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Auf dem heutigen Ausbildungsplan steht "Das richtige Auftreten". Um sich gegen einen waschechten Bürger von Ankh-Morpork zu behaupten, muss man schon ein festes Auftreten haben. (Für Trolle:) Damit ist nicht gemeint wie kräftig du mit dem Fuß aufstampfen kannst.
Dafür vergebene Note: 12
Hätte er gewusst, was auf ihn zukam, als seine Ausbilderin Kanndra ihn zum Kontaktpflegedienst in der Nachbarschaft der Schimmerstraße einteilte, so hätte Raoul Klopfer diese Gelegenheit genutzt, um am Begräbnis seiner Großmutter teilzunehmen. Da seine Großmutter ebenso wie all seine anderen Verwandten sehr, sehr weit weg lebte, hätte er sicherlich mehrere Wochen Urlaub erhalten.
Doch leider hatte er nicht gewusst, was es mit dem Dienst als Kontaktpfleger auf sich hatte, und so kam es, dass er nun schon den vierten Tag in stickigen, düsteren und mit allem möglichen Kram vollgestopften Wohnungen alter Damen verbracht hatte, den ganzen Tag lang genötigt worden war, Kaffee und Tee in sich hineinzuschütten und bröselige Kekse (die später wie in Stein im Magen lagen) und matschigen Apfelkuchen herunterzuwürgen, zwielichtige und hinterhältige Haustiere zu streicheln (und anschließend hingebungsvoll an seinem Finger zu saugen) und dabei möglichst verständnisvoll diversen Verdächtigungen unliebsamer Nachbarn zu lauschen.
Frau A. Ich-habe-es-doch-gleich-gesagt Zimperlich war ein besonderes Exemplar der Gattung alte Damen. Raoul hatte in den vergangenen Tagen schon beinahe so etwas wie eine Phobie entwickelt, aber so sehr sich auch bemühte sich vor ihr zu verstecken, sie erspähte ihn immer. Es kam ihm sogar so vor, als würde den ganzen Tag damit verbringen, hinter ihrer Gardine zu sitzen und nach ihm Ausschau zu halten, um ihn dann dazu zu nötigen in ihre Wohnung zu kommen. Aber das war sicher nur so eine verrückte Vorstellung von ihm, die von Verstopfung und permanentem Harndrang herrührte, denn wer würde schon so seine Tage verbringen wollen?
Ein neuer Tag begann... und schritt fort. Der Vormittag war fast vorbei und Raoul Klopfer hatte sich immer noch nicht entschließen können die Wachstube zu verlassen und seinen Dienst anzutreten. Während also noch unschlüssig in Aufenthaltsraum herumsaß, öffnete sich die Tür und eine energische kleine Person stürmte herein. Raoul versuchte halbherzig, sich unter den Tisch zu verstecken aber Frau A. Ich-habe-es-doch-gleich-gesagt Zimperlich hatte ihn bereits ausgemacht.
"Sie habe ich gesucht, junger Mann!"
"Tatsächlich?" Raoul lächelte verzweifelt und sah sich hilfesuchend nach seinen Mitrekruten um, aber diese blickten nur zur Decke oder waren auf einmal sehr mit ihren diversen Schreibarbeiten beschäftigt. Frau Zimperlich hakte sich bei ihm unter und umschloss dabei seinen Arm wie ein Schraubstock. "Sie müssen sofort mit mir kommen junger Mann!"
Raoul blickte sich noch ein letztes Mal bettelnd über die Schulter, bevor er von Frau Zimperlich hinausgezerrt wurde.
Den ganzen Weg die Ankertaustraße hinunter redete Sie auf ihn ein: "Das alles liegt nur daran dass so viele fremde Leute in diesem Stadtteil wohnen früher wäre das nicht passiert, da kannte man sich hier gegenseitig doch heute weiß ich nicht einmal mehr wer mit mir in einem Haus wohnt eine Schande ist das ...."
Das klang nun durchaus vertraut in Raouls kontaktgepflegten Ohren, anscheinend war die Tatsache des generationsbedingten Zuzugs und Wegzugs das weitaus schwerwiegenste Verbrechen, was in diesem Stadtviertel nun schon seit Jahren wütete.
"Äh .... tatsächlich?" Etwas anderes fiel ihm wirklich nicht dazu ein.
"Aber dass es nun ausgerechnet die arme Elsa treffen muss. Eine Schande ist das! Und ihr armes Karlchen hat doch nun wirklich niemandem etwas zuleide getan."
"Karlchen?" Allmählich bekam Raoul ein schlechtes Gefühl bei der ganzen Angelegenheit.
"Seit ich mich erinnern kann saß Karlchen jeden Morgen auf der Türschwelle und hat mich freundlichst begrüßt wenn ich vom Bäcker nach Hause kam und bei Elsa vorbeischaute, er war wirklich wohlerzogen. Dass es so mit ihm enden muss, eine Schande ist das!"
Raoul lief es kalt über den Rücken. War hier tatsächlich ein Mord geschehen? Das war doch wohl eine Nummer zu groß für einen einfachen Rekruten. Doch da er nun schon mal unterwegs und schließlich der Kontaktpflegebereichsbeamte für diesen Stadtteil war (und zudem eh keine andere Wahl hatte, als hinter Frau zimperlich herzustolpern, wollte er nicht den plötzlichen Verlust seines rechten Arms riskieren), sollte er sich nun zunächst den Tatort ansehen und sich versichern, dass keine Gefahr mehr für die alten Damen bestand. Und dann würde er auf der Stelle Meldung machen und....
"Ich muss Sie bitten, dass sie mich schnellstmöglichst zum Tatort bringen, Frau Zimperlich!"
Sie war in der Lage ihn zunächst in ihre Wohnung zu verschleppen.
"Junger Mann, was denken Sie eigentlich, was ich hier mache? Ich habe nämlich auch noch etwas anderes zu tun, als ständig mit der Polizei zu sprechen, auch wenn ich weiß, wie wertvoll meine Hinweise für Sie sind!"
"Was zum Beispiel?" wollte Raoul wissen. Aber vorsichtshalber fragte er nicht laut.
Elsa Mohnzopf war von ihrem Äußeren das genaue Gegenteil von Frau Zimperlich. Während Frau Zimperlich spindeldürr war und den Eindruck erweckte, man hätte sie an ihrer Nase zum Trocknen aufgehängt, war Elsa Mohnzopf rund und rotbackig wie ein Apfel.
Doch nun strömten Tränen über ihre runden Wangen. Sie fiel Frau Zimperlich in die Arme und begann laut zu klagen: "Ich kann es immer noch nicht fassen! Da komme ich morgens aus der Türe und da liegt er stocksteif und kalt zwischen den Geranien! Nun liegt er in der Stube auf dem Küchentisch. Ich weiß nicht, was ich ohne mein armes Karlchen machen soll! Er war doch meine einzige Freude im Leben! Ich kann mich gar nicht mehr an das Leben vor meinem Karlchen erinnern!"
"Wie lange waren sie denn verheiratet, Frau Mohnzopf?" erkundigte sich Raoul, unsicher, wie er sich angesichts eines solchen Schicksalsschlages verhalten sollte.
Der gerade noch schmerzverzerrte Gesichtsausdruck von Elsa Mohnzopf wurde giftig. "Was soll denn die Frage, junger Mann?"
"Nun, ich dachte, Herr Mohnzopf..."
"Was hat denn mein verstorbener Ehemann damit zu tun?"
"Liegt er nicht da drinnen auf dem Küchentisch?"
"Mein Mann liegt seit zehn Jahren unter der Erde!"
"....und da drin ist ?"
"Karlchen, mein armer Kater!" Muss man Ihnen denn alles erklären?"
"Sie haben mich wegen einer toten Katze hierher geholt??!"
"Ja, junger Mann, wofür ist die Wache denn da?"
Raoul holte tief Luft und zählte langsam bis zehn. "Meine Damen, die Wache muss sich jeden Tag mit Verbrechen beschäftigen, die..." Raoul brach ab und schnappte nach Luft, als Frau Zimperlich ihm mit dem Zeigefinger in den Solarplexus stach. "Junger Mann, was hier stattgefunden hat, ist ein Verbrechen." Sie neigte sich vor und brachte ihr Gesicht so nahe an Raoul heran, dass er jede einzelne Krone in ihrem Mund auf ihren Karatwert hätte untersuchen können. "Karlchen wurde vergiftet, jawohl! Und wer sagt, dass wir nicht die nächsten sind?"
Dazu nickte Elsa Mohnzopf so heftig, dass Raoul befürchtete, ihr Dutt könne abfallen.
"Was gibt ihnen denn Anlass zu solch einer Verdächtigung?" fragte er unsicher.
Frau Zimperlich setzte eine Verschwörermiene auf und deutete zu einem Gemüseladen auf der anderen Straßenseite.
"Ich bin mir sicher, Herr Polenta hat etwas damit zu tun! Dieser Mann und seine Familie sind zu allem fähig."
Herr Polenta, der gerade mit dem Stapeln von Kisten beschäftigt war, setzte eine finstere Miene auf, als er die beiden Frauen und den Wächter sah, ließ die Kisten geräuschvoll zu Boden fallen, krempelte die Ärmel hoch und überquerte die Strasse.
"Sehen Sie, sehen Sie??!" Kreischte Frau Zimperlich, "jetzt will man uns sogar schon einschüchtern!!"
"Äh..." Raoul ahnte Schlimmes. Und er sollte recht behalten.
"Sie verbreiten schon wieder Lügen über mich und meine Familie? Mala Miseria!" polterte Herr Polenta, bei dem Trio eingetroffen.
"Ha! SIE haben mein Karlchen schon lange bedroht. "
"Weil der blöde Kater hat gemacht Haufen in mein Gemüse! Und hat getötet Papagei von meiner Frau! El cato katasthropho!"
"Herr?" Die leise Stimme ertönte direkt neben Raouls linker Schulter. Er wandte sich um und sah einen kleinen, buntgekleideten Mann mit langem Bart und einen grossen Bauchladen, der diverse Fläschchen und Tiegel enthielt. "Doctorus alchemicus Kwecksilber, mit Verlaub. Leiden Sie unter Haarausfall?"
"Was?"
"....unser armer Viwaldo, er wurde völlig zerrupft! Cata domestica killeria!"
"Das Vieh hat sowieso die Ruhe gestört mit seinem Geschrei! Wie ihre ganze Familie! Ständig feiern Sie Feste bis spät in die Nacht!"
"....Oder leiden Sie unter Hühneraugen?"
"Äh..."
"Sie nichts sagen über meine Familia!! La donna nerva insana!"
"Warzen, Gicht, Rheuma... kein Problem für Doktor Kwecksilber."
"Da hören sie, er hat mich bedroht! Und beleidigt, glaube ich!"
"Oder wünschen sie Schöne-Damen Augentropfen? Perfekte Sehkraft und glänzende Augen! Ihre Freundin wird sie lieben für dieses Geschenk!"
"Äh..."
"Ich möchte Anzeige erstatten gegen diesen Mann!"
"Oder wollen sie es sich noch einmal überlegen? Hier ist meine Karte..."
" Und ICH mich beschweren werde bei der Liga Ethnica gennua. Hat Polizei nix genug zu tun als anzustiften diesen Unsinn? Policia idiotica!"
"Äh ..."
"Lesen sie auch meinen Katalog mit dem neuesten Produkten! Ich stecke ihn hier in die Tasche ihrer Jacke..."
In diesem Moment kam einem Frau mit dichten schwarzen Locken, einer rotweisskarierten Schürze und hochgekrempelten Ärmeln, die kräftige mehlbestäubte Unterarme entblößten, aus dem Laden geschossen und mischte sich nun ebenfalls lautstark ins geschehen ein:
"MADONNA MIA! Miseria multa! Mala vita! La senjoras multa multa idiotica, via, via, weg weg!"
"Ha!" machte Frau Mohnzopf hämisch "lernen sie erst mal unsere Sprache, bevor sie mit mir reden!"
"Ich muss nix reden mit Ihnen, alte fette Hexe!" Offenbar war Frau Polenta sehr wohl des ankh-morporkianischen mächtig, wenn sie Wert darauf legte.
"Wen nennen sie hier eine Hexe, ausländische Ziege!!" Frau Mohnzopf kreischte jetzt ebenfalls.
"äh...."
"Wer beleidigt meine Frau!!?"
"Sie gehören nicht in unsere Strasse! Eine Schande ist das!"
"Das war ethnizistisch! Sie bekommen Schwierigkeiten! Desasta grandica!"
"Er bedroht mich schon wieder, haben Sie das gehört?!"
"MOMENT MAL. SEID ALLE MAL RUHIG!!"
Stille herrschte, und vier Gesichter sahen Raoul vorwurfsvoll an. Der Straßenhändler war verschwunden
"Sie müssen aber nicht gleich so schreien, junger Mann!"
Vorrübergehend wurden neue Zweckbündnisse gegen die Obrigkeit geschlossen.
"Das sein Ruhestörung grandiosa! Ich werde manchen Beschwerde bei ihrem Vorgesetzten!"
"Ich wollte nur zu bedenken geben...", beeilte sich Raoul verzweifelt zu sagen (bevor sich der versammelte bürgerliche Zorn auf ihn entlud), "dass wir für solche schweren Fälle von Katzenmord besondere ... Vorschriften haben! Wir müssen umfangreiche Untersuchungen einleiten, um den Täter zu überführen!"
Die alten Damen liebten solche Worte, das wusste er.
Frau Zimperlich blieb jedoch skeptisch. "Wieso Untersuchungen? Der Täter steht doch vor uns!"
" Das sein Behauptung infama! Ich werden machen Beschwerde bei...."
"Liebe Frau Zimperlich," beeilte sich Raoul zu sagen. "ich kann Ihnen versichern, wir werden sorgfältige Ermittlungen durchführen! Und wir werden den Schuldigen überführen! Doch dafür muss ich zunächst den Tatort auf Spuren untersuchen. Und die, äh, Leiche zu gründlichen Untersuchungen in das Labor des Wachhauses überführen."
"Die Polizei machen Spektakula grandiosa wegen blöder toter Katze." bemerkte Herr Polenta spöttisch. "Policia idiotica!"
Frau Zimperlich reckte die Brust vor "Ziehen SIE sich bloß warm an, wenn die Wahrheit erst mal heraus ist." drohte sie.
"Meine Damen... es ist viel zu tun! Führen sie mich zum Tatort, damit ich gleich mit den Ermittlungen beginnen kann!"
So hatte es angefangen. Jetzt saß Raoul im Büro seiner Vorgesetzten und hatte einiges zu erklären. Zum Beispiel folgendes:
"Was, Rekrut Klopfer, ist das?"
"Das ist eine Katze. Sie ist tot."
"Das sehe ich. Aber was tut sie hier?"
"Sie dient, äh, Ermittlungszwecken?" Raoul hatte sich angewöhnt, gegenüber seiner Vorgesetzten seine Aussagen immer in Frageform zu formulieren. So konnte man ihm schwerer einen Strick daraus drehen, dachte er.
"Rekrut Klopfer, hatte ich dich mit einer Ermittlung beauftragt?"
"Äh, nein, Ma'am?"
"Wenn ich mich recht erinnere, hatte ich dich beauftragt, in der Wilkommenseife Kontaktpflege zu betreiben. Mit den Bürgern zu sprechen, ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Nöte zu haben ezättera."
"Äh, ja, Ma'am?"
"Ich habe also keinerlei Ermittlungsauftrag erteilt."
"Nein, Ma'am?"
"WAS UM ALLES IN DER WELT TUT DANN DIESE KATZE HIER UND WAS HEISST ZU ERMITTLUNGSZWECKEN UND UNTERLASSE ZUKÜNFTIG DIE FRAGEZEICHEN AM ENDE DEINER ANTWORTEN, SONST STELLST DU DEMNÄCHST DEN LATRINEN FRAGEN, WÄHREND DU SIE TAGELANG PUTZT, REKRUT!"
Soviel also zu Raouls Strategie. Er holte tief Luft.
"Tatsächlich habe ich zur Beruhigung der Bürger Ermittlungen wegen dem Tode dieser Katze eingeleitet."
"Aha. Na, das erklärt alles."
"Wirklich?" Raoul hätte nicht geglaubt, so schnell vom Haken zu sein.
"Nun, eine klitzekleine Frage hätte ich da noch..."
"Ja Ma 'am (?) Oh, Mist..."
"Nächste Woche sind noch zwei Tage Latrinendienst frei. Wie schön, dass du dich freiwillig gemeldet hast, Raoul. Aber nun würde ich doch noch gerne wissen, wieso du diese Ermittlungen eingeleitet hast - abgesehen natürlich von der Tatsache, dass du als Rekrut dazu gar nicht berechtigt bist."
"Nun, es scheint, diese Katze wurde vergiftet und...."
"Im Ernst? Wie tragisch."
"Ja, eben, und die Besitzerin der Katze, Frau Mohnzopf, ist völlig von der Rolle deswegen, und...."
"Raoul, meine Geduld ist wirklich nicht besonders...."
"Und deswegen hat sich auch Frau Zimperlich, die beste Freundin von Frau Mohnzopf, in die Angelegenheit eingemischt...." Raoul stockte, denn seine Ausbilderin, die bisher mit hochrotem Kopf hinter ihrem Schreibtisch gestanden hatte, liess sich nun in den Sessel fallen und betrachtete ihn mit neuerwachtem Interesse.
"Fahr fort, Rekrut."
"Und sie verdächtigte Herrn Polenta, Ma'am! Und Frau Polenta kam aus dem Laden und schrie viele ausländische Worte."
"Benutzte sie zufällig den Ausdruck Madonna mia?"
"Ja, dass tat sie."
"Rekrut Klopfer, zur Verhinderung eines Nachbarschaftsstreites mit unabsehbaren Folgen befehle ich dir, sofort herauszubekommen, wer diese Katze getötet hat!"
"Aber eben sagten Sie noch, dass..."
"Rekrut, du musst immer als erstes die wesentlichen Fakten nennen, merk dir das!"
"Aber...."
"Und dass Frau Polenta 'Madonna mia' gesagt hat, IST eine dieser wesentlichen Fakten! Hast du eigentlich eine Vorstellung, wozu so ein Nachbarschaftsstreit führen kann?"
"Nein" gab der Icksianer zu, in dessen Heimat Nachbarn selten näher als auf zehn Kilometer aneinander herankamen.
"Sagen wir einmal so: wenn diese Stadt hundertmal niedergebrannt wurde, so war in neunzig Fällen ein Nachbarschaftstreit die Ursache."
"Oh."
"Eben."
"Wenn das so ist, dann sollte dieser Fall doch besser an erfahrene Ermittler übergeben werden.."
"Machst du Witze? Es geht hier um eine tote Katze! Soll ich damit allen Ernstes die anderen Abteilungen belästigen?"
"Aber ich denke, es geht um die Verhinderung eines wirklich gravierenden Sicherheitsrisikos, oder?"
"Rekrut, was habe ich über Sätze mit einem Fragezeichen am Ende gesagt?"
"Zu Befehl, Ma'am." Raoul gab sich geschlagen.
"Nun sei ein braver Rekrut und fang an zu ermitteln. Und nimm diese verdammte Katze mit!"
"Hallo, Raoul!" Steven Träumer, der frisch gebackene Gefreite, und Irma Baldrian kamen gutgelaunt zur Tür des Aufenthaltsraums hinein. Steven holte noch ein paar letzte Sachen aus seinem Spind bei GRUND, und Irma und er hatten sich auf dem Weg getroffen und etwas über ihre Ausbildung geplaudert. Als die beiden Wächter sahen, was Raoul vor sich auf dem Tisch liegen hatte, bleiben sie wir angewurzelt stehen.
"Darf ich dich fragen, was das ist?" erkundigte sich Steven schließlich.
"Eine tote Katze."
"Das sehe ich. Was tut sie hier?"
Raoul gewann den Eindruck einer gewissen Gleichförmigkeit der heutigen Dialoge. "Ich will herausfinden, wer oder was für ihren Tod verantwortlich ist."
Steven verdrehte die Augen. "Himmel, Raoul, du kannst dich nicht um alles kümmern."
"Kanndra hat's mir befohlen."
"Gib es zu, du hast ihr wieder rhetorische Fragen gestellt, oder?"
"Ahaha."
"Schon gut. Aber woher willst du wissen, dass diese Katze nicht einfach einen plötzlichen Alterstod gestorben ist? Sie sieht ...nun, schon etwas grau um die Schnurrhaare aus, wenn du verstehst, was ich meine."
"Karlchen befand sich in der Blüte seiner Jahre."
"Wer??"
"Karlchen. Der Kater. Es handelt sich hier um einen Kater."
"Einen unkastrierten Kater noch dazu, wie ich rieche."
"Hör mal - ich könnte etwas Unterstützung gebrauchen."
"Bei der Überführung einen Katzenmörders?" Steven zog die Augenbrauen hoch.
"Warum eigentlich nicht?" brummte Irma, die allseits bekannte Katzenliebhaberin.
"Du müsstest halb Ankh -Morpork verhaften."
Diese letzte Bemerkung trug Steven einen strafenden Blick von seinen Mitwächtern ein.
"ICH habe noch nie eine Katze getötet" bemerkte Raoul betont.
"Wie auch immer. Ich muss jetzt los zu meiner neuen Abteilung" Steven winkte den beiden Rekruten zu und verschwand. Während Raoul ihm griesgrämig hinterherblickte, zog Irma sich einen Stuhl heran.
"Weisst du was, diese Sache interessiert mich. Ich werde dich ein wenig unterstützen. Wenn ich du wäre, würde ich damit beginnen, diese Katze gründlich untersuchen zu lassen. Und ich wüsste auch schon den richtigen dafür. Da kann ich ein gutes Wort für dich einlegen. Hast du irgendwelche Hinweise, was diese Katze getan hat, bevor sie starb?"
Raoul sah Irma nachdenklich an
"Nein, aber du bringst mich da auf eine Idee... dazu brauch ich jemanden mit einer guten Nase- im wahrsten Sinne des Wortes. Und ich weiß auch schon, wer..."
Zwei Stunden und einige Überzeugungsversuche (lies: permanentes Belabern) später befanden sich zwei Rekruten und ein Ex- Rekrut, nämlich Weisshaar, auf dem Weg in die Schimmerstraße, wobei Raoul Klopfer forsch vorausging und sich bemühte, das Gemaule des Werwolfs zu überhören.
"....wenn ich es mir genau überlege, komme ich mir total bekloppt vor. Ich kann es nicht fassen, dass ich dies hier tue. Den Mörder einer Katze zu suchen. Meine Güte... das ist nicht nur bekloppt, das ist sogar schon beklopft."
"Das habe ich gehört, Weisshaar ." bemerkte Raoul vorwurfvoll.
"Irma sah den Werwolf strafend an. "Du kannst Katzen nicht leiden, oder?"
"Hey, das habe ich nie gesagt, ich meinte nur..."
"Verzeihung. Aber ich ..."
Das Gezänk erstarb, als sie in die Schimmerstraße eingebogen waren. Totenstille umfing sie. Während Frau Zimperlich zwischen ihren Gardinen hindurch auf die Strasse spähte, stand Frau Mohnzopf in ihrem Vorgarten und hackte mit einer bedrohlich grossen Schere auf die Geranien ein. Sie beide starrten zu dem Gemüseladen hinüber, in dessen Eingang sich Frau Polenta aufgebaut hatte, das Nudelholz in der linken, und die zornigen Blicke hingebungsvoll erwiderte.
"Willkommen im Bärmuda-Dreieck des Schreckens", flüsterte Irma.
"Oh-oh" machte Weisshaar und wich einen Schritt zurück. "Leute, ich bin weg."
"Nix da." Raoul packte den Ex-Rekruten am Ärmel. "Um der alten Zeiten willen."
"Wenn ich mich nur an diese alten Zeiten erinnern könnte." brummelte der Werwolf, während Raoul ihn entschlossen zum Wohnhaus von Elsa Mohnzopf zerrte.
"Frau Mohnzopf", flötete er, "wir kommen noch einmal vorbei zwecks einiger Ermittlungen."
"Zu welchem Zweck? Haben sie nicht schon ausreichend Beweise gegen diese Subjekte?" wollte Frau Zimperlich wissen, die sich wie aus dem nichts neben Raoul zu materialisieren schien.
"Darüber dürfen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht sprechen." murmelte Raoul, und Irma grinste breit. "Wenn Sie uns jetzt bitte..."
"Ich habe noch ein Apfelkuchen im Haus, den könnte ich rasch aufwärmen."
Raoul stöhnte lautlos "Das wäre ganz wunderbar."
Weisshaar schnupperte währenddessen in dem kleinen Vorgarten und sah verwirrt aus. Irma trat zu ihm und versperrte dabei ganz zufällig den Blick für die neugierigen Nachbarn.
"Was meinst du, Weisshaar?"
"Ich meine, dass hier was seltsam ist. Der Körper der Katze lag hier, daran gibt es keinen Zweifel. Nur frage ich mich, wie sie dort hin kam. Es führt keine Duftspur in den Vorgarten hinein...."
Irma und Weisshaar sahen sich einen Moment lang nachdenklich an. Dann wanderten ihre Blicke zugleich nach oben zur Kante des Hausdaches einige Stockwerke entfernt....
Dass es ihnen tatsächlich gelang, ohne die beiden Damen auf das Hausdach zu gelangen erfüllte Raoul mit Stolz und dem Wissen, dass es ihm immer leichter fiel, mit dem Bürgern der Stadt umzugehen – er hatte die Tür zum Dach lediglich mit einem Holzbrett verbarrikadieren und sich nicht einmal zusätzlich dagegenstemmen müssen. Nun standen er und Irma also herum und beobachteten Weisshaar, der das Dach einer ausführlichen olfaktorischen Begutachtung unterzog.
"Dieser Kater konnte offensichtlich keinen Schritt geradeausgehen", bemerkte Weisshaar schliesslich, "Seine letzte Spur führ im Zickzack am Dachrand entlang - bis sie plötzlich endet. Damit will ich sagen, Karlchen ist einfach abgestürzt."
Raoul starrte. "War er betrunken?"
"Quatsch. Katzen werden höchstens von Baldrian high." warf Irma ein.
Weisshaar schüttelte den Kopf. " Dieser Kater war nicht high, er war eher verängstigt und hatte Schmerzen."
"War noch etwas oder jemand anderes zu diesem Zeitpunkt auf dem Dach?"
"Hier sind keine frischen Duftspuren. Hier war sicher nichts auf dem Dach- ausser vielleicht ein paar Tauben- welche einer Katze wohl kaum etwas antun würden - oder ein Wasserspeier, und die nehmen genausowenig Notiz von Katzen wie diese von ihnen - ist wohl ein gegenseitiger Pakt des sich Ignorierens."
"Und was zum Henker war dann los mit der Katze?" bemerkte Irma nachdenklich.
Nachdem sie eine Weile ratlos herumgestanden hatte, seufzte Raoul resigniert. "Hier oben werden wir das Rätsel auch nicht lösen. Vielen Dank für deine Hilfe, Weisshaar, aber ich denke, wir sollten uns jetzt alle möglichst unauffällig aus dem Staub machen..."
Leider war es dafür zu spät, denn Frau Mohnzopf, die Kaffee für die netten jungen Herren und die reizende junge Dame gemacht hatte, fing sie auf der Treppe ab.
Dienstschluss war schon lange vorbei, als Weisshaar, Irma und Raoul schwerfällig aus der Schimmerstraße heraus ... rollten.
"Nimm es mir nicht übel, Raoul, aber dafür schuldest du uns was. Ich habe sogar schon Zwergenbrot überlebt, aber dieser Kuchen...."
"Ja, ja, ich weiß. Ich habe lange genug Kontaktpflegedienst gemacht."
Irma verzog das Gesicht. "Erinnere mich dran, dass ich zu einer Beerdigung muss, sollte Kanndra jemals drauf kommen, mich für diese beknackte Kontaktpflege einzuteilen. Kommt ihr noch mit in den Eimer? Ich brauch ein Magenbitter."
"Ich auch."
"Vielleicht später. Danke nochmals." Raoul winkte den beiden zum Abschied, dann schlug er den Weg in die Kröselstrasse ein.
Er erwischte zu seiner Freude den Rekruten Igornitzschef noch, bevor dieser ging – denn dieser hatte auf Raouls bitte nach Dienstschluss den toten Kater gründlich in Augenschein genommen.
"Hey, Raoul, wegen deiner Katze: klarer Fall von Genickbruch. Aber andere Teile waren echt noch gut in Form. Wenn Frau Mohnzopf will , könnte ich...."
"Ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee wäre."
"Es war ja auch nur so ein Gedanke."
"Sonst nichts ungewöhnliches? Irgendwelche Spuren einer Vergiftung oder Krankheit?"
"Nun, ich habe keine umfangreichen Untersuchungen gemacht, aber es schien nichts darauf hinzudeuten."
"Ach so", murmelte Raoul enttäuscht. Die Lösung des Falls schien auf einmal um Jahrhunderte fortzurücken.
"Aber mit den Augen von der Katze stimmte was nicht."
Raoul starrte. "Was stimmte nicht mit ihren Augen?"
"Die Pupillen waren total unnatürlich geweitet. Das arme Vieh kann nicht mehr viel gesehen haben."
"Und wie kann das zustande gekommen sein?"
Igornitzschef zuckte die Achseln. "Wenn so etwas nicht völlig absurd wäre, würde ich sagen, jemand hat dem armen Kerl Belladonna-Tropfen in die Augen geträufelt- allerdings ziemlich schlecht zusammengemischte Tropfen. Du weißt, das Zeugs, was manche Frauen benützen, um attraktiver zu wirken."
Raoul stand einen Moment regungslos da, dann fiel er dem Igor spontan um den Hals- was bis dato noch niemand gewagt hatte. "Du hast mir wirklich sehr geholfen! Ich muss jetzt schnell los, zu einer Verabredung."
Und damit stürmte der Rekrut von dannen, ohne sich von dem Igor zurückhalten zu lassen. Igornitzschef sah ihm kopfschüttelnd nach. "Wenn er die Katze nicht bald wieder abholt, kann er was erleben!"
Doktor Kwecksilber wollte gerade sein Laboratorium in dem Keller eines Hinterhauses betreten, als ihn etwas am Kopf traf - eines seiner eigenen Augentropfen-Fläschen. Als er sich überrascht umsah, löste sich der Wächter aus dem Schatten. "Auch mal wieder da, Dr. Kwecksilber?"
"Ähm ... ich ... wasmachensiehierdasistprivatbesitz!"
"Nicht mehr. Die Alchemistengilde hat dieses Laboratorium bereits versiegelt. Unlizensierte Kosmetikherstellung, nicht besonders beliebt bei der Gilde. Außerdem haben Sie mir selbst Ihre Karte gegeben, werter Doktor. Die enthält zwar nicht diese Adresse, aber aufmerksame Nachbarn haben auch Vorteile – zumindest für uns Ermittler. Und ein Teil dieser Nachbarn war sehr froh, ihre Haustiere wiederzusehen –oder das, WAS VON IHNEN ÜBRIG IST!"
Raoul trat einen Schritt auf Herrn Kwecksilber zu, und dieser wich zurück und erbleichte, als er den Gesichtsausdruck des Rekruten sah. "Hör mal, junger Wächter, das machen alle Kosmetik-Hersteller so - okay, ich hätte mir meine eigenen Tiere anschaffen sollen, aber dafür hatte ich nicht genügend Kapital – und ich habe die Tiere immer wieder freigelassen!"
"Sofern sie noch laufen konnten."
"Mach hier nicht auf moralisch, Junge. Frag mal bei der Alchemistengilde nach. Die betreiben solche Tests mit Tieren in noch viel grösserem Stil. Da kann jemand wie ich nur von träumen."
"Tatsächlich? Zunächst sind sie erstmal festgenommen, wegen unlizensiertem Gewerbe und .... Eigentumsdelikten." Raoul fiel es sichtlich schwer, letzteres auszusprechen. "wenn sie mich nun bitte begleiten würden..."
Ein bestimmter Gedanke hatte Raoul nicht losgelassen, und so befand er sich jetzt, eine halbe Stunde später, nicht im Eimer, sondern wieder bei der Alchemistengilde und unterhielt sich im einem dürren, sehr zuvorkommenden Herrn. Er hätte seinen Bericht auch am nächsten Morgen schriftlich abliefern können, aber ein gewisses eigenes Interesse hatte er auch noch.
Der dürre Alchimist rieb sich die Hände. "Wirklich gut gemacht, Wächter! Ich muss mein schlechtes Bild von der Wache revidieren, nicht wahr? Denn diese unlizenzierten Kosmetikhersteller fügen unserer Gilde enormen schaden zu, nicht wahr? Aber nun ist ja alles wieder in bester Ordnung , nicht wahr?"
"Nun, ich hätte da noch eine Frage- rein interessehalber."
"Aber immer doch, nicht wahr?"
"Nun, die Kosmetikhersteller ihrer Gilde- wie testen die eigentlich ihre Produkte?"
"Oh, da müssen sie sich keine Sorgen machen, junger Herr! Alles aus unserem Haus kommt erst auf den Markt, wenn sich die Unschädlichkeit in unzähligen Versuchen erwiesen ist, nicht wahr? Wir haben jährlich ein Kontingent von etwas tausend Kaninchen , Katzen und ..."
"Moment mal- ihr macht Tierversuche?"
"Aber sicher doch, nicht wahr? Wir gewährleisten, dass unsere Produkte...."
"Und was ist mit den Tieren? Wer achtet auf deren Gesundheit?"
"Sie machen einen kleinen Scherz, Wächter, nicht wahr?"
"Nein, NICHT wahr."
Das Gesicht des Alchemisten wurde auf einmal sehr verschlossen. "Nun, ich danke der Wache nochmals für ihre Hilfe, nicht wahr? Und jetzt haben sie sicherlich noch irgendwo ein Verbrechen aufzuklären, davon passieren doch ständig welche, ahaha, nicht wahr?"
"Das stimmt in der Tat, nicht wahr?" knurrte Raoul.
"Auf Wiedersehen, hat mich sehr gefreut, nicht wahr?"
Damit schloss sich die schwere Gildentür vor Raouls Nase.
Der Schwung seines Zorns trug Raoul direkt in die Schimmerstraße, wo er auf Elsa Mohnzopf traf, die wissen wollte, wohin ihr Karlchen verschwunden war. Raoul sprach lange mit ihr, dann mit Frau Zimperlich, den Polentas, sowie allen anderen tierlieben Bewohnern des Viertels.
Es wurde ein langer, langer Abend.
Am nächsten morgen saß Kanndra an ihrem Schreibtisch und trommelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Holz. Sie musterte scharf ihren Rekruten, der atemlos zur Tür hineinstürmte, salutierte und Haltung annahm.
"Ma'am."
Kanndra stand auf und trat an Raoul heran, die Arme hinter dem Rücken verschränkt.
"Du bist spät dran, Rekrut."
"Ma'am."
"Und du siehst müde aus."
"Ma'am."
"Und du bist recht einsilbig."
"Ma'am (?)"
"Die Kontaktpflege scheint eine kraftraubende Aufgabe zu sein."
Raoul salutierte. "Ich kann vermelden, dass der Frieden in der Nachbarschaft in der Schimmerstraße wieder hergestellt ist, Ma'am."
"Oh, ja, das habe ich auch schon gehört. Angeblich sollen sich Frau Zimperlich, Frau Mohnzopf und Frau Polenta jetzt so nahe stehen, dass sie bereits gemeinsame Aktivitäten durchführen."
"Es freut mich, das zu hören, Ma'am."
"Derzeit beispielsweise demonstrieren sie vor der Alchemistengilde- gegen sogenannte Tierversuche."
"Ma'am." Raouls Blick klebte an einem imaginären Horizont fest.
"Die Alchimisten trauen sich nicht mehr hinaus und nicht mehr hinein. Sie haben FROG bereits alarmiert. Sie fürchten sich."
"Vor harmlosen alten Damen, Ma'am?"
"Stell dich nicht dumm, Rekrut."
"Verzeihung, Ma'am."
"Frau Zimperlich kann recht nachdrücklich sein, wie ich hörte."
"Dies trifft auch auf Frau Polenta zu, Ma'am. Und auch auf Frau Mohnzopf. Hat übrigens Herr Polenta bereits eine Beschwerde gegen irgendetwas eingelegt?"
"Höre ich da einen Hauch Schadenfreude, Rekrut?"
"Ma'am."
"Wie auch immer, Rekrut. Ich möchte bloß hoffen, dass die Wache mit dieser Angelegenheit nichts zu tun hat."
"Wie sollte jemand auf bloß auf diese Idee kommen, Ma'am." Raouls Stimme klang aufrichtig empört.
"Die Alchemistengilde hegt jedenfalls einen gewissen Verdacht."
"Völlig unverständlich, Ma'am"
"Ja, es ist mir auch ein Rätsel. Übrigens, die neugegründete Liga gegen Tierversuche hat auch ein Flugblatt herausgegeben." Kanndra nahm ein Blatt von ihrem Schreibtisch. "Es enthält die Behauptung, dass jährlich über tausend knuddelige Kaninchen, Katzen und andere Kleintiere für die Herstellung von Kosmetika - - - - - - - - - - - - - - - werden. Himmel, ist das blutrünstig."
"Es ist schon eine verdammte Ungerechtigkeit, Ma'am." Raoul fing einen langen Blick seiner Ausbilderin auf und fügte rasch hinzu: "Das ist natürlich nur meine private Meinung, Ma'am."
"Ach so?" Kanndra blickte wieder auf das Flugblatt. "'Steht auf gegen die verdammte Ungerechtigkeit', fordern die anonymen Verfasser dieses Textes, und 'keine Sorge Kumpel, auch du kannst etwas tun'. Eine ungewöhnliche Formulierung, oder?"
"Ma'am."
Kanndra musterte ihn einem Moment lang sehr eingehend. "Schon mal die Formulierung 'sehr dünnes Eis' gehört, KUMPEL?"
"Nein, tut mir leid, Ma'am. In XXXX ist es zu warm für so etwas, Ma'am."
"Ich weiß nicht, ob mir deine rhetorischen Fragen nicht lieber waren, als wenn du dich blöd stellst, Rekrut Klopfer." brummte Kanndra. "Ich wünsche auf jeden Fall eine sofortige Beendigung des Kontaktpflegedienstes- zumindest für eine Weile."
"Ma'am."
"Ich hoffe, du widmest den Latrinen dieselbe Aufmerksamkeit wie den Katzen und den knuddeligen Kaninchen, Rekrut."
"Das würde ich gerne tun, Ma'am, aber ich muss um einen freien Tag bitten."
Kanndra atmete tief ein und schloss die Augen. "Und warum, wenn ich fragen darf?"
"Ich muss zu einer Beerdigung, Ma'am."
"Ja, klar. Und wer ist es diesmal?"
"Karlchen. Der Kater von Frau Mohnzopf, Ma'am."
Für einen Augenblick zuckte es in Kanndras Gesicht. "Weil ich heute meinen freundlichen Tag habe - es sei dir gewährt, Rekrut. Schliesslich laufen die Latrinen nicht weg."
Sie liess sich an ihrem Schreibtisch nieder und massierte sich die Stirn. "Wegtreten."
"Verzeihung, Ma'am?"
"Was denn noch?"
"Die Liga gegen Tierversuche ist auf der Suche nach Spenden – habe ich gehört. Vielleicht wollen Sie ja auch ...."
"Hinaus, Rekrut."
"Eine Spendendose steht im GRUND - Aufenthaltsraum, Ma'am."
"Was habe ich gerade über sehr dünnes Eis gesagt?"
Raoul salutierte. "Ma'am!"
Dann ging er - sehr schnell, vorsichtshalber.
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