Der Preis der Freiheit

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von Korporal Rib (SEALS)
Online seit 30. 09. 2004
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Eine alternative Realität, ein anderes Hosenbein der Zeit, bietet einem Autor die Möglichkeit, einen Faktor einzuführen, der das ganze System gefährdet, ohne das Erzählspiel zu sabotieren. Nichts von dem, was hier beschrieben wurde, ist in der gemeinsamen Spielwelt passiert. Anders ausgedrückt kann man sehen, wie die 'Welt' wäre, wenn sie anders wäre. Oder manchmal auch, wie sie vielleicht ist...

Dafür vergebene Note: 13

Der Faktor, über den wir hier reden wollen, ist eine relativ einfache Erfindung. Mittels Magie sind die Zauberer in der Lage, Abbilder von Geschehen mehr oder minder wahrheitsgetreu als Illusionen darstellen zu lassen, was ihnen ein Zubrot im Nachrichtengeschäft ermöglichte. Natürlich kann man die kleinen Veränderungen des Alltags anschauen, ihre Auswirkungen auf das Denken der Mitbewohner. Doch offensichtlicher werden Dinge oft, wenn man sie in Zeiten einer Krise, eines Wandels betrachtet.
Wollen wir doch einmal schauen, wohin das uns führt...


- Sitzungssaal im Palast des Patrizers -

Bis zu diesem Moment war es für mich es Arbeitstag wie immer gewesen. Wenn man von der schrecklichen Neuigkeit absah, die auf dem Gegengewichtkontinent passiert war. Sicher, noch Jahre später würde sich jeder Bewohner der Scheibenwelt erinnern können, wo er sich befunden hatte, als er die Nachricht erfuhr. Zumeist war das auf dem Marktplatz gewesen, wo die 'Aufführungen' stattfanden. Aber kein Bewohner Ankh-Morporks hätte gedacht, das es etwas damit zu tun haben würde, wie er sein Leben führen konnte, wollte und würde.

Stabsspieß Atera, Leiterin der SEALS, also der allgemeinen Wacheabteilung, machte es sich in dem Sessel gemütlich und beobachtete die Gespräche der Anwesenden. All dieses "Bei Io, war das schrecklich" und "Unfaßbar, so etwas. Wie konnte es nur soweit kommen?" regte sie nur im Hintergrund ihrer Gedanken auf. Es schien nur eine größere Version eines Verhaltens zu sein, das Mitbürger dazu brachte, Verkehrsopfer beim Verbluten zu beobachten.
Als SEALS und Zombie kannte sie sich mit so etwas aus.
Natürlich widerte diese Art der Neugier sie an. Aber die einzige Methode, alle Schaulustigen zu inhaftieren, hieße die Stadtmauer zur Gefängnismauer umzubenennen.
Nun, von nun an würde sich einiges ändern, dafür würde ihr Stellvertreter schon sorgen.

"Willkommen meine Herren", begrüßte Rib MacLaut, mein Kollege und ihr Stellvertreter, die Anwesenden, "Ich muß die Abteilungsleitung SEALS und die hier anwesenden Vertreter der Gilden einander nicht vorstellen. Ich habe die dankenswerte Aufgabe erhalten, ihnen die neue Situation zu erklären."
Der Kobold machte eine Pause.
Ich nehme an, innerlich wußte er, daß einer der Gründe für sein Reden hier war, das man einem Winzling wie ihm einen politischen Fehler verzeihen würde. Sozusagen nur ein kleiner Fehler.
Der andere Grund war, so nehme ich an, daß er einen der anwesenden Gildenvorsitzenden schon mal mit dem Gesicht durch die Straßen geschliffen hatte. Sie sollten also wissen, wie mit ihm umzugehen war.
Ich selbst verhielt mich ruhig, denn ich war nur zum Beobachten mitgekommen. Die Frage war nur: Sollte ich beobachten oder nur von Atera und Rib beobachtet werden?
Das letztgenannte dreizehn Zentimeter große Geschöpf machte, wie schon gesagt, eine Pause. Es blickte ernst in die Runde, wobei ihn die Anwesenden nur, wie es aussah, nur zweitrangig interessierten. Kobolde, die posieren, sehen manchmal so etwas von lächerlich aus.
Dies war Ribs Chance. Atera hatte ihn immer dadurch gefördert, das er ausprobieren durfte, was er als ihr Assistent tun wollte. Ein MacLaut, so hatte der Korporal lauthals verkündet, würde eine solche Chance nicht vermasseln.
"Nun, über die Ausgangslage und das, was im Zusammenhang mit dem Pulver Nummer 1 auf dem Gegenkontinent passiert ist, muß ich wohl kein Wort verlieren. Sie alle lesen.." Mit Verachtung brachte er das letzte Wort hervor. "Und die Zeitungen dürften Ihnen erzählt haben, was wichtig ist. Terrorismus. Und sein Weg führt über diese Stadt. Viele von denen, die das Sterben angerichtet haben, gingen hier auf die Schulen, lernten hier die Schriften von einem angeblich klatschianischen Assassinen zu lesen, der sich der Doppler nennt."
Rib nickte Atera, seiner Abteilungsleiterin zu und er lächelte danach beruhigend. Zumindest sollte es beruhigend sein, aber meiner Meinung nach gelang ihm das nicht ganz so wie gewünscht. Vielleicht sollte er nicht denselben Ausdruck verwenden, wenn er jemandem einen Arm bricht...
"Er ist der Drahtzieher, die Wurzel allen Böses. Aufgabe von SEALS wird es sein, ihn und alle, die etwas mit ihm zu tun haben, zur Strecke zu bringen." Rib schien sich ziemlich sicher.
Solch ein Selbstvertrauen hätte ich auch gerne gehabt. Alles, was ich wußte, war, das die Welt sich nun verändern würde. Obwohl auch nicht damit gerechnet hatte, wie sehr.
"Was macht es so sicher für sie, daß dieser Doppler hinter all dem steckt?" kam eine leise Frage aus dem Kreis der Gildenleiter. Ein Kollege von Dr. Perfekt, also Alchimist, wie Rib sich erinnerte. Diese falsche Haartracht zeigte mehr auf die freigeschmorten kahlen Stellen, statt sie zu verbergen.
"Wie ein bepelzter Spatz, der mit viel zu hoher Geschwindigkeit in einen Kopf aus Stroh geknallt war." flüsterte Rib mir zu.
Da er, der Übersicht halber, auf meine Schulter geklettert war, hörte ihn zum Glück niemand. Anscheinend war MacLauts Zeit bei der Gilde früher so wenig angenehm gewesen, wie man es sich vorstellen mußte. Nun, ich konnte seine Wut verstehen. Wer war schon gerne Testkandidat unzähliger Versuchsreihen?
"Was mich so sicher macht? Wir hatten schon Nummer 1-Probleme mit ihm. Er hält Reden, und eine dieser Reden ist der Wohnung der Täter gefunden worden." [1]
"Da können wir ja froh sein, das keine Eddi-Wollas-Romane gefunden wurden. Sonst wäre der auch verdächtig. Lese das ganz gerne." antwortete der Alchimist.
"Guter Hinweis. Produziert ihre Gilde nicht das Nummer 1? Mittäter, wie?"
"Rib!" Atera hielt es für besser, sich jetzt einzumischen.
"WAS? Diesen Giftmischern kann man nicht trauen. Auch keinem Chef, der eine Vogelscheuchenperücke..."
"RIB!"
Inzwischen war die Lautstärke recht unangenehm. Man merke sich für die Zukunft: Wenn ein Gnom oder Kobold auf der linken Schulter sitzt, lasse nie zu, das er sich mit jemandem von links streitet.
"Na gut", Ribs Antwort war, meine Trommelfelle weder ewig dankbar sein, eher ein Maulen, "wir haben Erlaubnis, Albatrospost zu benutzen. Will, unser Kommexperte wird das mit den Romanen überprüfen. Wir dürfen kein Risiko eingehen."
Mißgestimmt blickte der Korporal den Gildenleiter weiter an. Auch die anderen Zuhörer wurden zunehmend nervöser. Ich an ihrer Stelle hätte mich auch gefragt, was ich hier soll.
Aber Atera hatte die Lage völlig im Griff: "Jedenfalls, sind wir, die Abteilungsleitung SEALS hier, um ihnen zu versichern, das es keine Nennenswerte Bedrohung geben wird, da wir von seiner Lordschaft ermächtigt worden sind, alles entsprechende zu ihrem Schutz zu veranlassen."
Die Gildenmitglieder nickte. Alles zu ihrem Schutz, das klang gut. Besonders nach den schrecklichen Berichten.
Rib erhob ein letztes Mal die Stimme: "ALLES."
Plötzlich klang es doch nicht mehr so toll.

- Ateras Arbeitsraum, Woche eins -

Wie gesagt, wenn man von den Nachrichten absah, war heut ein Wochenanfang wie immer. Daran änderte auch so eine solche Versammlung nichts. Wie immer geht der Wächter in den Dienstraum, wie immer bespricht er die Neuigkeiten des Tages und hört sich seine Strecke für den Streifendienst an, wie immer stöhnt er eine gemeinschaftliche Runde darüber, das die Bezirke viel zu groß waren, und geht er wie immer los.
Es war heute aber nicht so, daß sich das Tagesgespräch der Wächter sonderlich von dem der übrigen Bevölkerung unterschied. Schließlich hatten alle dieselben Bilder gesehen.
Die allwöchentliche Dienstbesprechung fand üblicherweise in Ribs Büro statt, denn der Kobold selbst nutzte eigentlich nur seinen Spind als Unterkunft und hielt sein Dienstzimmer erstaunlich aktenfrei. (Wenn man von der Asche im Kamin absah, wie ich vermutete.) Ohne die sonst notwendigen Schränke blieb deswegen genügend Platz für einen runden Tisch, an dem wir alle Platz hatten.

Atera nickte den restlichen Abteilungsmitgliedern zu.
"Gut, wir müssen uns vorbereiten, damit es hier nicht zu weiteren Anschlägen kommt. Vorschläge?"
"Was wissen wir über die Verdächtigen?" fragte Weufolt.
"Will?" Der Angesprochene war bisher sehr schweigsam gewesen. Was immer auch der Grund sein mochte, etwas eklatant wichtiges beschäftigte ihn. Auffällig erschienen die Blicke, die er und Cim sich zuwarfen.
"Zu allererst hatten die Täter über kurze Zeit Wohnsitze in der Stadt hier, bevor sie ein Schiff zum Gegenkontinenten nutzten."
"Gibt es überlebende Täter?" hackte Weufolt wieder nach.
"Soweit wir wissen, nicht."
"Wiederauferstandene Täter?"
"Auch unbekannt."
"Ftimmt daf, daf die Tatverdächtigen an Om glaubten?" erkundigte sich Shrappnell. Als V.E.K.T.O.R. sah sie sich ebenso wie ich verpflichtet, die Unschuldigen zu schützen. Es hieß also, das besondere Augenmerk auf dem Charakter der Verdächtigen zu legen.
"Ja, ein wichtiger Punkt. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Omnisten. Um sie zu kennzeichnen und von WAHREN Gläubigen abzugrenzen."
Nun dämmerte es mir. Kein Wunder, das Will so still gewesen war. Er glaubte an Om. Was hier passiert war, konnte ihn nur erschüttern. Nun, er schien eine Lösung für sich gefunden zu haben.
"Na, dann wissen wir ja, was wir zu suchen haben." lächelte Steven, der sich mit Recht auskannte.
"Warum?" Ich war verwirrt, um nicht zu sagen perplex. "Es kann doch nur Zufall sein, das sie alle an dasselbe glauben. Ist doch nicht unwahrscheinlich, wenn die Täter sich gut kannten. Was ist mit Armut und ähnlichen Dingen, die normalerweise Leute zu Straftaten bringen? Wie können wir eine Prämisse einfach so als gegeben nehmen?"
"Malo, denk doch mal nach, das ist ganz typisch für Omnisten! Und deswegen lohnt es sich nicht, andere Gründe zu suchen." Aha. Cim, der auch aus einer omnianischen Familie kam, hatte sich Will's Meinung angeschlossen.
Alle Anwesenden nickten. Das neu erfundene Wort paßte ganz gut. Darüber konnte man nachdenken.

Denn wenn man darüber nachdachte, stand fest, so etwas Unmenschliches konnte nur ein '-ist' machen. Ein normaler Bürger war dazu nicht fähig. Was nur bewies, das man sie auch so behandeln sollte.
'-Isten' ist nicht zu trauen. das wußte jeder.
'-Isten' sind gefährlich und radikal, waren es immer schon gewesen.
'-Isten' glauben, das man keine Götter oder Glauben neben ihrem eigenen haben soll, wenn man glücklich werden wollte..
Hauptsache, man überlegte sich nicht, warum der eigene Glaube auch ein '-ist' am Ende bereithielt.

"Gut, wir wissen es nun, womit wir es zu tun haben." faßte Atera zusammen. "Der Preis der Freiheit ist ewige Wachsamkeit."
"Eine Frage!" Drogan meldete sich zu Wort. "Wo ist der Kommandant?"
"Er ist zum persönlichen Berater innerhalb dieser Krise ernannt worden. Da keine andere Abteilung dafür zuständig ist, übernimmt SEALS diesem Auftrag. Agent Ohnedurst unterstützt die Interne Suche. Sonst noch was?"
"Ja! Was soll das heißen? Interne Suche?" mischte Cim sich wieder ein.
"Keine Bange, niemand geht wirklich davon aus, das es Omnisten in der Wache gibt. Können wir zum Thema zurückkommen? Wie kriegen wir die Kerle?"
"Am besten wir besteigen ein Boot!" grinste ich. "Nun, aktive Omnisten wurden doch bisher nur auf dem Gegenkontinent gesehen, oder?"
Die Mienen der Anwesenden gefroren. Da war es schon wieder passiert. Irgendwann, nahm ich mir in diesem Moment vor, würde ich mir Heißwachs kaufen und meine Lippen versiegeln. Es ist doch egal, ob dieser Einwand berechtigt war. Natürlich gab es noch keine theologisch motivierten Verbrechen hier. Aber mußte ich so verdammt unpolitisch handeln und das SAGEN?
Rib sah aus, als hätte ich gerade versucht, ihm sein Lieblingsspielzeug (normalerweise jemand ,der sich der Verhaftung entzogen hatte) wegzunehmen und obwohl sich die Stimmung nun dem Gefrierpunktes näherte, wurde es mir plötzlich unglaublich heiß. Meine Antwort rutschte dann auch unbewußt immer mehr ins Fragende hinein.
"Ähhh... das war... ein Witz?"
"Ha...ha...ha. Sehr witzig. Ich lache später. WIR müssen sie jedenfalls erwischen, bevor noch einmal etwas passiert!" knurrte Rib. "Nun, was für Vorschläge haben WIR nun?"
"Wir könnten Straßenposten aufstellen und Karren nach Sprengstoff untersuchen!" warf Weufolt ein. das verzweifelte Melden erinnerte mich an einen Klassenraum.
"Gute Idee. Dennis, Drogan, ihr kümmert euch darum. Sucht die wichtigsten Stellen und besetzt sie mit euren Auszubildenden und den Rekruten! Und achtet auf Klatschianer und Om...nisten."
"Aber", fiel ich noch einmal ein, denn auch wenn ich mir geschworen hatte, still zu sein, konnte ich mich für zusätzliche Arbeit kaum begeistern, "das ist Tausende von Meilen entfernt passiert. Warum sollten wir hier Sprengstoff finden? Hier gab es doch noch nie was."
"Bis auf Grean und Pease."
"Die waren doch keine Omnisten!"
"Wer weiß, wenn man lange genug gräbt, findet man eine Verbindung. UND IHR GRABT! Vielleicht kauften sie beim selben Bäcker ein. OK, auf geht's, Buar'm. Der Rest von euch bekommt ein paar Hinweise aus meinen Kontakten zugewiesen, die ein paar nützliche Ideen für eine Strafverfolgung haben.
Alles soweit Klar? Gut. Dann bis nächste Woche, selber Ort. Malo? Noch was..."
"Ja, Rib?"
"Laß mich bitte nicht glauben, Ras hätte doch Recht."
Ich verließ den Raum, nicht ohne ein gemurmeltes 'Klugscheißer' zu überhören. Aber das sagte Rib ja jedem nach, der lesen konnte.


- Ateras Arbeitsraum, Woche zwei -

"Schön", begann Rib die folgende SEALS-Sitzung, "laßt uns zusammentragen, was wir bisher haben.
FROG hat für uns ein paar Tempel des Om durchsucht. Ein paar meiner Denunz... Informanten haben Tips gegeben."
"Wer?" erkundigte sich Tibor neugierig.
Rib schüttelte den Kopf: "Du weißt, das ich sie nicht nennen muß."
"Und wenn du die nur erfunden hast, um das Haus durchsuchen zu können?"
"Hab ich nicht. Beweis mir doch das Gegenteil." Rib zwinkerte verschwörerisch. " Ach ja, besten Dank von FROG an Silicic, der spontan die Koordination vor Ort übernommen hat, weil das Gebiet zu seiner Streife gehört.
Wir haben jedenfalls Schriften gefunden, die zeigen, daß sie eine andere Staatsform als unsere unter dem Patrizier vorziehen. So eine Art Glaubensstaat. Wir haben es durch die Presse prüfen lassen."
Johan reichte ein paar klatschianische Schriftstücke herum, die niemand lesen konnte. Mir kam der Verdacht, daß ich möglicherweise gerade wie blöde auf ein Rezept für gesottenes Ziegenfleisch starrte. Ich für meinen Teil war nicht grad
der Klatschianische-Runen-Experte. [2] Aber, würde Rib antworten, wenn die Zeitungen sagten, das wären solche Schriftstücke, dann mußte man ihnen glauben. Wer mit zeitlebens Schrift umging, war für den Kobold entweder absolut verrückt, oder extrem weise: Also kaum zu einer Lüge fähig.
Steven nickte: "Das nennt man Staatsfeindliche Beweise."
"Ähm..." Hatte ich schon erwähnt, das ich dazu neige, meine Meinung zu sagen?
Rib seufzte: "Ja, Malo? Was ist es diesmal?"
"Haben das nicht alle Religionen? Eine Vorstellung von Welt, wie sie aussehen würde, wenn nur Gläubige an der Macht wären? Ich mein, so etwas wie Korruptionsfreiheit, ohne die Näherinnengilde sein, keine Sünder in der Nähe, na eben so ein Zeug!"
"Ja und? Worauf willst du hinaus?" antwortete Atera mir an seiner Stelle.
"Und dafür brechen wir in heilige Tempel ein? Für Schriftstücke? Auf denen etwas geschrieben steht, was wir eh schon wissen? Verletzen wir damit nicht auch die Gefühle der normalen Gläubigen?"
"Und ob." strahlte Rib. "Und willst du wissen, mit was wir das gemacht haben?"
Wenn man es genau nahm, war mir ich unsicher, ob ich das wissen wollte. Eher wahrscheinlich nicht. Sicher kamen MuTs, Knallpulver und Giftgase drin vor.
"Wir machen es mit Recht. Diese Dokumente haben uns zu weiteren solcher Schriftstücken gebracht. Deren Besitzer verhören wir gerade. Und dann wandern sie alle in den Bau, blöde Omnisten! Zusammen mit einigen ihrer Prediger."
"Äh, wir verhaften Leute, weil sie bestimmte Sachen erzählen, niederschreiben oder Niedergeschriebenes verteilen? Das wurde seit der Bücherverbrennung von Lord Schnappüber nicht mehr gemacht. Naja, nicht offiziell zumindest."
"Vorbeugehaft", warf Steven ein, "ganz klarer Fall."
Shrappnell deutete mir zu schweigen, aber ich konnte nicht. Wann sonst, wenn nicht hier, war ein V.E.K.T.O.R. gefragt? "Aber hat man uns in GRUND nicht beigebracht, das ein Bürger erst einmal etwas gemacht haben muß, bevor wir ihn verhaften?"
"Jup." strahlte Rib. "Das ist das Tolle an Omnisten. Kriminelles Denken. Ach komm, Malo, sei kein Spielverderber. Gestern hast du doch selber gemeckert, wie schwer es ist, hier irgendwelche Bombenbauer aufzutreiben. Da darf man in der Wahl der Tat nicht zu wählerisch sein."

- Ateras Arbeitsraum, Woche drei -

Es war ein sonniger Tag, und das Licht schien geradezu frohlocken über soviel Gerechtigkeit, wie sie in diesem Raum verbreitet wurde. Derzeit warteten die SEALS auf ihr letztes Mitglied und Rib verkürzte die verstreichende Zeit mit einer Anekdote darüber, wie er an das weiße Wolfsfell gekommen war, das nun die Wand zierte.
"Und dann sagte ich zu diesem bepelzten Omnisten: 'Ach. dein Prophet heißt Brutha? So ein Zufall, meiner auch! Nur kommt bei meinem noch ein weiterer Laut dazu.'
Und dieser Krummsäbelschwinger meint dann: 'Warum seid ihr so? Wenn Ihr uns schlagt, weinen wir dann nicht? Wenn ihr uns schneidet, bluten wir dann nicht?'
Und ich wiederum: 'Keine Ahnung, aber ich bin bekannt dafür, an wissenschaftlichen Experimenten teilzunehmen.'
Oh, wartet, ich glaube, wir sind vollständig. LASST UNS ANFANGEN! Tery? LEUTE, DIE SCHÄFFIN WILL REDEN! KOMMT MAL ZUR RUHE!"
Es dauerte eine Weile, bis das Gelächter sich beruhigt hatte. Ich persönlich halte Witze, bei denen jemand verletzt wird, ja unter meinem Geschmack.
"Danke, Rib." Die Abteilungsleiterin nickte ihrem Stellvertreter zu. "Wie es scheint, wird aus dem Patrizierpalast uns mehr Unterstützung angeboten, als wir zu hoffen gewagt haben.
Rib, um das Gefühl der Bürger zu steigern, bedroht zu sein, will der Geheimdienst seiner Lordschaft ein paar Schätzzahlen von Omnisten und anderen Verbrechern herausbringen. Das nennt er Dunkelziffer und meint im Klartext: 'Ich kann zwar überhaupt nicht erkennen, wie viele es sind, aber diesen Wert fänd ich toll.' [3]
Hör mal, ich weiß, was du vom Geheimdienst hältst, aber die Zahlen derer, die wirklich was tun, sind zu gering, um öffentlichkeitswirksam zu sein."
"Hmm?" fragte der Kobold. "Öffentlichwas?"
"Wirksam. Mehr Pepp, würdest du sagen. Im Moment steht der Dienst auf unserer Seite.
Red mit ihnen mal über 'kriminelles Denken'. Vielleicht gibt es damit einen besseren Wert. [4]
Denn je größer die Bedrohung ist, desto mehr ist uns und ihnen die Schatzkammer des Patriziers näher."

Atera wartete ab, bis der Beifall und das zustimmende Gejohle abebbten. Damit konnten wir alle gut leben. Mehr Geld bedeutete mehr Wächter und das wiederum bedeutete besseren Schutz der Bürger. Wenn man bedachte, das SEALS mehr Arten von Verbrechen als jede andere Abteilung behandelte und diese Verbrechen dazu auch noch öfter als die anderen geschahen, dann war es klar, das SEALS sich ständig unterbesetzt fühlte. Das die Mehrzahl der Abteilung derzeit noch in Ausbildung war, machte es nicht besser.
"Außerdem hat der Palast ein Verbot für das Tragen von Röcken im Schuldienst erlassen. Das ist ein typisches Zeichen von den Anhängern Oms und wir wollen doch nicht, das hier weiterhin unsere Kinder mit deren Glaubensinhalten konfrontiert werden. Ios Zeichen und andere, wie die Rückenhaarnadel von Petulia, der Göttin verkäuflicher Zuneigung, dürfen natürlich in den Schulen hängenbleiben. Sind ja schließlich unsere Zeichen."
Bei 'unsere Zeichen' mußte ich etwas schlucken. Als ob irgend jemand noch den Glauben kennen würde, der hier ansässig gewesen war, als die Stadt gegründet wurde. Soweit ich gehört hatte, waren es die Druiden gewesen, die hier zuerst gelebt hätten und die waren mehr als selten in dieser Stadt. Statt dessen brachten Hunderttausende ihren Glauben mit und keiner von ihren Enkeln hielt in der soundsovielten Generation nun seinen Glauben noch für auswärtig. Die Gläubigen von Om waren halt noch nicht lang genug hier, und wie es schien, würden sie auch nicht die nötige Zeit bekommen.
"Rückenhaarnadel?" bemerkte Rib erstaunt. "Was ist das denn?"
"Ein Art Wortwitz, denke ich. Damit man sie für eine echte Näherin hält, fertigte sie sich eine Nadel aus dem Rückenhaar ihrer... du weißt schon."
"Nein." antwortete Rib erstaunt. "Was?"
Atera öffnete den Mund und schloß ich sofort wieder. Gerade noch rechtzeitig fiel ihr ein, welchem Gewerbe Ribs Frau nachging und wie der Koporal auf solche Andeutungen reagierte. Sie blickte hilfesuchend in die Runde.
"... Borstentiere. Hat Borstentiere gezüchtet die gute, brave, ANSTÄNDIGE Frau. Um immer Nadeln zu haben.. Ja. Genau." rief Ikari in den Raum, wofür er ein dankbares Nicken erntete.
Rib blickte in die Runde und erntete nur eifriges Nicken.
Schrapnells Arm zuckte im Widerspruch hoch: "Fie dürfen fich nicht zeigen, aber unterrichten dürfen fie weiterhin? Wie foll daf unfere Kinder schützen?"
"Eins nach dem anderen, Schrapnell" antwortete Rib an Ateras statt. "Eins nach dem anderen. Das mit den Röcken soll doch nur zeigen, wie effektiv wir sind."
"Na dann wollen wir hoffen, das die Bevölkerung das Zeichen nicht erkennt."
"Haha. Der Geheimdienst sammelt ihre Daten[5] und wir schlagen später einfach noch mal zu." Rib drehte sich zu seiner Abteilungskleiterin herum. "Das darf ich doch wohl hoffentlich wörtlich nehmen."
"Aber es ist so frauenfeindlich , das mit den Röcken!" Steven, als Experte für Recht, war stolz auf das neue Wort, das er aus alten Gesetzbüchern gelernt hatte.
Rib Gesicht ruckte hoch. Ich konnte auf seiner Miene genau sehen, wie er sich freute, einen weiteren Anklagepunkt gefunden zu haben. "Du meinst, sie greifen Frauen an?"
"Ja... nein... Eine Frau ist dort einfach schlecht angesehen, wenn sie Hosen statt Röcken trägt."
"Du meinst", fragte Rib und strich mit der rechten Hand über seinen Kilt. "So wie bei euch Städtern die Männer schlecht angesehen sind, wenn sie Röcke statt Hosen tragen?"
Ich mußte grinsen. Nicht, das ich das nicht auch gedacht hatte, aber von Rib, der eigentlich die Omnisten nicht in Schutz nehmen wollte, hatte ich das jetzt ja nicht erwartet. Der Kleine war halt wie ein Terrier: Man zeige ihm eine Unlogik, die er nicht produziert hatte, und er biß sich daran fest. Das mußte daran liegen, das er unter Veni gedient hatte. Terrierdasein färbt halt ab.
"Äh... Das ist was anderes. Sie werden nicht mehr als vollständige Frauen, sondern als halbe Männer gesehen. Sie riskieren dadurch Freunde und Familie zu verlieren." Steven wirkte irgendwie in die Bedrängnis gebracht.
"Und die Männer hier?"
"Ach, was... Unsere Männer, ich mein wir hier, wir sind seit Jahrhunderten daran gewöhnt, nur Hosen zu tragen. In Röcken kämen sie sich nur komisch vor. Und die, die das nicht fühlen... die sind halt seltsam. Äh, Kilts ausgenommen. Ja. Genau."
Rib nickte und seine Gedanken waren nicht schwer zu erraten: Traditionen waren wichtig. Und diese fremdgläubigen Frauen waren sicherlich kulturell nicht an ihre Röcke gewöhnt. [6]

- Am Rande des Universitätsgrundstücks, nächster Morgen -

Warum ich es nun verdient hatte, mit Rib MacLaut Streife zu gehen, wußte ich auch nicht so recht. Ich vermute, er wollte sehen, inwieweit auch ich gegen die Omnisten durchgriff. Nun, ich wäre nicht der einzige, der dadurch eine Suspendierung [7] erreichen würde. Zwei Wächter seit Wochen fehlten, Will und Cim. Ratet mal, wer nachgefragt hat, wo die beiden sich befinden...
"Laß mich raten. Wir sind hier, um zu zweit die Universität zu stürmen." versuchte ich ein Gespräch anzufangen.
"Wie was? Nein, leider nicht. Wir sind hier, um einen Kontaktmann zu treffen." Rib blickte zu einem Verkaufstand für Seifenzubehör, vor dem ein dicker Mann, gekleidet wie ein Sofakissen, versuchte unauffällig zu sein.
"Ein Zauberer." erklärte Rib. "Verkleidet."
"Oh, ja, kein gebildeter Mensch würde so etwas anziehen."
"Hmm? Nein, er hat den spitzen Hut in die Tasche gestopft."
Rib streckte die Faust hoch und spreizte kleinen Finger und Zeigefinger ab. Der Zauberer klopfte mit der flachen linken Hand auf seinen Unterarm. Rib bohrte in der Nase und malte einen Halbkreis auf die Wange. Sein gegenüber hob den Arm und zögerte. Er kam zu uns herüber.
"Wie war noch einmal das Zeichen für 'Es ist fertig?'"
"Man klatscht in die Hände, Referent." grummelte Rib.
"Oh, danke!" der Referent kausaler Zufälle nickte und ging wieder zurück zu dem Stand und klatschte in die Hände.
Rib winkte dem Zauberer zu, der wieder anfing, die neu gelernten Bedeutungen durchzugehen.
Rib schüttelte den Kopf: "DU SOLLST HERKOMMEN. WIR WOLLEN DA REIN!"

Ich denke, Ponder Stibbons war ziemlich verwirrt, was unser Hereinkommen in den Forschungstrakt anging. Zum einen waren wir nicht angemeldet und zum anderen erschien Ribs Verhalten etwas seltsam.
"HA!" rief der Informantenkontakter. "Hiermit ist es von der Wache beschlagnahmt!"
Ponder wie gesagt, blickte etwas verstört auf: "Was?... Ich mein, WAS ist beschlagnahmt?"
Rib überlegte kurz, bevor er antwortete: "Keine Ahnung, woran arbeitest du?"
Dieser Moment mag zwar kein Meilenstein in der Geschichte Ankh-Morporks sein, aber bestimmt in der Geschichte der Püschologie. Ponder war so durcheinander, das er fast die andere Seite des Verwirrtseins erreichte. (Leute, die diesen Seelenstatus erreichen, gründen normalerweise eine Sekte und geben sich Namen wie Konfusius.)
Ponder blickte kurz, eher unbewußt zu einem Tisch, auf dem sich ein kastenartiger Gegenstand lag. Das Tuch, was ihn verhüllte, war mit Sonnenblumen bestickt und dadurch mit einem Ausdruck von Fröhlichkeit behaftet, den man normalerweise nur mit der medikamentösen Hilfe eines GiGas ertragen konnte.
"Ich weiß nicht, worüber du redest, Wächter." behauptete er.
Rib schien die Bewegung gesehenzu haben, denn er kletterte an dem Tischbein hoch und zerrte an dem Stoff.
"Und was ist das? HA!" rief er und verharrte erstaunt. "Ein Käfig. Denke ich. Was ist da drin."
"Nur ein Produkt, das ich zusammen mit den Beschwörern entwickelt habe. Wir nennen ihn den 'Nachtweber'." Ponder griff in den Käfig und wühlte etwas im Stroh. Ein kleiner Dämon würde freigelegt, schwarzhäutig und mit riesigen Ohren bestückt.
"Aha." meinte Rib zweifelnd. "Da wird jemand was zu hören bekommen, mit so einem Mist die Arbeitszeit von Wächtern zu verschwenden."
"Mist?" Ponder erschien wirklich verletzt. "Das ist Hei-Magic! Der Nachtweber ist das Informationsgerät per excellence. Mit quasi suboptimal-necrothaumathisch-parabolkardinalisiert basierender Beschwörungstheorie geschaffen. Der optimale Informationsträger des neuen Jahrhunderts."
"Ach ja? Was kann er?"
"Nun, er hört zu."
"Mache ich grade auch. Leider."
"Nein, nein. Der Nachtweber kann aus dem Stoff der Nacht Kopien von sich machen, und er hört all das, was auch seine Kopien hören. Die Kopien kriechen in die Schatten der Personen und können kaum erkannt werden."
"Muß ja ein ganz schönes Wirrwarr sein, platzt ihm da nicht irgendwann der Kopf?"
"Ach was. Man sagt ihm ein paar Stichworte, und sobald die fallen merkt er sich das Gespräch, um es später zu erzählen."
"Aha... Wieviel Kopien kann er machen?"
"Weben, er WEBT den Stoff der Nacht. So viele wie man will, denke ich."
Rib grinste: "Prima. Dann starten wir heute einen Feldversuch für die Wache."
Ponder nickte. Feldversuche kosteten Geld und wenn die Wache ihn mit Testpersonen unterstützte, sollte ihm das Recht sein: "Wie viele Kopien?"
"Nun, zu Anfang sollte es reichen, wenn wir jeden zwanzigsten Bürger damit versorgen." [7a]
"Das sind 50.000 Stück."
"Jup." strahlte Rib. "Und die Gespräche werden mit anderen Personen geführt, deren Schatten zum Großteil sauber ist."

- Umkleideraum, Abend desselben Tages -

Ich konnte nicht anders, ich mußte meinem Unbill Luft machen. Zum Glück war Rib noch in seinem Spind und ruhte sich aus.
"Rib?" fragte ich, während ich vorsichtig an seine Tür klopfte.
"Uaaa...ja?" Die Tür wurde von innen aufgetreten. "Was gibt's?"
"Denkst du nicht, die Leute wollen nicht belauscht werden?"
Rib grinste: "Du unterschätzt die Macht der Wörter."
Ich schaute ihn fragend an.
"Das Zauberwort hier heißt: Subjektives Sicherheitsbedürfnis."
"Aha... und was bedeutet es?"
"Das die Großen einfach Angstha... Das man sich nicht sicher fühlt. Und mit dem Abhören sicherer fühlen kann."
"Woher weißt du das?"
"Woher? Öhh... weil ihr, äh man, sich immer unsicher fühlt?"
Ich stutzte: "Immer? Aber kannst damit nicht alles begründen?"
"Jup. Und wehe dem, der was dagegen hat, daß die anderen sich sicherer fühlen. Der ist verdächtig."
Diesmal hielt ich besser meinen Mund.

- Ateras Arbeitsraum, Tag fünf -

"So, Weu, berichte mal."
Weufolt nickte: "Ich habe mich mit der Abteilungsleitung SuSi getroffen und wir haben ein System entwickelt, das es in Zukunft vielleicht besser möglich macht, Leute besser zu erkennen. Mit FROG zusammen werden wir uns Viertel für Viertel vornehmen und den Leuten Fingerabdrücken abnehmen. [9]Eine Kopie für uns, eine zweite müssen sie mit herumtragen. Mit Golems haben wir noch ein Problem, aber da fällt uns noch etwas ein. Vielleicht Tonproben."
Ikari blickte auf: "Das ist ein Haufen Arbeit und Unruhen wird's auch deswegen geben. Warum machen wir das?"
"Subjektives Sicherheitsbedürfnis." seufzte ich.
Der Kobold grinste: "Jup. Und außerdem erwischen wir so die Unruhestifter, wenn sie sich dagegen wehren. [10]Spätestens kurz danach."

- Ateras Arbeitsraum, Tag sechs -

Heute war ich daran, zu referieren. Nicht, das ich darauf besonders Wert legte. Aber Atera war der Ansicht, das ich nun mal jetzt den besten Kontakt zu Ponder Stibbons hätte.
"Hallo" ,fing ich an, "neues von der Universitätsfront. Ponder scheint der Meinung zu sein, das er Nachtweber auch das Ikonographieren beibringen kann. Damit können wir Bilder kurz vor dem Gespräch machen."
"Oh, prima." rief Shrappnell. "Daf kann in zweifacher Weife genutft werden. Wir könnten Kopien dort anbringen, wo ef häufig unlifenfiertef Verbrechen gibt."
"Gehen die Verbrecher dann nicht nur woanders hin?"
"Nift, wenn wir genug anbringen. Dann gibft kein woanderf."
Rib nickte eifrig und schaute mich dann fragend an.
Ich fuhr fort: "Ponder meint, HEX könnte uns helfen. Wir haben Daten über bisher inhaftierte Omnisten, wie sie gelebt haben, was für Pausenbrote sie gegessen haben und so weiter. Rib und die Kontakter von RuM horten schon seit Wochen solche anscheinend sinnlose Informationen über jedermann. Zusätzlich haben wir ja noch Nachtwebers Gespräche. Wenn wir die beobachten, die dasselbe machen, können wir Verbrecher fangen bevor sie etwas machen. [11]
Wir probieren dies im Moment mit allen Verbrechen, um mal einen Überblick zu bekommen, wie es wirkt. Eine Berufungskommission, die Ras zusammengestellt hat, bestimmt, welche Kategorien wir zu Anfang nutzen.
Aber da ist eine dringende Frage, die mich beschäftigt und die ich einfach loswerden will."
Rib MacLaut vom Clan der MacLaut zuckte zusammen. Ein schweres Ächzen entrang seiner Kehle. Schnell bevor er etwas dagegen sagen konnte, sprach ich einfach weiter.
"Rib? Sag mal, arbeiten wir hier nicht haarscharf an einem Alptraum? Ich meine, wenn wir all dies weiterhin den normalen Anhängern Oms antun, besteht dann nicht die Gefahr, das sie sich wehren?"

"Klar. Mit Elfenträumen kenn ich mich ja aus. Hört sich genau danach an." Rib nickte stolz, dann fing er an zu überlegen, wie man den Falten seiner Stirn entnehmen konnte.
Er hatte ein Wort wieder einmal falsch verstanden. Alpträume kannte mein Abteilungsleiter nicht, da er nicht träumen konnte, wohl aber Albträume. Dies war die Welt, aus der die Kobolde kamen, vor ihrem 'Sündenfall'. Von dieser Welt erzählte er oft. Denn 'ALB' war ein altes Wort für 'ELF'. (Im Gegensatz zu dem Pferd mit den brenneden Hufen, ein Monster, das man auch den 'Nachtmar' nannte und von dem wir 'Großen' sprechen.)
Rib zuckte zusammen, er murmelte: "Wenn Phantasien durch den Glauben real wurden, ist das ein fast unmerklicher Riß in der Realität und die Quelle einer Macht, aus der sich die Elfen bedienten.
Sollte der Gedanken 'Omnisten in Ankh-Morpork' tatsächlich welche erschaffen können? Leute, die keine Armee im Rücken haben und deswegen mit dem brutal sind, was zu Verfügung steht?"
Widerspenstig schüttelte der Informantenkontakter den Kopf: "Wenn sie deswegen Terror begehen, dann zeigen sie nur ihr wahres Gesicht. Es beweist dann nur, das wir von Anfang an Recht hatten."
Ein schaler Geschmack lag dabei auf meiner Zunge. Zu oft hatte Rib mir von solchen Sätzen berichtet. Von den wenigen, die den Elfen entkommen waren.
"Aber..." fing er an, als die Tür aufging. Ras stand in der Tür.
"Korporal MacLaut? Wir müssen dich verhaften." erklärte der Vampir.
"Warum?" erwiderte der Kobold.
"Potentieller Diebstahl. HEX hat dich unter Berücksichtigung deiner Spezies untersucht und bei Kobold war das Ergebnis nahe der Sicherheit. Du bist Kobold, und die Wahrscheinlichkeit, daß Kobolde stehlen ist fast 100%.
Betrachte dich als sicherheitsverwahrt."
Ribs Kopf sank tiefer. Widerstandslos legte er die Waffen und seine Dienstmarke ab. Dann, schlurfenden Schrittes. ging er in Richtung Zellenblock.
"Die Elfen sind schon die ganze Zeit hier." flüsterte er mir beim vorbeigehen zu. " Sie kamen zu dem Zeitpunkt, an dem die Bürger die Schrecken sahen. Als sie sahen, wie Leute aus brennenden Hausern in den Tod sprangen, in der winzigen Hoffnung, ihr Leben zu retten.
Es wirkte so nahe, das man vergaß, wie weit es in Wirklichkeit entfernt gewesen war. Und diese illusionäre Nähe hatte nie infrage gestellt, wieviel man tun mußte, um sich sicher zu fühlen. Vergiß nie: Der Preis der Freiheit ist ewige Wachsamkeit, auch gegenüber dem Preis.
Ras nickte in meine Richtung: "Wir haben beschlossen, ungeachtet der üblichen Reihenfolge DICH zum neuen Stellvertreterin zu benennen."
Mein Gehirn lief auf Hochtouren. Trotz seiner Proteste Stellvertreter? Oder deswegen? Hatte Ras dieses letzte Gespräch mit seinen feinen Vampirsinnen gehört?
Dahinter konnte nur Absicht stecken.
'Als wir die Radikalen inhaftierten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Radikaler.
Als wir die Gläubigen bespitzelten, habe ich geschwiegen; ich glaubte ja nicht an Om.
Als wir die potentiellen Verbrecher jagten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein potentieller Verbrecher.
Als Rib holten, habe ich geschwiegen, ich bin ja nicht Rib.
Aber wenn sie mich holen, wird niemand mehr da sein, der zu protestieren wagt.[12]'

dachte ich und wußte was zu tun war, wenn ich überleben wollte.
"Ras?" rief ich mit einer Plötzlichkeit, die mich selbst erschreckte. "Wir brauchen Rib nicht zu verhaften. Keinen Kobold. Wenn wir einen Handel machen."
"Was schwebt dir vor?"
"Nun, all die Blauen haben eine besondere Gabe. Sie können in Träume eindringen. Stell dir vor, wie effektiv wir dann wären..."

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Nachtrag des Autors: Das schlimmste Gefühl, habe ich festgestellt, das man beim Schreiben haben kann, ist, wenn man feststellt, das eine Satire undenkbar geworden ist, weil die Wirklichkeit jeder Übertreibung spottet. Nur die kurze Zeit (Ich hatte Anfang des Monats meine erste Mission verworfen, weil sie zu lang wurde) und die Schwierigkeit, gesicherte Quellen (verschlingt die meiste Zeit) zu bekommen, hielt mich davon ab, noch über Haushaltsgewürze, die als "Mittel zur Bombenherstellung" betrachtet wurden, und noch viele andere stillschweigende Zunahmen von Staatsmacht zu berichten. Macht, die wir noch vor einem halben Jahrzehnt niemals jemandem zugesprochen hätten.
Ein 23-jähriger Mann ist am Montag in der Abschiebehaftanstalt Büren im Kreis Paderborn gestorben. Der Häftling aus Serbien-Montenegro erlag einer Lungenembolie, einen Tag nachdem die Organisation "Hilfe für Menschen in Abschiebehaft" die 'katastrophale medizinische Versorgung' in dieser Justizvollzugsanstalt bemängelt hatte. Diese Geschichte ist ihm gewidmet.

[1] Eine solche gefundene Rede war bis Ostern 04 die einzige Verbindung zu einem Menschen namens "Bin Laden". Sie war bis zu der Mitte diesen Jahres, also lange nach der Unterwerfung dieses Landes, Begründung für einen Afganistankrieg, der auch von deutscher Seite unterstützt wurde und mehreren Zigtausenden Leben kostete. Das dieser Bin Laden sich überhaupt ,(und sei es nur für einen Tag) vom Zeitpunkt des WTC-Anschlags ab gesehenen, in diesem Land aufgehalten hatte, ist bis heute eine der Öffentlichkeit unbewiesene Behauptung.

[2] Ein Beispiel: Die angeblich am 11. September feiernden Palästinenser, die waffenschwingend auf den Fernsehkanälen gezeigt wurden, noch bevor der zweite Turm einstürzte, entpuppten sich als Szenen aus einer Reportage über eine Hochzeit aus dem Jahr zuvor.

[3] Dunkelziffern funktionieren wirklich so. Es sind Schätzungen eines Professionellen über die Anzahl derer, die er NICHT betrachten konnte. Also zu deren Anzahl er eigentlich gar keinen Anhaltspunkt hat. Daher auch das Wort "Dunkel".

[4] Die neusten Berichte des Verfassungsschutzes enthalten ein komplett neues Kapitel, in dem es um 'Islamisten' geht. Wie auch bei Links- und Rechtsradikalen fließt in die Anzahl der "Täter" sowohl die Anzahl von reinen Befürwortern solcher Taten ein, wie auch die Dunkelziffer.

[5] Und nicht nur deren. Derzeit wird über das Internet von der USA aus ein Programm ins Internet gespeist, das den Namen Echolon trägt. Es sammelt alle Daten weltweit, die der amerikanische Geheimdienst für relevant hält. Also zum Beispiel entliehene Bibliotheksbücher oder der Besuch einer Tauchschule. Mißbrauchsfälle (Industriespionagen) sind schon aufgedeckt worden. Der große Bruder von Echolon befindet sich in der Erprobungsphase. In Deutschland behindert das Datenschutzgesetz die direkte Erhebung durch solche Programme, aber zum Glück ist seit dem 11. September der Geheimdienst der BRD angehalten worden, großflächig mit dem der USA zusammenzuarbeiten und Daten auszutauschen.

[6] Am 24. September 2003 wurde das Kopftuchverbot durch das Bundesverfassungsgericht (AZ: 2 BvR 1436/02) insoweit bestätigt, das das Gericht dies den Ländern dann erlaubt, wenn sie ein entsprechendes Gesetz schaffen. Die beiden großen Parteien, die eine diesbezügliche Verwaltungsvorschrift in mehreren Bundesländern durch den Landtag gebracht haben, sind dieselben, die im Wahljahr 1996 der DVU Rechtsextremistisches Gedankengut unterstellten, weil diese genau so ein Verbot gefordert hatten. Ein Sikh, der im Januar 96 ebenfalls vor dem BVG geklagt hatte, um seinen Turban zu tragen zu dürfen, erhielt damals mit Blick auf die Religionsfreiheit ein Urteil zu seinen Gunsten.

[7] Im Dezember 2003 wurde der erste Staatsbedienstete durch ein Gesinnungsverbot von Dienst ausgeschlossen, ein Lehrer. Dies geschah unter dem Verdacht der Befürwortung terroristischer Mittel und ist seit den 70ern der erste Fall.

[7a] Diese Zahl erscheint groß, ist jedoch nach Aussage des CCC die derzeitige Pro-Kopf-Anzahl von Telefonabhörmaßnahmen. Dies betrifft das passive Gesprächabhören, das aktive klingeltonlose Anrufen (und Mithören) als auch die Standortbestimmung bei Mobiltelefonen. Damit werden, begründet mit den Vorkommnissen in des 11. Septembers, in Deutschland prozentual viermal so viele Leute belauscht wie in dem Land, in dem der Anschlag stattfand.

[9] Biometrische Pässe sind seit drei Jahren wieder im Gespräch.

[10] So erfaßte bei der letzten Volkszählung der Verfassungsschutz das sog. "Widerstandspotential", und das sogar mit Inhaftierungsgrund.(Wo spätestens dann Fingerabdrücke UND Personalien aufgenommen werden.

[11] In der "Rasterfandung" werden die Leute nicht verhaftet, nur beobachtet. Allerdings entscheiden solche Maßnahmen auch über Kreditwürdigkeit ("Scoring", Schufa), Versicherungsrabatte von Autos und Fahrertypen (ADAC-Pannenstatistik ), Leistungskontrolle am Arbeitsplatz (Unternehmensname unterlag Datenschutz), Kundenauswahl für Werbung etc. Gerade bei Verbrechen ist diese Methode als zweifelhaft zu bewerten, da Opfer und Täter zumeist sehr viele Angewohnheiten und Lebensumstände teilen. (Logisch, denn sie müssen sich ja begegnen.)

[12] Frei nach Martin Niemöller




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