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Für Rekruten (erste Mission):
Für Neuankömmlinge in der Stadt: Gemeinsam mit anderen neuen Rekruten zeigt euch ein Ausbilder die "schönsten" Stellen in Ankh-Morpork. Den krönenden Abschluß stellt ein Besuch in der "Trommel" dar. Was da nicht alles passieren kann?
Dafür vergebene Note: 10
Man stelle sich einen Flug über die Straßen einer belebten Stadt an einem strahlenden Tag auf der Scheibenwelt vor. In einigen hundert Metern Höhe ist von dem Lärm, der aus den Straßen der Stadt dringt, nichts mehr wahrzunehmen und bis auf ein regelmäßigen Schwingen von Fledermausflügeln und dem Sausen des Windes herrscht absolute Stille.
Ein großes, steinernes Wesen - anscheinend von weiblicher Natur - saß auf einem Dach und schien das Getümmel der Straßen zu beobachten. Ein ähnliches, nicht wirklich großes Wesen gesellte sich dazu, ohne dass sie es wahrnahm. Es sah die graue Gestallt neben sich an, ballte die Faust, holte aus und schlug ihr ins Gesicht. Diese wankte ein wenig, fasste wieder halt und sah den Fremdling entgeistert an. Ein Moment der Stille folgte - wenn man mal von dem Straßenlärm absehen möchte.
"GU- Guten Abend!", durchbrach sie schließlich das Schweigen.
"Mittag!"
"Bitte?"
"Es ist bereits Mittag!", wiederholte der Fremdling.
"A-achso...ähm.. ich bin übrigens Nyvania D’Astorá.", gab sie bekannt.
Der Fremdling sah sie vielsagend an.
"Sallien Elonie Amenda von Seherr Dertief.", gab sie schließlich zur Antwort.
Erneut folgte Schweigen, einerseits aus Schüchternheit, andererseits aus Hochmut. Nyvania musterte Sallien derweil recht gründlich. Diese stand stolz und anmutig auf dem Dach, wie es einem Wasserspeier gebührte, ihr schwarzes Haar wuchs glatt und glänzend den ganzen Rücken entlang bis hin zur Schwanzspitze, durch ihre Fledermausflügel schien das Sonnenlicht hindurch und ihre Schuppen schimmerten grün. Sallien war gut einen halben Meter kleiner als Nyvania und das obwohl sie auf den Zehen stand. Im Gegensatz zu ihren Beinen, die eher kurz und kräftig waren, hatte sie recht dünne Arme mit zierlichen Händen und langen Krallen. Im Großen und Ganzen sah sie - insbesondere wenn man ihren äußerst unfreundlich wirkenden Blick mit einbezog -, trotz ihrer eher geringen Größe, nicht wie jemand aus, dem man gern im Dunkeln begegnen würde und Nyvania überlegte sich die ganze Zeit wie lang sie wohl gebraucht hat um sich diesen Namen zu merken.
"Was ist das hier für eine Stadt?", erkundigte sich Sallien.
"WAS!? Äh... Ankh-Morpork.", erwiderte Nyvania.
Sallien zeigte keine Reaktion.
"A- aber so was weiß man doch...oder?", fragte Nyvania mit unsicherer Stimme.
"Wenn man sich auf dem Weg von Sto Lat zu den Spitzhornbergen verfliegt, weiß man das nicht unbedingt.", erklärte ihr Sallien, "Aber irgendwie gefällt mir diese Stadt.", fuhr sie fort, "vor allem dieser Fluss dort ist interessant. Er scheint mehr Dreck als Wasser zu beinhalten."
"Ist tatsächlich so.", bestätigte ihr Nyvania mit einem Lächeln.
"Ich will nicht schnorren, aber könnte ich hier irgendwo unterkommen?" Salliens Worte neigten dazu die ohnehin schon bestehende Nervosität, zu steigern, denn ihr Tonfall wollte so überhaupt nicht zu ihrem Blick passen.
"Nun... vielleicht würde ein Besuch in der Wache weiterhelfen..."
"Ich soll Wächter werden?"
"Das meinte ich jetzt zwar nicht, aber wenn du magst..."
"Gut, dann hab ich zumindest was zu tun!" Salliens leichtes Lächeln hatten eine eher unangenehme Wirkung auf Nyvania.
Auf die meisten Rekruten der Wache hatte der Ausbilder Hauptmann Daemon eine respekteinflößende Wirkung, ob man’s glaubt oder nicht: Auf Sallien auch. Nur hatte die Wasserspeierin im Gegensatz zu den meisten anderen Rekruten das Talent (oder die Dummheit) dies nicht zeigen zu können, allein schon weil sie zu ihm aufsehen musste war er ihr von Anfang an nicht Geheuer.
"Du hast also als Rekrut bei uns angefangen?"
"Jawohl, Sir!", antwortete Sallien gehorsam. Hauptmann Daemon musterte Sallien kurz.
"Du wirkst recht schmächtig... meinst du, du schaffst das Training bei uns?"
"Jawohl, Sir!", wiederholte Sallien.
"Wo kommst du denn her?"
"Aus Sto Lat, Sir."
"Wie war doch gleich dein Name?"
"Sallien Elonie Amenda von Seherr Dertief, Sir." Schweigen folgte. Hauptmann Daemon betrachtete Sallien und fragte sich wie lang er wohl brauchen würde um sich diesen Namen einzuprägen. Er entschied, es gar nicht erst zu versuchen.
"Aha.", durchbrach er schließlich die Stille, "Seit wann bist du nun in Ankh-Morpork?"
"Seit gut zwei Stunden, Sir!"
"Nun...dann wird Nyvania dich nun in alles einweihen, dir dein Zimmer zeigen und um 19.00 Uhr erwarte ich dich in Zivilkleidung auf dem Übungsgelände."
"Jawohl, Sir."
"Weggetreten!" Nyvania und Sallien verließen Hauptmann Daemons Büro.
"Du kommst tatsächlich aus Sto Lat?", Nyvanias Augen leuchteten. Sallien nickte gleichgültig.
"Ist ja toll! Ich hab gehört da, gibt es nicht viele Wasserspeier! Ist das wahr?"
"Na ja, ich kam nie wirklich dazu Descartes’ Grundstück zu verlassen, aber da hatte ich ja auch genügend Gesellschaft."
"'Descartes'? Wer ist das? Mein Papa? Deine Mama? Wer denn? Wer denn?"
"Descartes war der Mann der mich und meines Gleichen geschaffen hat. Sein ältester Sohn, Amend, hat ne Ausbildung an der unsichtbaren Uni gemacht und alle seine Kunstwerke versehendlich zum Leben erweckt. Seit dem nennt man uns die 'Wasserspeier von Amend'. Und jeder von uns hat diesen Namen als Zweit- oder Drittnamen bekommen." Nyvania sah sie erstaunt an. Sie hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet dieser finstere Wasserspeier soviel redet, aber sie wirkte interessant und Nyvania war nun mal neugierig, also fragte sie weiter: "Und weshalb bist du weggegangen?"
"Vor drei Jahren ist Descartes verreckt und seine Enkelin Luitgard hat das gesamte Anwesen geerbt. Dieses kleine Monster ist der reinste Tyrann und jeder Wasserspeier, der nicht bald abhaut ist entweder strohdumm, des Wahnsinns, Masochist oder im Keller angekettet! Möglicherweise sogar alles auf einmal."
Nyvania war doch ein wenig geschockt von Salliens Worten, allerdings weniger von "Tyrann", "Masochist" oder "im Keller angekettet", sondern mehr von der Tatsache, dass es Eltern zu geben schien die ihren Kindern Namen wie "Luitgard" gaben.
"Du wunderst dich sicher über den Namen Luitgard.", stellte Sallien fest, "Das hat sie ihrer Großmutter Ulrike zu verdanken, die es auch schon zu verhindern wusste ihre eigene Tochter Elonie zu nennen, stattdessen hat sie den Namen Gudrun bekommen. Wenn man’s genau bedenkt war Amend der einzige Name, den Ulrike vorgeschlagen hat, der nicht wie eine Folter klingt. Und Ulrike hat sechs Kinder und 13 Enkel benennen dürfen. Aber, wenn man mal von den Namen absieht, war Ulrike eigentlich - gleich nach Descartes und Amend - mein Lieblingsmensch." Nyvania sah Sallien fragend an.
"Hast du viele 'Lieblingsmenschen'?", erkundigte sie sich nach kurzem Zögern.
"Inzwischen nur noch einen... falls Amend sich nicht bereit in die Luft gejagt hat...", erklärte Sallien, "Du erinnerst mich übrigens ein wenig an ihn..."
"Ach ja?", Nyvania war erneut etwas überrascht.
"So ganz normal scheinst du nämlich nicht zu sein", erläuterte Sallien ihre Behauptung. Nyvania sah Sallien suspekt an, während diese praktisch ungerührt neben ihn herging und sich in Seelenruhe die Wache ansah.
"Wie meinst du das 'nicht normal'?", erkundigte sie sich.
"Na ja, ich hab 72 Jahre mit 51 Wasserspeiern verbracht, dann komm ich her und sehe wen, der ... na ja... dann sehe ich eben dich! Und du bist nicht gerade mit denen zu vergleichen, mit denen ich aufgewachsen bin, aber wer weiß! Vielleicht bin ich gar kein Sonderling, sondern die Anderen.", gab Sallien zu Antwort.
Nyvania überlegte kurz: "Dann bist du aber auch nicht ganz normal oder wie?" Sallien blieb stehen. Die Beiden sahen sich doof an und schienen nachzudenken.
Nach ein paar Sekunden meinte Sallien: "So könnte man es auch ausdrücken...." Sie sah kurz auf die Uhr, die im Korridor an der Wand hing, und fügte hinzu: "Aber solltest du mir nicht mein Zimmer zeigen bevor ich mich auf dem Übungsgelände melde?"
Als Sallien am Übungsgelände ankam sah sie... Hauptmann Daemon. Sie sah sich um und fragte den Hauptmann schließlich, ob sie denn die Einzige sei, die am Rundgang teil nehmen würde.
"NA, GANZ SICHER NICHT!!!" Sallien wunderte sich wo die Stimmer herkam, denn Hauptmann Daemons Stimme war es mit Sicherheit nicht. Sie sah den Hauptmann fragend an. Dieser zeigte nur auf den Boden, wo ein äußerst kleines Männchen recht verärgert zu Sallien hochblickte.
"Entschuldige! Bisher musste ich hier zu allen aufblicken. Ich hatte nicht erwartet hier zehn Zentimeter große Gnome vorzufinden.", erklärte sich Sallien. Hauptmann Daemon räusperte sich.
"Oh! Verzeihung!" Sallien und der Gnom, sowie Nyvania, die Sallien zum Übungsgelände begleitet hatte, salutierten.
"Rekruten!", begann Hauptmann Daemon, "Wie mir mitgeteilt wurde seid ihr neu in der Stadt und es wäre uns, also der Wache, sehr unlieb, wenn ihr euch bei Übungseinsätzen in der Stadt verlaufen würdet. Darum werde euch jetzt - wohl oder übel - die wichtigsten Plätze Ankh-Morporks zu zeigen. Für diesen Anlass solltet ihr in Zivilkleidung antreten. Ihr müsst euch an keine Form halten und könnt ungezwungen miteinander Reden. Allerdings rate ich euch, euch nicht daran zu gewöhnen! Denn dies wird wohl die erste und letzte "Übung" dieser Art sein. Am Ende der Führung, werdet ihr für den Rest des Tages entlassen und müsst euch erst morgen Früh zum Training wieder melden. Verstanden?"
"Jawohl, Sir!"
"Was machen sie eigentlich hier Gefreite, Nyvania D’Astorá?"
"Ich habe meinen freien Tag, Sir, und wollte lediglich bei ihrem Training zusehen, Sir, um zu lernen versteht sich, Sir!"
Hauptmann Daemon überlegte wohl kurz ob er ihr dies glauben sollte oder nicht – Nyvanias Stammabteilung war nicht gerade für eine großzügige Freizeitbemessung bekannt -, entschloss sich letztendlich dafür es dabei zu belassen und wandte sich den neuen Rekruten zu.
"Rekruten! Folgt mir unauffällig!!"
Die doch recht kleine Gruppe marschierte ganz "unauffällig" zum Haupteingang der Wache an der Kröselstraße und ging weiter in Richtung Pseudipolisplatz.
"Wie heißt du?", rief der Gnom nach einiger Zeit stumm nebeneinander Hergehen zu Sallien hoch.
Diese sah nach unten und bemerkte, dass er plötzlich auf einem Eichhörnchen ritt. Sie hatte dieses Eichhörnchen vorhin schon wahrgenommen, allerdings hätte sie nicht gedacht, dass es dem Gnom als Reittier dienen würde. Doch erschien ihr diese Tatsache durchaus logisch, da ein Wesen von zehn Zentimeter Größe unter normalen Umständen nur schwer mit Wesen von ganz anderen Größenverhältnissen mithalten könnte.
"Sallien Elonie Amenda von Seherr Dertief", antwortete sie.
Der Gnom sah sie ein wenig überrascht an und meinte schließlich:
"Ich bin Neflie... einfach nur Neflie..."
"Du hast einen interessanten Namen.", meinte Sallien.
"Wieso?"
"Nun 'Einfach Nur Neflie' hab ich noch nie gehört..."
Sallien schien gerne über Namen zu reden, was wohlmöglich an Ulrikes Namengebung lag und es wurde bereits darauf hingewiesen, dass Ulrike viele merkwürdige Namen vergeben durfte.
"Belassen wir’s dabei.", schlug Neflie vor.
"Ich bin Nyvania.", stellte sich Nyvania mit einem Lächeln vor.
"Äh... freut mi--"
"Das hier", wurde er von Hauptmann Daemon unterbrochen, "ist der Pseudopolisplatz. Ihr als Rekruten werdet wohl nicht allzu oft hier sein müssen, aber ich gehe davon aus, dass ihr einen höheren Rang anstrebt als den eines Rekruten.", Hauptmann Daemon sah ernst in die Runde - zugegeben, es war eine recht kleine Runde - bevor er weitersprach, "In diesem Gebäude befinden sich die einzelnen Abteilungen der Wache."
"FROG zum Beispiel!", unterbrach ihn Nyvania mit einem Lächeln, das unter den Blicken des Hauptmanns schnell wieder verschwand.
"Ja! FROG zum Beispiel.", bestätigte dieser leicht gereizt.
"Wofür ist diese Abteilung zuständig?", wollte Sallien wissen.
"Das wird dir unsere FROG- Püschologin Gefreite Nyvania mit Sicherheit liebend gern erzählen.", antwortete der Hauptmann.
"Jawohl, Sir. Wir sind ausschließlich für Sonderfälle zuständig, d.h. wir treten nur in Aktion, wenn wir einen Auftrag von dem Kommandeurs der Stadtwache oder des Patriziers bekommen. Dabei kann von Observierungen über Beschaffung wichtiger Gegenstände bis zum Eingreifen in Krisenfällen alles vertreten sein.", führte Nyvania aus.
Der Hauptmann sah sie verduzt an und meinte schließlich: "Nächstes mal werde ich Ironie deutlicher machen. Gehen wir weiter." Der Hauptmann drehte sich zum Weggehen um.
"Äh, Sir..." Er blieb stehen.
"Was denn?"
"Na ja... ich glaub Neflie ist ohnmächtig.", erklärte Sallien.
Hauptmann Daemon sah zu ihm runter.
"Ich glaub du hast recht.", meinte er schließlich.
Die Drei betrachteten den Gnom, der regungslos am Boden lag und von seinem Eichhörnchen nervös beschnuppert wurde. Dieses tanzte um Neflie herum und quiekte aufgeregt um ihn aufzuwecken. Nyvania tippte ihn an.
"He! Neflie! Was ist los mit dir? Hallo? Hörst du mich?"
"Wohl kaum, wenn er bewusstlos ist.", entgegnete Sallien trocken.
"Rekrut Neflie, stehen sie sofort wieder auf! Das ist ein Befehl!!", versuchte es Hauptmann Daemon.
"Wie bereits erwähnt, Sir, er ist bewusstlos und hört sie nicht, Sir.", erklärte Sallien erneut.
"Das ist kein Grund meine Befehle zu missachten!!", erwiderte der Hauptmann. Sallien sah den Hauptmann ungläubig an, dann wand sie sich Neflie zu. Sie nahm ihn in die Hand und fing an, ihn wie blöde zu schütteln. Als das Eichhörnchen das sah, bekam es einen Schock und hüpfte aufgeregt um Sallien und auf Sallien herum und quiekte dabei wie am Spieß. Weshalb genau - ob wegen dem Quieken oder dem Schütteln - ist nicht eindeutig, aber in diesem Moment wachte Neflie mit einer etwas anderen Gesichtsfarbe auf. Sallien setzte ihn wieder auf den Boden.
"W- war das eben ein Erdbeben?", fragte Neflie
Das Eichhörnchen hüpfte und quiekte immer noch aufgeregt um Neflie herum.
"Ach ja?", fragte Neflie.
"Squiek! Squiek Squieksquiek Squiek!"
"Ach ja! Ich erinnere mich..."
"Squiek?"
"Nein! Die wollen mich nicht fressen!"
"Squiek?"
"Ganz sicher!"
"Squiek?"
"Ja. Im Ernst!"
"Squiek..."
"Schon gut."
Neflie tätschelte sein Eichhörnchen, während die anderen nur verdutzt auf ihn runterblickten.
"Was denn?"
"Ach nichts weiter!", versicherte ihm Sallien.
"Wollen wir nu weitergehen?", erkundigte sich Nyvania.
"Äh..! Nun okay. Auf geht’s Rekruten!! Wir gehen weiter!!", beschloss Hauptmann Daemon und marschierte los. Der Rest folgte ihm.
Nach einer gewissen Zeit erreichte die Truppe den Winterpalast der Könige von Ankh.
"Das hier ist der Winterpalast der Könige von Ankh.", verkündete der Hauptmann.
"Ich dachte Ankh-Morpork wird von keinen Königen mehr regiert.", wandte Sallien ein.
"Wird es auch nicht.", meinte Hauptmann Daemon, während er in das Schloss rein ging, "Heute hat der Patrizier das Sagen. Er hat seinen Regierungssitz in diesem Schloss."
"Ach so...", Sallien nickte verständnisvoll. Während Hauptmann Daemon von dem rechteckigen Büro des Patriziers und den tiefen Verliesen mit Skorpiongruben erzählte, besichtigte die Gruppe den alten Thronsaal. Nachdem der Hauptmann zu Ende erzählt hatte, meldete sich Sallien wieder zu Wort: "Hauptmann, Sir, Neflie ist wieder umgefallen, Sir."
Hauptmann Daemon sah zu ihm herunter und meinte: "Nun ja... Dann solltest du ihn aufwecken."
"Jawohl, Sir." Sallien nahm ihn in die Hand und schüttelte ihn erneut durch.
Sie verließen den Winterpalast und gingen weiter zum Hier-gibt’s-alles-Platz.
"Das ist der Hier-gibt’s-alles-Platz.", erklärte der Hauptmann, "Hier gibt’s wirklich alles, vor allem gibt’s hier viele Verbrechen. Es wäre praktisch, wenn ihr euch hier auskennen würdet, also seht euch in eurer Freizeit ruhig ein wenig um." Die Gruppe schlenderte über den vielbesuchten Marktplatz. Sie gingen an Gemüseständen und Würstchenbuden vorbei, auch Ständen, die Schmuck, Spielzeug, Waffen oder Souvenirs verkauften. Plötzlich wurde Sallien von Nyvania angetippt.
"Sieh mal! Da vorne gibt’s die leckersten Tauben in Ankh-Morpork!", empfiehl der halbe Wasserspeier. Salliens Gesicht wies einige schockierte Züge auf und sie begann zu zittern als Nyvania sie vorwärts schob. Als die Gruppe an diesem Stand vorbeiging blieben die beiden Wasserspeier stehen und Nyvania fiel auf, dass Sallien irgendetwas vor sich hinbrabbelte.
"Was meinst du?", fragte sie nach.
"T- Tauben. D- das sind t- t- tatsä- sächlich T- T- Ta- Tauben!", murmelte Sallien immer wieder. Nyvania deutete Salliens schockierten Gesichtsausdruck als Ausdruck der Freude und meinte: "Die sind toll, nicht!"
"Nein."
"Könnte ich die Taube da haben?", wandte sie sich an die Verkäuferin.
"Ja, bitte.", entgegnete diese und reicht ihr eine Taube direkt an Salliens Gesicht vorbei. Das war zu viel für Sallien und sie kreischte los, wie jemand kreischte, der eine Spinnenphobie hatte, in den Spiegel sah und eine Spinne auf seinem Kopf entdeckte. Als die Taube vor Schreck wegflog verstummte sie sofort wieder. Hauptmann Daemon und Neflie waren schon ein Stück vorgegangen als Nyvania sie einholte.
"Hauptmann Daemon, Sir, warten sie bitte!!", rief sie.
"Was denn? Ist Neflie schon wieder umgefallen?!", knurrte dieser leicht genervt und blieb stehen ohne sich umzudrehen. Nyvania sah zu Neflie runter, der putzmunter auf seinem Eichhörnchen saß.
"Äh.. nein, Sir. Diesmal ist Sallien umgefallen, Sir.", erklärte sie und deutete auf den bewusstlosen Wasserspeier, den sie auf ihrem Rücken trug. Hauptmann Daemon drehte sich ungläubig um und stellte fest, dass dies kein alberner Scherz war. Sallien hing leichenblass und bewusstlos auf Nyvanias Schultern.
"Was ist denn passiert?", wollte Hauptmann Daemon wissen.
"Nun, Sir, sagen wir mal, ich hätte nicht gedacht, dass es Wasserspeier gibt, die beim Anblick von Tauben eine Panik kriegen und ohnmächtig werden."
"Und ich hätte nicht gedacht, dass etwas so großes, wie Sallien, vor etwas so kleinem, wie Tauben, ne Panik kriegen.", überlegte Neflie laut.
"Squiek!", stimmte ihm sein Eichhörnchen zu.
"Ruhe jetzt!", befahl der Hauptmann, "Wir sollten sie wecken und dann zusehen, dass wir diese Führung endlich hinter uns bringen!!"
Nyvania legte Sallien auf den Boden.
"Squiek!!!"
"Sallien meint, wir sollten sie wachrütteln."
"Sallien?"
"Mein Eichhörnchen!"
"Aso."
Nyvania griff nach ihren Schultern und versuchte sie wachzurütteln. Jedoch schmerzten ihr nach drei Minuten rütteln die Arme und sie legte sie wieder auf den Boden.
"Das hat wohl nicht geklappt.", Nyvania massierte ihre schmerzenden Arme.
"Dann eben anders!", Hauptmann Daemon holte tief Luft, "REKRUTIN SALLIEN WACHEN SIE SOFORT AUF UND MELDEN SIE SICH ZUM DIENST!!! DAS IST EIN BEFEEEEEEHL!!!!!!!!!!" Salliens Pflichtbewusstsein war so hoch, dass es genügt hätte wenn der Hauptmann ihr dies ins Ohr geflüstert hätte, um sie zum sofortigen Aufsprung und Salut zu bringen, immerhin war sie im Dienst.
"Jawohl, Sir!!!" Die Gruppe staunte nicht schlecht, wie kerzengrade sie plötzlich dastand und salutierte. Allerdings nur bis die nächste Taube an ihr vorbeiflog und sie mit einem dumpfen Geräusch des Aufpralls wieder zu Boden fiel.
Als Sallien das nächste Mal aufwachte, befand sie sich im Schlafsaal der Wache und Nyvania saß an ihrem Bett. Ihre Flügel schmerzten ein wenig und ihr Kopf dröhnte.
"Oh! Du bist schon wieder wach?", Nyvanias Stimme klang fröhlich und leicht besorgt.
"Bin ich das?", erkundigte sich Sallien, "Ich hab gehofft das wäre ein Albtraum."
Sie setzte sich auf und entdeckte Neflie und sein Eichhörnchen, die auf ihrem Schoß saßen.
"Sallien hat sich Sorgen gemacht.", erklärte Neflie.
"Squiek!!", protestierte sein Eichhörnchen.
"Was ist denn passiert?", erkundigte sich Sallien.
"Du bist mehrfach auf dem Hier-gibt’s-alles-Platz umgefallen und wir hatten Probleme dich zu wecken, also haben wir den Rundgang abgebrochen und sind zurück zu Wache.", half ihr Nyvania auf die Sprünge.
"Ach, ... Nicht mal das war ein Albtraum?"
"Squiek!", versicherte Sallien.
"Wie geht’s dir jetzt?"
"Ich könnt was vertragen. Hat wer Lust aufn Knieweich?"
"äh... du warst gerade noch ohnmächtig und willst jetzt ein Knieweich?", fragte Nyvania ungläubig nach. Auch Neflie und sein Eichhörnchen betrachteten sich skeptisch.
"Wieso nicht? Ich hab bei meiner Ankunft eine interessante Taverne gesehen. Wer ist dabei?"
"Na ja ... wieso eigentlich nicht. Gut, ich komm mit."
"Und du Neflie?"
"Äh ... nein lieber nicht. Ich vertrag kein Alkohol."
"Ach was! Komm doch mit. Musst ja nicht gleich das Stärkste von allen trinken."
"Squiek?"
"Äh, na gut, aber ich werd nichts trinken!" Die drei Wächter und das Eichhörnchen machten sich auf in die besagte Kneipe. Glücklicherweise war Salliens Orientierungssinn soweit ausgeprägt, dass sie sich nur drei mal verliefen und fünf Umwege gingen. Für Salliens Verhältnisse war das in einer neuen Umgebung ein sehr gutes Zeichen, es hieß dass sie bester Laune war auch wenn sie genauso grimmig wie sonst guckte. Nach einer ganze Weile kamen sie dann an besagter Kneipe an.
"Diese interessante Taverne, die du meintest, ist die Geflickte Trommel!!!???", Nyvania kam aus dem Staunen nicht mehr raus.
"Sie scheint einen gewissen Ruf zu haben.", Sallien lächelte ein wenig.
"Kann man so sagen!", bestätigte ihr Nyvania.
"Nun kommt schon!", drängte Sallien und ging in die Trommel.
In der Trommel waren recht skurrile Gestallten vertreten, aber hauptsächlich hielten sich dort Halsabschneider, Söldner und Schurken auf. Der Wirt legte großen Wert auf den anrüchigen Ruf der Geflickten Trommel und seine Bemühungen, der Taverne ihren berühmt berüchtigten Flair zu erhalten, waren durchaus erfolgreich. Sallien betrat den Raum, ohne dass irgendjemand auf sie aufmerksam wurde, Nyvania folgte ihr und Sallien - dem Eichhörnchen - kletterte mit Neflie auf dem Rücken an Salliens - der Wasserspeierin - Schwanz hoch und setzte sich auf ihre Schulter um nicht von der Menge zertreten zu werden. Sallien - die Wasserspeierin - sah die beiden an.
"Squiek?"
"Sie fragt, ob dich das stört.", übersetzte Neflie.
"Nee, schon in Ordnung."
Die Drei setzten sich neben den Bibliothekar.
"Zwei Knieweich und ein Bier für den kleinen!", bestellte Sallien.
"HE! Moment! Ich hab doch gesagt ich trink nichts!", beschwerte sich Neflie.
"Ach was! Niemand geht in eine Taverne ohne was zu trinken, nicht wahr Nyv?"
"Hä?" Der Wirt hatte die Getränke bereits gebracht und Nyvania sah über den Rand ihres Knieweich.
"Da hast du den Beweis!"
"A- aber ich - ich vertrag doch keinen Alkohol!"
"In Bier ist doch praktisch keiner drin.", Sallien trank von ihrem Knieweich.
Das Eichhörnchen sprang von der Schulter und landete elegant auf dem Tresen so sie Neflie absetzte und an dem Bier schnüffelte.
"Sallien nicht! Ich bin mir sicher, dass Alkohol nichts für Tiere ist!"
Es wurde vorhin bereits erwähnt, dass sie neben dem Bibliothekar saßen. Es braucht also nicht zu verwundern, dass plötzlich Fäuste und Gegenstände durch die Taverne flogen, Nyvania ihre beiden Mitwächter - und das Eichhörnchen - packte und in dem Durcheinander aus der Trommel flüchtete. Die drei Wächter beschlossen ins Wachehaus zurückzukehren und da diesmal Nyvania führte erwies sich der Heimweg als deutlich kürzer.
Salliens Kopf dröhnte schon seit dem Zeitpunkt des Erwachens und der Spaziergang durch halb Ankh-Morpork, sowie der Aufstand in der Trommel und die Flucht, hatten nichts daran geändert - bzw. geändert wurde sehr wohl was daran ... nur nicht zum Positiven. Und so taumelte sie wie angetrunken hinter den anderen Wächtern her, als sie plötzlich einen festen Griff an ihrem Schwanz spürte. Sie sah zu ihrem Schwanz hinter und entdeckte einen kleinen, schwarz gekleideten, nach Eingeweiden riechenden Klumpen an ihrem Schwanz hängen.
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