Ras, der vorschlug, sich intime damit zu befassen und eine Geschichte zu basteln. Ich hoffe, es ist etwas daraus geworden, das unterhaltsam ist und auch Dir Spaß macht.

Alle Charaktere bekommen eine Abschrift dieses Gespräches, ihr könnt es also in die Reaktionen eurer Figuren auf Rib einfließen lassen.


"Ich liebe Suspendierungen, selbst wenn ich darum bitten muss! Anwalt noch eins, endlich Ruhe und man kann Dinge tun, die einem wirklich am Herzen liegen", seufzte Rib MacLaut, vom Clan der MacLaut und warf den Rucksack schwungvoll von seinem Rücken. Ein leises Keuchen war dem Dingzu entnehmen. "Komm, Dragor, setz dich. Ich hab' schon jemand losgeschickt, der ein paar SEALS holt.
HA! Mit all dem Alk unter der Haube muss ich den Scheiß zum Glück hier nicht wegmachen."
Er kletterte das Felsgestein hoch, klopfte freundlich zu seiner Rechten auf den Sitzplatz und missachtete dabei den zweifelnden Gesichtsausdruck des Chief-Korporals. Dragor blickte sich um, doch die Umgebung war totenstill. Vielleicht war jetzt der Zeitpunkt für das Gespräch gekommen, das er solange aufgeschoben hatte. Dragor seufzte und kramte nach einem Flachmann, den er extra zu diesem Zweck in den letzten Tagen mit sich herumgetragen hatte. Ein Wunder, dass Stahl bei einem solchen Inhalt nicht leckte.
"Weißt du, Rib..."
"Dragor, setzt dich! Das ist Sandstein. Wovor hast du Angst? Dass der Felsen hier abhaut?"
Der Wächter nickte seinem Kollegen zu. Dieser dezimetergroße Kobold würde nicht zuhören, bis er seinen Willen bekam, also machte der Mensch es sich gemütlich. Und begann mit einem neuen Anlauf.
"Rib, du weißt, dass ich dich als meinen Freund betrachte und ich weiß, wie schwer es war, mein Trauzeuge zu sein. All das Zitiere und so."
Der Kobold nickte: "Aber es hat mir geholfen. Durch den blöden Pfaffen hab ich gelernt, ein Beißholz zu nutzen, wenn ein Rekrut mir Akten vorließt. Das meintest du nicht, oder?
Du hast mich gelobt und jetzt kommt ein 'Aber'. Schau mich nicht so an, auf solche Sätze kommt immer ein Aber. 'Rib, du weißt, ich liebe dich ABER meine Migräne.' So was hab ich schon oft gehört."
Dragor entkorkte den Flachmann ab und goss etwas von dem Zeug in dessen Kappe und einen eilig hervor gekramten Fingerhut. Man prostete sich zu, feierlich, als wäre es ein uraltes Ritual mit dem solche Gespräche begonnen werden sollten. Vielleicht war es auch das. Oder kam dem nahe.
"Kein Aber. Eher ein Warum." Beide tranken einen Schluck, fast feierlich. Dragor konnte es grade noch so verhindern, das Gesicht zu verziehen. Was tat man nicht alles für Freunde. "Ist es das? Ärger mit Lar'a?"
Rib lachte gekünstelt und holte eine Zigarre heraus: "Was soll was sein? Mit Lar'a hab' ich keinen Ärger, wie auch? Dann hätte ich ja wenigstens etwas Zeit mit ihr verbracht. Aber dieser ganze Abteilungskram frisst Stunden wie meine Kinder Knallkörner."
Der Freund schaute den Kobold nur ruhig an. Er spürte, dass sein Freund dringend über etwas reden wollte und nur nach den Worten suchte. Passende Worte, so wusste Dragor, waren schwer zu finden. Einige Menschen suchten ihr ganzes Leben danach. Aber vielleicht brauchte er nur ein Stichwort.
"Du hast heute nach Ärger gesucht. Und das nicht zum ersten Mal in letzter Zeit. Komm, gib es zu. Zuerst schleppst du mich in diesen 'Heldenschuppen' und befielst so einer Gruppe von Zwergen, dass sie den Platz freimachen sollen. Das wäre dein Tisch. Ich dachte mir bleibt das Herz stehen, aber die Jungs gingen wirklich. Also wartest du bis ich raus gehe, mein Bier in der Wildnis abzustellen, um den Trollwirt was zu fragen?"
"Na, ob die Gläser auf dem Tisch die gesetzliche Norm erfüllen. Für die Körperhöhe von Rasenschmuck erschien mir das Glas zu groß. Und?"
"Rib, du hast dich noch nie beschwert, dass ein Glas zu groß sei. Ich hab dich schon aus Fässern trinken sehen... oder nennen wir es eher schwimmen und tauchen. Komm schon, NIEMAND hat in den letzten Jahren so ein Gesetz kontrolliert."
"He, das Gesetz gibt es, ich hab' mich erst gestern mit Steven darüber unterhalten."
"Und warum hast du dich darüber mit dem Rechtsexperten deiner Abteilung unterhalten?"
Der Kobold grinste: "Dachte, es könnte nützlich sein solche Gesetze zu kennen."
"Du wolltest dich Prügeln!"
Rib zuckte mit den Schultern. Das sollte so viel heißen wie: Na und? Solange die anderen zuerst zuschlagen...
Dragor seufzte, nun kam der schwere Teil: "Nun zu meiner Frage: Was sollte das? Komm schon, Rib, du legst dich mit einer gesamten Kneipe an? SO gut bist du auch nicht. Wenn die hier nicht alle sturzbetrunken gewesen wären, würde hier irgendwo ein neuer schleimiger blauer Fußabdruck sein!"
Der Kobold hielt den Fingerhut noch einmal in die Höhe, damit Dragor nachschenken konnte. Was Dragor sagte stimmte schon. Glücklicherweise - sobald eine Kneipenschlägerei angefangen hat - wurde der Grund dafür bald unwichtig und jeder kämpfte fast augenblicklich gegen jeden. Er führte seinen Becher an die Lippen, nippte kurz und atmete tief aus. Absack [1] war einfach sein Lieblingsgetränk. Es fühlte sich an wie ein kleiner Tod, wenn man genügend davon trank.
"Und?" Ribs Antwort war mehr ein Flüstern. "Was willst du mir damit sagen?"
"Sei ehrlich: Willst du verletzt werden?"
Rib drückte die Zigarre neben sich aus. "Ich weiß nicht."
"Komm schon, Rib."
"Ich weiß es verdammt nochmal nicht! Und ich wüsste auch nicht, wie ich's wissen sollte! Alles was ich weiß, ist, dass mir dieses Leben nach dem Tode stinkt. Im Moment jedenfalls. So sehr, dass ich manchmal denke, dass echte Leben wäre besser als der Himmel, den wir Kobolde vorfinden. Vielleicht hab ich einen Fehler gemacht, vielleicht sollten echte Kobolde und Gnome auf der anderen Seite des Gesetzes stehen."
Darauf nahm Dragor erst einmal einen Schluck. Damit hatte er jetzt nicht gerechnet. Wie sollte er das Gespräch mit Rib jetzt weiterführen?
Er schüttelte sich leicht. "Harter Tobak."
Rib schaute zweifelnd auf den Stummel und zündete sich eine neue an. "Es geht."
"Nein, ich meine deine Aussage. So kenn' ich dich gar nicht. Es ist also Lar'a?"
"NEIN! Lass meine Frau aus dem Spiel!"
Abwehrend hob Dragor die Hände. Nun, wütende Ehemänner sollte man nicht reizen.
"Hey, ganz ruhig! Ich bin's", murmelte er. "Dein Freund und Kollege."
"Auf den Kollegen scheiß ich... aber den Freund kann ich gebrauchen."
"Dann rück raus damit. So kenn' ich dich gar nicht."
"Ich wurde... beschissen. Von meinem eigenen Kommandanten. Dem ich soweit vertrauen sollte, dass ich ihm aufs Wort folge. Weißt du, wie ich mich fühle?"
Dragor zog es vor nicht zu widersprechen. Sollte Rib erst einmal weiterreden bis er sich beruhigt hatte.
"Eigentlich sollten sich Wächter gegenseitig den Rücken stärken, aber er tritt mir stattdessen in den Arsch."
"In Ordnung. Ich stimme dir nicht zu, aber erklär' mir das also."
"Gut, in drei Schritten: Zeugenvernehmung, Anklage und dann Urteil. In jedem der Dinger hat er mich beschissen." Rib nahm das Nicken als Aufforderung weiter zu erzählen. "Fangen wir mit der Zeugenvernehmung an: Ich hab' eine Anzeige gegen Harry gestellt..." [2]
Dragor zuckte zusammen. "Bitte fang nicht damit an: Ich hab die Befragungen durchgelesen. Mir raucht der Kopf immer noch davon."
Rib stimmte seinem Kollegen innerlich zu. Er war sich selbst nicht sicher das Erlebte genau verstanden zu haben.
"Gut, lassen wir den Fall außen vor. Mir geht’s nicht um das warum, sondern um das WIE.
Also, meine Anzeige war vor Harrys, klar?
Ich hatte zwei Zeugen benannt. Dennis und Laiza. Wurden beide nicht gefragt. Selbst als ich nach dem Prozeß darauf hinwies, dass Harry gelogen hatte und die beiden es beweisen konnten."
Dragor schaute verwirrt. "Und? Er hat Harrys Rücken eben gestärkt. Das forderst du doch. Warum eigentlich wurden sie nicht befragt?"
"Zeit. Ras meinte, er würde Dennis im Außendienst kaum erreichen und selbst wenn es eine zweite Aussage geben würde, stände es Aussage gegen Aussage. Es würde keinen Sinn machen." Rib lachte bitter. "Es steht doch IMMER Aussage gegen Aussage. Ich hab noch nie von IA ein Beweisstück zu Gesicht bekommen. Es kommt darauf an, ob zwei oder mehr Personen einem Befragten widersprechen.
Nun, für mich allerdings, da hat er einen zweiten Zeugen gehört. Da machte es plötzlich Sinn. Es nervt mich an, ich hab mir nie was zuschulden kommen lassen, aber in jeder Befragung legt er mir nahe, den Dienst zu quittieren. Und macht sich über meine Religion lustig, während er behauptet, unverwundbar zu sein wie ein anwaltverdammter Gott. Wäre eigentlich mal einen Test wert, findest du nicht?
Verdammt nochmal, warum bei mir? Ich bin Korporal, weil ich schneller als alle anderen 'ne Menge Fälle gelöst habe. Warum zählt das nicht?"
Rib achtete nicht auf das Schulterzucken. "Jedenfalls hat er mich nicht zu packen bekommen. Bei keinem Satz hat er mir beweisen können, nur eine Drohung ausgesprochen zu haben."
"Rib, du wurdest verurteilt. Und zwar nicht von Ras, sondern von den anderen."[3]
"Ja, aber warum? Ich weiß, ich frag den Falschen. Das Rogi und du zu mir hielten, rechne ich euch hoch an.
Schau mal: In meiner Befragung merke ich plötzlich, dass ich über ganz andere Dinge befragt werde. Gar nichts von wegen Bedrohung. Ich frage nach warum, aber er antwortet mir nicht ob es noch einen weiteren Anklagepunkt gibt. Da hat er mich bei der Anklage hereingelegt. Ich hab mich nicht mal verteidigen können, weil ich nicht gewusst habe, wessen ich beschuldigt bin. Mal abgesehen davon, dass der Punkt verjährt war."
"Ähmmm... der Punkt wurde in der Verurteilung doch zurückgezogen." Dragor hatte, im Gegensatz zu Rogi und Romulus, mit 'Schuldig' gestimmt. Jetzt, fand er allerdings, war nicht unbedingt der günstigste Zeitpunkt diesen Fakt zu herauszustellen. Später war sicher besser.
Der Kobold schüttelte den Kopf, dass sein Zopf um seinen Schädel herum peitschte. "Nein. Er kam nur nicht in die Akte. Das ist ein Unterschied. Der letzte Punkt: Urteilsfindung.
Lass mich raten wie es gelaufen ist: Ihr habt eine Nachricht bekommen, in der ihr über Schuld und Unschuld stimmen musstet."
"Wie immer, klar. Standardbrief."
"Ja? Ein Standardbrief? Das sehe ich nicht so. Ich wette mir dir um eine weitere Flasche Absack, er war es nicht."
Dragor blickte nun Rib verwirrt an.
"Eines meiner ersten Urteile, die ich fällen musste, war Maganes erste Straftat. [4] Auch da gab es mehrere Anklagepunkte. Einbruch, Urkundenfälschung und noch ein paar Sachen, glaube ich. Und zu jedem einzelnen Punkt musste ich sagen, ob ich ihn für schuldig hielt oder nicht.
Weißt du, ich kann das nur vermuten, obwohl ich als stellvertretender Abteilungsleiter jede Anzeige bekomme, ob ich darüber abstimmen darf oder nicht. Selbst wenn sie mich betreffen. Nur eine einzige fehlte, und es war die, die der Möhrenbeißer manipuliert hat.
Bei meinem Arsch, ich bin mir sicher, das war diesmal nicht der Fall: Es gab nur ein Urteil über beide angebliche Taten. Wenn die Leute wollten, dass der kleine Kobold mit der Zombiekiste schuldig war, dann mussten sie auch schuldig für die Bedrohung stimmen."
"Verdammt, stimmt. So war es. Es gab nur ein Urteil."
"Siehst du, so hat er mich erwischt, obwohl er die Straftat Bedrohung nicht zeigen konnte. Er hat eine Anzeige benutzt, die er nicht stellen durfte und sich geweigert, sie zu nennen. Meine Zeugen nicht wurden nicht befragt. Und als letztes noch die Abstimmung durch eine veränderte Fragestellung manipuliert. Das mit dem Zombie war ein beschissener Türöffner und er hat funktioniert."

Rib war innerlich so wütend, dass er kotzen konnte. Nun, bei der Menge an Alkohol und der Tatsache, dass er nicht aufhörte zu trinken, stand ein Deja-vu mit dem Mittagessen eh noch aus. So was nannte man: Sich die Sache nochmals durch den Kopf gehen lassen.
"Und nun ist es wieder passiert und er hat wieder denselben beschissenen Trick angewandt. Ein neuer Fall, das alte Spiel des Beißers. Des Lords. [5]
Wieder hat er mich reingelegt, indem er in Anklage und Vernehmung getrickst hat. Und wieder gab es einen Türöffner, auch wenn er sich diesmal geschickter angestellt hat.
Wieder werden nur Zeugen befragt, die mich belasten könnten. Der Freund des Klägers, wie durchsichtig ist das denn? Erwartungsgemäß erzählt der auch nur Mist. Ich hätte den ganzen Tag da rum gestanden und gemurrt. Bis ich aus heiterem Himmel Lust gehabt hätte, jemanden zusammenzuschlagen.
Ha, na klar. Hast du schon mal erlebt, dass ich untätig war? Ich mag vielleicht übereifrig sein und zu schnell darin, jemanden zu beschuldigen, aber sich 'nen lauen Lenz machen, war noch nie mein Fall.
Oder das dieser Heinz geblutet hat... Ich schlag' doch nicht auf jemanden ein, der blutet. Wie ehrlos ist das denn?
Nein, der Typ hat genauso gelogen wie sein Freund, der Ankläger.
Die Lügen hätte jeder der Wächter, die mit unterwegs waren, richtig stellen können. Die Zeugen widersprechen sich selbst, wenn der Ankläger zum Beispiel erwähnt, dass ich rumfaulenzender Kerl ein Seil benutze oder Ras dessen Beule sieht. Beulen bluten nicht. Eine Beule ist nämlich vor allem Blut, das dem Körper nicht entweicht und deshalb Stunden später zu einer Art gestautem Hügel wird. Als Vampir kennt Ras sich mit Blut halt nicht aus.
Und weißt du, was das Geile an diesem Zeugen ist? Der ist in der Fallakte gar nicht erwähnt. Meine Informanten haben mir gesagt, dass in dem Brückentrollfall so ein Zeuge [6] abgelehnt wurde, aber wenn man dem Korporal Rib was anhängen kann, geht das natürlich in Ordnung, egal wie viele Wächter man befragen könnte."
Dragor mischte sich ein: "Er hat doch dich befragt."
"Pah! Und danach wieder die Anklage geändert. Plötzlich geht es nicht mehr darum, ob ich jemanden bei einer Verhaftung zweimal geschlagen hab und ob diese Art von Verhaftungen gerechtfertigt ist oder nicht. Vielmehr geht es darum, ob ich verhaften durfte. Aber das sagt er mir nicht.
Und er fragt mich danach auch nicht, nicht mal ansatzweise. Ich hatte gar keine Chance mich zu verteidigen, weil ich wieder nicht wusste, worum es ging. Stattdessen behauptet er, dass er sich an einen solchen Präzedenzfall nicht gibt, wie ich anführe. [7] Dabei gab es dieses Beispiel von einem Wächter, der einen Werwolf / Mörder mit einem Feuerwerkskörper tötete, nachdem dieser angekündigt hatte, trotz sichtbarer Waffe des Wächters Widerstand zu leisten. Und dieser Werwolf hatte auch in dem Moment nicht angegriffen.
Die ganze Vernehmung war eine Farce, nur Anschein, um mich 'ordentlich' zu verurteilen. Wenn ich mich hätte verteidigen können..."
"Ja, was dann, was hättest du gesagt?"
"Das, als wir dahin kamen, ich natürlich mit den anderen versucht habe das Schwert zu bändigen. Dass daran selbst der Experte aus der Gilde scheiterte.
Dass die Menge unruhig wurde, als wir das Schwert nicht sofort unter Kontrolle bekamen. Ich bin kein dummer Schläger mehr und wenn man mich Wicht ruft, dann schlag' ich nicht sofort zu. Mögen meine Ahnen und Geschwister mir deswegen vergeben."
"In der Akte steht, du hast versucht zu räumen?"
"Na klar. Da ist ein Schwert, das unkontrolliert Dinge zerhackt. Wie sollen wir es unter Kontrolle bringen, wenn Kinder fast in die Klinge laufen und Zuschauer uns mit Gemüse bewerfen?"
"Also hast du den Gemüsewerfer verhaften und zusammenschlagen lassen?"
"Nein, der wurde gar nicht verhaftet. Ich änderte den Befehl auf eine simple Verwarnung, egal was der Zeuge sagt. Das wusste Ras auch, das ist in Maggies IA-Akte über diesen Tag enthalten. Ebenso, wie ich ihre Aggressivität nicht gutheiße und ihr befohlen habe, sich deswegen selbst anzuzeigen. verdammt, ich war der Belastungszeuge. Das hät' ich wohl kaum gemacht, wenn ich dasselbe getan hätte." [7a]
"Wo ist denn der Unterschied zu dir, du hast doch auch zugeschlagen?"
"Aber nicht, weil man mich beleidigte. Ich habe den Platz räumen wollen und die Menge ging nicht. Das hab ich gemacht, anstelle rumzusitzen."
"In der Akte steht, da war kein Band gespannt."
"Wie auch? Das kann ich erst spannen, wenn der Bereich der Absperrung geräumt ist. Soll ich das Band durch die Leute ziehen? Mal abgesehen davon, dass, während ein Schwert herum fliegt, ich garantiert nicht irgendwo rotweißes Garn festbinde.
Die Menge wollte nicht gehen, also hab ich ihren Rädelsführer verwarnt. Nicht irgendeinen, den Wortführer der Leute. Ich hätte ihn sofort wegen Amtsbeleidigung verhaften können, aber ich wollte nur, dass er und die anderen etwas zurück weichen. Er beleidigt weiter, aber ich bleibe ruhig. Verwarne noch zweimal.
Damit hab ich mich in eine dumme Lage gebracht, ich war ein echter Idiot. Durch das Verwarnen hab' ich keine andere Wahl, nun muss ich ihn verhaften, vorschriftsmäßig. Sonst gerät die Menge außer Kontrolle. Dabei wollte ich mich eigentlich um das Schwert kümmern, da Menschen so schwach sind.
Und jetzt weigert sich noch der Idiot. Gleich bei der ersten Weigerung hätte ich handeln können, aber das mach ich nicht. Ich bring' ihn nicht um, wie ich dürfte, weil ich so was nicht mache: Ich verwarne ihn noch zweimal.
Ich bleibe ein netter Bulle. Ich will nicht wie Maggie sein, ich glaube an das, was wir den Geist der Wache nennen. Aber mir ist bewusst, wenn ich den Kerl nicht schnell unter Kontrolle bekomme, fliegt was anderes als Gemüse, vielleicht Steine. Also schlage ich zu, weil ein zehn Zentimeter großes Wesen nicht anders verhaften kann."
Dragor blickt zweifelnd:" Zweimal?"
"Wie sonst? Ich kann zwei Sachen nicht zulassen. Erstens, dass er zurückschlägt, denn wenn er trifft, fliege ich mit meinen paar Gramm sonst wohin. Und zweitens, dass ihm jemand zur Seite steht und mitkämpft. Die Menge war so aufgeputscht, wir wären gelyncht worden. Auch weil Maggie so einen Scheiß baute.
Danach zerbreche ich das Schwert und lasse ihn abtransportieren. Wohlgemerkt, ich mache es nicht selbst, schleife ihn nicht durch die Gassen. Was theoretisch auch drin gewesen wäre.
All das hätte ich sagen können, aber Ras war nicht an der Wahrheit interessiert. Er wollte mich nur verurteilen. Und wieder werde ich nicht wissen wofür.
Habe ich im ersten Fall wirklich gedroht oder war es der Zombie, der den Ausschlag gab?
Und jetzt, hatte ich nicht das recht ihn zu verhaften oder darf ich Verhaftete nicht so behandeln?
Diese Türöffner machen mich wahnsinnig, weil ich nicht weiß, wie ich mich verhalten soll. Deswegen habe ich Tery auch gesagt, ich will suspendiert werden. Ich hab' keine Ahnung wie ich handeln soll und solange sich Ras so verhält, wird jede Handlung von mir zu einer Verurteilung."

Der Kobold lachte auf. Das Lachen war bitter und sehr zynisch. Dragor war entsetzt. Anscheinend war viel in seinem Freund passiert von dem er keine Ahnung hatte.
"Ich kann sie ja alle gut verstehen, Harry, der lügt, um sich einer Strafe zu entziehen. Veni, die, obwohl sie um die Verbrechen des Gnomenpaten weiß, ihren Verwandten in Ruhe lässt. Ras, der, um mich für Harrys Anklage zu bestrafen, seine Mittel nutzt. Das ist menschlich, allzumenschlich.
Aber wir sind Wächter und es gibt kein Recht, es gibt nur uns."
"Wie meinst du das schon wieder?"
"Erinner dich an diese Laiza-, Maggie-, Ktraskgeschichte mit der Brücke. [9]
Da war auf so einer Brücke ein reger Verkehr, der die Taschen irgendeines hergelaufenen Trolls füllte, der sich auf so ein 'altes Steinrecht' berief. Dieses übermenschlich große Stück Abraumschotter behauptete einfach, sein Großvater wäre hier als Fundament eingearbeitet worden und das gebe ihm das Recht Brückenzoll zu erheben.
Gut, die drei haben Mist gebaut, aber dem Troll das recht dazu geben, Zoll einzunehmen?
Das ist doch Schwachsinn, zumal es darauf hinausläuft, dass jeder x-beliebige Ganovenenkel Zollstationen in Wachstuben aufbauen darf. Venis Onkel wird wissen, wie viele Leichen in öffentlichen Fundamenten ruhen.
Aber das ist das Problem mit dieser Stadt und ihren Wächtern:
Es gibt nicht wirklich ein Recht zu vertreten. Manche Gesetze sind nicht zu befolgen, wie das absolute Vorfahrtsgebot von Ameisen, dass Lord Schnappüber vor Jahrhunderten erlassen hat.
Andere, wie mit der Größe von Schankbechern oder dem so genannten Gebot sittlichen Anstandes, werden von vielen nicht beachtet, dass wir nur deshalb die Vollstreckung nicht durchsetzen, weil wir keine Erfahrung in der Verhaftung ganzer Stadtviertel sammeln wollen.
Und sollte doch ausnahmsweise kein Gesetz Strafe androhen, ist es nicht sicher, ob nicht nachher ein weiteres geschaffen wird, um jemandem etwas anzuhängen.
Das Gesetz, und das weißt du als Wächter genauso gut wie ich, ist nur eine Lüge, die den Wunsch nach Gerechtigkeit verbirgt."
"Hmmm", meldete Dragor seine Zweifel an.
"Wir entscheiden nicht nach Recht, sondern nach Gefühl. Passt diese oder jene Handlung zu uns Wächtern?
Vielleicht seh' ich es richtig, und das damals passte, vielleicht lieg' ich auch falsch. Aber verdammt noch mal, ich weiß nicht, was ich daraus lernen soll, ob ich verurteilt werde oder nicht, solange es solche Doppelanklagen gibt.
Das wichtige ist, dass wir selbst in den Spiegel schauen können und bis gestern konnte ich das, aber nun nicht mehr."
"Was ist passiert?"
"Eine V.E.K.T.O.R.in hat sich beworben, Sallien. Bisschen grün hinter den Ohren, aber ich glaub' sie wird ihre Sache gut machen. Vielleicht sogar noch besser."
"Und? Wo ist das Problem?"
"Ich hab sie ermahnt. Wegen ihrem Verfahren bei IA. Hab darauf herumgeritten, dass ein V.E.K.T.O.R. zu denen von uns, die bei IA landen, das Gegenbeispiel darstellt. Und die ganze Zeit hatte ich das Gefühl gleich kotzen zu müssen.
Ich glaube nicht mehr daran. Wie viele von denen, die ich mitverurteilt habe, sind ebenso reingelegt worden wie ich, wie viele von denen, die freikamen, nur durch des Lord Vampirs Schliche? Weißt du, er behauptet immer, er würde nicht urteilen, aber solange so manipuliert wird, tut er es doch. Denn ich kann nur entscheiden darüber, was er mir an Fakten präsentiert."
Der Kobold schüttelte den Kopf und würgte.
"Wie falsch war das denn? Eine Moral zu vertreten, die man korrumpiert glaubt. Weißt du, Ras forderte mich auf ihn zu respektieren, aber Respekt wächst aus moralischer Stärke. Wie kann ich also erwarten, dass Sallien mich respektiert, wenn ich sie belüge? Und dann von Vertrauen unter Wächtern rede?
Ich respektiere den Kommandanten als Kommandanten, egal, wer es ist. Soll sie auf dieselbe Art den stellvertretenden Leiter respektieren? Deshalb brauch' ich die Pause. Verdammt, ich wünschte, ich hätte die Möglichkeit es allen zu sagen, was ich denke. Doch das ließe sich wohl kaum bewerkstelligen, in dem ich alle Wächter aufsuche."
Aus Ribs Rucksack ragte plötzlich eine violette Hand heraus, die mehrere Zettel in die Höhe hielt. Instinktiv griff Dragor danach.
"Da steht das ganze Gespräch darauf", murmelte er. "Was schleppst du da mit dir herum, den Diktator?"
Rib nickte. "Verantwortlich sein. Ich lass Tery nicht allein mit dem Verwaltungsmist. Suspendiert ist der Wächter, aber nicht der stellvertretende Abteilungsleiter. Das kann ich ihr nicht antun. Allerdings sollte er NICHT jetzt mitschreiben. Was noch notierst du?"
"Hihi", tönte es aus dem Leder.

Rib trank noch einen Schluck und spuckte nochmals auf den Boden. Die Silhouette da im Eingang kam ihm bekannt vor.
"Ich scheiß drauf. Auf Dämonen und den Rest. Dragor, bitte verteil das durch die Hauspost. Mach klar, dass es was Privates ist und die Kosten von meinem Lohn abgezogen werden.
Da ist endlich SEALS." Rib grinste. "Die getreuen Streiter für Recht und Ordnung. Komm, wir gehen. Hast du eigentlich den Zwerg gesehen, der das Weinfass fangen wollte? Der Troll hatte es ja mit ziemlich viel Schwung geworfen."
"Nein. Und, hat er es geschafft?"
"Zählt ein Kopfball?"
"Hmmm... ich denke nicht."
"Schade. Ich hätte ihm einen Erfolg gegönnt."
Am Ausgang blickte Rib zurück, auf den Troll, auf dem sie gesessen hatten. Von nun an würde Rib koboldmäßigen Spaß haben.



[1] Wie Absinth, nur mit Ankhwasser gemischt. Was die Wirkung angeht, war der Name Programm.

[2] Ich führ mal die Akten auf. Nein, zum Verstehen der Mission müßt ihr sie nicht lesen. http://www.wache.cc/ia/akten/harry01.htm

[3] Die Vernehmung (nicht die Vor- und Nachgeschichte) findet man da: http://www.wache.cc/ia/akten/rib02.htm

[4] http://www.wache.cc/ia/akten/magane01.htm

[5] http://www.wache.cc/ia/akten/rib03.htm

[6] gespielt vom Spieler Rib_MacLaut

[7]  Der "5.Elefantpadagraph" bezieht sich natürlich auf das Buch. Ja, ich weiß, andere Leute nervt, das ich mich an TP ausrichte. Aber das ist halt meine Art zu spielen und ich verlange das ja nicht von den anderen. Hier in der Scene allerdings war dies Beispiel bekannt und der Vampir verleugnete es trotzdem.

[7a] http://www.wache.cc/ia/akten/magane02.htm

[9] http://www.wache.cc/ia/akten/sammelbruecke01.htm

Kritik ist erwünscht, solange sie keinen Spieler beleidigt.



Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.

Feedback:

Die Stadtwache von Ankh-Morpork ist eine nicht-kommerzielle Fan-Aktivität. Technische Realisierung: Stadtwache.net 1999-2024 Impressum | Nutzungsbedingugnen | Datenschutzerklärung