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von Lance-Korporal Rib (SEALS)
Online seit 06. 09. 2004
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Kurt setzte sich in seinen alten, schon leicht gammeligen Ohrensessel und legte das Buch neben sich auf den kleinen Beistelltisch. Er nahm etwas Tabak aus seinem Tabaksbeutel und fing an seine Pfeife zu stopfen. Echter rumgedämpfter Tabak aus Quirm, Güteklasse A. Er genoss es zu sehen, wie die Glut zu glimmen begann.
Heute, so schoss es ihm durch das Hirn, war er ein mehr als zufriedener Gnom. Es war schön, endlich reich zu sein, ausgesorgt zu haben. Er legte den Kopf in den Nacken und blies den Rauch gen Decke, zu kleinen, formvollendeten Kreisen geformt.
"Hi!", ertönte es von da oben, irgendwo im Dunkeln des Gebälks. "Nette Hütte. Von hier drinnen sieht es wie ein eigenes kleines Haus aus, gar nicht wie das Mauseloch, das es eigentlich ist. Respekt!"
Stoff flatterte leise, als der unbekannte Besucher herunter sprang und in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes landete. Er trug einen großen Rucksack, soviel konnte Kurt sehen.
"Kurt Wiesel, genannt das flinke Wiesel? Oder irre ich mich?", fragte die unbekannte Gestalt, den Rücken ihm immer noch zugewandt. Ein langer roter Pferdeschwanz als Haupthaar bildete einen grellen Kontrast zu der blauen Hauttätowierung, ebenso wie das Goldrot seines Kilts.
"Was wollen Sie?" Kurt traute sich nicht aufzustehen. Er hatte schon einiges über diese Kobolde gehört, darunter wenig Gutes. Sie waren unglaublich stark, auch brutal, aber darunter schien in der Regel das Gehirn zu leiden, das man immer den einfachsten Weg gehen konnte. Die meisten verdienten ihr Geld als Schläger und selbst Trolle hatten vor ihnen Angst. "Das ist meine Wohnung, verschwinden Sie!"
Der Unbekannte drehte sich um und schüttelte den Kopf: "Nein, es gehört den Menschen, die das Haus gekauft haben. Du hast dich hier eingeschlichen, ebenso wie vorgestern bei Juwelier Gellas."
Eine Reflexion irritierte Kurt, bis er das Abzeichen der Wache erkannte: "Sie können mir gar nichts beweisen!"
Ein Nicken war die Antwort: "Das mag wohl stimmen. Ich kann gar nichts beweisen, auch wenn ich noch so gründlich gesucht habe. Da die Steine nicht hier sind, hast du sie sicherlich schon zerlegt."
Kurt lächelte. Das Ding des Jahrhunderts, und er hatte es gedreht. Sein Puls, eben noch dem Himmel so nah, beruhigte sich wieder.
Der Kobold kam näher und streckte drohend die Finger in Kurts Richtung: "Dennoch weiß ich, dass du es warst. Ein Mauseloch, über Wochen leise, Stück für Stück gebohrt. Ein Gnom geht rein, räumt in den fünf Minuten, in denen Gellas nach hinten geht und raucht, die komplette Auslage aus und verschwindet dann ungesehen.
Es gibt nicht viele außerhalb der Gilde, die so etwas vollbringen können und meine Informanten sind sich einig, dass nur einer davon plötzlich zu Geld gekommen ist. Und weißt du was? Ich glaube ihnen."
Kurt blickte sich erschrocken um. Gab es irgendetwas, das er übersehen hatte? War dieser Wächter wirklich so sicher oder bluffte er, um ein Geständnis zu erpressen? Nein, es konnte nichts geben.
"Ich war den ganzen Tag daheim. Ich habe gelesen. Sie können nichts anderes beweisen. Ich kann die Stellen zitieren, die ich gelesen habe, wenn Sie wollen."
Der Kobold verzog das Gesicht: "Nicht notwendig. Du kannst das sicher. Sei nicht so verkrampft, wie gesagt, ich kann dir nichts beweisen. Was dagegen, wenn ich auch rauche?"
Kurt schüttelte den Kopf und der Wächter holte eine fleckige Zigarette hervor, die ein klein wenig seltsam roch.
"Deine Glut geht aus... Das wäre deine zwölfte Verhaftung, oder? Bei einem Dutzend kennen die keinen Spaß, du wärst übel dran, nicht wahr?"
Kurt schwieg, was sollte er auch sonst tun?
"Aber das interessiert mich einen Dreck. Was immer du hier sagst, wenn es das richtige ist, vergess' ich, was ich gehört habe." Der Kobold griff in den Rucksack und holte ein Papier hervor. "Schon mal gesehen?"
Auf der Ikonographie war ein kleines braunhaariges Mädchen abgebildet, ungefähr acht Menschenjahre alt. Ihr süßes Stupsnäschen kam ebenso gut auf der Zeichnung zur Geltung wie der fröhliche Lebenswille, der geradezu aus den Augen sprühte. Der Wächter schaute tief in die Augen seines Gegenübers.
"Sie wurde entführt. Direkt vor Gellas Geschäft. Als der Einbruch stattfand. Doch mein Informant war auf der anderen Seite der Straße, und so sah er nur die gestohlene Kutsche. Süßes kleines Ding, nicht wahr?"
Kurt blieb bei seinem Schweigen. Natürlich hatte er es gesehen. Schnell war er aus der Sicht gesprungen, als die Kutschentür aufgerissen worden war. Im ersten Moment hatte er an die Gilde gedacht, bis er die Gesichter erkannt hatte. Doch solche Leute verpfiff man nicht. Schon gar nicht, wenn man selber dafür in den Bau wanderte.
"Ich war Zuhause. Gar nichts können Sie mir, gar nichts... Und selbst wenn, sollen die Eltern zahlen, dann wird alles gut", wehrte er ab.
Der Kobold griff in seinen Rucksack, ohne den Gegenstand heraus zu holen: "Stimmt, an dem Punkt waren wir schon. Ich kann dir gar nichts. Aber mit dem Bezahlen, da gibt es ein Problem. Weißt du, die Gouvernante hat uns die Entführung gemeldet. Und es hat einen Brief gegeben, in dem drin steht, dass die Eltern einen Tag Zeit hätten, das Geld aufzutreiben. Sonst würde das passieren."
Der Wächter stülpte den Sack um, ein Ohr kam zum Vorschein, klein, formschön, abgeschnitten.
"Weißt du", fuhr der Kobold fort, "es gab da nur ein Problem, eine Kleinigkeit. Etwas, das diese Täter nicht bedacht haben. Die Eltern sind gar nicht da, sie sind im Urlaub. Haben die Kleine bei ihrem Kindermädchen gelassen. Also war niemand da, der bezahlen konnte. Oder der bezahlen kann."
Kurt schluckte. Dennoch, wenn er reden würde, wäre er so gut wie tot. Er konnte dem Wächter nicht vertrauen, denn am Ende würde er auch verhaftet werden und alles käme raus.
"Sie... wollen mich reinlegen!"
Abrupt schoss die Hand des Wächters nach vorne und schloss sich um den Hals des Gnomes. Hart wurde er aus seinem Stuhl gerissen und in die Höhe gedrückt. Dem Wahnsinn nah loderten rote Augen.
"Ich hab' dir gesagt, dass ich den Diebstahl für mich behalten werde! Verdammt, das Kind wird sterben. In drei Stunden! Sie schneiden es Stück für Stück auseinander und mit Fingern und Zehen wollen sie anfangen. Ein Kind, Scheiße noch eins! WAS GEHT IN DEINEM SCHÄDEL VOR? Es wird verrecken! Sie bringen es um, nur weil du dein offlerverdammtes Maul nicht aufbekommst! QUALVOLL!"
Kurt fing an zu röcheln und wurde zurück in den Sessel gedrückt. Die Hand ließ seine Kehle los.
"Verschwinden Sie! Ich habe nichts getan!", krächzte er. "Ich habe nichts getan, ich war hier. Sie können mir gar nichts! Raus... RAUS!"
Der Wächter nickte und seufzte. Er stopfte das Ohr zurück in den Behälter und schulterte diesen.
"Ich kann dir gar nichts", nickte der Kobold. "Niemand kann dir was. Ein vollkommen gelungener Raubzug hat stattgefunden. Natürlich nicht von dir, denn du bist nur ein ehrbarer Bürger, der gerne liest.
Ich werde dir das Bild hier lassen und wenn du mich suchst, weißt du, wo meinesgleichen zu finden ist. Mann, ich hoffe, du siehst, was sie mit dem Kind machen, in deinen Träumen. Und hoffentlich bin ich dann da, um es noch schlimmer zu machen und dich an ihr verzweifeltes Wimmern zu erinnern."
Geduckt und leise verließ der Wächter das Zimmer und Kurt schaute ihm noch lange nach.
Dann schaute er noch einmal auf das Bild.
'Das ist nicht wahr', dachte er, 'selbst diese Jungs können nicht so etwas Schreckliches tun.'
Doch im Grunde seines Herzens wusste er, dass sie es konnten und würden.
'Vielleicht war das Ohr nicht echt. Wer weiß, wem das mal gehört hat. Die kommen ja an viele Leichen heran. Und überhaupt, was schert mich das Problem anderer Leute? Die werden mich fertig machen. DAS IST NICHT MEIN PROBLEM!'
Kurt ließ sich so tief in den Sessel sinken, wie es nur ging. Die Pfeife war ihm runter gefallen und brannte mit der kleinen Glut ein Loch in den teuren neuen Teppich. Kurt bemerkte das gar nicht.
Er ergriff das Buch, schlug eine beliebige Stelle auf und fing an, es zu lesen. Nach dem ersten Absatz seufzte er, nach dem dritten schüttelte er den Kopf und fing wieder am Anfang an. Doch er konnte sich nicht konzentrieren, als ob ein kindliches Wimmern leise im Hintergrund zu hören wäre.
Immer wieder wurde sein Blick von diesem Papier mit der Zeichnung angezogen.
'Verflucht!', dachte er und warf das Buch gegen die Wand. Er zerknüllte das Bild und warf es direkt daneben.
Vielleicht würde es ihm helfen, seinen Frust herauszuschreien. Er riss den Mund auf.
Doch am Ende war alles was er tun konnte, sich die Hände an die Ohren zu drücken. Vielleicht würde er dann das Gewimmer in Gedanken nicht hören zu müssen.
Verdammt, es war ja doch wirklich nicht sein Problem? Was fuhren die Eltern auch in Urlaub?
Doch das Wimmern blieb hörbar, schon jetzt, nicht erst in drei Stunden. Er würde es immer hören, wenn es leise war, wie jetzt, besonders in den Stunden, wenn Kurt sich herumwälzen würde, auf der Suche nach etwas Schlaf.
Er hatte dem Reichtum seinen Seelenfrieden geopfert.
Kurt Wiesel wurde alt, sehr alt sogar. Und das war für ihn das Schrecklichste daran...
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