Tausendundein Alptraum

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von Obergefreite Magane (FROG)
Online seit 30. 09. 2004
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 Außerdem kommen vor: KanndraAraghast BreguyarCharlie HolmRogi FeinstichRabe RabenKolumbiniMaximilian R. SchrecktNyvaniaValdimier van VarwaldMeine-Familie-wird-verhungern SchnaphelaLaiza HarmonieKtrask

Tote Omnianer, tote Schmetterlinge und total irre Rätsel - können die FROGs verhindern dass es noch mehr Tote gibt?

Dafür vergebene Note: 12

*Prolog*

Es war eine dunkle und stürmische Nacht, aus der bleiernen Wolkendecke zuckte ein Blitz und erleuchtete für Sekundenbruchteile die Straßen Ankh-Morporks, die sich unter dem beständig andauernden Regen in reißende Bäche verwandelten. Das, dem Blitz folgende, Donnergrollen machte einer solchen Nacht alle Ehre. In Nächten wie diesen konnte man auf die Idee kommen, die Götter hätten sich in aller Ruhe zusammengesetzt und den Weltuntergang beschlossen, aber solche Ideen waren meist sehr abwegig. Plötzlich verstummten Donnergrollen und Sturmesbrausen - alles verstummte - als der alte Tom zwei Uhr morgens schlug. Die alles übertönende Stille sagte allen, die trotz des Sturmes noch auf den Beinen waren, sie sollten besser ins Bett gehen, schließlich sei für alles was sie jetzt taten auch morgen noch Zeit. In etwa das dachten sich auch die tropfend nassen SEALS-Wächter, die sich in einen Hauseingang drückten um dort eine nasse Zigarette zu rauchen und das Ende ihres Dienstes abzuwarten. Bei einem solch miesen Wetter hatten sie nicht viel zu tun, zwar kam das Stadtleben nie ganz zum Erliegen, aber es wäre erstaunlich ruhig gewesen, wenn das Unwetter nicht einen solchen Krach gemacht hätte.

Ein wahnsinniges Lachen schallte durch die Nacht und ließ keinen Zweifel daran, wie weit der Lachende von einem normalen Geisteszustand entfernt war - auch von einem sehr hohen Turm hätte er das normale Ufer nicht mehr sehen können.
"Zur selbigen Stunde wird das Urteil gesprochen - es lautet allemal: TOD!"

Schauen wir uns den Wahnsinnigen etwas näher an. Er steht in Kutte und Schürze in der Küche einer kleinen unscheinbaren Wohnung am Rande der Stadt und kocht. Das Tuch vor Mund und Nase ist ein leichter Hinweis darauf, dass das Gekochte nicht unbedingt zu den ratsamen Gerichten zählt.
"Heute koch ich, morgen misch ich und übermorgen bringe ich des Großen Gottes Zorn..." und während ein weiteres wahnsinniges Lachen durch die stürmische Nacht schallt, verlassen wir diesen Schauplatz und beginnen unsere eigentliche Geschichte.

*Eine Woche später*

"Monsterkrokodiiiiiiele!!! Sie werden uns alle fressen... tut doch was!!! Ahhh neiiiin... sie kommen immer näher!!!"
Ein halb nackter Mann, der schreiend, mit einem Rasiermesser bewaffnet, durch die Stadt rennt ist auch in Ankh-Morpork auffällig.
"Sie sollen meinen Körper haben! Aber nicht meine Seele!!!"
Er blieb stehen und legte die Rasierklinge an seinen Hals. Keiner der Schaulustigen, die sich um ihn gesammelt hatten, tat irgendetwas, um ihn aufzuhalten, als er sich mit fester Hand, ohne eine weitere Minute zu zögern, selber die Kehle durchschnitt.
"Was? Was habe ich getan?" Ein leicht durchscheinender Halbnackter schaute ungläubig auf seine Leiche herab.
ETWAS SEHR SELTENES, Tods Blick war wie immer ausdruckslos und sein Lächeln... nun wir reden von Tod...
"Warum habe ich das getan?" Ein Schaulustiger kam näher und beugte sich, durch den Geist hindurch, über den Toten, "Entschuldigung, was erlauben sie sich? Eine Frechheit so was, kaum ist man tot laufen die Leute durch einen hindurch, wissen die denn nicht wer ich bin?"
KÖNNEN WIR JETZT? ICH HABE NOCH MEHR ZU TUN.
"Aber auf Selbstmörder wartet..." Panik schlich sich auf das Gesicht des langsam Verblassenden.
... WAS IMMER SIE GLAUBEN.
"Aber jetzt ist es wohl zu spät um an etwas anderes zu glauben, oder kann ich noch...", seine Stimme wurde immer leiser und er verschwand in Richtung Hölle.
NEIN, WENN MAN MIR BEGEGNET IST ES ZU SPÄT, IMMER, Tod wunderte sich nicht als er feststellte, dass sein nächster Kunde den gleichen Beruf hatte wie der frischverstorbene Selbstmörder - er wunderte sich nie, er tat einfach seine Pflicht.

***

Wenige Stunden später erklärte eine zitternde junge Haushälterin, in einer Pause zwischen zwei Heulkrämpfen, einem genervten, aber verständnisvollen, Kolumbini, dass ihr Arbeitgeber, Meister Bringe-den-Ungläubigen-das-Licht-der-Wahrheit, etwas seltsam gewesen war in den vergangenen Tagen.

*Rücklauf... betreten wir mit Lance-Korporal Kolumbini den Tatort*

Ein gepflegtes kleines Haus in der Nähe des omnianischen Tempels. Kinder spielten im Vorgarten, doch sie wirkten so, als hätte man sie herausgeschickt, um etwas vor ihnen zu verbergen.
Die drei Kinder beobachteten den Wächter auf dem Weg durch den Vorgarten misstrauisch, allein seine Anwesenheit bestätigte ihre Sorgen. Allerdings gehörte er eher zu der Sorte Polizisten bei denen man nicht unbedingt etwas Gutes ahnte. Wenn man ihn als Wächter erkannt hatte, dann kannte man auch sofort sein Fachgebiet, er hatte die Ausstrahlung eines Ermittlers der Mordkommission, zuständig für alle Fälle die skurril und Ruf schädigend aussahen.
So in etwa stellte sich auch dieser Fall da.
Die Fakten, wie sie per Taube vor einer knappen halben Stunde das Wachhaus am Pseudopolis Platz erreichten:

Leiche - keine äußeren Verletzungen - viel Rotwein - tote Insekten überall - Der Tote kauerte zum Zeitpunkt seines Ablebens unter dem Bett.


Zusammen mit der etwas besseren Adresse des Opfers schien sich daraus ein ansehnlicher Fall zu entwickeln, der wohl mit Killermotten und Alkoholismus zu tun hatte und höchstwahrscheinlich ging es auch um Geld, Eifersucht und Intrigen - irgendwie ging es immer um Geld, Eifersucht und Intrigen.
Anscheinend waren die Spurensicherer von SUSI bereits anwesend. Zumindest gab es sonst keinen Grund, wieso aus einem abgesperrten Raum, in dem sich eine (wirklich tote) Leiche unter dem Bett versteckte, Stimmen drangen. Kolumbini beschloss die Haushälterin zu befragen.
Ohne weiter auf das Gespräch einzugehen, welches sich als sehr schwierig herausstellte, da die junge Frau kaum vernehmungsfähig war und unter Schock stand, betrachten wir nun hier die Ergebnisse in einer kurzen Zusammenfassung:
Meister Bringe-den-Ungläubigen-das-Licht-der-Wahrheit, von der jungen Frau, die Juliane hieß, meist "Brings" genannt, vertrat zu Lebzeiten die Auffassung, dass man mit einem Glas Rotwein am Tag steinalt werden konnte, weil er das Herz gesund erhielt. Sicherheitshalber hatte er deswegen immer zwei (große) Gläser heiligen Messwein getrunken. Aber in den letzen Tagen hatte er sich verändert, er ließ niemanden an sich heran, verbarrikadierte sich in seinem Zimmer, so dass weder Sonnenlicht, noch Geliebte an ihn heran kamen.
Alles hatte damit angefangen, dass er sich verfolgt fühlte und dann hatte er mehr Wein getrunken, immer mehr...

Viel mehr war aus ihr nicht heraus zu bekommen, außer, dass sie sich Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder machte und sie nicht wusste, wie sie ohne Brings weiterleben sollte.
Kolumbini war grad mit der Befragung der jungen Haushälterin fertig und begann in seinem MANTEL nach seiner Pfeife zu kramen, wobei er wie zufällig, Teekanne, Tassen, Honig und Milch auf den Tisch stellte.
"Kann ich ihnen eine Tasse Tee anbieten?" Die Frau starrte ungläubig auf die dampfende Teekanne und fiel dann in Ohnmacht - irgendwann waren die Grenzen jeder Frau erreicht und überschritten.
"Immer gern, hast du auch etwas Zitrone in deinen Manteltaschen?" Der Lance Korporal machte sich nicht die Mühe sich herumzudrehen, zwar waren sie sich bisher kaum über den Weg gelaufen, aber man kannte sich ja doch und Susen die ihre Nasen in Dinge steckten, die sie nichts angingen, entgingen einem nur schwer.
"Hmmm... ja... irgendwo müsste ich...", er begann wieder zu kramen und zog endlich aus einer Innentasche eine Zitrone und ein recht scharfes langes Messer.
Der Obergefreite Charlie Holm sah nicht so aus, als wäre er zu der Leiche unters Bett gekrochen, um ganz genau zu sein sah er so aus, als hätte er jemand anderen für sich arbeiten lassen. Jemand anderer war offenbar ein Gefreiter, in dessen roten Haaren Staub und Spinnweben klebten, die allerdings hervorragend zu dem gleichartigen Schmutz auf der Uniform passten. Er tauchte auf, als sich die beiden schwierigsten Fälle unter den Ermittelnden gemeinsam an den Küchentisch setzten und sich gegenseitig beobachteten, noch war nicht geklärt ob sie zusammenarbeiten konnten. Wahrscheinlich hätten sie noch Stunden schweigend, Tee trinkend und Pfeife rauchend da sitzen können, allerdings wurde der Gefreite Rabe Raben langsam nervös und als nichts von den Ranghöheren kam, räusperte er sich laut und begann mit einer Zusammenfassung:
"Ähm... Der Tote starb unter seinem Bett, es schaut so aus als ob er sich zu Tode gefürchtet hätte, er hatte... er hat noch... eine Weinflasche in der Hand - Oms Zorn, vom vorletzten Jahr, laut Etikett - Rotwein, fast leer. Er hat keine äußerlichen Verletzungen, soweit ich das erkennen kann, aber er riecht wie ein explodierter Weinkeller und da unterm Bett ist auch eine große Rotweinpfütze. Was mir noch aufgefallen ist sind die toten Motten die hier überall herumliegen. Ich hab ein paar von den Motten eingesammelt und auch eine Probe von dem verschütteten Wein genommen", Rabe schaute die beiden älteren Wächter an, hatten sie ihn überhaupt wahrgenommen, sie hatten sich nicht bewegt. Er ging noch einmal an den Tatort, der keiner war, zurück und sammelte einige weitere Insekten ein um sie in ein weiteres Indizientütchen zu packen, so dass beide etwas zum festhalten hatten während sie nachdachten.
In dem Moment als er die beiden Tütchen auf den Tisch legte erwachte die Haushälterin wieder und für einen Moment wusste sie nicht, was geschehen war, doch sie begriff beim Anblick einer frischen Tasse Tee die grad für sie eingeschenkt worden war. Das menschliche Gehirn ist in der Lage viel zu kompensieren, eine kleine Ohnmacht und ein heißer Tee bewirkten manchmal Wunder - manchmal, doch in diesem Fall bewirkten sie nur, dass die junge Frau die Seltsamkeiten der Wächter übersah.
Einige Zeit später verließen alle drei Wächter das Haus, die Leiche war inzwischen abgeholt worden, die Haushälterin einigermaßen beruhigt, die Kinder hereingerufen. Nur das Verlassen gestaltete sich etwas schwieriger als erwartet und ist kaum mit einem Nebensatz abzutun, während Rabe warten wollte bis die beiden Hörerrangigen das Haus verlassen hatten, wollte scheinbar auch Hauptgefreiter Holm der Letzte sein. Aber beide hatten nicht mit Kolumbini gerechnet, der erst seine Teekanne vergessen hatte, dann noch einmal in das Schlafzimmer ging um sich den Raum anzuschauen, worauf hin er, gegen sein Auge klopfend erst das Haus verließ, um wenige Momente später noch einmal zurückzukehren um seine Streichhölzer zu holen, bevor er noch eine letzte Frage hatte.
"Sagen sie, Gnädigste, hatten sie in der letzten Zeit Probleme mit fliegenden Insekten?"
"Wie bitte? Nein, nie!"

*In der darauffolgenden Nacht*

Wächter in Bereitschaft hielten sich nicht zwangsläufig im Wachhaus auf, manche versteckten auch einen Zettel auf ihrem Schreibtisch und genehmigten sich etwas Ausgang. Grade in ruhigen Nächten - wobei ruhig nun wirklich Definitionssache war (genauso wie Dienstschluss, Alkohol, Leben und Leben lassen...) - fand man so manchen Wächter im 24-Stunden-Dienst definitiv nicht im Wachhaus, sondern in einer nahegelegenen Taverne, wer konnte es ihnen auch verdenken? Zumal es theoretisch egal war, wo sich ein Wächter aufhielt, für gewöhnlich fand ihn seine Arbeit, nicht umsonst war Narrativium eins der wichtigsten Elemente auf der Scheibenwelt.
Kurz vor Morgengrauen verließen drei schwarz-grün-schwarz gekleidete Personen eine Kellerbar. Sie waren nicht mehr ganz nüchtern - wobei sie die zulässige Menge von 0,5 Liter Bier (in 5 Stunden) natürlich nicht überschritten hatten - und hatten ausgesprochen gute Laune, die zumindest bei zweien in einem (oder mehreren) ausgesprochen gutem Fläschchen 83'ger A positiv Auslese begründet lag.
"Auf dem alten Friedhof nachts, bei Vollmond, wenn der Werwolf lacht, setz' ich mich ganz nah zu Dir, und küsse dich wie ein Vampyr...", begann Valdimier [1]
"... Du fragst mich warum wir hier sitzen, da siehst du meine Zähne blitzen...", stimmte Feldwebel Araghast Breguyar mit ein, "...Blut, Blut, soviel Bluuuut..."
"Es tut wirklich gut wieder zu Haus zu sein..."
"Wir waren fu Hause...", warf Rogi [2] ein, die mit einem Grinsen an den Auftrag zurückdachte, der die drei nach Überwald geführt hatte, "aber fu Haus ift ef doch am Schönften!"
"Hier kommen die Leute wenigstens nicht auf die Idee einen Mob mit Pfählen, Zitronen und Fackeln zu rufen... oder bekommen Ausschlag von meinem Umhang... Frechheit!" [3]
"Manchmal follte man dem Floff einfach fern bleiben...", vielleicht hatte sie noch mehr sagen wollen, doch in diesem Moment beschloss das Multiversum den Wächtern Arbeit zukommen zu lassen. Sie gingen um eine Ecke und stießen mit einer vermummten Person zusammen. Die Person sprang entsetzt zurück und schaute panisch um sich, bevor er begann imaginären Schmutz von seiner Kleidung zu wischen. Er wurde dabei immer hektischer und murmelte unaufhörlich etwas wie "...schmutzig, unhygienisch und ich hab sie berührt, schmutzig, jetzt krabbeln SIE wieder auf mir, schmutzig, SIE werden in mich hinein kriechen, von innen werden SIE mich auffressen...", dann begann er wie im Todeskampf zu schreien und rannte in die Richtung aus der er gekommen war.
Andere Wächter hätten das Problem damit vielleicht als erledigt betrachtet, aber zum einen widersprach das den Grundsätzen der Abteilung, und zum anderen versprach dies eine ganz interessante Sache zu sein. Vereinfachend kam hinzu, dass eine Tür die Verfolgung ungemein erleichterte. Blind vor Wahnsinn - oder Angst - rannte der Mann gegen eine Tür, die in diesem Moment aufgestoßen wurde.
"Und Bregs, was denkst du, Drogen? Natürlicher Wahnsinn?"
"Beides, oder auch nicht... kann man so nicht sagen, Val."
"Wir follten ihn einfperren und ihn den Rauf aufflafen laffen."
Einen Moment lang sahen sich die drei den Besinnungslosen nachdenklich an, er machte keinerlei Anstalten aufzustehen, sie würden ihn tragen müssen und er sah nicht leicht aus.
"Gut... Val, nimmst du das vordere Ende und Rogi und ich nehmen die Füße..."
"Darf ich fie mir vorher anfehen För? Ich habe noch ein gutef Paar Füfe, ich brauch eigentlich keine neuen."
"Manchmal möchte ich doch wissen woher du deine extrem gute Laune hast..." sagte Valdimier und raunte, als er an Araghast vorbei ging, "Bleibt dem Schloss fern!"

***

Als das geleeartig über die Scheibe kriechende Sonnenlicht am Morgen Ankh-Morpork erreichte und die Morgenausgabe der Times ihre Runde machte, da war er einer der ersten, die sie kauften. So ging das nun schon einige Tage, doch heute, heute sah er auf den ersten Blick wonach er suchte:
Mysteriöse Todesfälle unter Omnianischen Priestern
Hat Om sie verlassen? War er gar nie Da? Warum Motten? Die Wache ist Ratlos!

Er war begeistert, die Wache wusste tatsächlich beinahe nicht, wenn man der Zeitung glauben durfte, beim Frühstück las er die besten Stellen des Artikels noch mal.
Etwas beunruhigend war, dass de Worde von der einzigen echten Verbindung zwischen den Toten wusste, sie waren Mitglieder der Kommission gewesen, die vor einigen Wochen den neuen obersten Hirten für Ankh-Morpork auserkoren hatte. Aber das war auch schon alles, mehr wusste die Times nicht und offenbar hatte er die hiesige Wache genau richtig eingeschätzt, wahrscheinlich stritten sie sich gerade darum, wer hier zuständig war und wenn sie es jetzt noch nicht taten, dann sicherlich bald.

***

"Ein Püschologe lernt niemals aus, Nyvania, jeder Fall ist neu, jeder Mensch - jede Person - ist anders und am sichersten ist es immer davon auszugehen, dass dein Gegenüber ein durchgedrehter Püschopath ist, dann kann er dich nicht damit überraschen", der Weg von Feldwebel Breguyar's Büro hinunter zu den Zellen mochte nicht weit sein, aber heute morgen schien der Feldwebel in lehrreicher Stimmung zu sein und diese Stimmung konnte, vor dem Frühstück, schon einige Schritte zur Qual machen, wieso mussten sie ihn unbedingt so früh unter die Lupe nehmen?
Nach einem scheinbar endlosen Monolog über Angewandte Püschologie und wie man sie überlebt erreichten sie die Zelle, in der seit einigen Stunden (um genau zu sein seit zwei Stunden) ein neuer Fall auf die Püschos wartete.
"Und denk daran, auch wenn sie ganz ruhig sind, sie sind immer gefährlich", er schloss die Tür auf und schickte sie in die Zelle.
"Öhm... Sör? Gilt das auch für tote Püschopathen?", sie drehte sich herum um die Zelle sofort wieder zu verlassen, "Dieser hier sieht nicht so aus, als könne er noch jemandem was tun."
Der Schulungswahnsinnige war tot, das allein war nicht weiter tragisch, wahrscheinlich hätte er eh Selbstmord begangen, man brauchte schon einen festen Willen um sich mit aneinander geknoteten Streifen eines Oberhemdes an den Gittern seiner Ausnüchterungszelle zu erhängen, aber hatte er nicht in einer anderen Nacht Selbstmord begehen können. So konnte man das nicht auf sich beruhen lassen, die Leute starben nicht in Wachezellen, na hoffentlich hatte er wenigstens etwas bei sich wo sein Name drauf stand...
Natürlich hatte er nichts in der Art bei sich, das einzige, das in irgendeiner Weise auf seine Identität hinwies war ein goldener Om-Anhänger an einer ebenfalls goldenen Kette, die wohl um seinen Hals gehangen hatte, bevor sie sich in der improvisierten Schlinge verfing und abriss.
"Toter wohlhabender durchgedrehter Omnianer", murmelte Nyvania, die sich noch immer nicht ganz sicher war, ob sie sich freuen sollte, dass diese praktische Lektion ausgefallen war oder nicht, auf jeden Fall hatte sie jetzt ein paar Minuten Zeit. Zeit um zum Tresen zu gehen und mit den Rekruten zu reden, zum Beispiel. Allerdings kam sie nicht so weit, denn am Tresen angelangt fiel ihr Blick auf die Morgenausgabe der Times und auf den Artikel unten auf der Titelseite. Da stand etwas von zwei Toten, ein Selbstmord und einer mit ungeklärter Todesursache, beide waren vor ihrem Ableben durch ungewöhnliches, an Wahnsinn grenzendes, Verhalten aufgefallen und beide waren omnianische Würdenträger gewesen. Der eine hatte hier in der Stadt gelebt, der andere war zu Gast.
Die Gefreite erkannte sofort, dass hier ein Zusammenhang zwischen den Zeitungstoten und dem Selbstmörder in der Zelle bestehen könnte und stürmte mit der Zeitung die Treppe hinauf zu dem Büro des stellvertretenden Abteilungsleiters.

*Eine halbe Stunde später, Besprechung aller diensthabenden FROGs*

"... das sind die Fakten, und ich vermute, dass viel mehr dahinter steckt", schloss Araghast seine kurze Darstellung der Lage.
"Eine der großen Verschwörungen der Scheibe?" mutmaßte Kanndra mit einem Grinsen.
"Hmmm, Angehörige einer Berufungskommission, das muss doch herauszufinden sein, wer da noch dazu gehörte. Wenn unser Toter auch einer von denen ist, dann sind es drei Tote in drei Tagen..."
"Gut getarnter Serienmord?" ging Skilla auf Valdimiers Vermutung ein.
"Vielleicht, auf jeden Fall wird der zweite Todesfall von RUM untersucht, ich hab Leutnant Lanfear schon ein Memo geschickt, dass wir etwas Größeres vermuten und gern mal mit dem Ermittler reden würden. Wenn wir viel Glück haben bekommen wir den Obduktionsbericht vorher..." wie auf Stichwort klopfte es und Magane kam rein, sie salutierte kurz und stellte sich dann zwischen Nyvania und Skilla.
"Die Susen sind noch nicht fertig mit dem Toten, der Pathodingens... ähm Leichenschnibbler... sagte etwas von mangelnder Geduld und davon, dass Qualität nun mal Zeit bräuchte, und überhaupt müsse er erst auf die Analühse des Mageninhaltes warten und das Labor hätte so viel zu tun", sie machte eine kurze Pause, sie hatte den Raum in dem der Leichenschnibbler arbeitete nicht betreten und die Leiche nicht gesehen, aber schlecht war ihr dennoch, lüfteten die dort drüben eigentlich nie? Sie atmete noch mal tief durch, "...und er wollte wissen, wieso sich gleich zwei Einheiten für jemanden interessierten, den einfach der Schlag getroffen hatte."
"Der hat sich nicht umgebracht?"
"Offenbar nicht, Sör."
"Wir sollten uns auf diese Berufungskommission konzentrieren, herausfinden wer da noch so drin war und wie es den anderen geht", schlug Max vor.
"Ja, das ist momentan die einzige verwertbare Spur, aber vorher sollte ich das mit Rina und dem zuständigen Ermittler klären, vielleicht ist RUM ja doch schon was weiter."

***

Am Abend war der Fall ein FROG-Fall, Bergs hatte es nicht nur geschafft die beiden eigenwilligen Wächter davon zu überzeugen, dass dieser Fall nicht ihrer war er hatte es sogar geschafft alle Daten in sein Büro zu bekommen, inklusive Mitgliederliste und Gruppenikonographie der Berufungskommission. Nur eines fehlte, der Laborbericht von SUSI, aus irgendwelchen Gründen dauerte die Analyse des Mageninhaltes extrem lange. Doch das hinderte sie nicht daran auszuschwärmen und die restlichen omnianischen Würdenträger zu finden.
Bei zwölf Berufungskommissionsmitgliedern, von denen drei tot waren - Bregs und Val identifizierten den Selbstmörder der vergangenen Nacht eindeutig - blieben noch neun ältere Herren, die sich überall in der Stadt aufhalten konnten. Nur einer würde leicht zu finden sein, der frisch gewählte oberste Hirte für Ankh-Morpork, der eine nette kleine Dienstvilla bewohnte. Und damit zwar leicht zu finden war, aber leider auch überhaupt nicht zu erreichen, man sprach nie mit ihm direkt, sondern immer mit Untergebenen. Aber dennoch, er hatte der Kommission angehört, also schwebte er prinzipiell in Gefahr. Nachdem sie die restlichen Geistlichen einigermaßen gerecht auf die sieben Wächter verteilt hatten, ging es hinaus in die kalte und stürmische Nacht.
Es regnete, in einer solchen Nacht konnte man sich draußen den Tod holen, schnell wurde den Wächtern klar, wie unklug (oder zum Himmel schreiend dämlich) dieser Versuch war, es war beinahe unmöglich jemanden auf diese Art zu finden, man konnte die Hand kaum vor Augen sehen und im Endeffekt würden sie gerettet werden müssen anstatt selber zu retten. Kurz entschlossen gingen sie zum Wachhaus zurück um vielleicht eine oder zwei Stunden zu schlafen, bevor sie es bei hellem Tageslicht noch einmal versuchen würden.

***

"Guten Morgen! Ich hab Neuigkeiten für euch, ihr wartet auf einen Laborbericht? Hier ist er! Und er hat euch sogar Würstchen mitgebracht!!"
"Kannst du etwas leiser brüllen, 100% der anwesenden Wächter haben die Nacht draußen auf der Straße verbracht um irgendwelche bescheuerten alten Tempelgeister zu finden und sind dementsprechend müde", im Aufenthalts- und Trainingsraum der FROGs war es nicht wirklich dunkel, vereinzelte Kerzen machten aus ihm einen Raum der Schatten und irgendwo in diesen Schatten bewegten sich Gestalten, die vielleicht Wächter waren, vielleicht auch nur Einbildung. Schnaphela hatte einen etwas freundlicheren Empfang erwartet, denn schließlich hatte er Antworten, die weit frischer waren als die Würstchen die er normalerweise verkaufte und zudem waren die Antworten auch noch umsonst. Er suchte sich einen Stuhl und setzte sich.
"Wie lange, meinst du, wirst du noch brauchen bis du uns deine Neuigkeiten erzählen kannst?"
Der Gefreite schaute in die Richtung, in der er den Meckerer vermutete, und begann dann langsam zu reden:
"Im Mageninhalt des Toten war auf den ersten Blick nichts wirklich auffälliges, er hatte wohl seit Tagen nichts gegessen, sondern nur Rotwein zu sich genommen. Guter Wein, aber in der Form ziemlich widerlich", der Laborant bemerkte, wie einer der Schatten mit einem würgendem Geräusch aus dem Raum huschte, "aber als ich das Ganze dann noch mal genauer unter die Lupe nahm fand ich Gift. Zuerst wusste ich nicht was für ein Gift, denn es kommt hier in Ankh-Morpork normalerweise nicht vor, die Gilden verschwenden ihre Zeit nicht mit so was und die Verbrecher haben Besseres zu tun. Ich hab also die halbe Nacht Bücher gewälzt um herauszufinden was es war, aber erfolglos. Doch dann fielen mir die toten Insekten ein, die von den Spurensichereren gefunden worden waren und die hab ich dann in einem Buch über Schmetterlinge gefunden, geschrieben von dem berühmten Schmetterlingsforscher Siegfried Edgar Klaps - besser bekannt unter dem Namen Schmetterlings Klaps [4] - und dort fand ich ihn, den grünen Nachtweber", der Schatten, der zuvor herausgehuscht war kam zurück und verschmolz wieder mit den Schatten im Raum, leises Rascheln verriet, dass er sich zudeckte, aber mehr war nicht zu erkennen, "Dieser Nachtfalter hat eine sehr kurze Lebensspanne, also wenn sie hier herumgeflogen sind, dann sind sie auch hier in der Stadt geschlüpft und er legt seine Eier nur auf einer Pflanze ab und zwar auf dem Klatschianischen Albtraum, einer sehr giftigen Kletterpflanze, die es hier normalerweise nicht gibt. Das Gift ruft schwere Halluzinationen hervor, vergiftete erleben ihre schlimmsten Alpträume und werden dadurch wahnsinnig. Und weil die Nachtweber vom Geruch des Giftes angezogen werden, lagen sie bei der Leiche, die quasi in vergiftetem Wein getränkt war."
"Na, das nenn ich mal nen mündlichen Bericht, sehr gründliche und gute Arbeit Gefreiter, geh schlafen und wenn du wieder wach bist schreibst du das auf und bringst mir eine Abschrift."
"Ja, Sör! Danke Sör!"
"Und jetzt raus, sonst bist du ab morgen einer von uns und kannst dauernd die Nächte durcharbeiten."
Meine-Familie-wird-verhungern Schnaphela verließ fluchtartig den Raum, er war sich noch immer nicht ganz sicher mit wem er geredet hatte, aber das spielte auch jetzt keine Rolle mehr, er war froh in einer weitgehend normalen Abteilung arbeiten zu dürfen.

***

Es vergingen Tage bis sie alle neun überlebenden Berufungskommissionsmitglieder gefunden hatten, sie wohnten sehr verstreut in kleinen Pensionen, oder, wenn sie etwas länger in der Stadt bleiben wollten, in kleinen Wohnungen. Fast alle lebten normal bis ärmlich, und ganz offensichtlich hatten sie geringere Mengen von dem Gift zu sich genommen, zumindest verhielten sie sich nicht sehr auffällig.
Doch zu sagen hatte das nicht viel, denn schließlich konnte man niemanden in den Kopf hinein schauen. Allerdings war es auch nicht möglich alle neun jeder Zeit zu bewachen, ohne dass sie es mitbekamen, dazu gab es einfach nicht genügend FROGs. Dazu kam, dass sie absolut im Dunkeln tappten was den Täter anging, wer konnte ein Interesse daran haben, dass ein Haufen älterer Männer starb?

*Etwa eine Woche nach dem ersten Toten*

Draußen auf dem Pseudopolis Platz herrschte erschreckende Unruhe, irgendetwas war geschehen oder würde geschehen, etwas, dass auch hier nicht alltäglich war. Die halbe Stadt schien anwesend zu sein. Schnapper verkaufte die üblichen verdächtigen Würstchen, während einige der Bürger kurz davor waren einen netten kleinen Mob zu bilden und über das Wachhaus - irgendjemand musste ja Schuld haben - herzufallen, es materialisierten sich schon die ersten Fackeln in den Händen der Entschlossenen. Aus Neugier hatten sich auch einige Wächter unter die Menge gemischt, waren aber inzwischen nicht mehr in der Lage etwas anderes zu tun, als das was die Menge tat.
Auf dem Dach des Opernhauses stand jemand, oder besser er ging, er ging ganz langsam rückwärts auf den Rand zu und wedelte dabei mit den Armen als hätte er Fackeln in den Händen und müsste ein Rudel hungriger Raubtiere von sich fernhalten. Der Mann erreichte den Rand, überschritt ihn und fiel.
In jedem guten Alptraum kommt irgendwann der Punkt an dem man von einer Klippe, einem hohen Turm, oder in ein tiefes Loch fällt. Der Unterschied zur Realität besteht in zwei Dingen, in Träumen ist der Weg nach unten meistens unheimlich weit und in Träumen stirbt man nie, normalerweise erwacht man vorher.
Das was von ihm übrig war als er unten ankam, erwachte nie wieder und wahrscheinlich hätte er den Blick in einen Spiegel auch nicht verkraftet, wenn er wieder aufgewacht wäre.

***

"Es gibt ein weiteres Opfer", teilte Feldwebel Breguyar den FROGs in seinem Büro mit, "wir müssen diese Leute etwas offensiver vor sich selber schützen - sonst ist bald niemand mehr da den wir retten können. Vorschläge?"
"Könnten wir sie nicht alle einsperren?" schlug Sidney vor.
"Nein", Bregs schüttelte den Kopf, "das hat bei einem nichts gebracht, dann wird's die anderen auch nicht retten."
"Wir könnten Feuer mit Feuer - also Gift mit Gift - bekämpfen, sobald sie anfangen durchzudrehen wirft einer ein Betäubungsmittelbeutelchen und setzt sie außer Gefecht," meinte Laiza, mit Giftchen spielen machte Spaß - meistens.
"Klingt machbar, gibt es weitere Ideen?"
Die Gruppe schwieg, nein, es gab keine weiteren Ideen, der Menschmatsch draußen auf dem Platz hatte keine Chance gehabt, dazu war es letztendlich zu schnell gegangen, Laizas Idee hätte dieses Kommissionsmitglied nicht retten können, so was konnte sehr entmutigend sein.
Nach einigen Minuten fragte Skilla: "Sör, sehe ich das richtig, dass wir sie dazu rund um die Uhr beobachten müssten?"
"Nicht ganz, dazu sind wir zu wenige, aber wenn wir ein paar Wächter von den anderen Abteilungen einspannen geht es, immer einer von uns und ein anderer. Und dann hoffen wir, dass es nicht zu lange dauert. Geht euch einen Partner suchen, raus mit euch", zögerlich verließ die Abteilung den Raum, der stellvertretende Abteilungsleiter fragte sich immer wieder, warum die Chefin ausgerechnet jetzt einen geheimen Spezialauftrag zusammen mit Felsspalter haben musste, dann viel im noch etwas ein, "LAIZA, wart mal kurz..."

***

Auf den Bregs Befehl hin, kehrte Laiza in ihr Labor ein. Ganz optimistisch sagte sie sich, dass ein Gegengift nicht allzu schwer sein konnte. Irgendwer hatte einmal gesagt, dass nur guter Optimismus zum Erfolg führen konnte.
Außerdem war sie Gift- und Gasexpertin, sie hatte schon mit einigen Gegenmitteln gearbeitet, schließlich benutzte ein GiGa nur Mittel, die er selbst erstellt hatte. Man sollte sich schließlich nicht auf andere verlassen. Und so lief sie mit ihrem durchlöcherten Kittel durch ihr Labor und holte aus jeder Ecke des Raumes Glasgefäße und Instrumente hervor um sie danach an einem Gerüst aus Stangen zusammen zu bauen.
Sie holte einen ihrer kleinen Sumpfdrachen aus der Kiste. Fütterte ihn mit Kohlestückchen und schmeichelte ihn mit Streicheleinheiten. Grimmig blickte sie sich um, für jeden Dämon im Keller sollte es eine Warnung sein. Die Zeit war knapp bemessen und sie konnte sich einen Dämonenunfall nicht erlauben. Der Albtraum stand neben dem Aufbau, genauso wie ein altes Buch, auf geschlagen auf einer Seite, die eine Zeichnung der Pflanze enthielt. Ein Gegengift wurde nur am Rande erwähnt und war dadurch keine große Hilfe. Aber es gab genug Gifte die Halluzinationen hervorriefen und für diese gab es ein Gegenmittel. Hier zählte es also, die Verschiedenheiten gut zu kombinieren - wie ein guter Ermittler. In einem Rundkolben füllte sie Wasser und stellte ihn auf einen Metallring vor die Drachenschnauze. Gemächlich lag er da und stieß kleine bläuliche Flammen aus.

***

Am nächsten Morgen gegen sieben betrat ein omnianische Pfarrer das Wachhaus am Pseudopolis Platz und ging auf den Tresen zu, an dem zwei Rekruten in freudiger Erwartung der Begegnung mit Frau Willichnicht entgegenfieberten. Er stellte sich als Bruder Überzeug-die-Sünder-mit-Guten-Taten vor und fragte nach Magane [5]. Die Rekruten schickten ihn in die Kantine, wo er die Obergefreite, in ihre Teetasse vertieft, fand und sich zu ihr an den Tisch setzte.
"Guten Morgen, mein Kind."
"Ich bin nicht ihr Kind... Guten Morgen Bruder Überzeug-die-Sünder-mit-Guten-Taten."
"Wie geht es dir?"
"Habe viel Arbeit, zuhause und hier."
"Und wegen deiner Arbeit bin ich hier, ihr gebt euch ja wirklich Mühe um den Giftmischer zu finden, aber ihr sucht am falschen Ort."
"Wo sollten wir denn suchen?"
Wortlos legte er ihr ein aufgeschlagenes Buch Om vor die Nase.
"Da drin?"
"Lies und frage, aber stelle nur solche Fragen die ich mit Ja oder Nein beantworten kann."
Magane liest, "das ist die Sündenfall-Erzählung, die kennt jedes Kind, was soll ich damit?"
"Weiter lesen Mädchen, lies das nächste Kapitel."
Das Buch Om - das Buch der Bücher - zeigt die Sünde hauptsächlich an sehr farbenfroh beschriebenen Beispielen, es wird gemordet und genäht, begehrt und verraten. Noch während sich die Obergefreite darüber aufregte, dass sie noch immer von allen möglichen Leuten Mädchen genannt wurde, stellte sie fest, dass sie mit dem nächsten Kapitel ein glänzendes Beispiel vor sich hatte. Es handelte sich um eine Geschichte, in der ein junger Mann aus Eifersucht und Gier alle seine Brüder umbrachte um auf diesem Weg unrechtmäßig seinen Vater zu beerben...
"Einer bringt seine Brüder um... Ihr seit doch auch alle Brüder... der Giftpanscher ist einer von euch... ein Mitglied der Kommission?"
"Ja."
"Weißt du wer?"
"Ja."
"Aber du musst schweigen?"
"Genau... Kind ich muss gehen, du weißt Om duldet keine Verspätungen, ich lass dir das Buch hier, vielleicht findest du noch andere hilfreiche Texte in ihm."
Er wusste, dass sie nicht an Om glaubte, er musste es wissen, es war eins der größeren Themen in den Gesprächen vor der Hochzeit gewesen. Wieso sagte er so was? Wieso glaubte er, dass das Buch ihr helfen würde? Nun... ein bisschen Blättern konnte auf alle Fälle nicht schaden.
Eine der unvergleichlichen Eigenschaften des Buchs der Bücher ist die Inkonsistenz. Es konnte sterbenslangweilig sein, wenn man die falschen Stellen erwischte, aber an den richtigen Stellen las es sich wie ein sehr guter Krimi. Wie bei eigentlich allen älteren Ausgaben des Buches waren auch an dieser die besten Stellen deutlich an den Eselsohren, den Knicken und dem ausgefransten Rand zu erkennen. Die Obergefreite ging die besonders stark lädierten Stellen durch, auf der Suche nach etwas von dem sie erst wissen würde wie es aussah, wenn sie es gefunden hatte, wenn in diesem Buch Hinweise versteckt waren, dann würde sie sie finden.
Und tatsächlich ganz hinten, bei einer der letzten abgenutzten Stellen steckten drei Zettelchen aus sehr dünnem, halbdurchsichtigem Papier. Auf jedem dieser Zettel stand ein sechszeiliges Gedicht, das mit einer großen Zahl überschrieben war.

1
Auf dem Felde, bei dem Kohl
Stehet ein Ding, kreatürlich wohl -
Nicht Wesen. Trägt Kleider angestaubt.
Es sprosset nichts auf dem Haupt
Ganz gleich womit man es benetzt,
Drum gab man ihm was Wuchs ersetzt


2
Was auf dem Haupte er entbehret
Das trägt er über die Maßen reichlich
Hinten an seinem blassen Körper weichlich
Geordnet und mit metallnen Helfern fixieret
Das man nicht gleich schauet
Was er unter dem Gewand verstauet


3
Heulend in der Vollmondnacht
Verkündet des Waldes König seine Macht
Vor weit mehr als zwanzig Jahr
Doch körperlos nun liegt er da
Machtlos zu des alten Mannes Vergnügen
Der einst konnte ihn besiegen

Damit konnte sie nicht viel anfangen, aber vielleicht fiel den anderen was dazu ein, zufällig waren die Zettel sicherlich nicht da und mit großer Wahrscheinlichkeit schrieb man solch schreckliche Verse nicht zum Spaß.
Gegen 9 fand wieder eine Besprechung im Büro des Feldwebels statt, das war die vergangenen Tage immer so gewesen, er schien den Selbstmord des Mannes persönlich zu nehmen, schließlich hatten sie ihn sozusagen auf der Straße aufgelesen, da erwartet man nicht, dass keine zwei Stunden dauert bis derjenige tot ist. Dazu kam der Tote von gestern, der allen, die in gesehen hatten, gewaltig auf das Gemüt geschlagen war.
Magane kam rein und legte die drei Zettel auf den Schreibtisch.
"Was ist das?"
"Hinweise, ich hab sie heute morgen von einem Informanten bekommen."
"Du hast einen Informanten?"
"Ja Sör, einen Informanten unter Schweigepflicht, er gab mir zu verstehen, dass wir den Täter so nie finden, weil wir ihn an der falschen Stelle suchen," die Obergefreite sah sich um, sie hatte die uneingeschränkte Aufmerksamkeit, "der Täter ist einer von ihnen, ein Mitglied der Kommission und mit diesen Gedichten können wir herausfinden welcher von den Überlebenden es ist."
"Ähm..." meldete sich Mindorah zu Wort, "ich hab schon vor ein paar Tagen Will gefragt, ob sie was genaueres über die Mitglieder dieser Kommission weiß, sie hat ein paar Dinge zusammengetragen. Hauptsächlich darüber wo die Männer vorher waren. Drei von ihnen waren Missionare, die die ganze Welt bereist haben", sie reichte die Aufzeichnungen herum und nahm die drei Zettel vom Schreibtisch.
"Missionare... wahrscheinlich solche, die den Unglauben mit Feuer und Schwert auslöschen, die ganz harten. Ich hab mal gehört, dass die Missionare entweder selber brutal sind, oder nicht lange leben, wenn sie in die wilderen Gegenden der Scheibe kommen."
"Na, für die wäre Ankh-Morpork doch der perfekte Altersruhesitz."
"Ja, und sie wären bereit dafür zu morden."
"Vielleicht sollten wir uns doch mal den Hinweisen zuwenden, der erste erinnert mich zwar einfach nur an die Sto-Ebene, aber ich bin mir sicher, dass die nicht gemeint ist", sagte Mindy und gab den ersten Zettel an Max weiter.
"Auf dem Felde, bei dem Kohl / Stehet ein Ding, kreatürlich wohl - / Nicht Wesen. Trägt Kleider angestaubt... Das ist eine Vogelscheuche!"
"Genau, und der zweite Teil steht für eine Perücke!"
"Aber wie soll uns eine Vogelscheuchenperücke weiterhelfen?"
"Vielleicht trägt der Giftpanscher eine billige Perücke, die ausschaut als wäre sie aus Stroh..."
"Das könnte es sein! Okay, nächstes!"
"Was auf dem Haupte er entbehret / Das trägt er über die Maßen reichlich / Hinten an seinem blassen Körper weichlich / Geordnet und mit metallnen Helfern fixieret / Das man nicht gleich schauet / Was er unter dem Gewand verstauet", las Mindorah vor, die die beiden anderen Zettel noch immer in der Hand hielt.
"Das ist total einfach", meinte Kanndra, "Was ihm auf dem Kopf fehlt ist Haar, hinten am Körper, ist der Rücken und die metallenen Helfer sind Nadeln, Rückenhaarnadeln, der Kerl wird einfach sehr behaart sein."
Das letzte Rätsel gab die Kommunikationsexpertin wortlos an den neben ihr stehenden Sidney weiter, der sich gar nicht erst mit vorlesen aufhielt, sondern das Gedicht, nach dem er es gelesen hatte, mit einem kehligen Knurren kommentierte und an Skilla weitergab.
"Heulend in der Vollmondnacht / Verkündet des Waldes König seine Macht / Vor weit mehr als zwanzig Jahr / Doch körperlos nun liegt er da / Machtlos zu des alten Mannes Vergnügen / der einst konnte ihn besiegen... der hat vor zwanzig Jahren einen Wolf getötet, der jetzt körperlos da liegt?"
Aus dem Knurren wurde ein Räuspern bevor Sid ergänzte: "Nur das Wolfsfell ohne den Körper... es wird als Trophäe in seiner Wohnung liegen"
"Also ist unser Täter ein stark behaarter alter Mann mit billiger Perücke, der ein Wolfsfell rumliegen hat und sich mit seltenen klatschianischen Pflanzen auskennt... wir haben sieben plus eins Verdächtige, worauf warten wir eigentlich noch, es muss doch herauszufinden sein..."
"Wartet mal", unterbrach Valdimier den enthusiastischen Ktrask, "dieser hier", er wedelte mit einem der Blätter die Mindy mitgebracht hatte, "war auf Missionsreisen in Überwald, im Achatenen Reich und sogar ein paar Monate im Wiewunderland, bevor er herkam war er für fünf Jahre in Klatsch, jetzt müssen wir nur noch überprüfen ob die Hinweise auch zu ihm passen."

***

In der Nacht machte sich Max auf den Weg, um die Hinweise zu überprüfen. Der alte omnianischer Missionar Lasse-dich-nicht-vom-Unglauben-vergiften - kurz Lasse Unglauben - lebte in einer kleinen unscheinbaren Wohnung am Rand der Stadt. Er schien nicht viel von Fensterläden oder Vorhängen zu halten, deswegen bereitete dem schwarzen Mann das Eindringen in die Wohnung keinerlei Probleme, mit einem Blick durchs Wohnzimmerfenster war er drin und sah sich um, hier standen unheimlich viele Pflanzen herum. In einer Ecke stand ein alter abgewetzter Ohrensessel auf dem ein aufgeschlagenes Buch lag. Er bildete zusammen mit einem kleine Tisch und einem Regal die gesamte Möblierung des Zimmers, auf den Holzdielen lag kein Teppich, bis auf... vor dem Sessel lag ein ungewöhnlich großes graues Wolfsfell. Volltreffer, wenn sich jetzt noch die anderen Hinweise bewahrheiten, ist der Kerl sogut wie überführt.
Im Schlafzimmer fand der Späher tatsächlich eine Perücke und ein Blick auf den ruhig schlafenden Lasse Unglauben verriet ihm, dass er dieses Ding trug, weil ihm nie wieder Haare wachsen würden, der Priester hatte auf seinen Reisen nicht nur die Haare, sondern auch die Kopfhaut verloren. Für einen Moment fragte sich Max ob er die Sache mit der starken Behaarung nicht einfach ignorieren und gehen sollte, doch dann entschied er sich anders und zog mit einer Klaue etwas an der - zum Glück überhaupt nicht flauschigen - Bettdecke. Ja, auch das traf zu... jetzt musste er schnell machen, dass er hier herauskam.

*Am nächsten Morgen*

Es klopfte, er hatte sich grade einen Tee gemacht, wer störte zu solch früher Stunde? Er ging nichts ahnend zur Tür und öffnete.
"Bruder Lasse-dich-nicht-vom-Unglauben-vergiften?"
"Ja?"
"Guten Morgen, Valdimier van Varwald mein Name, Stadtwache Ankh-Morpork, dies ist meine Kollegin Nyvania D'Astorá, sie stehen unter Verdacht eine größere Menge Wein vergiftet zu haben und damit einige ihrer Glaubensgenossen in den Wahnsinn getrieben zu haben. Hiermit sind sie festgenommen!"
Er versuchte zu fliehen, das versuchen sie doch immer, aber wenn er nicht bereits an den Reflexen und der Kraft des Vampirs gescheitert wäre, so hätten ihn sicherlich die Triffinsziels, die auf den Dächern lauerten, gestoppt. Und je nach dem wer geschossen hätte, wäre er wohl auch nicht mehr vernehmungsfähig gewesen.

*Epilog*

Es war eine weitere dunkle und stürmische Nacht, wenigstens regnete es nicht, Lasse Unglauben hatte gestanden und wartete auf sein Urteil. Von den sieben verbliebenen Mitgliedern war keiner mehr auffällig geworden, sie hatten sich zurückgezogen und lebten mit den Folgen des Giftes. Doch dabei konnten die FROGs es nicht belassen, Laizas Gegengift war nach einigen Tagen fertig gewesen und Tests an Ratten waren erfolgreich. Jetzt galt es die Priester von ihren Alpträumen zu befreien, allerdings musste man dazu erst mal an sie heran kommen.
Ungewöhnliche Situationen erforderten ungewöhnliche Maßnahmen, deswegen streiften die beiden Obergefreiten Laiza Harmonie und Magane, bewaffnet mit Betäubungsmittelbeutelchen Gegengift und einem Satz Dietriche, durch die Nacht und brachen in die Unterkünfte der sieben Opfer ein. Lautlos und zügig öffneten sie die Türen, betäubten die Opfer, gaben ihnen das Gegengift und verschwanden ohne Spuren zu hinterlassen. Sie räumten auf. Gründlich, schnell und effektiv.
Nach einigen Stunden war es vorbei, aber solange das Gift noch in der Stadt war, war es auch noch möglich, dass sich dieser Alptraum wiederholte. Der zweite Teil ihres Befehls besagte, dass sie den restlichen Wein vernichten mussten. Es waren noch zwei Kisten von dem Wein, der normalerweise ausschließlich für einen bestimmten Opferritus gebraucht wurde, im Keller des Hauses von Meister Bringe-den-Ungläubigen-das-Licht-der-Wahrheit. Sie holten sie (ließen eine echte Beschlagnahmungsquittung der Stadtwache da) und schleppten sie zum Ankh um sie dort in die braunen Fluten zu gießen.

ENDE
[1] Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, dass das nicht von mir stammen kann, das ist "Dein Vampyr" von den Ärzten.

[2] um Missverständnisse zu vermeiden: Die FROG-Uniform ist einfach bequemer, als die von GRUND, deswegen ist es durchaus logisch, dass ein zu GRUND abgeordneter FROG, der immer Uniform trägt, die schwarz-grüne in seiner Freizeit an hat

[3] Das Gespräch bezieht sich auf die LIVE "Bleibt dem Schloss fern!"

[4] Butterfly Flip... zu was Umfragen nicht alles gut sind ^^

[5] Anmerkung der Autorin: Sie kennen sie von einer Hochzeit, die inzwischen zwar schon zwei Monate zurückliegt, aber die Single hab ich noch immer nicht fertig schreiben können, folgt in Kürze.




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