The Fast And The Furious

Bisher hat keiner bewertet.

von Gefreiter Drogan Eisenschädel (SEALS)
Online seit 29. 07. 2004
PDF-Version

Seltsame Bilder werden von den installierten Ikonographen gemacht. Kann Drogan sich in seinem ersten Fall und seiner Ausbildung als Verkehrsexperte bei SEALS bewähren?

Dafür vergebene Note: 12

Ein neuer Tag war über Ankh-Morpork gekommen, was sich dadurch bemerkbar machte, dass die Schatten menschenleer waren und die Händler auf dem Hier-Gibt's-Alles-Platz anfingen ihre Waren feil zu bieten. Für die Meisten war es ein Tag wie jeder andere auch. Frau Apfelmus stritt wie so oft mit ihrem Mann darüber, dass er gefälligst nicht in der Öffentlichkeit zugeben solle mit ihr verheiratet zu sein. Schnapper trieb sich wie immer selbst in den Ruin mit seinen schmackhaften[1] aber viel zu günstigen Würstchen und Pasteten und die Wächter der Wache von Ankh-Morpork begannen wie gewohnt mit dem Tagewerk, wobei natürlich für die Nachtwache der Dienst gerade endete.


Irgendwo in einer Straße ging ein recht dicker Mann seiner Arbeit nach. Er trug eine Schürze, die irgendwann mal weiß gewesen sein musste. Jetzt war sie grau und mit dunklen Flecken übersäht, im Bündchen steckten zwei Fleischermesser. Kleine rote Äderchen durchzogen seine dicken Wangen und die rötliche Nase sagte jedem, "Hey, zu einem Gläschen Schnaps sage ich nicht nein." Seine Schweinsäugelchen huschten nervös hin und her, als würde er befürchten, dass jeden Moment ein Dieb um die Ecke springen könnte, um ihn zu bestehlen, oder schlimmeres. Eines seiner Augen schmückte ein violettes Feilchen. Schwarze Lederstiefel gaben obszöne Laute von sich als er sich dem Viehmarkt näherte. Der Boden war hier vom Regen letzte Nacht schlammig geworden. Unrat, Heu, altes Futter und der Staub von Ankh-Morpork bildeten einen regelrechten Sumpf rund um den Viehmarkt.
"Hallo Gilbert, was ist denn mit dir los? Warum zerrst du dieses Maultier mit dir rum, das hattest du doch gestern erst ersteigert, wenn ich mich recht erinner."
Als Metzger war er täglich auf dem Markt um neues Vieh für seinen Betrieb zu erwerben. Entsprechend bekannt war er unter den Veranstaltern und anderen Händlern.
Gilbert schenkte dem Mann, der ihn fragend anschaute, keine Beachtung. Mit einem entschlossenen Schnaufen ging er einfach an ihm vorbei und wendete sich dem Eingang des Marktes zu. Er schritt zum Auktionsleiter und drückte einem der bereit stehenden Assistenten den einfachen Strick in die Hand an dessen Ende das Maultier befestigt war. Wütend und mit sich überschlagender Stimme wandte er sich an den Auktionär, "Hier, versteiger das Mistvieh. Der Preis ist mir dabei egal."
"Was ist los? Du siehst aus, als hätte dich ein Maultier getreten", gab der Auktionsleiter scherzhaft zurück. Sein Grinsen versteinerte aber abrupt, als der wuchtige Metzger sich über den Tisch zu ihm rüber beugte, so dass sich die Gesichter fast berührten. Jetzt nahm der Auktionsleiter das erste Mal das Feilchen wahr, welches ein Auge des Mannes zierte. Dieses funkelte ihn nun genau wie das andere Auge erbost an.
Sofort erhellte sich sein Gesicht kurz, als er begriff, was passiert sein musste. Er versuchte sich jeden weiteren Kommentar zu verkneifen. Schließlich hatte der Mann zwei ziemlich große Messer an seiner Schürze mit denen er ohne Zweifel umgehen konnte.
"Äh, okay. Gilbert, der Preis ist egal?!"
"Ja, der PREIS ist egal, von mir aus kannst du das Geld sogar behalten. Hauptsache ich bin das Vieh los!" Damit drehte der Metzger sich auf dem Absatz um und marschierte zügig davon. So hatte der Leiter der Versteigerung den guten Gilbert noch nie erlebt. Mit einem leichten Grinsen auf dem Gesicht schaute er ihm nach. Er stellte sich gerade bildlich die Szene vor wie das Maultier...
"Okay, Jungs, bringt das Maultier in die Stallungen, es ist schließlich nicht das einzige, das einen neuen Besitzer benötigt." Er malte dem Tier noch mit Kreide eine große 58 auf die Seite bevor einer seiner Gehilfen es wegführte.

***


Drogan saß in der Kantine der Wache am Pseudopolisplatz, um diese Zeit war es hier noch sehr einsam. Wenige Wächter verwendeten die Möglichkeit in der Wache zu schlafen, es sei denn man wollte der wütenden Gattin aus dem Weg gehen oder man hatte es nach einer Fröhlichen Feier trotzdem versucht und wurde von der Gattin ertappt. In der Grundausbildung hatte er sein Quartier, wie alle Rekruten, direkt im Wachhaus in der Kröselstraße gehabt.
Es machte ihm eigentlich nichts aus mit mehreren Wächtern in einem Raum zu schlafen, in Überwald hatten Zwerge nie ein Zimmer für sich alleine. Andererseits fand er es aufregend ein Zimmer für sich zu haben, denn es bedeutete eine neue Erfahrung für ihn. Drogan mochte neue Erfahrungen. Vor ihm auf dem Tisch lag ein Brief, den er gerade geschrieben hatte. Seitdem er sich, in einer Nacht und Nebel Aktion, von zuhause weggeschlichen hatte, um in Ankh-Morpork sein Glück zu finden, hatte er sich nicht bei seinen Eltern gemeldet. Er dachte oft an zuhause, wie es seinem Vater wohl ging, der als Garde Soldat seinen Pflichten nachkam. Ob seine drei Geschwister seiner Mutter immer noch so viel Ärger bereiteten? Sie waren alle drei jünger als er und gerade Kinder gewesen, als er von Überwald fort gegangen war. Drogan legte den Stift auf die Seite, nahm einen großen Schluck Kaffee und las den Brief noch einmal durch.

Halo libe Ältern, halo libe Geschwista,
es tut mir sehr leidet das ich gegangten bin ohne mich zu verabschiedenen. Ich glaube aber das ihr versuchet hättet mich daran zu hindern und ich befürchtigte ihr hättet es auch geschaft. Euch geht es hoffentlich gut und ihr seiet mir nicht mehr böse. Hier in Ankh-Morpork geht es mir sehr gut. Ich habe gerade meine Grundausbildung bei der Stadtwache erfolgreichig abgeschlossen und bin jetzt Gefreiter. Ausserdem bin ich jetzt bei der Abteilung SEALS und mache eine Ausbildung zum Verkehrsexperten. Da muss ich lernigen auf Pferden zu reitigen und Wagen zu lenkigen. Den Verkehr in den Straßen regelen, Unfälle klärigen und viele dinge mehr. Meine Kameraden von der Grundausbildung haben mich nicht ernst genommigen als ich ihnen sagte das ich zu SEALS gehe. Einige haben mich sogar ausgelacht. Sie sagten, "Ein Zwerg bei SEALS, und dann auch noch als Verkehrsexperte. Das ist so absurdig wie einen Gnom als MUT Schützen auszubildigen." Ich werde es ihnen aber zeigigen, ich werde ihnen zeigigen das ein Zwerg auch diese Aufgaben sehr gut erledigen kann.
Ich schicke euch etwas Geld mit das ihr sicher gut gebrauchigen könnet. Ich schreibige euch bald wieder und würde mich freuigen auch von euch etwas zu hörigen.
Ich vermissige euch,
euer Drogan


Etwa sieben Monate war es her, als er sich damals von Überwald aufgemacht hatte, um in der großen Stadt Abenteuer zu erleben. Drogan seufzte leise, als er drei Dollar in den Brief legte und ihn säuberlich zusammenfaltete. Mit seinem Amulett, welches sein Symbol zeigte, versiegelte er das Papier mit Wachs. Er hoffte, dass seine Eltern ihm schreiben würden, denn trotz seiner Flucht liebte er sie sehr und er dachte fast jeden Tag an sie.

***


Hauptgefreiter Dennis Schmied war auf dem Weg zum fest installierten Ikonographen in der Straße der Geringen Götter. In letzter Zeit waren seltsame Aufnahmen von den Dämonen gemacht worden, die er sich nicht erklären konnte. Er war schon gespannt darauf, was dieses mal auf den Bildern zu sehen sein würde.
Er bog um die nächste Ecke, von hier aus konnte er normalerweise den Ikonographen an der Kreuzung Straße der Geringen Götter/ Oberer Breiter Weg bereits sehen. Seltsamerweise sah er ihn heute aber nicht. Dennis wurde unruhig, wo war das Gerät hin? Gestern war es doch noch da. Der Hauptgefreite fing an schneller zu laufen, aber so sehr er auch schaute, er konnte keinen Ikonographen sehen. An der Kreuzung angekommen hielt er vor dem Pfahl im Boden, der davon kündete, dass hier mal das Gerät gestanden hatte.
"Das kann doch nicht wahr sein", dachte er bei sich, "wer würde denn so etwas tun?" Dennis blickte sich um und entdeckte ein paar Splitter von der Holzbefestigung auf dem Boden. Als er die nähere Umgebung unter die Lupe nahm, fand er in einem kleinen Busch den abgerissenen und zerbeulten Ikonographen. Vorsichtig nahm er den Kasten mit beiden Händen hoch. Ein leises Stöhnen war im Inneren zu hören. Der Kasten war so verformt, dass sich die Türe nicht mehr normal öffnen ließ. Hauptgefreiter Schmied bog vorsichtig die Klappe auf, die Zugang zum Inneren bot. Der Anblick, der sich Dennis bot ließ ihn trotz der Ernsthaftigkeit schmunzeln.
Der Ikonographendämon lag dort begraben unter seiner Staffelei. Er war von oben bis unten bunt, da seine ganzen Farben wild durch den Kasten geflogen waren. Der Pinsel steckte noch hinter seinem Ohr.
"Was stehst du da rum und grinst? Ich bin schwer verletzt, also hilf mir gefälligst. Oder soll ich hier vor mich hin sterben?"
"Nur die Ruhe, ich nehme dich mit zur Wache, da wirst du erst mal komplett durchgesehen. Hast du Aufnahmen für mich? Vielleicht sogar vom Täter?"
"Aufnahmen, Aufnahmen, als gäbe es nichts Wichtigeres als Aufnahmen", schnatterte der Dämon, "und was heißt hier, ich werde durchgesehen? Meinst du etwa ich habe gar nichts? Glaubst du vielleicht ich tu nur so? Natürlich habe ich Bilder gemacht und das obwohl ich fast tot bin. Während meinem Todeskampf noch habe ich gemalt, jawohl."
Er bekam Kopfschmerzen durch das Geschnatter und beschloss deswegen erst in der Wache zu versuchen die Bilder vom Dämonen zu bekommen. Dennis machte die Tür wieder zu, jedenfalls so weit wie es das verbogene Ding zuließ. Er nahm den Kasten unter den Arm und ging Richtung Pseudopolisplatz zurück. Gedämpftes Zetern in einer sehr hohen Stimmlage begleitete ihn auf seinen Weg.

***


Herr Gator Ohnehuf war Tierarzt in Ankh-Morpork. Hinter seinem Schreibtisch bot der gut zwei Meter große drahtige Mann einen seltsamen Anblick. Sein furchiges Gesicht hatte Ähnlichkeiten mit einem Ball dem Luft fehlte und zudem noch wie eine Banane in die Länge gezogen worden war. Man sah, dass er einfach nicht hinter den Schreibtisch gehörte.
Er brütete angespannt über die neusten Ein- und Ausgaben, wobei er hin und wieder mal stumm den Kopf schüttelte. Er legte den Stift auf die Seite und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Es schwirrten zu viele Dinge durch seinen Kopf, als dass er sich jetzt auf seine Buchhaltung konzentrieren könnte. Heute Morgen war er beim Viehmarkt gewesen. Wie jeden Morgen. Die Händler verließen sich auf ihn und sein Urteil bevor sie sich für den Kauf entschieden, weswegen er ein gefragter Mann auf dem Markt war. Dieser Vormittag war aber nicht wie immer verlaufen, er hatte dieses Mal ein Tier gekauft. Besser gesagt, er hatte es bekommen, denn er hatte es nicht zu bezahlen brauchen. Er war schlichtweg einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen.
Oder war es der falsche Ort zur falschen Zeit? So richtig wusste das Gator noch nicht. Was sollte er bloß mit dem Tier anfangen? Behalten? Auf keinen Fall! Verkaufen war eine gute Idee. Geld brauchte er immer, bloß an wen? Er fuhr sich gedankenverloren mit der Hand über das angeschwollene linke Auge und zuckte sofort zusammen, als er die Gesichtshälfte berührte. Entschlossen stand er auf und ging zu den Stallungen, er hatte eine Idee.

***


Ein ziemlich eiliger Hauptgefreiter stürzte ins Wachhaus. Unterm Arm ein motzender kleiner Kasten. Drogan vermutete, dass es sich wohl um einen Ikonographen handelte, auch wenn dieser etwas ramponiert aussah.
Der Zwerg hatte erst kürzlich diese Geräte bei Beginn seiner Ausbildung erklärt bekommen. Es handelte sich dabei um einen Kasten, der etwa zwei Meter über dem Boden an einem Holzstab befestigt wurde. Einige Meter vor dem Kasten waren auf der Straße mit etwas Abstand zwei weiße Linien gezogen worden. Im Inneren des Kastens saß ein Dämon und malte von jedem Wagen ein Bild, der weniger als eine Minute brauchte, um von der einen Linie zur anderen zu fahren. Wichtig dabei war, dass man dem Dämon klar machte, dass es vor allem auf das Gesicht des Fahrers und die Nummer des Wagens ankam. So konnte man bequem Raser entlarven.
Neugierig wie er war ging er hinter Dennis Schmied her, um vielleicht zu erfahren was los war.
Dennis stand bereits im Büro der Schäffin und redete wild gestikulierend mit ihr. Die Tür hatte er in der Aufregung vergessen zu schließen, was Drogan einen guten Blick ins Büro bescherte. Atera bemerkte ihn wie er da im Türrahmen stand und hob den Kopf.
"Ah, Drogan, das trifft sich gut, dass du da bist. Komm doch rein." Er salutierte kurz, was Atera lässig zurückgab. Daran musste sich Drogan noch gewöhnen, ein Gefreiter zu sein war anders als ein Rekrut. Es war alles ...lockerer. Klar, Atera war seine Vorgesetzte aber sie benahm sich trotzdem wie ein Kamerad. Das gefiel Drogan, denn dadurch hatte er das Gefühl anerkannt zu werden und zum Team zu gehören.
Der Ikonograph stand auf dem Schreibtisch. Atera wandte sich einem kleinen, ziemlich bunt beklecksten Dämon zu, der mit verschränkten Armen neben dem Kasten stand. Dennis nickte Drogan freundlich zu, als dieser an den Schreibtisch trat. "Hast du erkennen können wer das war? Die Bilder sind ja ziemlich undeutlich."
"Versuch du mal einen geraden Strich hin zu bekommen wenn dein Haus dabei hin und her geschleudert wird", gab der Dämon beleidigt zurück.
"Ich habe heute morgen den Ikonographen zerstört vorgefunden", berichtete Dennis kurz, um Drogan die Lage zu erklären. "Ich vermute, dass es dieselben waren, die in letzter Zeit so viel Unfug mit den Ikonographen getrieben haben. Bis jetzt hatten sie sich allerdings damit zufrieden gegeben uns mit provozierenden Bildern zu ärgern." Mit den Worten schmiss er ein paar Bilder vor Drogan auf den Schreibtisch. Interessiert sah sich Drogan die Bilder an.
"Äh, sind das... ihre blanken Hintern hier auf dem Bild? Und... uuuh, dazu gehört bestimmt akrobatisches Geschick."
"Ja, ist das nicht unerhört? Und auf keinem der Bilder kann man die Täter identifizieren, es sei denn wir würden alle Hintern in Ankh-Morpork untersuchen", sagte Dennis und schaute dabei zu Atera, die immer noch vom Dämon darauf aufmerksam gemacht wurde, dass er trotz Todeskampf sein bestes gegeben hatte.
"Ah, Steven?!", rief Atera Steven Träumer zu, der gerade am Büro vorbei ging. Er spähte mit einem fragenden Blick ins Büro rein. "Bring bitte den Ikonographen zum Reparieren weg. Und nimm auch gleich den Dämon mit, er soll sich saubermachen und wieder für seine Tätigkeit eingesetzt werden."
"Ja, Schäffin, wird erledigt." Steven schubste den protestierenden Dämon in den Kasten zurück und verließ dann mit ihm das Büro. Atera seufzte erleichtert.
"Dämonen, sie sind zwar nützlich aber auch sehr nervenaufreibend." Sie setzte sich hinter den Schreibtisch, " Ich möchte, dass ihr die Augen aufhaltet. Die Situation scheint zu eskalieren, denn die Rowdies werden immer mutiger. Lasst euch etwas einfallen. Hier die Bilder von der heutigen Tat. Sind zwar alle verwackelt, aber vielleicht könnt ihr trotzdem was mit anfangen." lässig schnippte sie die Bilder auf den Schreibtisch. "Ach und Drogan, Rib wartet auf dich. Deine erste Reitstunde steht auf dem Plan."
"Werde mich sofort bei ihm melden, Mä'äm", sagte Drogan sofort, salutierte und ging aus dem Büro.
"Reitstunde? Ein Zwerg auf einem Pferd, Schäffin?" Dennis schaute seine Vorgesetzte zweifelnd an. "Ich glaube, es steckt mehr in dem Zwerg, als wir alle glauben, Dennis", erwiderte Atera schlicht.

***


Rib wartete vor der Wache auf Drogan. Der Lance-Korporal gab ein recht seltsames Bild auf dem Rücken eines Pferdes ab. "Da bist du ja Drogan, sehr nett, dass sich der Herr auch mal bequemt zur Lehrstunde zu kommen." Sein freundliches Gesicht zeigte dem Zwerg, dass es Rib nicht sehr ernst meinte. Der Gnom sprang vom Rücken des Pferdes runter auf Drogans Schulter. "So, das hier ist Gerda. Gerda ist ein Haflinger was man an der etwas stabileren, rundlicheren Form erkennt. Außerdem haben sie solch hübsche Franseln an den Fesseln und eine Eigenschaft, die dieses Pferd gerade zu für Anfänger anbietet, ist die Gutmütigkeit dieser Rasse. Am besten sagst du Gerda erst mal hallo und stellst dich bei ihr vor."
Drogan schaute fragend auf seine Schulter, "Ich soll was?!"
"Na, du sollst dich bei ihr vorstellen. Du würdest sicher auch nicht einfach jemanden auf deinen Rücken steigen lassen, den du gar nicht kennst oder? Außerdem musst du zu deinem Pferd eine Beziehung aufbauen. Natürlich bist du der Boss in dieser Beziehung, aber ein Pferd hat einen eigenen Charakter. Behandel es wie einen guten Freund. Wenn es dich dann auch als seinen Freund akzeptiert, macht das Pferd alles was du willst. Naja, meistens jedenfalls." Rib stieß Drogans Kopf in Gerdas Richtung, "Na los doch, ich will zeitig Feierabend machen."
Unsicher ging Drogan auf den Kopf des Pferdes zu, der ihn schon neugierig entgegenschaute. "Du hast hoffentlich an den Zucker gedacht, wie ich es dir gestern gesagt habe", flüsterte Rib ihm ins Ohr. Sofort suchte die Hand des Zwerges in einer seiner vielen Taschen nach dem verlangten Zucker.
"Äh, ja, hier habe ich Ihn. Und jetzt?"
Leicht verärgert knurrte der Gnom: "Na, was wohl? Leg ihn dir auf den Kopf, dreh dich im Kreis und sing dabei das Igel Lied. MANN DROGAN, hast du noch nie ein Tier gefüttert oder wenigstens dabei zu gesehen? Stell dich nicht so an, auch wenn du ein Zwerg bist."
Drogan streckte die geballte Hand mit einem Stück Zucker aus, wobei er darauf achtete seinen kurzen Arm so lang zu machen wie es nur ging. Als Gerdas Nüstern anfingen an seiner Hand zu Schnüffeln, zuckte er kurz zusammen. Automatisch öffnete er langsam die Hand, sobald der Weg zum Zucker groß genug war für Gerda hatte sie diesen auch schon im Maul.
Drogans Hand wanderte an die Stirn und als er merkte, dass nichts schlimmes passierte, wurde er noch mutiger, ging einen Schritt näher und tätschelte den Hals des Pferdes. Gerda machte den Eindruck als wäre sie zufrieden. Sie kaute weiter an dem Zuckerstück rum und stupste den Zwerg mit dem Kopf an. Fast hätte Drogan dabei seinen Helm verloren, aber was ein richtiger Zwerg war, der wusste wie man seinen Helm auf dem Kopf behielt.
"Dann steig mal auf ihren Rücken. Erst tust du deinen linken Fuß in dieses Ding hier, welches man Steigbügel nennt. Wenn du dich dann am Knauf vom Sattel festhältst, kannst du dich daran hochziehen, so dass du das rechte Bein über das Pferd hieven kannst. Kapiert?!" Der Lance-Korporal hüpfte auf das Hinterteil vom Pferd, wobei er die Gurte vom Sattel als Hilfe verwendete, um ganz drauf zu kommen.
"Ich glaube, ich habe da ein kleines Problem, Lance-Korporal. Ich bin eindeutig zu klein. Wenn ich hoch springe, könnte ich vielleicht bis an den Knauf kommen, aber nur vielleicht."
Rib schaute nachdenklich abwechselnd Gerda und Drogan an. "Du hast recht, du kannst nicht mal über ihren Rücken schauen. Versuch es mit dem Schemel neben der Eingangstür."
Drogan nahm also den Schemel, platzierte ihn neben Gerda und stellte sich drauf. Mit beiden Händen griff er nach dem Sattelknauf und stemmte seinen linken Fuß in den Steigbügel. Gerade als er sich hochziehen wollte, lief Gerda einfach los. Nicht schnell, jedenfalls für die Beobachter nicht, sie trabte geradewegs die Glatte Gasse runter.
Drogan klammerte sich verzweifelt am Sattel fest und schloss die Augen. Rib hatte bereits die Zügel in der Hand und versuchte den Haflinger zum Anhalten zu bewegen. "Ich weiß nicht, was in sie gefahren ist, ich kann sie nicht stoppen. Versuch ab zu springen, Drogan."
Das war leichter gesagt als getan, schließlich steckte Drogans linker Fuß immer noch im Steigbügel fest. Ein abrupter Richtungswechsel von Gerda nach rechts änderte diese Situation allerdings schneller als gewollt. Mit einem Aufschrei flog der Zwerg wie von einem Katapult abgeschossen genau in die andere Richtung und landete mit einem FLATSCH im Ankh. Oder besser gesagt auf dem Ankh. Einige Wächter, die das ganze beobachtet hatten, standen am Ufer und klopften sich auf die Schenkel vor Lachen. Rib, der seltsamerweise kurz nach dem Abflug von Drogan das Pferd wieder unter Kontrolle bekommen hatte, ließ sie schnell mit ein paar scharfen Worten verstummen und gab Anweisungen Drogan aus dem Ankh zu ziehen. "Seltsam", dachte er bei sich, "So habe ich Gerda noch nie erlebt."

***


Es klopfte an der Tür. "Ja?" Stabsspieß Atera schaute nicht auf, als die Person ihr Büro betrat.
"Schäffin?! Der Tierarzt Ohnehuf ist hier und möchte mit dir sprechen."
"Soll rein kommen, Tibor."
"Äh, nun, er will, dass du zu ihm raus kommst. Er sagt, er hätte was für dich."
Atera legte den Stift auf die Seite und blickte das erste Mal auf, "Ich wusste gar nicht, dass Gator Ohnehuf zu einen meiner Verehrern zählt, nicht, dass ich welche hätte, aber äh dann wollen wir mal schauen was er will." Sie stand auf und ging vor die Tür wo Gator aus sie wartete.
Der Tierarzt trat dort nervös von einem Bein aufs andere. "Ah, Frau Stabsspieß, schön dass du kurz Zeit für mich hast." Ohnehuf war sichtlich unruhig. Das war er immer, wenn er mit Atera zu tun hatte. Das lag daran, dass er als Arzt, auch wenn er nur Tierarzt war, sich einfach nicht wohl fühlte in Gegenwart von Untoten. Er fand das abnormal und es widersprach allem, was er als Arzt gelernt hatte. Aber was war in Ankh-Morpork schon normal?
"Ich habe hier ein tolles Angebot für die Wache. Als ich das Tier bekommen hatte, habe ich sofort an dich gedacht. Du brauchst doch bestimmt noch ein gutes Last-, Zug- oder Reittier. Komm mit, ich habe es hinterm Haus angebunden." Mit wenig Interesse ging Atera dem Tierarzt hinters Haus nach. Sie konnte sich gar nicht daran erinnern, dass er hinkte. Zudem hatte er ein ziemlich hässliches blaues Auge.
Als sie um das Haus rum waren, blieb Gator erschrocken stehen. "Wo ist es hin? Ich hatte ihn doch hier angebunden!", rief er entsetzt.
"Meinst du das Maultier hier?", fragte Atera, die noch ein Stück weiter gegangen war und neben einem Maultier stand, das genüsslich seinen Kopf in einen Wasserbottich gesteckt hatte. An seinem Hals baumelte ein Strick an dessen Ende noch der Metallring hing, der wohl vor kurzem noch an der Wand befestigt gewesen war.
"Oh, ja genau, das Maultier habe ich gemeint. Ich konnte es heute Vormittag ersteigern und dachte mir, dass du es vielleicht brauchen könntest." Der Tierarzt versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass er nicht gerade verliebt in das Tier war. Für Atera war es offensichtlich da Gator respektvollen abstand hielt.
Jetzt ergab es für sie alles auch Sinn, sie hatte doch gewusst, dass er eigentlich nicht hinkt, und das Feilchen... Sie versuchte nicht zu lachen, als sie fragte: "Na schön. Wie viel?!"
"Najaaaa, er war nicht ganz billig und ich hatte ...weitere Unkosten. Zehn?"
"Zehn? Bist du noch bei Trost? Für zehn Dollar bekomme ich ein ganzes Gespann."
"Na gut, sechs?!" Ohnehuf schwitzte enorm und er tänzelte auf der Stelle. Ateras jahrelange Erfahrung bei der Wache machte sich in solchen Situationen mehr als bezahlt. Sie schaute ihn einfach nur ungläubig und abwartend an. Als Gator merkte das sie nichts mehr sagte und die Stille zwischen ihnen Peinlich wurde, musste er einfach was sagen.
"Okay, okay. Drei Dollar, mein letztes Wort. Damit lege ich sogar noch drauf."
"Ich gebe dir zwei!"
"Verkauft!"
Ohnehuf nahm die zwei Dollar von Atera, verabschiedete sich hastig und ging. Die SEALS Schäffin blickte ihm kopfschüttelnd hinterher, nahm dann den Strick, der an dem Maultier befestigt war und führte es in den Stall der Wache. Als sie ihm den Strick abgemacht hatte und die Türe schloss, drehte sie sich noch mal zu ihm um. "Wenn du meinst, dass du mich treten müsstest, dann tu das ruhig. Ich bin ein Zombie, es macht mir nichts. Du wirst aber merken, dass ich dir dein Futter kürze, wenn du das tust, also überlege dir das nächstes Mal besser, ob du hungern möchtest." Atera renkte sich ihr linkes Bein wieder ein und ging zurück in ihr Büro.
Eine weiße 58 schimmerte schwach auf der Flanke des Maultieres.

***


Der Mond grinste mit vollen Wangen auf die Straße runter. Ein einsamer Wassertropfen hing an einem Fenstersims und versuchte sich so lange wie möglich fest zu halten. Kleine Kollegen sammelten sich in seiner Nähe, sie mussten zu ihm fließen ob sie wollten oder nicht. Der Tropfen schwoll an, als sich seine Brüder mit ihm vereinten. Die Schwerkraft zog ihn runter und ließ sein Gewicht unerträglich werden. Er ließ los und fiel.
Die Morgensonne spiegelte sich in der kleinen Pfütze unter dem Fenstersims.

***


Die Bilder ergaben einfach keinen Sinn. Dennis Schmied setzte sich auf seinen Stuhl.
Er hatte heute Morgen seit gut zwei Stunden versucht irgendwelche Hinweise aus dem vorhandenen Material zu bekommen. An der Wand hatte er einen Stadtplan von Ankh-Morpork gehängt und die Bilder der Ikonographen waren an den Stellen aufgehängt, wo diese entstanden waren.
Ein Bild war an der Kreuzung Kurze Straße - Bodenbienenstraße gemacht worden. Das mit den Hintern war genau zwei Tage vorher an der Kreuzung Straße der Schlauen Kunsthandwerker - Kurze Straße gemacht worden. Die gestrigen, unscharfen Aufnahmen, wo sogar der Ikonograph zerstört worden war, war an der Ecke Straße der Geringen Götter - Oberer Breiter Weg. Tief in Gedanken versunken, bemerkte er Drogan erst, als dieser neben ihm stand und ihm einen Kaffee unter die Nase hielt, "Und Dennis? Schon etwas raus gefunden?"
"Nein, immer noch so schlau wie vorher. Ich habe gehört, dass du gestern einen kleinen Unfall hattest, an dem Gerda nicht ganz unbeteiligt gewesen sein soll." Mit einem breiten Grinsen schaute der Hauptgefreite über die Tasse hinweg zu Drogan.
Dieser schüttelte sich bei den Erinnerungen, wo er die Bekanntschaft mit dem Ankh gemacht hatte, "Ja ja, witzig. Ich habe mehrere Stunden baden müssen und das auch noch mit Seife. Und das, obwohl ich erst vor ganzen vier Monaten das letzte mal gebadet habe. Aber zu unserem Problem zurück. Gib mir mal die Bilder von gestern, die Unscharfen, vielleicht kann man da doch noch etwas erkennen."
Dennis nahm die Bilder von der Wand und gab sie dem Zwerg, "Das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Ich habe alle Bilder genau untersucht. Nicht mal ein Teil eines Gesichtes ist zu erkennen. Das eine Verschwommene könnte ein Gesicht sein, aber es ist so nah, dass es durch die gleichzeitige Verwackelung nicht zu erkennen ist. Man kann bloß erahnen wo die Nase und wo der Mund ist."
Drogan legte die Bilder auf den Schreibtisch und betrachtete sie, als würde er sie hypnotisieren können, "Was bedeutet, dass es Menschen sein müssen. Jedenfalls nach den Hintern und dem einen schemenhaften Gesicht zu urteilen."
"Ja, so weit bin ich auch schon." Dennis nippte an seinem Kaffee und legte die Füße auf den Schreibtisch.
"Hast du so ein Ding, wo man Sachen mit größer sehen kann?", fragte Drogan ihn.
"Du meinst ein Dingegrößersehglas!?", sagte Dennis und kramte in einer seiner Schubladen. "Ich habe eins geschenkt bekommen zu meiner ersten Beförderung." Der Hauptgefreite reichte Drogan das Gerät.
Der Zwerg schaute sich das Bild mit dem geisterhaften Gesicht genauer an, "Ich glaube ich habe etwas gefunden, Dennis, in der linken Ecke ist im Hintergrund ein Teil eines Wagens zu sehen. Zwar nur die linke Rückseite aber ich kann deutlich den eingeritzten Text entziffern. Da steht, ICH BREMSE NICHT FÜR TROLLE." Drogan gab Dennis das Dingegrößersehglas und das Bild, damit er sich das auch anschauen konnte, "Wer lässt sich nur solch einen dummen Spruch einfallen?"
Der Hauptgefreite legte das Größersehglas auf die Seite, "Jugendliche reiche Schnösel oder Studenten würde ich sagen. Lass uns in der besseren Wohngegend unauffällig ein paar Wagen begutachten." Hauptgefreiter Schmied legte sein Dienstschwert an und marschierte mit Drogan im Schlepptau aus dem Büro.

***


Ein kleines blaues zappelndes Etwas flog an Atera vorbei und landete in einem Haufen Stroh. "So ein Mistvieh", kam es aus dem Strohhaufen, "es wird noch sehen, was es davon hat." Rib schüttelte sich ein paar Strohhalme aus den Kleidern, nachdem er sich aus dem Haufen gewühlt hatte, "Wo hast du das Biest her? Ich habe ja schon viel erlebt aber so ein bockiges Vieh ist mir noch nicht untergekommen."
Atera, die gelangweilt an einem Stützpfeiler des Stalls lehnte, machte Anstalten wieder in die Wache zu gehen, "Ich will nur eins wissen, wirst du mit ihm fertig oder nicht Rib?"
Der Lance-Korporal schnaubte verächtlich, "Wenn ich nicht mit ihm fertig werde, dann keiner."
"Gut, dann berichte mir später darüber, ich habe noch Wichtigeres zu tun." Atera ging in ihr Büro zurück.
"Das wäre doch gelacht, wenn ich, Rib, nicht dieses Maultier bändigen könnte", sagte er zu sich selber und startete den nächsten Versuch.

***


"Dennis? Meinst du wirklich wir sind auf der richtigen Spur?" Drogan und Dennis streiften jetzt schon sein mehreren Stunden durch die Straßen der gehobeneren Wohngegend und suchten nach dem ominösen Wagen.
"Ich bin mir sicher, dass es nur ein Schnöselkarren sein kann. Der muss hier irgendwo stehen. Hier in der Teekuchenstraße vielleicht."
"Gut, aber wenn wir ihn gefunden haben, wie beweisen wir, dass der Besitzer für diese Taten verantwortlich ist? Der Besitzer muss ja nicht zwingend auch der Täter sein."
Hauptgefreiter Schmied blieb bei dem Einwand von Drogan abrupt stehen, "Hmmm, stimmt, das bringt also wenig. Am besten wäre es, wenn wir die Täter auf frischer Tat erwischen."
Drogan zupfte an Dennis Ärmel, "Schau mal dort in der Einfahrt, das könnte unser Karren sein." Die beiden Wächter schauten sich um. Da sie niemand zu beobachten schien, schlenderten sie zu dem Wagen rüber. Hinten rechts wies dieser tatsächlich den eingeritzten Spruch auf.
"Und jetzt?", fragte Drogan seinen Kollegen.
"Ich weiß nicht, vielleicht sollten wir den Besitzer aufsuchen und ihn befragen."
Drogan holte ein Messer aus seinem Stiefel, "Ich habe eine bessere Idee. Wann wurden die jeweiligen Bilder gemacht, Dennis?"
"Also die ersten wurden vor fünf Tagen gemacht", entgegnete der Hauptgefreite.
"An der Kreuzung Straße der Schlauen Kunsthandwerker - Kurze Straße, richtig?", schmiss Drogan ein.
"Ja. Das nächste Bild wurde vor drei Tagen gemacht. An der Kreuzung Kurze Straße - Bodenbienenstraße. Und die letzten Bilder wurden gestern gemacht. Wo auch der Ikonograph dran glauben musste. An der Ecke Straße der Geringen Götter - Oberer Breiter Weg"
Die Stille dauerte einige Minuten bis sie Drogan mit einer Erkenntnis beendete, "Was fällt dir da auf, Dennis?" Wie beiläufig hatte Drogan ein dickes X auf die Rückseite des Wagens geritzt.
"Wenn ich mir das so vor Augen halte, fällt mir auf, dass seit dem ersten Mal immer zwei Tage später der nächste Vorfall war", sagte Dennis.
"Genau das ist mir auch aufgefallen. Was bedeutet, dass sie sehr wahrscheinlich Morgen wieder zuschlagen. Und ich glaube sogar zu wissen wo. Wenn man die betroffenen Kreuzungen mit einer Linie verbindet, ergibt das ein offenes Rechteck. So viel ich weiß, steht an der Ecke Oberer Breiter Weg - Straße Schlauer Kunsthandwerker noch ein Ikonograph, was dann genau das Rechteck ergeben würde. Ich weiß es ist dünn, aber sag mir was Besseres!?"
Dennis überlegte kurz, "Okay, ich glaube auch schon eine Idee zu haben. Dazu müssen wir aber ein paar Vorbereitungen treffen und wir brauchen noch etwas Hilfe. Gehen wir zur Wache zurück, ich erkläre dir auf dem Weg meinen Plan."

***


Drogan war verzweifelt. Dennis Plan sah vor, dass er auf einem Pferd saß. Wie zum blinden Io sollte er in so kurzer Zeit noch Reiten lernen? Er konnte sich ja nicht mal im Sattel halten, wenn er überhaupt bis dahin kommen würde.
Er stand vor der Wache am Pseudopolisplatz und beobachtete, wie die Abenddämmerung hereinbrach. "Vielleicht fällt mir etwas ein, wenn ich die Pferde begutachte", dachte er und ging zu den Stallungen. Auf dem Weg dorthin begegnete er Lance-Korporal Rib, der vor sich hinfluchend einfach an ihm vorbei ging. Er sah ziemlich erschöpft aus fand Drogan, "Scheint einen schlechten Tag gehabt zu haben, wenn er mich nicht mal beachtet."
Im Stall ging Drogan Gerda besuchen, "Hallo Gerda, würdest du mich noch mal versuchen lassen auf dir zu reiten, ohne dass du mich in den Ankh wirfst?" Der Haflinger nahm dankbar schmatzend das Stück Zucker entgegen, welches Drogan ihr anbot. Irgendetwas hielt ihn an seinen Haaren fest. Als sich der Zwerg losriss und sich umdrehte, blickte er in zwei große runde Augen, die sich genau zehn Zentimeter vor seinen befanden.
Erschrocken stolperte Drogan zwei Schritte zurück, fiel über einen Hocker und landete mit seinem Hintern im Stroh. Verdutzt schaute er auf das vor ihm stehende Maultier. Es machte noch zwei Schritte auf ihn zu, beugte dann seine Vorderläufe, so dass es aussah, als würde es den Zwerg anbeten wollen, und klappte dann sogar noch seine Hinterläufe genau so ein. Das Maultier lag jetzt direkt vor ihm und schaute ihn aus seinen braunen Augen an. Der Zwerg rappelte sich vorsichtig auf und streckte seine Hand aus. Das Tier ließ sich ohne Gegenwehr streicheln. Drogan hatte sogar das Gefühl, als würde das Maultier sich über seine Berührung freuen und er meinte ein leises Seufzen von ihm gehört zu haben. Das gab ihm Mut. Er stand ganz auf und setzte sich behutsam auf den, in Bodenhöhe befindlichen, Rücken. Kaum saß er, bewegten sich die sehnigen Muskeln des Tieres. Erst hatte Drogan Angst, er könnte vielleicht runter fallen, aber das Maultier stand so behutsam auf, dass er nicht mal durchgeschüttelt wurde.
"Nun, toll, ich bin begeistert", sagte Drogan zu sich selber. "Und wie steuer ich das ganze jetzt? Geschweige denn, wie ich wieder runterkomme?" Zaumzeug hing plötzlich neben ihm. Als wüsste das Maultier genau, was Drogan gesagt hatte, war es zum Zaumzeug gegangen, welches an einem Pfahl neben seiner Box hing.
Drogan legte ihm das Zaumzeug an, wobei das Tier dabei zu helfen schien. Entweder war das ein magisches Muli oder er war nicht der erste Zwerg, der auf diesem Tier gesessen hatte. Drogan versuchte noch ein paar Sachen aus während es über Ankh-Morpork dunkel wurde und Sterne den Himmel besetzten.

***


Es war soweit, Drogan war auf seiner Position und wartete auf seinen Einsatz. Die letzte Nacht hatte er im Stall geschlafen. Er hatte es einfach nicht mehr geschafft in die Wache zu seinem Bett zu kommen. Als er aufwachte, lag er im Stroh und neben ihm fraß ganz gemütlich das Maultier, was ihn so sehr überrascht hatte letzten Abend. Bevor die Wache zum täglichen Leben erwachte, ritt er bereits durch die Straßen. Ja, er ritt. Er konnte es selber kaum glauben. Damit konnte er im Zirkus auftreten. Ein Zwerg, der ritt. Automatisch schwoll seine Brust an bei den Gedanken.
Bevor er aufgebrochen war, hatte er dem diensthabenden Wächter bescheid gegeben, dass er dem Hauptgefreiten Schmied sagen sollte, dass sie sich wie verabredet treffen würden. Drogan kannte die diensthabende Wächterin bis jetzt nur flüchtig. Er glaubte, es war Rogi Feinstich von FROG, die auch als Sanitäterin fungierte.
Jetzt war aber nicht die Zeit darüber nach zu denken, denn zwei verdächtige Wagen kamen die Straße Schlauer Kunsthandwerker rauf. "Hoffentlich sind alle in Position", dachte er, als er sah, dass einer der Wagen ein eingeritztes X aufwies, als dieser vorbei fuhr. "Das ist er eindeutig, jetzt nicht zu schnell handeln, Jungs", flüsterte er zu dem Muli und sich selber. Sie hielten kurz hinter der Gasse, in der er im Schatten wartete. Drogan konnte sie nicht sehen, aber er hörte, was sie sagten.
"So, bevor die Sache steigt, müssen wir noch sicherstellen, dass dieses Ding dort keine Bilder von uns machen kann. Unseren Spaß hatten wir damit bereits also, an die Arbeit." Drogan konnte hören, wie sich jemand an dem Kasten zu schaffen machte. Dann ging alles ganz schnell und alles passierte fast gleichzeitig. Ein schriller Ton erklang, welcher von Dennis Pfeife ausging und das Signal zum Zugriff bedeutete. Drogan ritt aus der Gasse und sah vor sich die zwei Wagen stehen.
Auf jedem Wagen saßen zwei junge Männer auf dem Bock, die sich wild nach allen Seiten umschauten, verwirrt durch das Chaos, was um sie herum plötzlich auf sie einregnete. Zwei weitere waren mit dem Ikonographen beschäftigt. Der eine hatte den anderen huckepack und der Obere hielt einen Pinsel mit Farbe in der Hand. Es war offensichtlich, dass sie versuchten das Sichtfenster von dem Dämon im Ikonographen mit Farbe zu beschmieren. Als Dennis mit einem Wagen auf die Straße schoss und sich quer vor die beiden Wagen der jugendlichen stellte, siegte die Schwerkraft und die beiden Jungs fielen rücklinks um.
Sofort waren Steven Träumer und Tibor Khäinen bei ihnen, um auch nur den Gedanken an einer Flucht zu verhindern. Darüber schienen die Wagenlenker allerdings sehr wohl nachzudenken. Der eine versuchte tatsächlich seinen Wagen zu wenden, was aber ein sinnloses Unterfangen war. Die Straße war einfach nicht breit genug und ehe sie sich versahen, stürmten SEALS den Wagen.
Der andere Wagenlenker versuchte es direkt geradeaus, wo jedoch Dennis stand. Dabei bemühte sich der Beifahrer die Wächter mit der langen Peitsche auf Distanz zu halten. Holz splitterte, als sich der Wagen durch die kleine Lücke zwischen der Häuserwand und dem Karren des Hauptgefreiten quetschte. Drogan überlegte nicht lange, er setzte sofort hinter dem flüchtenden Wagen her. In wilder Fahrt rumpelte dieser Richtung Patrizierplatz. Menschen stoben auseinander, als er über den Platz donnerte und über die Messingbrücke fuhr.
Drogan konnte sehen, wie einige Passanten sich sogar über die Brücke warfen, um dem Wagen zu entkommen. Der Wagen hatte etwas Schlagseite nach rechts, welche er sich bei dem Durchbruch der Blockade eingefangen hatte. Dadurch schleifte das eine Hinterrad etwa am Wagen und verlangsamte ihn so. Leider nur minimal, aber es keimte zumindest der Hoffnungsschimmer bei Drogan auf, dass es das Rad nicht aushalten und sich selbstständig machen würde.
Als der Wagen den Unterer Breiter Weg lang fuhr, hatte Drogan schon das Hinterteil des Karrens in Griffweite. "Schon erstaunlich, wie schnell dieses Maultier ist", schoss es ihm durch den Kopf. Kaum hatte er den Gedanken zu Ende gedacht, wurde das Tier langsamer und blieb stehen. "Was ist los? Lässt du mich etwa im Stich? Gerade jetzt, wo wir ihn fast hatten?"
Ein ohrenbetäubendes Krachen von zersplitterndem Holz vor ihm auf der Straße forderte Drogans Aufmerksamkeit. Sofort vergaß er sich bei dem Maultier zu beschweren. Staub und Holz flogen durch die Luft und hüllten ihn komplett ein. Kleine Blicklöcher entstanden langsam in der stauberfüllten Luft. Diese wurden immer größer bis sie die Umgebung dominierten und man wieder etwas erkennen konnte.
Der Zwerg, der völlig paniert auf dem Muli saß, schaute sich die Szene mit großen Augen an. Überall lagen Holzsplitter und Wagenteile rum. Mitten im Zentrum der Verwüstung stand ein Troll und blinzelte verwirrt.
"Hat sich jemand weh getan?", fragte der Troll, "Ich bin Wächter und kann helfen." Drogan schüttelte sich die Panade vom Körper und ging zu den Überresten des Wagens. Die beiden Zugpferde waren wohlauf. Sie hatten dem Hindernis noch rechtzeitig ausweichen können. Das eine Pferd war links und das andere rechts um den Troll gelaufen.
Die beiden jungen Männer lagen einige Meter weiter vorn schon auf dem Pseudopolisplatz. So wie es aussah, lebten sie noch, denn sie bewegten sich. Dennis kam angerannt und gesellte sich zu Drogan. Er deutete auf ein Stück Holz, was vor dem Troll lag und fing an zu lachen.
Es war das Stück auf dem stand "ICH BREMSE NICHT FÜR TROLLE". Jetzt musste auch Drogan lachen, er war froh, dass niemand zu schaden gekommen ist. Dennis klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter, "Ich sagte dir doch, dass der Spruch hirnrissig ist. Jetzt sollten das sogar die Jungs einsehen. Komm, lass uns mal sehen wen wir da haben."
Die beiden Wächter stiegen über die Überreste des Karrens. Angst, dass die beiden Männer weglaufen könnten, brauchten sie nicht zu haben. Nach dem Aufschlag war sicher das ein oder andere Bein bei gebrochen.
"So ihr hübschen, das wars dann wohl", sagte Dennis, als er sich vor den beiden aufbaute. Einer der beiden schaffte es dem Hauptgefreiten an zu sehen. Sein pickliges Gesicht war von Verachtung geprägt, "Pah, ihr Wächter hattet nur Glück."
"Ach ja? Wir hatten also Glück? Dann frage ich mich, wie wir euch auf die Schliche kommen konnten?", entgegnete Drogan.
"Ihr werdet schon sehen. Wir sind schneller wieder auf der Straße, als ihr glaubt und dann werden wir die Wagenrennen im großen Stil abhalten. Das was wir die letzten Tage gemacht haben, mit den Nackten Hintern und dem Ikonographen war alles noch zu Testzwecken." Der Junge zuckte zusammen als er das gesagt hatte. Der Aufprall musste doch härter gewesen sein als er dachte. Anders konnte er sich nicht erklären warum er den Wächtern gerade alles gestand. Vielleicht lag es auch einfach nur an seiner hochnäsigen Art. Dennis und Drogan wirkten sehr zufrieden als der Troll (bei dem es sich übrigens um Silicic gehandelt hatte) die beiden Männer ins Wachhaus mitnahm.

***


"Zwei Tage ist es her, dass wir den Fall erfolgreich abgeschlossen haben", sagte Atera zu den versammelten SEALS. "Die festgenommenen Jugendlichen haben gestanden. Sie haben sich mit der Technik der Ikonographen vertraut gemacht, um illegale Wagenrennen in unseren Straßen zu veranstalten. Sie werden die Konsequenzen tragen müssen. Ich danke allen, an der Operation, beteiligten Wächter. Auch dir Silicic, obwohl du nur zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort warst. Natürlich danke ich ganz besonders der Vorarbeit des Hauptgefreiten Dennis und dem Gefreiten Drogan, die diese Operation leiteten und überhaupt erst möglich gemacht haben. Ihr habt alle sehr gute Arbeit geleistet. Und jetzt ab in den Eimer, ich geb einen aus." Atera legte ihre Hand auf Drogans Schulter, "Warte Drogan, ich möchte kurz mit dir reden."
Der Zwerg schluckte, hatte er etwas falsch gemacht? Hatte er sich falsch verhalten? Sie gingen in Ateras Büro.
"Setz dich Drogan. Also erst mal, gute Arbeit. Du hast deinen ersten Fall bei den SEALS hinter dich gebracht und dich gut in dem Trupp eingegliedert. Ich wollte allerdings wegen etwas anderem mit dir reden. Es geht um das Maultier." Drogan ließ das Kinn auf seine Brust sinken und blickte zu Boden.
"Es tut mir Leid, Mä'äm, es wird nicht mehr vorkommen, dass ich mir ein Reittier borge ohne zu fragen." Atera setzte sich auf die Kante von ihrem Schreibtisch und lächelte.
"Das brauchst du auch nicht, das Maultier gehört ab sofort dir. Du kannst es also handhaben wie es dir gefällt."
Drogan schaute erstaunt auf, "Ist das dein Ernst, Mä'äm? Ich darf 58 behalten?"
"58?! Seltsamer Name und er erinnert mich an etwas, auch wenn ich nicht mehr weiß woran. Ja, das ist mein voller Ernst. Außerdem bist du anscheinend eh der Einzige, der das Maultier ohne getreten und gebissen zu werden anfassen kann. Wie auch immer du das gemacht hast, er gehört dir. Und jetzt lass uns den anderen im Eimer Gesellschaft leisten."

ENDE


[1] laut Schnapper

Zählt als Patch-Mission.



Für die Inhalte dieses Textes ist/sind alleine der/die Autor/en verantwortlich. Webmaster und Co-Webmaster behalten sich das Recht vor, inhaltlich fragwürdige Texte ersatzlos von der Homepage zu entfernen.

Feedback:

Die Stadtwache von Ankh-Morpork ist eine nicht-kommerzielle Fan-Aktivität. Technische Realisierung: Stadtwache.net 1999-2024 Impressum | Nutzungsbedingugnen | Datenschutzerklärung