A F.R.O.G.'s work

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von Chief-Korporal Sidney (FROG)
Online seit 12. 10. 2004
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Ein Tag im Leben eines FROGs

Dafür vergebene Note: 11

Müde schlug ich die Augen auf. Dunkelheit empfing mich. Gut. Licht wäre jetzt nervig. Kurz die Augen schließen, zurück in den Schlaf sinken. Merken, dass ich eigentlich aufstehen sollte. Augen wieder öffnen, tief durchatmen, und die Decke zurückschlagen. Wenigstens war es immer noch dunkel. Pluspunkt für diesen Morgen. Minuspunkt, weil ich dennoch aufstehen musste. Immer noch schläfrig starrte ich in die Dunkelheit, die sich Schlafzimmer nannte. Nichts starrte zurück. Gut. Es gab bessere Dinge am Morgen, als kleine Tiere zu jagen. Schlafen zum Beispiel. Doch mein Berufsleben machte mir mal wieder einen fetten Strich durch die Rechnung.
Also watete ich durch ein paar Klamotten am Boden hinüber in etwas, das andere wohl Wohnzimmer nennen würden. Ich hielt nicht so viel davon, Zimmern Namen zu geben. Okay, was zu tun? Klamotten, Essen, Arbeiten. Schätzungsweise in dieser Reihenfolge. Also stöberte ich durch den Haufen voller Klamotten nach irgendwas Passendem. Unterhose, Hose. Annehmbar. Weiter zum zweiten Punkt, essen. Langsam wurde ich schon wacher. Essen... ich versuchte mich zu erinnern, ob noch etwas da war, wenn möglich etwas, das nicht fliehen wollte. Obwohl, das wäre auch akzeptabel. Solange ich es nicht jagen musste so früh am Morgen. Auf dem Tisch stand nichts. Dumm. In irgendeinem Schrank vielleicht, aber ich hatte keine Hoffnung. Ich kannte schließlich meine Fähigkeiten im Haushalt. Und nein, natürlich war da nichts. Folglich würde ich mir beim Dienst irgendwas besorgen müssen. Mal schauen, wem man was abknöpfen konnte. Genau in diesem Moment klopfte etwas an meine Haustür.
"Jo, ich komm ja schon." Und wirklich, ich machte mich auf den Weg, die kleine Treppe hinunter, in den Flur, an die Tür. Ein Griff zu der Armbrust, die ich praktischerweise an die Wand gehängt hatte. Nicht unbedingt, um mich wehren zu können, sondern viel eher, um manchen Leuten nahezulegen, mich in Ruhe zu lassen. Bisher hat zumindest keiner ein zweites Mal gewagt. Ich sollte mir aber dennoch überlegen, wie ich den dann loswerden sollte, bevor es zu spät war.
Ich öffnete die Tür, Armbrust in der Hand, Müdigkeit in den Augen.
"Ja?"
"Hey, Sid!"
Irgendetwas an ihr kam mir bekannt vor, und mein müdes Gehirn schwang sich in neue Höhen, um die Frau vor meiner Tür zu identifizieren. Schließlich: "Skilla?"
"Was denkst du denn? Noch nich wach, hm?" Sie nickte meinem nackten Oberkörper zu, dachte, ich wäre grade aus dem Bett gesprungen. Nun, irgendwie hatte sie ja recht.
"Komm rein." Ich drehte mich um, hängte die Armbrust zurück und ging wieder hoch, ohne die Tür zu schließen. Ich vertraute ihr schon soweit, dass sie das von alleine tat.
"Meine Güte, wie sieht's hier aus?", fragte sie erstaunt hinter mir, als sie die Unordnung in meinem "Wohnzimmer" sah. Dabei sollte sie sich doch noch erinnern, dass es immer so aussah bei mir. Es gab eben doch Dinge, die ich nicht konnte.
Ein Teil meines Gehirns versuchte mich wieder ins Bett zu bugsieren, um entweder weiterzuschlafen, oder Skilla zu sich zu holen, oder auch beides, was ich am ehesten glauben konnte. Doch versehentlich vermasselte ich diesen genialen Plan, indem ich an meinen Dienst dachte. Wäre ich ein guter Wächter, würde ich jetzt mein Hemd anziehen, vielleicht eine Jacke rausziehen und mit meiner Kollegin zur Wache gehen, und mich unterwegs über all die armen Menschen unterhalten, denen wir noch helfen mussten. Wäre ich ein guter Wächter, wäre ich früher aufgestanden und hätte was zu Essen im Haus.
Aber ich versuchte mein Bestes, zog ein Hemd aus einem Stapel und schlüpfte hinein.
"Wegen mir musst du das nicht anziehen" Skilla grinst mich frech und auch anzüglich an, wenn ich das richtig deuten konnte so früh am Morgen.
"Kann ich mir vorstellen. Aber ich glaube, auf der Wache wär's nich so gern gesehen." Wenigstens der Teil für Sprache funktionierte in meinem Gehirn schon.
"Ich weiß nich, was die haben. Ist doch schön anzuschauen." Wieder grinste sie, und ich konnte nicht anders, als zu ihr zu gehen und ihr einen sanften Kuss auf die Wange zu geben. Ich schob es auf meine Müdigkeit, dass ich das tat. Alles andere wäre nicht gut.
Sie legte ihre Arme um meinen Brustkorb, und für ein paar Sekunden fühlte ich mich gut, und war kurz davor, wirklich wieder ins Bett zu gehen, und diesmal mit ihr im Schlepptau. Fast auf Automatik umarmte ich sie ebenfalls, erinnerte mich dann schmerzhaft an den Dienst – dank ihrer Dienstmarke, die sich in meinen Brustkorb bohrte – und ergab mich wehrlos in mein Schicksal.

Widerwillig verließen wir zwei also mein Haus (falls man dieses winzige Ding wirklich Haus nennen will), um wie tüchtige Wächter unseren Dienst zu beginnen. Mindestens einer von uns beiden fühlte sich schon zu seinen besten Zeiten nicht wie ein tüchtiger, aufrichtiger Wächter, und jetzt war er nich weiter davon entfernt. Ich sehnte mich nach meinem Bett, und teilweise auch nach Skillas Gesellschaft in eben jenem Bett. Wobei ich auch mit dem Bett alleine glücklich wäre, zumindest für einige Zeit. Doch leider hielt mich ein nerviger kleiner Teil meines Gehirns davon ab und erinnerte mich ständig, dass es doch meine Pflicht wäre. Ich dachte eigentlich, dieser Teil hätte schon vor Jahren wegen Nicht-Beachtung gekündigt, aber dem war nicht so. Scheinbar ignorierte ich ihn nicht oft genug. Aber er spielte sich auch immer zu sehr auf, um ihn zu ignorieren. Nerviges kleines Ding!
Skilla versuchte, Konversation mit mir zu betreiben, und so langsam bekam sie Übung darin. Small-Talk, oder wie immer man das nennt, liegt mir nicht, und wird es wohl auch nie. Verklag mich. Obwohl, lieber nicht. Ich hatte Ras' IA-Büro schon zu oft von innen gesehen.
"Na, Sid? Erwartet uns heute wieder ein spannender, aufregender Fall?"
Ich sah sie an, wie ich wohl eine rosa Nashorn angesehen hätte, das mich um Geld anbettelt. Skeptisch also.
"Glaubst du denn? Ich weiß nicht mal mehr, wann ich meinen letzten großen Einsatz hatte."
Das nahm sie scheinbar zum Anlass, sich näher an mich zu schmiegen, und mich aus großen, seltsam dunkelroten Augen anzusehen. Naja, warum sollte ausgerechnet ich, der ständig einen Gelbstich in seinen Augen rumschleppt, mich über rote Augen beschweren. Und außerdem gefielen mir ihre Augen irgendwie. Überhaupt gefiel sie mir.
"Du erinnerst dich nicht mehr an deinen letzten Einsatz? Das war doch mein erster, die Geiselnahme."
Ich dachte kurz nach. Stimmt, sie hatte recht. Meine Güte, das war mein letzter Einsatz für FROG gewesen. Schon so lange her, und dann nicht mal irgendwas spektakuläres. Es war mal wieder an der Zeit für irgendwas Großes. Ich nahm mir vor, für eine große Geiselnahme zu sorgen, wenn in... sagen wir, zwei Wochen immer noch nichts los war.
Aber erstmal musste ich mich um Skilla kümmern. Wenn ich jetzt das Falsche sagte, könnte ich sie für mindestens heute, wahrscheinlich auch morgen vergessen.
"Ach ja, ich erinnere mich. Natürlich." Nicht mal gelogen. "War ganz nett." Schon eher gelogen.
"Fand ich auch. Vielleicht ist ja wirklich heute was los."
Ich konnte es nicht wirklich glauben, aber vielleicht geschahen ja heute ein paar Wunder. Auf meiner Liste stand eine Pauschalbefreiung von IA recht weit oben, vielleicht konnte sich ja irgendein Gott oder sonstiges Wesen dieses Wunsches annehmen, wenn es schon einen Einsatz für uns vorbereitete.
Nun, zumindest erfüllte ein Gott oder so einen kleinen, geheimen Wunsch, diese Unterhaltung zu beenden, indem es das Wachhaus vor uns auftauchen ließ. Nicht falsch verstehen, ich mochte Skilla wirklich gerne, und redete auch gerne mit ihr, aber Konversation war eben nicht so mein Ding, und ich entzog mich manchmal ganz gerne. Skilla verstand mich wenigstens meistens.
Ganz Gentleman öffnete ich ihr die Tür – auch ich weiß manchmal, was sich gehört. Aber nicht immer war es mir wichtig, was die anderen von mir dachten. Und auch ein schlechter Ruf will gepflegt werden.
Wir ließen den Tresen samt dazugehörigem SEALS rechts liegen und ab nach oben in unsere Büros, uns auf einen anstregenden Tag voller Warten vorbereiten. Ich überlegte ernsthaft, ob ich ein bisschen schlafen sollte. Ich könnte mich verwandeln und dann als Wolf auf dem Boden schlafen. Als Mensch bekam man dann immer ziemlich Rückenschmerzen, aber ein Wolf war irgendwie immun dagegen. Ich habe keine Ahnung, warum.
Einen zarten Kuss später verabschiedete Skilla sich in ihr Büro mit dem – unverlangten – Versprechen, später bei mir vorbeizuschauen. Was sie wohl sagen würde, wenn da ein großer Werwolf auf dem Boden schlafen würde. Unter Umständen würde sie sich sogar dazulegen. Ich gebe zu, ich musste grinsen bei dem Gedanken. Es gab eindeutig Schlimmeres.

Ich öffnete meine Bürotür, sah hinein und stellte zufrieden fest, dass weder ein stinksaurer Abteilungsleiter noch ein auf die Apokalypse vorbereiteter Rascaal noch ein Kündigungsschreiben da waren. Welch schöner Tag. Nunja, bisher hatte noch nie etwas davon in meinem Büro auf mich gewartet, aber es ging um's Prinzip. Ich legte meine Armbrüste auf den Schreibtisch. Ich ging fast nie mit weniger als zweien durch die Gegend. Und selten, bei einem wirklich großen Einsatz, nahm ich auch gerne die schweren Geschütze aus dem Wandgestell. Natürlich zusätzlich zu den Kleinen.
Und jetzt? Ich könnte mich wirklich hinlegen und schlafen, aber wenn Skilla kam, oder gar Bregs. Nein, keine so gute Idee. Trainieren, zum Beispiel. Schießen, draußen, auf dem Hof? Nein. Keine unnötige Anstrengungen im Moment. Und außerdem, ganz ehrlich, ich war gut an dem Ding. Ich konnte im Schlaf schießen und treffen. Aber nachdem ich das einmal getan hatte, nahm mir immer jemand die Armbrust vorher weg. Ich sah das als Auszeichnung an, dass sie sogar Angst vor mir hatten, wenn ich schlief.
Aber was sollte ich dann tun? Malen, wie Skilla? Meine Götter, es gibt Dinge, die ich lieber nicht tun sollte, und das gehörte dazu. Am Ende zerrt mich Ras wegen visueller Grausamkeit zu IA. Da doch lieber, weil ich wieder einen ach so armen, unschuldigen Bürger bedroht habe. Als ob es so was gäbe. Einen unschuldigen Bürger, meine ich natürlich.
Ich könnte auch zu Bregs gehen und mir ein paar von seinen "Büchern" ausleihen. Aber, ehrlich, musste das sein? Ich hielt nicht so viel von den Heften, und so gerne las ich jetzt auch nicht, dass ich alles verschlang, was nach Buch aussieht. Und außerdem, wie würde Bregs reagieren? Die nächsten Wochen nur noch fragen, wie ich die Bücher fand? Nein, das musste nicht sein.
Blieb also doch nur diese dämliche Strohpuppe, die hinter der Tür hing. Auch so eine Idee von Bregs, damit ich mich "abreagieren" konnte. Ständig ging sie kaputt, und abreagiert fühlte ich mich auch nicht. Ich war immer noch in der Stimmung, jemandem den Kopf abzureißen. Ich war mir zwar nicht sicher, dass ich das konnte, aber ich wollte es herausfinden. Es ist immer gut, seine Grenzen zu kennen.
Ich stürzte mich also todesmutig auf die Puppe, zuerst mit einem schönen, gestreckten Bein, das den meisten Leuten ein paar Rippen gebrochen hätte. Dann eine schnelle Dreh-Kombination mit Ellbogen und Knie, und wieder ein paar heile Knochen weniger. Ich ließ mich gehen mit dem Kampf, wie ich es immer tat. Ich musste einfach nicht mehr nachdenken über die Schläge und Tritte, ich tat es einfach. Nenn es Instinkt, nenn es Talent, aber es ist so. Vielleicht hat es was mit dem Wolf in mir zu tun, aber es funktioniert perfekt. Insofern bringen Strohpuppen als Übung auch recht wenig, denn bisher hat sich noch nie eine gewehrt. Höchstens als Zielübung für die Armbrust waren sie interessant, aber damit es eine Herausforderung wird, hätte ich schon aus dem Gebäude gegenüber schießen müssen.
Also kam es mit ganz gelegen, dass Skilla mit einem Klopfen eintrat. Sie drückte die Tür etwas auf, sah lächelnd herein und wunderte sich dann, dass ich nicht da war. Zumindest so lange, bis ich hinter der Tür hervorsah. Noch bevor ich mich wehren konnte, kam sie zielstrebig zu mir und küsste mich voll auf den Mund. Warum hätte ich mich auch wehren soll, bei so einem Kuss?
Ich streichelte ihren Rücken, wie es ein Liebender tat. Ob ich das war, war ich mir selbst nicht sicher. Aber zumindest war sie danach glücklich, und das machte mich auch glücklich; nicht nur, weil sie dann begann, mit meiner Zunge zu spielen. Es gab eben doch sinnvolle Wege, die Arbeitszeit zu verbringen.
Ich strich durch ihr Haar, sog ihr Parfüm in meine Lunge. Hui, fast etwas zu heftig. Allerdings war ich eben doch ein Werwolf und reagierte heftiger auf Gerüche; auch als Mensch. Grundsätzlich war das ja nichts schlechtes, aber manchmal konnte es nerven. So wie jetzt. Also Augen zu und durch, was blieb mir schon anderes übrig? Abgesehen davon, sie wegzuschubsen, meine ich. Das würde nur zu einem Streit führen, und das wollte ich nun wirklich nicht. Vielleicht liebte ich sie doch mit ganzen Herzen. Seltsamer Gedanke.
Sie verscheuchte ihn ganz subtil, als sie anfing, mein Hemd zu öffnen. Meine Güte, und das in meinem Büro. Vielleicht wären wir doch besser in meinem Bett geblieben. Aber keine Zeit, das jetzt zu ändern. Ich machte mich an ihrem Oberteil zu schaffen, von dem ich den Namen nicht mal erahnen konnte. Ich hatte eben keine Ahnung von Mode, und ob das jetzt ein Korsett, eine Bluse oder ein Shirt war. Verklag mich!
Sanft öffnete ich die Schnüre, die das Ganze zusammenhielten. Wie eine Geschenkverpackung, und ich grinste.
"Was ist los?" Skilla achtete wirklich auf alles, kam es mir manchmal vor.
"Nichts, nichts" Ich sah ihr kurz in die Augen und zog dann an der letzten Schnur, die heldenhaft das Oberteil noch oben hielt. Als es dann zu Boden fiel, lächelte ich sie an und ließ mein inzwischen offenes Hemd von meinen Schultern gleiten. Sie kam mir näher, wir umarmten uns, ich spürte ihren Körper und ihre Wärme und ... irgendein verdammter Idiot klopfte. Ausgerechnet jetzt. Wenn das ein Untergebener war, würde ich ihn zusammenschreien bis er sich in Überwald vor mir verstecken würde. Wäre es ein Zivilist, wäre er tot. Irgendwo erschossen auf der Straße gefunden, ein weiterer Mord in der großen Stadt. Wieder einer, bei dem man keinen Täter finden konnte.
Skilla bückte sich widerwillig nach ihrem Oberteil, von dem ich den Namen immer noch nicht wusste. Ich ging zur Tür, schließlich war das mein Büro, und als männlicher Werwolf durfte ich zumindest oben ohne rumlaufen, ohne dass jemand gleich Anzeige erstattet.
Bregs stand draußen. Oh, verdammt! Niemand, den man anschreien durfte. Auch niemand, den man anschreien sollte. Naja, eigentlich ging er ja, aber im Moment störte er gewaltig.
"Ja?"
"Kann ich rein?" Aufdringlicher Idiot! Ich warf einen Blick zu Skilla, die gerade an ihrem Schnürwerk rumnestelte. Aber sie hatte wenigstens wieder was an, und war sogar fast fertig.
"Wenn's sein muss" Ich öffnete die Tür weiter und ging zur Seite, damit der Halbvampir reinkonnte. Wieso gab es eigentlich so viele Halbvampire in letzter Zeit bei FROG?
Er kam herein, sah sich kurz um, und bemerkte Skilla, die ihr Oberteil zwar an hatte, aber eben nicht perfekt. Er bemerkte auch mein Hemd achtlos am Boden.
"Stör ich etwa?", fragte er mit einer Mischung zwischen amüsiert und ärgerlich. Und das dümmste war, ich konnte ja nicht "ja" antworten, sonst könnten Skilla und ich FROG Goodbye winken.
"Nene" Und wieder stellte ich mit Erstaunen fest, dass ein Teil meines Gehirns wirklich gut war. "Wir haben nur etwas mit der Strohpuppe geübt."
"Ach so..." Bregs ließ es einfach so stehen, aber zumindest war er nicht mehr so sauer. Wenigstens etwas. "Kommt dann in mein Büro, wenn ihr fertig angezogen seid." Kaum war er aus dem Büro verschwunden, knurrte ich hinter ihm her. Manchmal kam eben doch der Wolf in mir durch.
Ich sah zu Skilla, was sie machte. Ich hatte zwar mehr Lust, mit ihr weiterzumachen als zu Bregs zu gehen, und sie wahrscheinlich auch, aber er war immerhin Vize. Niemand, den man nerven sollte.
Also schlüpfte ich in mein Hemd, während meine Kollegin ihr Schnürwerk verbesserte. Als wir so nah an ausgehfertig waren wie möglich, machten wir uns auf den langen und gefahrvollen Weg zur Drachenhöhle, also den Gang runter in Bregs' Büro. Okay, er war nicht wirklich ein Drache und auch nicht so nervig, aber der Vergleich klang gut.
Kein Mensch – oder sonstiges Wesen – kaum uns auf dem Gang entgegen. Irgendwie wunderte mich das. Eine Versammlung mit nur zwei FROGs hatte ich noch nie erlebt. Entweder waren schon alle dort, oder die Versammlung hatte als einzigen Punkt "So kann das nicht weitergehen mit euch beiden". Ich überlegte mir, ob ich Bregs dann schlagen sollte. Wahrscheinlich würde er dann aufhören mit dem Thema. Weil ich dann kein Wächter mehr wäre. Also keine gute Idee.
Ich öffnete die Tür nicht besonders freundlich, und sah mich um. Kein anderer da, nur ein Stuhl sah besetzt aus. Wirklich eine Strafpredigt von Bregs. Der Tag tat alles, um mich zu nerven. Bisher gelang es ihm auch ziemlich gut. Bis Rina aus ihrem Stuhl zu uns hersah.
"Hallo" Ein freundliches Lächeln aus ihrer Richtung, und der Tag so schon wieder besser aus. Bregs würde sich nie Hilfe holen, um uns herunterzuputzen. Oder er würde zumindest für mich schwerere Geschütze als Rina auffahren.
"Hey" Ich setzte mich neben sie, und Skilla schlüpfte prompt auf den dritten Stuhl auf meiner anderen Seite.
"Also, ihr beiden: Eigentlich wollte ich nur Sid, aber vielleicht ist es gar nicht so blöd, wenn Skilla mitkommt. Am Ende lernt sie noch was." Am Ende war das Wunschdenken. Es gab für mich hauptsächlich eine Art, etwas zu lernen: Indem man es tat. Der Rest von wegen Trainieren und Üben war zwar ganz nett, aber es ist was ganz anderes, dem ersten Bösewicht, der nicht aus Holz bestand, einen Bolzen zwischen die Augen zu setzen. Aber dabei hatte Skilla sich gar nicht so schlecht geschlagen. Sie war nicht heulend weggelaufen. Immerhin.
"RUM hat einen unlizensierten Hehler gefunden und will ihn hochgehen lassen. Beweise sind eigentlich da, aber wenn ihr noch mehr findet, perfekt. Das Problem ist nur: Der Typ hat sich 'nen Leibwächter besorgt, und RUM braucht Unterstützung bei der Festnahme."
"Versteh ich das richtig? Wir sollen den Typen festnehmen, auf uns schießen lassen, damit kein RUMler verletzt wird?"
Rina beantwortete meine Frage: "Fast, Sid. Wir müssen seine Wohnung stürmen, da ist er und die ganzen Waren. Er handelt hauptsächlich mit kleinen, wertvollen Dingen, deshalb kein Lager. Aber wir sind nunmal Ermittler und keine Armbrusthelden. Dafür brauchen wir euch. 'Ne normale Festnahme schaffen wir alleine, aber 'ne Wohnung stürmen und den Leibwächter ausschalten, dass ist euer Gebiet. Okay?"
Was sollte ich schon antworten? Und außerdem klang es gar nicht so übel. Mal was anderes als nur rumsitzen. Und es schien auch nicht so schwer zu sein. Meine Stimme hatten sie. "Meinetwegen, ich bin dabei."
"Und Skilla; willst du sie mitnehmen?"
"Ich werd' mitgehen." Ich schmunzelte. Sie mochte es nicht besonders, wenn jemand anders Entscheidungen für sie traf. Konnte ich verstehen, ich mochte es auch nicht.
"Okay, dann viel Spaß dort. Und macht nicht alles kaputt, ja?"
"Ich werd mich bemühen."

Und so kam es, dass ich nicht viel später hier stand, in einem kleinen Hausflur, an dessen Ende die Wohnung des Hehlers begann. Ich hatte zwei Einhandarmbrüste bei mir, Skilla nur eine. Sollte auch genügen. Und lieber nur eine perfekt beherrschen, als sich mit zwei selbst umbringen, weil man keine unter Kontrolle hat.
Rina drängte mir eine Rüstung aus gehärteten Lederplatten aus, die wie eine geschmacklose schwarze Weste aussah. Hatte ich wirklich so einen schlechten Kleidungsgeschmack, dass sie sie mir gab?
"Sid, die sind Pflicht für uns, also auch für euch. Damit erkennt man euch als Wächter, und im Notfall retten sie dir vielleicht das Leben." Genau, mir das Leben retten.
"Sie retten mir das Leben?"
"Okay, dir vielleicht nicht, du heilst ja auch so. Aber dennoch, nimm sie. Sie tun auch nicht weh."
"Wenn's denn unbedingt sein muss..." Ich zwängte mich in das Ding, auf dessen Rücken groß "AMSW" stand. Damit auch jeder sah, dass ich ein Wächter war; zumindest, wenn er lesen konnte und das seltsame Kürzel der Ankh-Morpork Stadtwache zuordnen konnte. Also fast der größte Teil der Bevölkerung.
Ich sah fragend zu Skilla. Auch sie trug inzwischen eine dieser Westen, und, um ehrlich zu sein, ohne sah sie besser aus. Aber wer war ich, mich zu beschweren. Und bei wem?
Wir bezogen Aufstellung vor der Tür des Hehlers. Angeblich war, kurz bevor wir kamen, ein Verkäufer zu ihm gekommen. Zwei auf einen Schlag, wie schön. Seitdem war eine Gruppe RUMler
leise in den Flur geschlichen, um nach uns aufzuräumen, also die Bösen zu verhaften und wegzubringen. Wir waren nur dazu da, reinzugehen, uns anschießen zu lassen und Bösen außer Gefecht zu setzen. Der leichte Teil der Arbeit also.
Ich richtete beide Armbrüste auf die Kante zwischen Tür und Rahmen, wo die Angeln waren. Ein letztes Mal tief durchatmen, die Augen schließen. Das Tier in mir ein wenig weiter rauslassen. Konzentrieren. Gleich würde es nämlich verdammt hektisch werden, und dann waren es oft die kleinen Dinge, die über Leben oder Tod entschieden. Und mit jeder Menge Wolf, ein wenig Konzentration und etwas Adrenalin konnte ich fast alles sehen und hören. Genau das, was ich jetzt brauchte.
Keine tränenreiche Verabschiedung von Skilla, schließlich waren wir hier, um einen Job zu machen und nicht, um zu sterben. Ich sah zu ihr, sie stand direkt hinter mir. Ein leichtes Nicken, und gleich begann der Spaß.
Ich schoss aus beiden Waffen gleichzeitig, die Türangeln brachen, und die Tür hatte meinem Tritt nichts entgegenzusetzen. "Ankh-Morpork Stadtwache! Legen Sie sich auf den Boden!" Und schon stand ich mitten in einem Raum. Drei Leute. Einer groß und kräftig, er kam auf mich zu. Ein kleiner, schmächtiger, der sichtlich zusammensank und schon fast auf dem Boden lag. Und ein dritter, der nach hinten floh. Das war dann wohl der, den RUM wollte. Doch das erste Problem war der Schläger, der gerade nach einem Wurfmesser griff. Schon holte er aus, und instinktiv bohrte sich ein Bolzen in seine Schulter. Welch Glück, dass ich schnell reagiert hatte. Ansonsten hätte ich jetzt ein Messer in der Brust und wäre verdammt sauer.
Doch dummerweise hatte der Fleischklops nicht die Absicht, einfach aufzugeben, nachdem ich ihm ein paar Knochen zerschmettert hatte und er den Arm so schnell - falls überhaupt – nicht wieder bewegen konnte. Er kam weiter auf mich zu und war schon direkt vor mir, um mit der anderen Hand ein paar meiner Knochen kaputtzumachen. Idiot. Prompt warf ich mich auf dem Boden. Ich stützte mich auf eine Hand und drehte mich um die eigene Achse, um ihm die seinigen wegzuziehen. Er sprang nicht besonders elegant hoch. Was sollte man auch von einem Kartoffelsack auf zwei Beinen erwarten? Doch während er dachte, er wäre mir entkommen, vergaß er meine zweite Hand mit der anderen Armbrust. Ich lag etwa seitlich von ihm, und jagte ihm einen Bolzen in den Hals, der ihn endgültig ruhigstellen sollte. Die Alternative wären seine Arme gewesen, aber das hätte ihn nicht daran gehindert, sich weiter mit mir anzulegen. Sicher, ich hätte ihn geschafft, aber dann wäre der Hehler endgültig weg gewesen.
Skilla war inzwischen zu dem anderen Mann gelaufen, der brav auf dem Boden lag und sich von ihr bedrohen ließ. Gut gemacht von ihr. Perfekte Teamarbeit. Sie hatte wirklich Talent. Und wie es sich gehörte für Teamarbeit, lief ich also den Flur entlang, wo der Hehler verschwunden war. Ich konnte den Blutdurst in meiner Kehle spüren, das Tier, das rauswollte. Nicht jetzt, noch nicht. Erst musste der Hehler weg.
Adrenalin pumpte durch die Blutbahnen. Ich war im Hinterzimmer und sah durch's Fenster. Etwas weiter hinten, auf dem Dach, war der Hehler. Er kam nicht schnell voran; er war eben kein Sportler. Ich kletterte hinaus auf das Dach. Er war erst recht kein FROG. Hinter mir hörte ich dumpf einige Stimmen, die den Dieb festnahmen. Doch ich lief weiter auf dem Dach, dem Hehler hinterher. Er sah zurück, sah mich, und versuchte schneller zu werden, doch auf einem Dach brauchte man Übung. Übung, die man bei FROG bekam. Ich konnte problemlos hinterher sprinten, mit der Armbrust im Anschlag. Während der Mann weiterlief und auf das nächste Dach wechselte, kam ich ihm immer näher, bis ich nur noch einige kleine Meter hinter ihm war. Gerade lief er genau vor einem hölzernen Kamin. Perfekte Schussdistanz. Und schon sandte meine Hand den Bolzen los, der sich gleich darauf mit einer hübschen Geschwindigkeit in das Knie des Hehlers bohren sollte. Blut spritze, heizte mich noch mehr hoch. Das Knie des Mannes war fast weg, und er konnte nicht mehr weglaufen. Vor allem, weil ein Stück Bolzen sich durch das Knie hindurch in den Kamin gebohrt hatte. Selbst wenn er die Schmerzen ausgehalten hätte, er kam nicht weg. Manchmal liebe ich den Kampfinstinkt in mir. Ohne ihn wäre ich schon ein paar mal draufgegangen.
Nachdem der Mann nicht wegkonnte, war die Aktion wohl zu Ende. Fast. Langsam schlenderte ich zu dem Mann, der in seiner eigenen Blutlache lag, beugte mich vor, damit er es auch ja verstand, und sagte dann ein Wort: "Gotcha." Ich lächelte ihm noch kurz bösartig zu, dann lehnte ich mich etwas entfernt an einen anderen Kamin und ließ meine Lungen langsam abkühlen. Ich konnte förmlich spüren, wie mein Puls aus luftigen Höhen zurückkam. Auch der Wolf zerrte an seiner Kette und wollte Blut, aber widerwillig schlich er zurück in seine Höhle.
Und erste Gedanken fanden den Weg in mein Hirn. War hinten alles glattgegangen mit Skilla? War der Mann wirklich tot? Hatten sie alles unter Kontrolle?
Gleich sollten meine Antworten in Form von Rina kommen, die sich erstaunlich gut auf Dächern bewegte.
"Hübscher Schuss, Sid." Ich zwinkerte ihr zu. "Alles okay da hinten?"
"Jup, alles okay. Gut gemacht. Ich wusste doch, warum ich FROGs wollte." Sie lächelte mich an. Sie hatte wohl auch nur wenig Ahnung, was gerade in meinem Körper abging. Langsam wurde das Adrenalin weniger, der Stress ließ nach und ich begriff allmählich, was ich getan hatte. Die Tür eingetreten, den Leibwächter eins A erschossen. Voll in den Hals. Aber auch im Rückblick fiel mir keine andere Möglichkeit ein. Wenigstens etwas. Ich hatte zwar den Ruf eines heißblütigen Killers, aber es störte mich dennoch etwas, jemanden umzubringen, ohne dass es absolut notwendig war. Wenn es notwendig war, hatte ich kaum Probleme damit.
Aber insgesamt war der Einsatz eigentlich wunderbar verlaufen. Alle Feinde festgenommen oder tot, kein Wächter verletzt. Geiseln gab es heute keine. Dann hatten wenigstens auch die Püschos früher Feierabend.
Rina führte den humpelnden Hehler vorsichtig zurück über das Dach und dann ab, und ich kam hinterher. Die Armbrust baumelte inzwischen an meinem Gürtel, und die ich versuchte, aus der Schutzweste rauszukommen. Etwas problematisch, wenn man gleichzeitig auf einem Dach unterwegs war und jeden Moment herunterfallen konnte. Kurz nachdem es mich fast erwischt hätte, gab ich die Hoffnung auf, jemals wieder ohne Weste herumzulaufen. Oder zumindest verschob ich es auf später, wenn ich wieder vom Dach runter wäre.
Drinnen wartete Skilla auf mich. Ich lächelte ihr zu, und meinte es auch so. Nach einem Einsatz war es gut, jemand zu sehen, der zumindest erahnen konnte, wie man sich gerade fühlte. Und wenn derjenige dann auch noch bereit ist, einen zu küssen, umso besser.
Ohne uns um die anderen Wächter im Raum zu kümmern, umarmten wir uns. Noch immer nahm ich alles viel intensiver, viel wirklicher wahr. Ihr Parfüm stieg mir in die Nase. Jetzt war es erst recht zu heftig. Ich dachte daran, wie wir vorhin erst in meinem Büro waren. Wie lange war das her? Mir kam es vor wie ein paar Minuten und gleichzeitig wie ein Leben. Komm zu FROG, wo die Aufregung ist! Wenn dich niemand umbrachte in deinen Dienstjahren, dann wurdest du durch die Mischung aus Nichtstun und purem Adrenalin wahnsinnig oder starbst an einem Herzinfarkt. Alles hatte Nachteile.
Ich löste mich aus Skillas Umarmung und sah mich nach Rina um. Nachdem die Show vorbei war, könnten wir wohl zurück zu FROG, aber lieber nachfragen, bevor sie mich umbrachte, weil wir verschwunden waren. Auch wenn mich wirklich interessieren würde, wie sie das schaffen wollte. Sie stand in dem ersten Raum, zusammen mit Tricia. Scheinbar unterhielten sie sich über die Aktion und den Toten. Oh, verdammt, den hatte ich fast verdrängt. Sah ich da hinten IA auf mich zukommen?
"Rina?"
"Was gibt's?"
"Glücklich mit der Aktion?" Es lohnte sich immer, nett zu den anderen zu sein.
"Wunderbar. Wir haben den Hehler, und scheinbar gibt's hier noch genügend Sachen, die wir zu Beweismitteln machen. Und als Bonus haben wir noch den kleinen unlizensierten Dieb, der bereit ist, auszusagen, wenn wir ihn vor der Gilde schützen."
"Klingt gut. Brauchst du uns dann noch?"
"Naja...Sid, was sollen wir mit dem Toten machen?" Ich war mir recht sicher, dass sie den IA-Teil meinte, aber vielleicht brauchte sie doch Tipps zur Entsorgung.
"Ähm, meinst du, ob du sie zu SUSI bringen sollst oder auf den Ankh werfen?"
Sie sah mich genervt an, und ich konnte ahnen, dass sie wahrscheinlich IA meinte. Oder dass sie kreativere Lösungen wollte. Aber ich wollte es nicht darauf anlegen.
"Wegen IA? Keine Ahnung... ich schätze, ich hab nicht viele Möglichkeiten, oder? Und er wird ja nicht plötzlich wieder aufstehen: 'Haha, war nur'n Spaß!', oder?"
"Glaub ich weniger, so sauber, wie du ihn erledigt hast." Wobei es nicht besonders sauber war. Der Schuss war schön gewesen, aber inzwischen hatte sich eine große Blutlache auf den Teppich gelegt, und am Anfang hatte es sogar bis auf die Wand gespritzt. Alles andere, nur nicht sauber. Ich fragte mich, welche arme Sau das saubermachen durfte. Naja, solange ich es nicht war.
"Also, ich würde sagen, wir gehen IA einfach aus dem Weg. Wenn wirklich was sein sollte, hat keiner gesehen, was passiert ist, aber als wir rein sind, hatte der Typ ein Messer in der Hand. Stimmt ja auch alles. Mehr kann ich dir leider nich geben, aber das sollte okay sein." Wow, klang ganz gut. Zumindest besser, als ich erwartet hatte und als mir andere gegeben hätten.
"Danke." Ich lächelte ihr zu. "Klingt gut."
Und damit machte ich mich auf den Weg zurück, mit Skilla neben mir. Schätzungsweise lagen noch einige Stunden Dienst zwischen mir und dem Feierabend, die auch irgendwie verbracht werden wollten. Am besten mit ihr. Ich legte meinen Arm um sie.

Zählt als Patch-Mission.



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