Diese Geschichte wurde zu einer Zeit geschrieben, als Hauptmann Humph MeckDwarf noch Leiter bei GRUND war. Darum wurden einige Beförderungen nicht berücksichtigt.
Es war still auf den Straßen der kleinen Kohlbauerstadt, für die Sto-Ebene war das zwar nichts Ungewöhnliches, aber dieses Mal war es eine Art traurige Stille. Der Wind ließ ein Rauschen durch die Bäume hören und die Sonne schlich langsam in Richtung Himmel. Die ärmlich wirkenden Häuser knarrten, als plötzlich eine Tür aufschwang und drei Leute heraus traten. Der Erste trug einen schwarzen langen Mantel und ein Schwert an der Seite, außerdem ein mit Flecken übersätes Landarbeiterhemd und eine braune Leinenhose. Die beiden Anderen, ein Mann und eine Frau, waren auch nicht gerade wohlhabend gekleidet und machten betretene Gesichter. Der Frau rannen Tränen über die Wangen und der Mann versuchte, sich zusammen zu nehmen, denn ein Bauer kennt keine Trauer – sonst auch nicht viel...
"Mein kleiner Junge, bist du sicher, dass du uns verlassen willst? Wir könnten doch dein Zimmer neu herrichten, wenn es das ist, was dich stört, ein neues Bett aus Stroh und..."
Mit einer Hand, die sich von hinten auf die Schulter der Frau legte, wurde sie jäh in ihrem Redeschwall unterbrochen. Nun trat der Mann vor und reichte dem Hünen einfach nur die Hand zum Abschied, ein Bauer ist kein Mann vieler Worte, alle wussten das, aber keiner sprach darüber, denn dann wäre er ja kein Bauer. Ein richtiger Teufelskreis, nicht wahr?
Auch der Sohn sagte kein Wort, er war nun mal der Sohn seines Vaters und hatte seine Erziehung lange genug genossen, um zu wissen, was sich unter Kohlbauern gehört. Er drückte seine Mutter und ging über die Straße stadtauswärts. Man hätte meinen können, dass in den Fenstern die traurigen Gesichter von Kindern zu sehen waren, aber das wäre nur Spekulation, denn durch die Scheiben konnte man außer einigen schattenhaften Gestalten nichts erkennen. Langsam und immer langsamer werdend verließ der junge Mann seine Heimatstadt. Auf einem Hügel vor der Stadt blieb er stehen und wandte sich noch einmal um. Von seinen Eltern und Freunden getrennt, seinem Geburtsort entrissen und auf sich selbst gestellt. Wer war er denn schon, dass er es in der weiten Scheibenwelt zu etwas bringen würde?
Aber er wusste, wer er war: Er war Yogi Schulterbreit, Sohn seiner Mutter und seines Vaters, Freund seiner Freunde und Schrecken seiner Feinde, zumindest wenn er einmal Jemanden fand, den er nicht für eine nette Person hielt. Müde drehte er sich um, nicht wissend ob er jemals wiederkehren würde...
"Machst du eigentlich auch mal was richtig, du schwachsinniger Idiot? Glaubst du wirklich, dass ich es mir leisten kann, einen wie dich zu beschäftigen? Steht auf meiner Stirn: ’Ich hab was zu verschenken?’" schrie ein aufgebrachter kleiner Mann, der dem Empfänger dieser Nachricht kaum bis zur Hüfte reichte.
"Aber Chef, Glücksspiel ist hier verboten und die Gäste in Ihrem Haus hielten sich nicht daran, also habe ich..." Jäh wurde er in seiner Erklärung unterbrochen, denn der Zwerg schnappte ihn beim Kragen, oder besser gesagt, bei dem, was er davon erreichen konnte, zog ihn vor die Taverne und deutete hektisch auf das Schild, das über der Eingangstür prangte. "Kannst du lesen, du naiver Trottel?" Nachdem der Größere der beiden Männer nickend zustimmte, befahl der Kleine, ihm den Text vorzulesen. Der Hüne sah darin zwar keinen Sinn, tat aber artig was von ihm gefordert wurde.
"’Grok’s illegales Spielkasino! Kommen Sie und lassen Sie Ihr Geld bei uns, wir können es auch gut brauchen.’ Und weiter? Soll mir das etwas sagen?"
"Du Idiot, ich kann dich nicht mehr sehen, hinaus aus meinem Geschäft. Ich will dich nie wieder sehen. Die Einzige, der ich dich an den Hals wünsche, ist die Stadtwache von Ankh-Morpork. Die Leute dort sind genauso bescheuert wie du." Mit hochrotem Kopf stapfte das kleine Männlein wieder in sein Geschäft und ließ die Tür laut ins Schloss fallen. Yogi war unsicher, ob er sich alles, was sein Exchef gesagt hatte, auch wirklich gemerkt hatte, aber er wollte auch nicht nachfragen, denn der Boss machte doch einen etwas angespannten Eindruck. Also packte er sein Hab und Gut ein und machte sich wieder auf den Weg durch die Welt. Ungefähr neun Jahre waren vergangen seit Yogi seine Familie und sein Zuhause verlassen hatte, um einen Ort und Arbeit zu finden, die zu ihm und seiner Lebenseinstellung passte. Mittlerweile stand sein fünfundzwanzigster Geburtstag bevor und Herr Schulterbreit näherte sich auf seinem Weg quer durch die Welt dem etwas stinkenden Juwel der Scheibenwelt: Ankh-Morpork. Im Laufe der Jahre arbeitete er in vielen teils fragwürdigen Lokalen und erzielte dort eher bescheidene Erfolge. Seine Ehrlichkeit brachte ihm immer nur Ärger und das nicht zu knapp, denn in der Welt, in der er sich bewegte, waren Lug und Trug die wichtigeren Eigenschaften. Auch seine Eigenheit, alles ernst zu nehmen, machte ihm nicht viele Freunde, um genauer zu sein, keinen Einzigen, bei dem die Freundschaft auf Gegenseitigkeit beruhte.
Einige Wochen Wanderung später ereichte Yogi Schulterbreit die Stadt Ankh-Morpork und nahm gleich einen tiefen Zug der mit allem Möglichen gefüllten Luft und fühlte sich seltsamerweise gleich wie zu Hause. Er passierte die Stadttore, als ihn einer der Wächter ansprach: "He du, stehen bleiben! Du siehst aus wie jemand, der Ärger macht. Ich hoffe, dass du dich zu benehmen weißt, denn sonst bekommst du mit uns Probleme. Alles klar?" Yogi nickte und musterte die Wache. Er bedankte sich für die Einweisung und spazierte gemütlich stadteinwärts. So ein Job bei der Wache? Das wäre doch etwas für ihn, aber würden sie ihn überhaupt einstellen? Würde er überhaupt die Pflichten und Dienste eines Stadtwachenmitgliedes, die von Ehre und Stolz erfüllt sind, meistern können? Ach nein, das war wohl zu schwer für ihn. Schwerfällig durchschritt er die Stadt, "Welch ein merkwürdiges Fleckchen Scheibenwelt", dachte Yogi, als er sich bei einem überaus netten Händler ein Würstchen im Schlafrock kaufte. Über den Geschmack ließ sich zwar streiten, aber Yogi war einfach nicht der Typ, der Streit anfing, denn das tat der Sohn eines Kohlbauern nicht. Weiter und immer weiter watete Yogi durch Ankh-Morpork auf das Stadtzentrum zu und erreichte die Sirupminenstraße am Rand der Schatten.
"Du Mistkerl, bleib stehen! Haltet den Dieb, er hat mich bestohlen!", schrie eine hysterische Frauenstimme aus einem der steinernen Häuser, an denen der Hüne gerade vorbeischritt. Ein schlaksiger junger Mann stürmte aus dem Haus und genau in Yogis Richtung. Um sicher zu gehen, dass ihm Niemand folgte, drehte er sich um und war darum nicht auf den Aufprall gefasst, als er gegen etwas Großes und Muskulöses stieß. Der riesenhafte Mann schnappte den Banditen am Kragen und hob ihn ohne großen Kraftaufwand in die Höhe. Der zappelnde Kerl war außer sich und beschimpfte den Kohlbauern aufs Heftigste, aber noch so schlimme Worte änderten nichts daran, dass Yogi die gestohlenen Schmuckstücke zurückbrachte und von der Hausbesitzerin das Angebot bekam, in Untermiete in einem Teil des Hauses zu wohnen. Gerne nahm Yogi an und versprach, sich gleich nach der Inhaftierung des Verbrechers um Arbeit zu kümmern, um Geld für die Miete zu verdienen. So machten sich ein ehrlicher Riese, ein brüllender, herumhängender Dieb und die gute Absicht von Yogi, diesmal nichts falsch zu machen, mit schnellen Schritten auf den Weg zur Wachestation. Dort angekommen lieferte der freiberufliche Verbrecherfänger zuerst den Banditen ab und wollte schon wieder gehen, als ihm etwas ins Auge stach. Auf einem Zettel an der Wand stand in krakeliger Schrift:
Du hast einen Hang zur Ehrlichkeit?
Du bist nicht Frau Willichnicht?
Du achtest Ordnung und Gesetzt?
Du bist nicht Frau Willichnicht?
Du kannst Autorität akzeptieren?
Du bist nicht Frau Willichnicht
Dann bist du hier genau richtig. Bewirb dich noch heute für die Stadtwache, hilf bei der Lösung schwerer Fälle, erlebe Abenteuer und lerne neue, interessante Leute kennen.
Wir brauchen genau dich!
Gez. Hauptmann Humph MeckDwarf
In Yogis Kopf rotierten die Zahnräder, zwar nicht ohne Quietschen, aber doch mit einer gewissen Begeisterung. "Sie brauchen wirklich mich?", fragte er sich in Gedanken. Wenn das so ist, wollte er sie nicht zu lange warten lassen und marschierte schnurstracks zum Büro des Hauptmanns, um sich in den Dienst der Wache zu stellen. Schon im Gang vor dem Büro hörte man ein Gebrüll, welches sehr nach Standpauke klang. Vor der hölzernen Tür angekommen, zupfte er kurz seine Kleidung zurecht und klopfte mit einer gewissen Bestimmtheit an die Tür.
"Moment, ich bin’s gleich!", schrie eine Stimme, die sich fast überschlug, aus dem Raum. Ein letztes Anschwellen der Stimme zeigte den Abschluss des Gesprächs an. Mit einem gewaltigen Krachen wurde die Tür aufgestoßen und einige Rekruten machten sich panisch auf den Weg in den Keller. Yogi wartete einige Sekunden und lauschte auf das Schnaufen, das durch die halb offene Tür zu hören war. Als es sich etwas beruhigt hatte, klopfte der Kohlbauer erneut und wartete wieder. Ein "Herein" wurde aus dem Büro gebellt und Yogi trat schwungvoll ein. Etwas unsicher schloss er die Tür und sah sich in dem kleinen Büro um. Es wirkte irgendwie nett und aufbauend. Bevor er den Raum betreten hatte, hatte es aufgrund des Geschreis nicht so freundlich gewirkt. Am Tisch saß ein dünner und im Vergleich zu Yogi sehr kleiner Mann. An seiner Brust prangten Abzeichen, Auszeichnungen, Lametta und Ribbons, die dem Fastwächter entgegen glänzten. Der Hüne wusste nicht, wie er mit einem so ranghohen Offizier umgehen sollte, also tat er etwas, was er in Zukunft noch öfters machen sollte, er salutierte und stand stramm. Hauptmann MeckDwarf zog überrascht die Augenbrauen hoch, damit hatte er nicht gerechnet. Humph erhob sich und trat hinter seinem Schreibtisch hervor. Musternd schlich er um Yogi, der noch immer wie ein Zinnsoldat dastand und sich nicht rührte. Um sich das bildlich vorzustellen muss man wissen, dass der Hauptmann zirka gleich alt aber um einen halben Meter kleiner als der Kohlbauer war, ein Bild für Io und die anderen Götter.
"Nun mein Sohn,... was kann ich für dich tun? Für Anzeigen bin ich nicht zuständig und für Beschwerden auch nicht. Außerdem habe ich viel zu tun. Ich hoffe es ist wichtig." MeckDwarf versuchte sich vor Yogi aufzubauen, ein Unterfangen, das nicht wirklich von Erfolg gekrönt war und blickte skeptisch und doch interessiert zu dem Mann vor ihm auf.
"Nun, äh,... Sir. Ähm, Sie brauchen mich!", stammelte der kurz vor dem Eintritt in die Wache stehende Hüne und fragte sich, ob seine Finger wohl in der nächsten Zeit an seiner Schläfe festwachsen würden. Mit nachdenklichem Gesicht drehte Humph sich um, nahm wieder hinter seinem Schreibtisch Platz und durchsuchte seine Papiere nach einem Hinweis, was der Mann vor ihm nur gemeint haben könnte. Zugeben, dass er keine Ahnung hat? Niemals. Schließlich fand er endlich die Vorlage für das Aushängeplakat, welches Yogi gelesen hatte und las es sicherheitshalber noch einmal durch.
"Ja, natürlich. Du willst also Wächter werden. Hmm,... Warum denn, wenn ich fragen darf?", fragte der Hauptmann, über den Rand des Papiers in seiner Hand blickend.
"Ja Sir, dürfen Sie.", sprach Yogi mit ernster Stimme und spürte schon einen leichten Krampf in seinem Arm. Humph schüttelte den Kopf und machte einen zweiten Anlauf: "OK, warum bist du zu mir gekommen?" Der Hüne war unsicher, worauf der Hauptmann hinaus wollte, aber trotzdem antwortete er höflich:
"Nun Sir, Ihr Name stand ganz unten auf dem Plakat und ich dachte mir, ich sollte zu Ihnen." MeckDwarf wischte sich verzweifelt übers Gesicht und knirschte mit den Zähnen. Er startete einen dritten Versuch, diesmal aber mit einem bissigen Unterton:
"Ich meine, warum willst du ein Wächter werden?" Humph blickte hoffend auf den Riesen und wünschte sich eine nützliche Antwort.
"Oh, das wollen Sie wissen, Sir. Nun, ich will der Stadt und ihren Bürgern dienen, sie beschützen und immer hinter dem Gesetz stehen." Yogi hoffte die richtige Antwort gegeben zu haben und wurde leicht unruhig. Überrascht lehnte der Hauptmann sich zurück und kramte in einer der vielen Laden seines Schreibtisches. Äußerst elegant warf er eine Dienstmarke in Richtung des frischgebackenen Wächters. "Nun, willkommen bei der Wache Rekrut... Verdammt, wie heißt du eigentlich?"
"Yogi Schulterbreit, Sir", war die knappe Antwort des Hünen. Er hatte die Hand von seiner Schläfe entfernt und heftete nun seine neue Marke an sein Hemd.
"Na dann, Rekrut Schulterbreit, wegtreten!", befahl der Hauptmann und wandte sich lächelnd wieder seiner Arbeit zu.
Der Hüne salutierte wieder und schritt stolz aus dem Büro. Nun war er Wächter. Also, dann gib dein Bestes, Yogi Schulterbreit.
Wie sich in den ersten Wochen zeigte, passte der Rekrut zur Wache wie Übelkeit zu Schnappers Würstchen oder wie Elefanten zu Schildkröten, einfach wie der Topf zum Deckel. Er musste jeden Tag zum Unterricht, seinen Tresendienst trotz Frau Willichnicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen und immer schön laut "Zu Befehl, Sir!" sagen. Eine Aufgabe, die geradezu maßgeschneidert für Yogi war. Freunde fand der Wächter nicht wirklich, denn die meisten der anderen Rekruten mieden ihn auf Grund seines wachsamen Auges, dem fast nichts entging. Außer seiner Ausbilderin Kanndra Mambosamba und der Wächterin Nyvania, die er beim "Formular-Einsatz" kennen gelernt hatte, fand er kaum Gesprächspartner. Seine anderen Ausbildungen, wie zum Beispiel Kampf mit dem Schwert, Klettern oder unorthodoxe Kampfmethoden, machten ihm kaum Schwierigkeiten. Aber das sollte sich schnell ändern...
"Was steht denn heute auf dem Programm, Yogi?", fragte Nyvania, die auf Grund ihrer Größe nicht über die Massen der Rekruten hinwegsehen konnte. Der Rekrut warf einen Blick über die Menge.
"Ach, das übliche. Festnahmetheorie, Putzen leicht gemacht für jedermann, und... und..." Der Blick des Wächters fixierte sich auf den Plan und auf seiner Stirn bildete sich ein Schweißfilm. Er wurde bleich, hielt sich mit einer Hand an einer Säule fest und hauchte: "Eine Einführung in die Welt der Gifte, ein Gastvortrag der FROG-GiGa-Expertin Laiza Harmonie. Oh mein Gott,..." Nyvania merkte natürlich sofort, dass Yogi einer seiner größten Ängste ins Auge sehen musste. Sie legte ihm die Hand auf die Schulter und flüsterte in einem beruhigenden Tonfall:
"Keine Angst mein Freund, du schaffst das schon, die Referentin wird dich schon nicht umbringen, obwohl sie wahrscheinlich dazu in der Lage wäre." Nach einem freundschaftlichen Klaps auf Yogis Arm spazierte die Wächterin über den Innenhof. Die Sonne fiel auf ihre Haare und färbte sie in einem wundervollen Himmelblau. Der zitternde Rekrut blickte ihr lange nach, raffte sich mit dem Entschluss, seinen Mann zu stehen, auf und wankte in den Klassenraum. Die Stunden verflogen viel zu schnell und ehe Yogi es noch begreifen konnte, saß er schon wie auf Kohlen im Labor und harrte der Dinge die da kommen sollten.
"Willkommen Rekruten, heute haben wir eine Gastreferentin der Abteilung FROG bei uns. Heißen wir Laiza Harmonie mit einem Applaus bei uns willkommen." Kanndra stand in der Mitte des Labors und leitete ein schwaches Geklatsche ein. Als sie zur Seite trat erschien aus einer Ecke die junge Gefreite. Sie wirkte schüchtern und etwas nervös, denn die Ausbildung in Giftkunde für Rekruten war neu und darum hatte niemand Erfahrung, wie man mit einer solchen Präsentation umgehen könnte. Laiza und Kanndra schüttelten einander die Hände und die Ausbilderin verließ zackig den Raum. Es wurde ganz still im Labor, manchmal war zwar ein Husten zu hören, aber das tat der Spannung im Saal keinen Abbruch. Die Wächterin begann mit einer kleinen Erzählung über die verschiedensten und bekanntesten Gifte, als sich bei Yogi im Kopf die Panik ausbreitete:
"Io, hilf mir, Gift Gift, Gift,... Das halt ich nicht durch, Gift, Gift, Gift,... Argh,... Das grüne Zeug schaut tödlich aus,... Gift, Gift, Gift,... und das blaue sieht auch nicht gesund aus,.... Gift, Gift, Gift... Genau wie damals,... Gift, Gift, Gift, Alles wiederholt sich..." Der Rekrut rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her. Er versuchte zwar, sich auf etwas Anderes zu konzentrieren, aber überall sah er grinsende Phiolen und schreiende Pulver. Vor seinen Augen verschwamm die Realität und das, was er noch erblicken konnte, begann sich zu drehen. Das Gewand des Wächters war mittlerweile schon triefend nass und wenn er noch bleicher gewesen wäre, wäre er von einem Zombie nicht mehr zu unterscheiden gewesen. Seine Hände verkrampften sich in die Armstützen und alle Muskeln seines Körpers waren angespannt.
"Nun haben wir genug von der Theorie gehört, jetzt wollen wir einmal ein bisschen in die praktische Anwendung der Stoffe gehen. Hier seht ihr ein klassisches Schlafmittel, an der weißen Farbe kann man erkennen, dass..." Plötzlich unterbrach Laiza ihren Vortrag, wirbelte herum und blies dem Rekruten, der zwei Plätze neben Yogi saß, eine Portion des Pulvers ins Gesicht und ehe er auch nur "Tranzentalischerdifferenzierungsapparat" sagen konnte, war er auch schon eingeschlafen.
"Nun, ihr erkennt, dass die Wirkung sehr schnell einsetzt, man hat keine Zeit zu reagieren oder zur Identifizierung. Seid immer auf der Hut und traut nie einem Verdächtigen, denn wer weiß, was er unter seinem Mantel hat...", mit diesen Worten zog die Gefreite ein kleines Fläschchen aus ihrer Tasche und warf es direkt vor Yogi auf dem Boden. Eine riesige Rauchwolke entstand, ein lautes Knacksen war zu hören und der Wächter wurde ganz von dem Gas eingehüllt. Als sich der Rauch verzogen hatte, war der Rekrut verschwunden und im Labor brach Beifall aus. Laiza sah sich nervös um, etwas Hektik und ein bisschen Panik machten sich bei ihr breit. "Eigentlich hätte er einen Lachanfall bekommen sollen, seltsame Dinge geschehen hier. Ich hoffe, es wird nicht in meiner Akte vermerkt, dass ich einen der Auszubildenden habe verschwinden lassen", dachte Gefreite Harmonie und rief in den Saal:
"Damit ist die Lektion vorbei. Ich wünsche Ihnen noch eine unfallfreie und erfolgreiche Zeit in der Wache. Rekruten, abtreten!"
Als die Rekruten den Raum verlassen hatten, sah sich Laiza genau um. Die Armlehnen von Yogi's Sessel waren mit roher Gewalt herausgerissen worden und lagen nun auf dem Boden. Eine Spur von Holzsplittern führte von Rekrut Schulterbreits Sitzplatz über die Labortische, bis hin zum Schreibtisch der Referentin, wo sie auch endete. Langsam schlich die Gefreite um das Möbelstück herum und blickte dahinter. Sie sah in die Augen eines ängstlich zusammengekauerten Mannes, der trotz seines Körperbaus wie ein kleines Kind hin und her wippte. Seine Kleidung war durchgeschwitzt, er zitterte am ganzen Körper und in seinen Augen erkannte man Tränen. Wie ein kleiner Hund, an dieser Stelle sollte erwähnt werden, dass nicht Gaspode gemeint ist, blickte er Laiza in die Augen und wimmerte. Gefreite Harmonie versuchte Yogi diplomatisch zu überreden, aus seinem Versteck zu kommen und mit seiner Ausbildung fortzufahren, aber er war einfach nicht dazu zu bewegen, den sicheren Platz unter dem Schreibtisch aufzugeben. Aus diesem Grund holte sie sich Verstärkung in Form von Chief-Korporal Kanndra Mambosamba, die sich stramm neben das Möbel stellte und zu Laiza flüsterte:
"Keine Panik, ich glaube, ich weiß, wie man diese Art Rekrut wieder wachrütteln kann. Pass auf und lerne." Yogi hatte mittlerweile seinen Daumen im Mund und nuckelte wie ein Kleinkind daran, seine Gedanken kreisten um friedvolle Orte, wie seine Heimatstadt und... und... andere friedliche Gegenden fielen ihm eigentlich nicht ein. Er dachte an seine Mutter, liebevoll und besorgt, an seinen Vater, streng aber gerecht, und an die Kinder in seinem Dorf, die er alle sehr vermisste... als plötzlich...
"REKRUT SCHULTERBREIT, aufstehen und weitertrainieren! Es ist doch nichts passiert. Es war absolut ungefährlich, oder glaubst du wirklich, dass wir die Rekruten dem Risiko einer Vergiftung aussetzen?" Kanndra wurde dank der Verwandlungsfertigkeit, die sie von ihrem Vater geerbt hatte, während dieser "einseitigen Besprechung" einige Zentimeter größer. Kaum hatte der Wächter seinen Namen gehört sprang er auf, salutierte und stand stramm. Auf die Frage von dem Chief-Korporal antwortete er zackig mit einem:
"Nein, Ma’am. Natürlich dachte ich das nicht. Würde ich nie tun, Ma’am. Nicht im Traum würde mir das einfallen, Ma’am."
"Sehr gut Rekrut, ich hoffe, du bekommst das unter Kontrolle. Vielleicht solltest du in Erwägung ziehen, zu einem Fachmann für solche, äh..., Angelegenheiten zu gehen. Ich glaube, du wirst auch bei uns in der Wache jemanden mit dieser Spezialisierung finden. Also, alles klar?" Kanndra sah fragend aber doch bestimmt zu Yogi hinauf und fasste ihm ermutigend an die Schulter.
"Jawohl Ma’am, ich werde mich darum kümmern." Der Wächter salutierte, machte auf den Befehl zum Abtreten zackig kehrt und marschierte in sein Quartier.
Dort angekommen lehnte er sich an die Wand und atmete durch. Endlich war er das ganze Gift los. Aber er würde das nicht auf sich beruhen lassen und alles unternehmen, um seine Ausbilderin nicht zu enttäuschen und seine Phobie in den Griff zu bekommen. Denn ein Kohlbauer steht zu seinem Wort.
Nun stand er kurz vor dem Abschluss seiner Grundausbildung, aber jetzt gingen die Pflichten und die Verantwortungen erst wirklich los...
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