Leichen für Ankh-Morpork

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von Gefreiter Drogan Eisenschädel (SEALS)
Online seit 20. 08. 2004
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Lizenzkontrolle am Stadttor, hört sich eigentlich an wie ein ganz normaler Tag eines Verkehrsexperten von den SEALS oder nicht?!

Dafür vergebene Note: 11

Der Himmel über Ankh-Morpork zog sich langsam mit schweren Gewitterwolken zu. Bald waren die Sterne nicht mehr zu sehen, was wenig Unterschied machte, da man durch die Dunstglocke über der Stadt froh sein konnte, dass die Sonne sie zu durchbrechen vermochte. Es donnerte schon in der Ferne und ein kurzes Aufleuchten am Horizont deutete auf die kommenden Blitze hin.
Zwei Schatten bewegten sich durch die Gassen der Stadt, sichtlich bemüht so wenig gesehen zu werden, wie es in ihnen nur möglich war. In einer Häusernische blieben sie stehen.
"He Guido, wie weit ist es noch?", flüsterte der eine Schatten, dessen Silhouette Ähnlichkeit mit einem Stück Holz mit Armen hatte.
"Wir sind gleich da, nur noch ein Stück durch die Ulmenstraße", wisperte der zweite Schatten mit der Form einer umgedrehten Birne und huschte aus der Deckung weiter dem Ziel entgegen. Der andere folgte ihm auf den Fuß. Nachdem sie die besagte Straße ohne Zwischenfälle hinter sich gebracht hatten, blieben sie an der Hintertür eines Hauses stehen. Erste Regentropfen fielen vom Himmel und der Donner grollte schon fast direkt über der Stadt. Guido Heimlich klopfte an die Tür und wartete auf eine Reaktion. Er war schon sein Ganzes leben lang in Ankh-Morpork. Er war in den Schatten aufgewachsen und hatte eine Kindheit erlebt, in der es jeden Tag nur ums Überleben gegangen war.
Sein zernarbtes Gesicht und seine muskulöse Figur zeigten jedem, dass er sich bis jetzt immer behauptet hatte, wenn es hart auf hart kam. Guido war bisher immer ein Einzelgänger gewesen, aber dieses Mal witterte er das größte Geschäft seines Lebens. Sonst hätte er es nicht gewagt sich diesen Männern zu verkaufen. Endlich reagierte jemand hinter der Tür, sie öffnete sich einen Spalt und eine Frauenstimme fragte leise, "Ja?!"
"Schwertfisch", raunte Guido dem Spalt zu. Worauf sich die Tür mit einem leisen Knarzen etwas weiter öffnete. Er und sein Begleiter schlüpften durch den Spalt in das Haus hinein. Draußen hatten sich mittlerweile die schweren Wolken dazu entschlossen ihren Inhalt über der Stadt fallen zu lassen. Dieser prasselte von der einen auf die andere Sekunde in einem heftigen Trommelwirbel auf die Erde.
Der Gauner legte den langen nassen Mantel ab und übergab ihn einer rothaarigen Frau. Ihrer Kleidung nach zu Urteilen gehörte sie zu den Näherinnen, was auch durchaus stimmte, Guido wusste aber, dass sie nicht von hier war und auch nur für den Big Boss da war. Genau wie drei weitere ihrer Art. Sein Begleiter tat es ihm gleich und übergab seinen nassen Mantel der Dame. Diese schaute ihn grimmig an und drehte sich mit einem Knurren von ihm ab.
"Heimlich, du kommst spät, der Boss wartet schon auf dich und deinen... Freund." Das letzte Wort sprach sie aus, als wäre es eine Krankheit. Sie schien ihn nicht leiden zu können.
"Ja, ich weiß, Maria, wir wurden aufgehalten." Guido schob sich durch die Öffnung, als Maria den samtenen Vorhang zum nächsten Raum zur Seite nahm. Der schmächtige Mann bemerkte, dass Maria dem Gauner Heimlich ein schmachtendes Lächeln hinterher warf, als dieser in den nächsten Raum ging. Ohne einen Kommentar ging auch er in den angrenzenden Raum. Hinter ihm schlug der Samtvorhang wieder zurück.
Der Raum, in dem sie jetzt standen, wurde nur von einem prasselnden Feuer erhellt, welches in einem Kamin auf der linken Seite vor sich hin brannte.
"Nein Ralf, bleib hier stehen", flüsterte Guido ihm so zu, dass nur er es hören konnte. Er hatte ihn am Handgelenk gefasst, damit er auch wirklich an Ort und Stelle blieb.
Ralf schaute sich verwundert um. Er konnte in dem Raum niemanden sehen. Vor dem Kamin stand ein Tisch, hinter dem eine edel aussehende Couch platziert war. Ein großer Ohrensessel stand mit dem Rücken zu ihnen vor dem Tisch. Rechts in der Ecke stand ein Schreibtisch aus sehr altem Holz. Er sah sehr massiv und schwer aus. Zwei gekreuzte Klingen aus einem fremden Land hingen über dem Kamin. Die Klingen waren sehr dünn und machten auf ihn eher einen lächerlichen Eindruck.
Plötzlich hustete es leise aus Richtung des Sessels. Ralf bemerkte, dass sich blauer Rauch in dünnen Fäden vom Sessel aus zur Decke kräuselten. Dann durchschnitt eine sehr raue Stimme mit einem seltsamen Dialekt die Stille.
"Guuido, meine Freundeee, sei gegrüüüßde. Wo warste du so langgee äh?" Die Stimme flüsterte. Sie wirkte einschläfernd und scharf zugleich was durch den Akzent und die raue Art verstärkt wurde. Ralf wusste nicht warum, aber er war sich sicher, dass es sich um die normale Stimme des Mannes handelte.
"Sorry Boss, die Wächter patrouillieren wieder verstärkt in dieser Umgebung, weswegen wir aufpassen mussten ihnen nicht versehentlich über den Weg zu laufen." Guido hielt respektvoll Abstand und antwortete einfach nur auf die Fragen des Mannes im Ohrensessel.
"Guude, guuude meine Freeunde, desewegene habe isch dische ja. Du kennste diese Staade. Wehne haste du mire da midegebrachde äh?"
"Das ist Ralf, Ralf Kutschbock. Er ist ein sehr guter Wagenlenker, den ich von Empfehlung aus Überwald hab kommen lassen, Boss. Er soll unsere Wagen lenken." Guido bedeutete den Kutscher, in dem er einen Finger an seinen Mund hielt, an nichts zu sagen.
"Aah jaaa, meine Wagene, meine hübschen Wagene. Wie viel weise dere Manne wase seine Frachde bedrieeefde äh?"
"Genug, um die richtigen Antworten zu geben und zu wenig um sich verplappern zu können, Boss", sagte Guido schnell.
"Daaas ist guude, daas ist seeehr guude meine Freeunde." Eine große starke Hand, vom Alter gezeichnet, kam rechts vom Ohrensessel zum Vorschein. Das kleine Glöckchen läutete schrill, als die Hand es hin und her bewegte. Fast im selben Moment kam Maria in den Raum und stellte sich direkt neben den Sessel. Der Mann sagte etwas zu ihr, was so leise war, dass es die beiden Gauner nicht hören konnten. Maria nickte ein paar Mal, sagte etwas in einer fremden aber sehr melodischen Sprache und nahm dann eine langhaarige weiße Katze entgegen, die der Mann ihr hinhielt. Dann ging sie wieder in den Raum zurück aus dem sie gekommen war.
"Luigi gibde dir noche deinen lohne füre heude meine liber Guuido. Wir werdene sehre balde anfangene." Nachdem er zu Ende geredet hatte, ging eine Tür in der rechten Wand auf und drei leicht bekleidete Frauen kamen ins Zimmer. Eine schöner als die andere. Sie schenkten Guido ein verführerisches Lächeln oder ein Winken. Eine hauchte ihm sogar einen Kuss zu, während sie zu dem Mann im Ohrensessel gingen und sich um ihn herum verteilten. Ralf erschrak, als sich plötzlich zu seiner linken ein hünenhafter Mann aus dem Schatten schälte. Sein schwarzer eleganter Aufzug war sehr imposant. Er hatte einen Kopf wie eine Obstkiste und sein Haar war streng zurückgekämmt. Auf den breiten Schultern zeugten viele kleine weiße Punkte davon, dass er ein Problem hatte. Er musste die ganze Zeit schon da gestanden haben, jetzt ging er zu Heimlich rüber.
"Hallo, Lui", sagte dieser zu dem Riesen, "hast du mal probiert, was ich dir geraten habe?" Guido hielt die Hand, auf die Luigi mit Münzen füllte.
"Dase nixe gebrachte", sagte dieser mit einer sehr tiefen Bass Stimme, "dase Speziale Wasser hatte miche nur gemachte sinkige. Du wollen miche vielleichte auf Arme nehmene, Guuido?" Der Mann hob eine Augenbraue und schaute ihn dümmlich an.
"Ach quatsch, mein Freund, nichts liegt mir ferner. Du solltest es länger anwenden. Schmier dir jeden Morgen etwas davon in die Haare. Du wirst sehen es wird von Mal zu Mal besser." Er zwinkerte dem Hünen lächelnd zu, steckte die Münzen in eine seiner Taschen und ging. Dabei vergaß er nicht den drei Damen, die sich am Ohrensessel räkelten noch einen Kuss zu zuhauchen. Ralf folgte ihm in das kleine Vorzimmer, in dem Maria schon mit ihren Mänteln wartete.
"Was für ein Wasser hast du dem Türsteher denn gegeben?", fragte Ralf neugierig, während sie die Mäntel anzogen.
"Er hat Probleme mit Schuppen. Ich habe ihn dafür eine Flasche mit Ankh Schlamm verkauft und ihm gesagt, dass es helfen würde. Er ist ein Schrank von seiner Statur, aber sein Gehirn ist nicht größer als eine Erbse." Guido grinste Ralf breit an. Dieser schüttelte verständnislos über solch ein lebensmüdes Verhalten den Kopf. "Dann bete zum blinden Io, dass er nie dahinter kommt."
Ralf öffnete die Tür und ging in den Regen hinaus. Guido gab Maria noch einen Kuss auf die Wange und tat es ihm gleich. Die beiden Schatten huschten wieder durchs nächtliche Ankh-Morpork zu einem uns unbekannten Ziel.

***


Ein Fenster klapperte vom Wind auf und zu. Das Gewitter war inzwischen weiter gezogen, aber das Wetter hatte sich bis auf den fehlenden Regen nicht sehr geändert. Ein Zwerg schlurfte halb schlafend zum Fenster und schloss es wieder. Eine Windbö hatte den Papierstapel, der auf dem Tisch gelegen hatte durch das ganze Zimmer verteilt.
Drogan hatte ein weißes leicht zu großes Hemd und eine bequeme schwarze Stoffhose an. Er hatte in der Zimperlichgasse 18 vor ein paar Tagen seine neue Wohnung bezogen. Es war eine hübsche kleine zwei Zimmer Wohnung, wobei man das eine Zimmer eher als einen kleinen Stehimbiss ohne Imbiss bezeichnen konnte. Mehr als eine kleine Kochstelle, einen kleinen Tisch und zwei Stühle passten hier nicht rein. Mit viel Glück konnten auch noch zwei Leute an dem Tisch sitzen, was Drogan aber noch nicht ausprobiert hatte.
In seinem Wohn- und Schlafzimmer trennte ein Bücherschrank das Bett vom Rest des Raumes ab. Im Regal lag zum größten Teil Krimskrams von ihm, ein paar Kampfbrötchen, Werk- und Backzeug, Schreibutensilien, viele andere Dinge und, man mag es kaum glauben, es lagen sogar Bücher im Bücherregal. Natürlich beinhalteten die Bücher hauptsächlich Dinge über die Arbeit als Verkehrsexperte oder Wächter. Ein Tisch mit drei Stühlen stand am Fenster und ein gemütlich aussehender, abgenutzter Sessel stand in einer Ecke. Drogan hatte ihn für drei Dollar im Gebrauchtladen gekauft. Bis auf die Blätter Papier, die im ganzen Raum verteilt lagen, sah es sehr sauber und gepflegt aus. Drogan schaute sich verschlafen das Chaos an.
"Na toll, das war es dann mit dem Schlaf für heute." Er strich sich durch sein zerzaustes orange-rotes Haar und setzte sich an den Tisch. Einige Zettel lagen noch auf dem Tisch, genau so wie ein spezielles und wichtiges Buch. Auf dem Einband stand, Ankh-Morpork und seine Lizenzen. In dem Buch hatte er letzten Abend recht lange gelesen, es war sehr wichtig, fast schon heilig für einen Verkehrsexperten. In diesem Buch waren alle bekannten und unbekannten Lizenzen aufgelistet, die es in Ankh-Morpork gab. Bei einer Wagenkontrolle konnte man so schnell überprüfen, ob die Papiere in Ordnung waren. Erfahrene Verkehrsexperten benötigten das Buch jedoch nur noch selten, da sie alle auswendig kannten, aber Drogan sollte heute zum ersten mal eine Kontrolle am mittwärtigen Tor durchführen. Er legte es sich zurecht, damit er es nachher nicht vergaß mit zu nehmen.
"Ausgerechnet mit einem Troll", murmelte er vor sich hin, als er anfing seine drei Lagen Kleidung anzuziehen. Draußen kroch bereits das Sonnenlicht langsam über die Dächer.

***


Der Kaffee schmeckte heute besonders mies, als Drogan in der Kantine der Wache am Pseudopolisplatz noch etwas mit dem Hauptgefreiten Dennis Schmied fachsimpelte.
"Das Modell Dicke Berta MK III hat im Gegensatz zum Modell MK II etwas breitere Räder und eine Speiche mehr."
Drogan nickte bestätigend, "Und es gibt für das Modell MK II weniger Sonderausstattung. Der höhenverstellbare Bock ist zum Beispiel nur für das Luxus Modell erhältlich."
"Stimmt", bestätigte Dennis, "jetzt muss ich aber los. Die Nachtschicht war ziemlich stürmisch heute, da bin ich froh, wenn ich im Bett liege." Damit verabschiedeten sie sich voneinander und Dennis begab sich auf den Heimweg.
Der Zwerg machte sich auf in den Stall. 58, sein Maultier wartete bereits darauf, dass es losging. Als Drogan den Stall betrat, tänzelte 58 schon aufgeregt in seiner Box herum. Drogan legte ihm das Halfter um und befestigte den Sattel auf 58. Wie immer knickte das Maultier seine Beine ein, so dass es (wie ein Kamel) mit dem Bauch den Boden berührte. So konnte der Zwerg wunderbar auf seinem Rücken Platz nehmen.
Das Muli stand auf und ging wie von selbst in die richtige Richtung. Drogan erstaunte es immer wieder, wie 58 reagierte. Als würde er jedes Wort verstehen und es schien sogar seine Gedanken lesen können. Die Zügel waren eher Beiwerk und zu kleineren Richtungswechseln. Er brauchte nur zu sagen, wo es hingehen sollte und schon lief es los. Dabei verstand das Maultier sogar Zwergisch.
So ritt er Richtung Mittwärtiges Tor, den Troll würde er dort treffen. Bei dem Gedanken keimte ein wenig Groll in ihm auf. Um zu verstehen, warum Zwerge und Trolle sich nicht leiden konnten, musste man tief in der Vergangenheit kramen. Sie unterschieden sich wie Feuer und Wasser oder wie Tag und Nacht. Zwerge trieben, wie allgemein bekannt, lange Stollen in Berge und Felsen, um wertvolle Mineralien abzubauen.
Nun, Trolle basierten auf Silicium und waren Felsen, die wertvolle Mineralien enthielten. Gewöhnlich verbrachten Trolle in der freien Natur den größten Teil des Tages damit zu schlafen. Für Felsen, die wertvolle Mineralien enthalten, ein sehr gefährliches Unterfangen, wenn Zwerge in der Nähe sind.
Hatte man ein viel versprechendes Flöz mit wertvollen Mineralien gefunden, wünschte man nicht, dass die Felsen plötzlich aufstehen und einem den Arm abreißen, nur weil man ihm die Spitzhacke ins Ohr gebohrt hatte. Deswegen verabscheuten die Zwerge die Trolle.
Wie das Ganze angefangen hatte, weiß heute keiner mehr. Jedenfalls existierte diese Fehde schon so lange, wie man denken konnte.
Zwerge hassten Trolle, weil Trolle Zwerge hassten.
Hier in Ankh-Morpork mussten sie friedlich miteinander leben. Natürlich gaben sie sich nur mit der verhassten Rasse ab, wenn es sich nicht vermeiden ließ. So sah es Drogan auch. Er musste sich mit dem Troll ja nicht anfreunden. Er war ein Wächter und alle Wächter sind gleich. Egal welcher Rasse sie angehörten. Aber er war trotzdem ein Troll. Eine Steinfresse. Drogan hoffte, dass der Tag schnell vorbei ging.

***


Ralf Kutschbock war auf dem Weg nach Ankh-Morpork. Sein Wagen schaukelte über die Schlaglöcher der Straße hinweg. Dabei schlüpfte ein bleicher menschlicher Arm unter der Plane des Wagens hervor. Ralf fluchte und hielt an.
"So ein Mist, schon wieder ist alles verrutscht. Ich hätte sie besser sichern sollen. Wenn ich gewusst hätte, was ich befördern sollte, hätte ich es mir vielleicht noch mal anders überlegt. Andererseits stimmt das Geld." Den Arm hatte er mittlerweile wieder verstaut. Diesmal hatte er ein zusätzliches Sicherungsseil angebracht, um nicht noch einmal anhalten zu müssen. Er stieg wieder auf den Wagen und trieb die beiden Ochsen an. Langsam schob sich der Karren wieder weiter zu seinem Bestimmungsort.

***


"Ich bin Silicic."
Drogan stand vor einer 2,26 Meter großen, massiven Steinwand. "Wir kennen uns doch, Troll. Damals als ich bei der Wache ankam, sind wir uns kurz begegnet. Ich mache dir einen Vorschlag, wir machen unsere Arbeit und mehr nicht. Du redest nicht mit mir über Dinge, die nichts mit der Arbeit zu tun haben und ich nicht mit dir. Dann sollten wir schnell und gut diesen Tag rum bekommen."
Der Troll starrte ihn eine Zeit lang an, bis er erwiderte, "Ich bin Silicic und du bist altmodisch."
"Was bin ich? Altmodisch? Ich erinnere dich nur mal an die Schlacht vom Koomtal. Wir haben glorreich gesiegt, also pass ja auf was du sagst."
"Ihr habt feige aus dem Hinterhalt angegriffen", erwiderte Silicic erbost, die Hände an die Hüften gelegt.
"Ich störe die Herren ja nur ungern, aber könntet ihr bitte von der Straße gehen, damit wir unsere Waren ausliefern können?"
Der Troll und der Zwerg sahen zur Stimme rüber, dann sahen sie sich wieder mit großen Augen an. "Er hat recht, wir stehen mitten im Mittwärtigem Tor", sagte der Troll.
"Okay, du bist die Blockade und ich kontrolliere die Papiere", erwiderte Drogan.
"Warum bin ich die Blockade und du bekommst den guten Job?", fragte der Troll.
"Na, weil ich mich schlecht in den Weg stellen kann, ohne Gefahr zu laufen übersehen zu werden", gab der Zwerg leicht gereizt zurück.
"Was ist jetzt ihr beiden? Es schlüpfen schon Kücken aus den Eiern." Der Mann auf dem Kutschbock zeigte hinter sich, "außerdem wird es langsam voll hinter mir."
Silicic, der es wohl eingesehen hatte, dass er eine sehr gute Blockade abgab, stellte sich direkt vor den Karren. Drogan ging zur Fahrer Seite des Wagens, "Na, dann zeigen Sie mir mal ihre Papiere, guter Mann."

***


Die Wagenschlange vor dem Tor war ziemlich lang. Ralf hatte sich ein Tuch um Mund und Nase gebunden, denn das warme Wetter förderte mittlerweile den strengen Geruch seiner Fracht. Der Wagen hinter ihm hielt schon respektvollen Abstand von mehreren Wagenlängen. Ralf schüttelte den Kopf, "schwacher Magen wie?"
Er rutschte nervös auf dem Bock hin und her, als er den Grund des kleinen Staus erkannte. Eine Wagenkontrolle und es waren nur noch zwei Karren vor ihm.
Ralf suchte die Papiere zusammen.
Ein Wagen vor ihm.
Er atmete tief ein und hustete als er merkte, dass es keine gute Idee war bei dem Gestank.
"Die Papiere bitte, Wagenpapiere, Frachtlizenz und Fahrlizenz." Drogan saß auf seinem Maultier und schaute ihn ernst an.
"Hier bitte", sagte Ralf und gab dem Zwerg die geforderten Papiere. Dieser nahm ein kleines Buch und blätterte darin. Es sah so aus, als würde er nachschauen, ob die Lizenzen dort drinnen stehen würden. Ralf spannte sich sofort an. Das musste ein recht neuer Wächter sein, zum einen kannte er die Lizenzen noch nicht so gut, zum anderen tat er noch sehr engagiert seinen Job. Genau das könnte ihm jetzt zum Verhängnis werden.
"Du transportierst Leichen?", fragte Drogan.
"Ja Herr", sagte Ralf.
"Das erklärt den Geruch", erwiderte Drogan. "Warum aber werden Leichen in die Stadt rein befördert? Gibt es nicht genug bei uns?"
"So viel ich weiß, werden sie nur in der Stadt für die Beerdigung vorbereitet, Herr. Danach fährt man sie in ihren Särgen auf die Friedhöfe außerhalb der Stadt."
"Tja, auch wenn es sich seltsam anhört, die Papiere sind in Ordnung. Wenn ich jetzt noch einen Blick auf die Fracht werfen dürfte?!", sagte der Zwerg und ritt auf die Rückseite des Wagens.
"Nur zu Herr, ich hoffe, Sie haben einen guten Magen."
Drogan nahm eine Ecke der Plane, hob sie etwas hoch und schaute drunter. Nach ein paar Minuten deckte er die Leichen wieder zu. "Scheint alles okay. zu sein. Nur ein Haufen toter Körper. SILICIC? LASS IHN DURCH."
Als der Troll auf die Seite ging und Ralf ihn passierte, sackte er etwas auf seinem Kutschbock zusammen. Er hatte es fast geschafft. Jetzt musste er nur noch zur Ulmenstraße und die Fracht in der Leichenhalle abliefern.

***


Drogan saß in der Kantine der Wache. Über seine Gesellschaft war er nicht sehr erfreut, aber Stabsspieß Atera meinte, es wäre eine gute Idee. Silicic war schließlich angehender Verkehrsexperte, wodurch es nahe lag, dass man öfters zusammenarbeiten würde. So könntet ihr euch etwas kennen lernen, hatte sie gesagt. Drogan nippte an seinem Kaffee, ein anständiges Bier wäre ihm jetzt einiges wert, aber das musste wohl warten bis zum Feierabend.
Ihm spukte immer noch der Karren mit den Leichen im Kopf rum. Er fand es höchst seltsam, dass Tote von außerhalb in die Stadt gebracht wurden. Der Troll riss ihn aus seinen Gedanken.
"Das stimmt nicht, ihr habt euch im Hinterhalt versteckt und uns dann feige angegriffen. Das weiß ich von meinem Ururgroßvater. Der war bei Koom dabei."
"Ha, ihr habt im Hinterhalt gelegen nicht wir. Du weißt ja nicht mal wer dein Vater war, Steinfresse."
"Ich schlag dir den Kopf ein, du dummer Zwerg."
"Pah, dich schaffe ich doch sogar mit einem Arm."
"Das werden wir ja sehen, ich reiße dir sogar BEIDE aus, dann kannst du es beweisen."
"Argh"
"Orargh"
Atera kam, aufgeschreckt und alarmiert durch den Lärm, in die Kantine gestürmt.
Gefreiter Eisenschädel hing mit dem Kopf nach unten. Gefreiter Silicic hielt den Zwerg an den Beinen fest und hatte ihn über seinen Kopf gewuchtet mit der Absicht ihn an die gegenüberliegende Wand zu schleudern. Doch Gefreiter Drogan nutze seine Position in dem er sich an Silicics Nacken klammerte und immer wieder mit dem Kopf auf diesen einhämmerte.
"AAAAAACCCCHHHHTUUUUUNG!!!!", donnerte Atera so laut sie konnte. Was Besseres war ihr einfach nicht eingefallen auf die Schnelle. Und es musste schnell gehen, denn die beiden waren gerade dabei sich gegenseitig umzubringen.
Der Troll und der Zwerg reagierten fast gleichzeitig. Silicic versteifte sich und schwenkte seine Hand zum Salut in die Höhe. Dabei öffnete er diese. Drogan flog salutierend ein Stück durch den Raum bevor er in die Wand krachte und dort stecken blieb. Es sah aus wie ein ziemlich dicker Bolzen mit Orangen Haaren.
"Was ist hier los?" fragte Atera scharf. "Gefreiter Silicic, zieh den Gefreiten Eisenschädel aus der Wand, DAS IST EIN BEFEHL!"
Als Drogan wieder neben dem Troll stand schluckte er, das würde sicher Konsequenzen haben.
Atera ging vor ihnen auf und ab, dabei sagte ihr Blick, "Wenn ich noch böser schaue, kommen Flammen heraus und bringen euch direkt in die Hölle." Silicic und Drogan wagten nicht mal zu atmen. Einige Minuten verstrichen. Atera zog die Stille absichtlich in die Länge, um die Ernsthaftigkeit der Lage zu unterstreichen.
"Gut Männer, ich sag euch eins, wenn ihr das Problem unter euch nicht in den Griff bekommt, muss ich euch versetzen. Oder schlimmer noch, entlassen. Ihr habt drei Wochen Zeit. Wenn ihr euch bis dahin nicht im Griff habt, seid ihr raus."
Bei dem Wort seid befand sie sich bereits auf dem Weg zurück in ihr Büro. Dessen Tür sie bei raus hinter sich zuschlug. Ein breites Grinsen lag in ihrem Gesicht, "das wird sicher noch interessant mit den beiden."
Silicic und Drogan standen immer noch wie versteinert nebeneinander. Es dauerte etwas, bis ihnen die gerade gesagten Worte durch das Hirn gegangen waren. Sie schauten sich grimmig an.
"Steinfresse."
"Staubfresser."
Drogan ging vor die Tür der Wache. Silicic blieb in der Kantine und genehmigte sich ein Stück Kieselzucker, auf dem er rumlutschte. Der Zwerg setzte sich auf einen Schemel neben der Tür und grummelte vor sich hin. Die Sonne ging langsam unter, als Hauptgefreiter Schmied auf den Eingang der Wache zusteuerte.
"Ah Drogan, was machst du hier draußen und warum machst du so ein Gesicht?"
"Hallo Dennis, war ein ziemlich schlechter Tag, gelinde ausgedrückt. Ich werd mich gleich vollaufen lassen", antwortete der Zwerg.
Dennis setzte sich neben Drogan, "Na das hört sich gar nicht gut an. Willst du drüber reden?"
"Nein, will ich nicht. Ist etwas Zwergisches, das verstehst du nicht", murmelte Drogan.
"Tja, dann lass ich dich mal alleine. Mein Dienst fängt gleich an." Der Hauptgefreite stand auf und schickte sich an rein zugehen.
"Warte Dennis, da fällt mir was ein. Vielleicht kannst du mir was dazu sagen."
Dennis Schmied blieb stehen und schaute ihn fragend an, "Ja? Schieß los."
"Bei der Wagenkontrolle heute ist ein Karren mit Leichen in die Stadt gefahren. Die Papiere wahren alle okay, aber mir geht die Frage nicht aus dem Kopf, warum Leichen in die Stadt rein gebracht werden. Der Fahrer sagte nur, dass sie hier für die Beerdigung vorbereitet werden und dann, in ihren Särgen außerhalb der Stadt auf den Friedhöfen begraben werden. Ich habe das Gefühl, das da irgendetwas nicht stimmt."
Dennis überlegte kurz. "Das ist wirklich komisch", sagte er, "ich habe von so einem Vorgehen noch nie gehört. Mir ist auch noch nie so ein Karren begegnet. Der Totengräber hat sicher genug zu tun mit den Leichen von Ankh-Morpork, warum sollte er fremde Tote bearbeiten? Vielleicht solltest du mal bei der Leichenhalle vorbeischauen. Die ist in der Ulmenstraße. Da werden alle Toten hin gebracht." Dennis ging hinein und ließ einen grübelnden Zwerg zurück.
Er hatte seit ein paar Minuten Feierabend. Drogan beschloss noch mal kurz bei der Leichenhalle reinzuschauen. Er wollte sich ja nur vergewissern, dass alles in Ordnung war. Als er aufstand, kam Silicic aus der Wache und ging neben Drogan den Unteren Breiten Weg entlang. Beide warfen sich böse Blicke zu.

***


"Boss, die Leischene stinken äh." Luigi schleppte die vierte Leiche hinein, wobei er sie einfach über seine riesige Schulter gelegt hatte. Insgesamt waren es fünf tote männliche Menschen, ein weiblicher Mensch und ein Zwerg. Der muskelbepackte Ausländer ging durch die Vordertür, durch einen kleinen Raum, eine kleine steinerne Treppe runter bis in ein sehr düsteres und kühles Kellerzimmer. Die Lampen beleuchteten nur spärlich den Raum. Einige Ecken lagen in tiefen Schatten verhüllt.
Luigi legte die Leiche mit dem Rücken auf einen der vielen Tische. Die drei anderen lagen auch schon, fein und separat in einer Reihe aufgebahrt auf Tischen. Ein Mann, nicht viel größer als ein Zwerg, kam hinter Luigi die Treppe runter. Sein Kopf war so rund wie sein Bauch und eine Halbglatze zierte sein Haupt. Das, was ihm auf dem Kopf fehlte, hatte er in seinem Gesicht, in form eines schwarzen Vollbarts. Mit seiner rechten Hand streichelte er eine weiße, langhaarige Katze, die er auf seinen recht kurzen Armen hatte.
Sein recht teuer aussehender Anzug war voller weißer Haare, was ihn nicht zu stören schien. "Nadürlische sdinkene die Tode, Lui. Sonsd währene sie auche nischde Tode, äh. Wenne du nischde der Neffe meines Schwesters Manne währesde unde so ein begabdere Rausschmeisere, häde ische disch schon längste mit eineme Sdeine am Beine in die Fluße geworfene. Und jetzde geh und hol die resdlichene damide wir anfangen könnene. Unde sag dem Dokdore bescheid." Der Handlanger nickte stumm und ging aus dem Raum. Der Boss lächelte, als sein Blick über die Leichen glitt.

***


Drogan schaute grimmig neben sich. Er war jetzt durch den Unteren Breiten Weg gelaufen, über die Messingbrücke, die Filigranstraße runter und passierte gerade die Heldenstraße, um in die Willkommenseife einzubiegen. Die ganze Zeit über war dieser Troll neben ihm gewesen. Verfolgte er ihn? Wollte er ihn vielleicht in einer menschenleeren Gasse erschlagen? Gelegentlich funkelten sie sich böse an, aber niemand hatte es bisher gewagt ein Wort zu sagen. Als sie die Leichte Straße passierten und der Troll immer noch neben ihm her ging, hielt er es nicht mehr aus.
"Was willst du, Steinfresse? Spionierst du mir nach?" Drogan blieb stehen, als der Troll in anschaute und das Laufen einstellte.
"Ich laufe nur die Straße entlang. Vielleicht spionierst du mich ja aus."
Drogan schaute ihn nachdenklich an. Er war sich nicht sicher, ob er dem Troll sagen sollte, wohin er ging. Er war immerhin ein Troll und Trolle sind hinterlistige und unfaire Felsen. Aus irgendeinem Grund, vielleicht wegen der Tatsache, dass er ein Wächter war, sagte er ihm die Wahrheit.
"Wie soll ich dir hinterher spionieren, wenn ich neben dir herlaufe? Das ist unlogisch. Ich wollte noch mal kurz zur Ulmenstraße, um der Leichenhalle einen Besuch ab zustatten. Du erinnerst dich sicher an den Karren mit den Toten heute."
Der Troll wirkte plötzlich interessiert, "Ja, ich erinnere mich. Ich fand es auch komisch, aber ich bin ein Troll, woher soll ich wissen, was Menschen mit ihren Toten machen? Deswegen habe ich nichts gesagt." Die Wächter schlenderten weiter.
Der Zwerg überlegte kurz. Es konnte nie schade einen großen starken Typ an seiner Seite zu haben, wenn man nicht wusste, was einen erwartete.
"Kommst du mit? Wenn etwas faul an der Sache ist, ist es schließlich auch dein Fall."
Silicic blinzelte etwas irritiert, "Wenn uns jemand sieht? Ich meine, was sollen denn die anderen Trolle von mir denken, wenn sie mich mit einem Zwerg sehen?"
"Wir sind Wächter, also was sollen sie bitte denken?"
"Gut, ich komme mit. Aber nur, weil es auch mein Fall wäre und ich ein Wächter bin. Wenn wir aus der Leichenhalle rauskommen, geht jeder seinen eigenen Weg."
Drogan nickte zustimmend. Vor lauter Diskussion hatten sie gar nicht gemerkt, dass sie unbewusst weiter gegangen waren und nun vor dem Leichenhaus standen. Der Zwerg klopfte beherzt an die Tür.
Keine Reaktion.
Er klopfte erneut, nur diesmal verwendete er seinen Wächterknüppel und rief, "Hier ist die Wache von Ankh-Morpork, öffnet sofort die Tür."
Gerade als er zum dritten Mal den Arm hob, hörten sie wie jemand einen Riegel hinter der Tür zur Seite schob. Die Tür öffnete sich einen Spalt und ein Kopf erschien. Er hatte ein seltsames Stück grünlichen Stoff vor Mund und Nase, welches mit einem Stoffband, das hinterm Kopf verknotet war, an Ort und Stelle gehalten wurde. Die vielen Falten rund um die bauen Augen zeugten von einem hohen Alter. Eine Stimme wie eine Kreissäge erklang aus dem Stück Stoff. "Jaaaa? Was gibt's?"
"Wir hätten ein paar Fragen", sagte Drogan und hielt dem Gesicht seine Dienstmarke hin. "Dürfen wir kurz reinkommen?"
Der Kopf verschwand und die Tür ging auf. Ein Mann am Rande der Magersucht gehörte der Kopf. Eine Art riesiger grüner Poncho hing von seinem Körper runter. Seine nackten Arme waren von Altersflecken übersät. Eine riesige Schere hielt er in der linken Hand.
"Was kann ich zu so später Stunde für die Wächter tun? Noch ein neuer Toter?" Der Alte deutete ihnen rein zukommen.
"Nein, ich würde gerne deine momentanen Kunden sehen", sagte Drogan und ging hinein. Silicic schob sich vorsichtig mit der rechten Schulter zuerst durch die Tür und blieb dann hinter dem Zwerg stehen. Neugierig schaute er sich im Raum um.
"Aber gerne, allerdings würde mich interessieren aus welchem Grund." Der Mann ging die Treppe runter in den Keller. Drogan folgte ihm.
"Nun Herr..."
"Schneider, Doktor Auf. Schneider, Leichenbestatter."
"Gut Doc, ich darf doch Doc sagen oder? Mir sind heute ein paar Leichen aufgefallen, die ich mir gerne etwas näher angeschaut hätte."
"Waren die Toten da schon tot?"
"Das will ich doch hoffen. Sie rochen jedenfalls so und sahen auch so aus."
Mitten im Raum standen sieben einzelne Tische, auf denen sich unter einem weißen Tuch je eine Gestalt abzeichnete. Neben einem der Tische, wo eine Leiche aufgedeckt dalag, stand ein kleiner Tisch mit einem Haufen seltsamer Instrumente. An einigen klebte Blut. Drogan wollte gar nicht wissen, wofür man sie verwendete. Dem männlichen Toten, der dort lag, fehlte die Schädeldecke und sein Brustkorb war geöffnet. Die schlechte Beleuchtung tat ihr Übriges zu diesem Anblick. Dem Zwerg lief ein Schauer über den Rücken.
Drogan schaute sich um. Als er nicht sah, was er zu sehen erwartet hatte, drehte er sich zur Treppe und spähte hoch.
"Silicic, wo bleibst du?"
Der Kopf des Trolls erschien am oberen Rand der Treppe. "Ich passe nicht durch die Tür. Deswegen muss ich wohl warten."
Drogan wendete sich wieder dem Leichenbestatter zu. "Ich schau mir die Toten mal an, lass dich nicht bei deiner Arbeit stören."
Auf. Schneider schlurfte zu seinen Werkzeugen rüber, nahm eine ziemlich krumm aussehende Zange in die Hand und machte Anstalten diese mit dem Kopf des Mannes zu verwenden. Drogan drehte sich noch rechtzeitig weg. Das schmatz konnte er aber hinter sich hören. Er schüttelte sich und fing dann an die Leichen zu begutachten.
Unter dem ersten Laken steckte ein weiblicher Mensch. Die Brust wies in der Mitte eine frische Narbe auf, die vom Hals bis zum Bauch ging. Die Frau war brünett und hatte ein feingliedriges Gesicht. Drogan schätzte, dass sie mindestens 30 Kilo zu viel auf den Rippen hatte.
Andererseits störte es sie bestimmt nicht mehr. Die zweite Leiche war ein Zwerg. Da er nackt war, konnte er ihn als eindeutig männlich klassifizieren. Angezogen hätte es anders ausgesehen. Der Zwerg war selbst für einen seiner Rasse ziemlich dick. Auch er hatte eine frische Narbe vom Hals bis zum Bauch. Jemand musste seine schönen schwarzen Zöpfe abgeschnitten haben, denn er hatte ungewöhnlich kurze Haare für einen Zwerg.
Als Drogan das Laken der dritten Leiche zurückzog, erwartete ihn eine Überraschung, da lag der Wagenlenker, den er heute mit den Leichen am Tor kontrolliert hatte. Er drehte sich zum Doktor um, ob dieser seinen erstaunten Ausruf mitbekommen hatte. Stellte aber fest, dass dieser konzentriert mit beiden Händen im Brustkorb seines Patienten steckte.
Der Wagenlenker hatte keine Narbe auf seiner Brust. Dafür war sein Hals seltsam verdreht. Er hatte gewisse Ähnlichkeit mit einem Korkenzieher. Außerdem hatte man ihn nicht ganz entkleidet, wie die anderen. Seine Hose hatte er behalten dürfen.
"Was ist mit diesem hier passiert?", fragte Drogan ohne sich um zu drehen.
"Der? Das ist Ralf Kutschbock. Wirklich tragisch. Ist gestolpert und hat sich das Genick gebrochen."
Gefreiter Eisenschädel sagte nichts. Auch wenn er kein Mediziner war, konnte er sehr wohl zwischen einem Unfall und einem eindeutigen Mord unterscheiden. Das, was Ralf passiert war, war mit Sicherheit kein Unfall.
"Wann wurde er denn her gebracht?"
"Er kam selber her. Beim Abladen der Toten ist es passiert, er fiel vom Wagen und schlug dabei mit dem Kopf auf die Kante", entgegnete der Doc.
"Mit dem Kopf auf die Wagenkante? Aber das ist doch gar nicht möglich." Drogan schaute ihn ungläubig an.
"Ich war nicht dabei, vielleicht ist er rückwärts gelaufen, wer weiß das schon. Jetzt lass mich meine Arbeit erledigen."
Der Zwerg schaute sich die restlichen Toten an. Alle hatten eine frische Narbe vom Hals bis zum Bauch (bis auf Ralf). Die Leichen links von der, an der Doktor Schneider beschäftigt war, hatten den Brustkorb allerdings offen. Diese werden wohl noch behandelt, dachte der Wächter.
"Alles klar, Doc, ich konnte nichts feststellen und habe gesehen, was ich sehen wollte. Wann werden die Toten aus der Stadt gebracht?
Der Leichenbestatter schaute von seiner Arbeit auf, "Wenn ich zügig vorankomme und ich nicht dauernd gestört werde, sollte ich morgen Abend fertig sein. Soll ich dich zur Tür bringen?"
"Ich finde alleine raus, danke, Doc."
Drogan ging die Treppe hoch, wo Silicic schon auf ihn wartete. Er hatte es ziemlich eilig aus der Leichenhalle raus zukommen.
"Was hast du, Silicic?", fragte ihn Drogan, als sie ein Stück von der Leichenhalle weg waren.
"In dem Nebenraum war ein Mann, den ich schon mal gesehen habe. Die Tür war nicht richtig zu und ich konnte zwei Männer belauschen. Den einen konnte ich nicht erkennen, da er nicht im Blickwinkel war. Ich konnte auch nicht alles verstehen, da sie zum Teil in einer anderen Sprache gesprochen haben. Und leise haben sie auch geredet. Ich konnte nur verstehen, wie sie sich darüber aufregten, durch uns von der Arbeit abgehalten zu werden. Dann sagte der Mann, den ich kannte, noch, dass er Morgen wieder dem Geschäft nachging. Was auch immer er damit meinte."
Drogan hatte aufmerksam Silicics Erzählung gelauscht. "Und woher kennst du diesen Mann?"
"Ich habe ihn bei den Trollen in den Schatten gesehen. Bei der Töpferei des Trolls Eruptiv. Er redete dort mit ein paar Trollen. Als sie mich sahen, ging der Mann und sie wollten mir auch nicht sagen, wer das war oder was er wollte."
"Das ist sehr merkwürdig", sagte Drogan, "Lass uns morgen die Trolle aufsuchen. Vielleicht bringen wir sie dazu uns zu sagen, wer das war. Das könnte etwas Licht ins Dunkel bringen. Erinnerst du dich an den Wagenlenker, der die Toten gebracht hatte? Der liegt tot in der Leichenhalle. Mein Gefühl sagt mir, dass dieser Fremde auch hier seine Finger im Spiel hatte. Ich geh mir im Eimer noch ein Bier genehmigen."
Silicic schaute Drogan an, "Das kannst du nicht. ICH wollte im Eimer noch etwas trinken gehen. Ich geh doch nicht mit einem Zwerg was trinken."
"Meinst du ich gehe mit einem Troll was trinken? Lass uns hingehen. Wir haben bloß zufällig den gleichen Weg. Das bedeutet noch lange nicht, dass wir auch zusammen was trinken gehen."
Der Troll nickte zustimmend, "Genau, wir gehen nebeneinander den gleichen Weg, aber nicht zusammen."
Auf dem Weg zur Stammkneipe der Wächter erzählte Drogan dem Troll, was er in der Leichenhalle vorgefunden hatte.

***


Drogan ritt auf 58 die Ulmenstraße runter. Er hatte sich mit dem Troll Silicic für heute Morgen an der Töpferei von Eruptiv verabredet. Gestern Nacht im Eimer hatte Silicic ihm erzählt, dass dort wohl öfters ein Treffpunkt für Trolle mit zwielichtigem Ruf war. Der Troll Eruptiv stand dabei auch öfters im Verdacht seine Hände im Spiel zu haben, aber bis jetzt konnte ihm nie etwas Ernsthaftes nachgewiesen werden. Lediglich Kleinigkeiten wie Sachbeschädigung oder Körperverletzung, was aber jeder Troll, der etwas auf sich hielt, schon mal hatte. Der Zwerg musste zugeben, dass es doch recht nützlich war den Troll mit in den Fall einbezogen zu haben.
Wer weiß, wie weit er sonst bis jetzt gekommen wäre. Er kannte sich einfach zu wenig mit den Trollen in dieser Stadt aus. In freier Wildbahn waren sie doch irgendwie... anders.
Als er die Töpferei schon sehen konnte, standen davor drei Trolle, die er nicht kannte. Sie hatten die Köpfe zusammengesteckt und redeten. Aus einer Seitenstraße kam ein, "Pssssst, psssssst, Drogan, hier." Der Zwerg sah sich verwundert um und erspähte dann Silicic, der sich anscheinend in der Gasse versteckte.
Drogan kam zu ihm rüber, "Was ist los Silicic, warum versteckst du dich? Ich dachte, wir wollten die Trolle befragen."
Der Troll ruderte mit den Armen. Drogan brauchte eine Weile, bis er verstand, was er wollte. Also gingen sie ein wenig die Gasse hoch, damit sie sich unterhalten konnten ohne Gefahr zu laufen von den Dreien an der Töpferei bemerkt zu werden.
"Ich habe schon mit ihnen geredet", fing Silicic an, "das sind Dickerkiesel, Schwarzstein und Senfgurke."
"Senfgurke?", fragte Drogan und schaute den Troll ungläubig an.
"Ja, er ist ein moderner Ankh-Morpork Troll. Scheint bei einigen zu einer Art Mode zu werden ihren Kindern einen ungewöhnlichen Namen zu geben. Jedenfalls fragte ich sie nach dem Mann. Erst wollten sie mir keine Auskunft geben, aber dann hatte sich Dickerkiesel versprochen, wodurch ich erzählt bekam, dass er eine Art Vertreter wäre und dass er heute wieder zur Töpferei kommen würde. Ich tat dann so, als würde ich gehen und hab mich dann hier versteckt."
Drogan schaute den großen Troll mit leichter Bewunderung an. "Meine Güte Silicic, ich hätte dich nicht für so schlau gehalten. Du dachtest dir sicher, dass wir so den Mann beobachten können, um zu sehen, was hinter seinem Geschäft steckt. Ich bin echt beeindruckt."
Der Troll grinste breit. Zwar war sein Grund ein anderer gewesen, als es der Zwerg gerade sagte, er wollte einfach nur auf ihn warten, aber das machte ja nichts. Deswegen sagte er, "Jetzt weißt du auch, warum ich so seltsame Furchen am Kopf habe. Das ermöglicht mir nicht nur das fließende Sprechen."

Die Häuser in dieser Gegend waren nicht sehr hoch. Trotzdem zu hoch, um hinaufklettern zu können. Jedenfalls für einen Zwerg. Drogan wollte aber etwas näher an das Geschehen ran, um auch mit zu bekommen, was gesprochen wurde, wenn der Fremde auftauchte. Also ließ er sich von Silicic zu einem Balkon hochheben. Wenn er jetzt ans andere Ende gehen würde, trennte ihn nur noch eine quer verlaufende Straße vom Geschehen. So leise wie möglich schob er sich in geduckter Haltung an die besagte Stelle.
Silicic blieb in der Gasse und spähte vorsichtig um die Ecke. Sie mussten nicht sehr lange warten, bis der Mann eintraf. Dieser könnte gut einem Troll Konkurrenz machen. Vielleicht nicht von der Größe, aber von der Statur. Sein schwarzer und sehr feiner Anzug deutete darauf hin, dass er nicht in den Schatten lebte. Trotzdem hatte er den Mut alleine in diesem Viertel durch die Straßen zu gehen. Das zeugte entweder von ausgesprochener Dummheit, was bei Ausländern, die es nicht besser wissen oft der Fall war. Oder das man in den Schatten nicht wagte diesen Mann anzurühren, weil jeder wusste, dass es ihm dann sehr schlecht erging. Drogan vermutete ein wenig von beidem.
"Hallo, meine liebene Freunde äh."
"Du spät dran sein, Luigi."
"Ja meine Freunde, ische habe dafür aber auch das besde Zeuge was es auf der Scheibe füre Gelde zu kaufene gibde."
"Du uns zeigen, dann wir kaufen."
Es war still. Bis auf ein Rascheln war nichts mehr von unten zu hören. Drogan musste sehen, was da vor sich ging. Er hatte bis jetzt flach auf dem Bauch gelegen, da sonst die Gefahr zu groß gewesen wäre, dass man ihn sehen würde. Jetzt musste er aber sehen, was passierte. Eindeutig wurde gerade die Ware geprüft und um zu erfahren, um was es sich handelte, musste er es einfach riskieren.
Langsam richtete sich der Zwerg auf. Er versuchte so leise wie möglich zu sein. Leider konnte er keine Öffnung im Geländer finden, also musste er sich wohl oder übel hinstellen, damit er über das Balkongeländer drüber schauen konnte. Langsam schob er sein Blickfeld über das Geländer. So weit bis er direkt die Personen gegenüber erkennen konnte. Er sah, wie der Mann ein Tuch entfaltete, alle Anwesenden starrten erwartungsvoll auf das Bündel Stoff. Drogan war etwas enttäuscht, als ein Päckchen Mehl zum Vorschein kam. Die Trolle sahen, dass anscheinend anders, denn sie blickten starr auf das Objekt ihrer Begierde. Senfgurkes rechte Hand wanderte wie von selbst zu der weißen Substanz. Kurz bevor er sie erreichte, zog Luigi das Päckchen weg und faltete das Tuch wieder darüber. "Nune? Wie siehde es ause?"
"Wie viel du wollen?", stellte Schwarzstein als Gegenfrage.
"Ische geben dire Freundschaftspreise, fünf Dollar das Gramm."
Die Trolle diskutierten untereinander. Drogan fand das alles sehr komisch. So eine Heimlichtuerei wegen Mehl?
"Du uns geben genug für das hier", sagte Dickerkiesel und zeigte auf ein Bierfass, welches, eigentlich recht unbeachtet, an der Hauswand stand. Senfgurke schlug die Abdeckung zu Bruch, damit Luigi einen Blick ins Innere werfen konnte. Ein leiser Pfiff kam aus Drogans Mund, als er sah, dass es voll mit Geld war. Als er seinen Blick vom Fass wieder auf die Trolle und den Mann richtete, sah er direkt in acht Augen, die in anstarrten. Als erstes reagierten seltsamer weise die Trolle. Vielleicht waren sie gerade deswegen die schnellsten, weil sich keine Gedanken ihn ihrem Hirn dem Wort Flucht in den Weg stellten. Jedenfalls hatten sie sich bereits umgedreht und auf dem Weg tief in die Schatten, als Luigi und Drogan gleichzeitig reagierten. Der Mann sprintete Richtung Ulmenstraße; das war ein Fehler. Drogan sprang vom Balkon und rief: "Silicic, komm her!"
Luigi hätte sich um ein Haar die Nase an dem Troll eingerannt, als dieser plötzlich vor ihm die Straße versperrte. Nervös blickte er sich um. Der Zwerg stand hinter ihm und der Troll vor ihm. Beherzt sprang Luigi an die Kante eines Balkons und zog sich hoch. Er schaute kurz grinsend zu den Wächtern runter, sprang an die Kante des Flachdachs, hievte sich rauf und war weg.
Damit hatte der Zwerg nicht gerechnet. Silicic und er standen mit offenem Mund da und sahen dem Mann hinterher, obwohl dieser schon nicht mehr zu sehen war. Der Gauner war ohne Zweifel nicht ungeschickt. Drogan schoss sofort Profi durch den Kopf. Das war kein gewöhnlicher Schurke. Als er den Schrecken einigermaßen überwunden hatte, entdeckte er das Stück Stoff direkt vor ihm auf der Straße. Er nahm es auf und schaute sich den Inhalt an. Neben ihm schnaufte jemand entsetzt. "Platte!"
Drogan schaute Silicic an, der mit großen Augen auf das weiße Pulver in seiner Hand schaute. "Ja, und? Ein Beutel Mehl. Was ist daran so schlimm?"
"Nein, das ist Platte!"
Als der Troll merkte, dass ihn Drogan immer noch ansah, als hätte er seinen Namen vergessen, grummelte er. "Platte ist eine Trolldroge. Das Zeug verwandelt das Siliciumhirn eines Trolls zu Apfelmus."
Jetzt begriff der Zwerg. Er packte die Droge wieder in das Tuch und steckte es in seinen Wams. Silicic nahm das Fass mit dem Geld unter seinen Arm, was die Trolle vergessen hatten (was vielleicht auch die Schnelligkeit der Trolle erklärte, da sie nichts anderes im Kopf hatten als Flucht) und sie stapften zurück zum Pseudopolisplatz. Sie wussten ja, wo der Hehler zu finden war.

***


"WAS? PLATTE? HIER BEI UNS? UND MORD AUCH NOCH?" Atera verlor selten die Fassung. Jedenfalls soweit Drogan sie bis jetzt erlebt hatte. Als sie der SEALS Schäffin Bericht erstatteten, änderte sich das. "Das ist einer der schlimmsten Drogen, wenn nicht sogar DIE schlimmste. Und ihr seid sicher, dass die Verantwortlichen in der Leichenhalle zu finden sind?"
Silicic und Drogan nickten einstimmig. "Ja, Schäffin und wir haben uns auch schon eine Art Plan überlegt. Silicic und ich gehen rein und ein paar unserer Kollegen passen auf, dass keiner abhaut."
Stille im Raum, wobei Atera die beiden Wächter immer noch anblickte, als warte sie auf den Plan. Als Drogan aber nichts weiter sagte, musste sie davon ausgehen, dass er fertig war.
"Und das ist alles? Ihr geht da rein und ein paar SEALS sollen aufpassen, dass niemand raus kommt?"
"Nun, ja so dachten wir uns das", druckste Drogan, "wir haben ja noch keine handfesten Beweise und da dachten wir, wir reden erst mal mit den Leuten."
"Äh, tja, was soll ich sagen, versucht es. Ich hoffe nur, dass ihr dort auch wieder raus kommt. Am besten lebend."
So machten sich die beiden Wächter auf den Weg zur Leichenhalle. Shrappnell von Brigantine, Steven Träumer, Will Passdochauf und Lance-Korporal Rib im Schlepptau. Letzterer ließ es sich nicht nehmen auf die "Grünschnäbel" ein Auge zu haben. Drogan vermutete aber, dass ihn Atera mitgeschickt hatte, da er ziemlich lustlos auf Silicics Schulter saß.

***


"Ah, die Wächter schon wieder? Habt ihr etwas vergessen?" Der Doktor hatte die Tür nur einen Spalt breit geöffnet und schaute jetzt fragend durch diese Öffnung. "Ich bin gerade sehr beschäftigt, könnt ihr später wiederkommen?"
"Nein, können wir nicht", sagte Drogan zu dem Spalt, "Es ist sehr wichtig, im Namen der Stadtwache von Ankh-Morpork, öffne die Tür oder wir öffnen sie."
"Jaja, schon gut, ich mache ja schon auf." Die Tür ging zu und man hörte Geklapper und Gerassel aus dem Gebäude. Nach ein paar Minuten öffnete sich die Tür endlich und der Doktor winkte sie herein. "Musste erst noch die ganzen... Sicherungen von der Tür entfernen", sagte er und ging Richtung Treppe zum Keller. "Ihr kennt euch ja mittlerweile aus."
Der Zwerg schaute misstrauisch zur Tür, wo er zu seiner eigenen Bestätigung weder Ketten noch einen außergewöhnlichen Riegel sehen konnte. Das wäre ihm sicher sonst auch schon beim ersten Besuch aufgefallen. "Wir möchten mit deinem Schäff sprechen", sagte er zum Doktor.
"Der bin ich", bemerkte ein Mann, der durch die angrenzende Tür trat. "Guido, Guido Heimlich mein Name. Wie kann ich der Wache helfen?" Mit einem freundlichen Lächeln kam er auf sie zu und streckte Drogan die Hand hin.
Dieser schüttelte sie, "Freut mich, ich bin..."
"Ich weiß, wer ihr seid. Der gute Auf. Schneider hat mir von euch berichtet. Was kann ich tun?"
"Nun, wir suchen einen Herren, etwa zwei Meter groß, schwarze nach hinten gekämmte Haare, sehr muskulös, ausländischen Akzent. Trägt einen sehr teuer aussehenden Anzug."
"Ach, du meinst sicher meinen fetter Luigi? Er ist zu Besuch hier in der schönen Zwillingsstadt. Was wollt ihr von ihm? Er hat doch nicht etwa etwas verbrochen?"
Drogan merkte das Guidos Lachen aufgesetzt war, als er das fragte. "Das wird sich rausstellen."
"Er ist im Keller und hilft Doc Schneider ein wenig. Kommt." Sichtlich nervös ging Guido in den Keller runter gefolgt von dem Zwerg. Silicic hielt oben die Lage im Auge, da er ja nicht durch die Tür passte. Unten angekommen blinzelte Drogan erst mal, um sich an das schummrige Licht zu gewöhnen. Der gesuchte Mann stand an einem der Seziertische und schaute auf, als sie auf ihn zugingen.
"Luigi?", fragte ihn Drogan direkt.
"Ja, dasse bin ische. Warume äh?" Luigi hatte ein ziemlich großes Messer in der Hand, mit dem er gerade noch an dem toten Körper gearbeitet hatte.
"Wo warst du heute Morgen zwischen acht und zehn Uhr?"
"Wo solle ische gewesene sein? Ische war hier und habe geholfen äh."
"Ja das stimmt, dass kann ich bestätigen", sagte Guido sofort.
"Und warum habe ich dich dann in den Schatten bei der Töpferei von Herrn Eruptiv gesehen? Du hast dort mit drei Trollen gehandelt."
"Isch? Neeeein, Sie müssene mische mid jemandem verwechseln äh."
"Du warst das nicht?", fragte Drogan und tat dabei, als wäre er über die Antwort erstaunt. "Dann wird es dich ja sicher nicht stören, wenn ich deine Fingerabdrücke mit denen vergleiche, die wir auf dem Päckchen Platte gefunden haben, die der Händler auf der Flucht verloren hatte."
Drogan wusste, dass sich keine Fingerabdrücke an dem Beweisstück befinden konnten, aber er versuchte den Mann in einen Fehler zu treiben. Abwartend stand er vor Luigi, der sichtlich immer mehr in Panik geriet. Schweiß lief ihm am Gesicht runter und sein Blick suchte verzweifelt nach einer Idee.
Drogan merkte ein dumpfes Gefühl am Kopf. Er hörte aber mehr die Eisenstange, als dass er sie fühlte. Als er sich zu Guido umdrehte, schaute dieser immer noch verblüfft auf die Waffe in seiner Hand.
Das nutzte der Zwerg aus, er zog seinen Knüppel und rammte ihn abrupt in die Kniekehlen des Mannes. Dieser sackte vorne über und als sein Kopf in Drogans Höhe war, schlug er ihm noch mal kräftig ins Genick.
Guido war schon bewusstlos, als sein Kopf den Boden erreichte. Instinktiv duckte sich Drogan sofort nach rechts weg. Keine Sekunde zu spät, denn ein riesiges funkelndes Messer sauste dort durch die Luft, wo er gerade noch seinen Hals hatte.
"SILICIC!!!", brüllte Drogan, als er sich über den Boden, aus der direkten Reichweite von Luigi, rollte. Mit einem ohrenbetäubenden Krach von zerberstendem Stein, der von Stein weg geschoben wurde, kam der riesige Troll durch die viel zu kleine Tür in den Keller rein. Der Doktor sah das als Anlass zur Treppe zu sprinten, doch Drogan warf ihm seinen Knüppel zwischen die Beine und er landete mit der Nase direkt vor der ersten Stufe, wo er liegen blieb.
Die drei Personen im Raum standen sich schweigend gegenüber und fixierten sich mit Blicken. Drogan schaute leicht nervös zur Decke, als Staub von ihr runter rieselte. Ein leises Knacken war im Mauerwerk zu hören. Luigi stand am anderen Ende des Raumes und schaute abwechselnd die Wächter und die Decke an.
"Nimm die beiden Ganoven und dann nix wie raus hier", presste Drogan durch einen Mundwinkel aus Angst zu laut zu sprechen und damit das Unausweichliche zu früh auszulösen. Nach kurzem Zögern und erneutem Rieseln und Knacken, nahm der Troll Guido und Doc Schneider unter den Arm und rannte hinter Drogan die Kellertreppe hoch. Oben angekommen drehte sich der Zwerg um. "Komm, Luigi, schnell". Er konnte sehen, dass der Ganove kurz vor der Treppe war, als die Kellerdecke nachgab und über ihm zusammenbrach. Drogan konnte sich gerade noch mit einem Hechtsprung aus der Gefahrenzone begeben.
Als sich der Staub einigermaßen gelegt hatte, saßen Silicic und Drogan vor dem abbruchreifen Gebäude auf der Straße. Rib untersuchte bereits die Einsturzstellen und machte mit den anderen SEALS einen Plan für die Bergung der Toten. Drogan schaute zu Guido runter, der langsam wieder zu sich kam. "So, damit ist euer Spiel wohl aus. Luigi hat es leider nicht geschafft."
Guido Heimlich wirkte entsetzt, "Luigi.. ist... tot?"
"Sieht so aus. Es sei denn, er kann sich zu einem anderen Ort teleportieren."
Der Ganove wurde noch bleicher im Gesicht, als er es eh schon war. "Wenn ich dir alles sage, bekomme ich dann Schutz von der Wache?"
"Schutz? Vor wem?" Der Zwerg blickte Guido verwirrt an.
"Luigi war ein Verwandter vom Boss und der wird mit Sicherheit mir die Schuld an seinem Tod geben. Das bedeutet Blutrache."
"Vom Boss? Du warst also nicht der Schäff der Bande?"
"Nein, ich war bloß ein kleiner Handlanger. Ich wurde angestellt, weil ich mich in Ankh-Morpork auskenne wie sonst kaum jemand. Sie schafften dann die Drogen mit einem Trick in die Stadt und wollten hier das große Geld machen."
"Mit einem Trick?" Dem Zwerg dämmerte es. "Lass mich raten, der Leichenwagen. Und der Fahrer musste dran glauben, weil er zu viel wusste oder mehr Geld haben wollte, stimmt's?"
"So ähnlich. Die Drogen waren in den Leichen, wir wussten, dass dort niemand nachsehen würde. Ralf Kutschbock wollte den Boss erpressen. Ihm ist auf dem Weg in die Stadt eine Leiche vom Wagen gefallen und dabei ist etwas Platte rausgerutscht. Daher wusste er von den Drogen. Er wollte beteiligt werden, sonst wäre er zur Wache gegangen und hätte uns verraten. Luigi hat ihm das Genick gebrochen, als wäre es ein Streichholz."
Drogan überlegte kurz, "Und wo ist dieser Boss? Kannst du ihn beschreiben, damit wir nach ihm suchen können?"
Guido schluckte schwer, "Außer seine Frauen und Luigi hat ihn bis jetzt niemand wirklich zu Gesicht bekommen. Luigi ist tot und seine Frauen sind mit ihm verschwunden. Ich habe ihn seit gestern nicht mehr gesehen. Im Haus war er, glaube ich nicht."
"Dann wollen wir für ihn hoffen, dass er die Stadt verlassen hat", murmelte Drogan.
"Ich befürchte, dass er das nicht getan hat", flüsterte Guido so, dass nur er es hörte.
Lance-Korporal Rib kam auf sie zu, "So, dann bringt unsere beiden Gäste mal zur Wache. Wir werden bald möglichst mit dem Bergen der Toten und der Drogen anfangen." Silicic und Drogan rappelten sich auf und trotteten los Richtung Pseudopolisplatz.
"Ach und noch was ihr beiden", rief Rib ihnen nach, "ich will heute Abend noch euren Bericht auf meinem Schreibtisch sehen." Der Zwerg und der Troll sahen sich an.
Als sie merkten, dass sie zu nah nebeneinander her gingen, vergrößerten sie automatisch den Abstand.
"Ich genehmige mir gleich noch ein Bier im Eimer."
"Gut, dann werde ich später in den Eimer gehen, damit ich nicht mit einem Zwerg trinken muss."
Mit auffällig großem Abstand und sich absichtlich nicht beachtend gingen sie zur Wache am Pseudopolisplatz zurück.




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